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Geschichte im Fragment - Augustana-Hochschule Neuendettelsau

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gegenwärtigen Lebens“ mit dem „Begriff einer Zwischenzeit nach der Prognose des<br />

Schl<strong>im</strong>msten und vor der Verifikation der Prognose durch das Wirkliche“. Folglich<br />

möchte er für die gegenwärtige Zeit auch den Begriff „Frist“ verwenden. 12<br />

Diese unterschiedlichen Redeweisen vom Ende der <strong>Geschichte</strong> will ich nun etwas genauer<br />

betrachten. Das läßt sich sinnvollerweise in zwei Hinsichten unternehmen. Zum<br />

einen <strong>im</strong> Blick auf die Gründe, die zum Gedanken eines Endes der <strong>Geschichte</strong> führen,<br />

zum anderen <strong>im</strong> Blick auf das <strong>im</strong>plizierte Verständnis von <strong>Geschichte</strong>. Auf letzteres<br />

werde ich weiter unten eingehen Zunächst zu den Gründen.<br />

Offensichtlich sind die Gründe, die zum Gedanken eines Endes der <strong>Geschichte</strong> führen,<br />

in geschichtlichen Ereignissen, Tendenzen und Erfahrungen zu finden. So bezieht sich<br />

Fukuyama auf das geschichtliche Ende der sozialistischen Gesellschaften am Ende der<br />

80er Jahre des 20. Jahrhunderts, Galeano auf die Fortschreibung der Unterdrückung der<br />

lateinamerikanischen Völker durch die Jahrhunderte. Gehlen sieht in der allumfassenden<br />

Medien- und Informationsgesellschaft und den sie best<strong>im</strong>menden westlich-europäischen<br />

Ideologien den abgeschlossenen Horizont von Sinn und Identität. Baudrillard schließt<br />

aus detaillierten Beobachtungen und Analysen auf die Auflösung von Sinnbest<strong>im</strong>mung<br />

in der <strong>Geschichte</strong>. Und Sloterdijk begründet mit den sich vollziehenden, prognostizierten<br />

oder absehbaren ökologischen und ökonomischen Katastrophen das Recht der<br />

Vorsilbe „nach“. Der Anlaß für die Rede vom „Ende der <strong>Geschichte</strong>“ bzw., allgemeiner<br />

gefaßt, für „eschatologische Diskussionen und Spekulationen“ scheint in gesellschaftlichen<br />

Umbruchsituationen gegeben zu sein. 13<br />

Das „Ende der <strong>Geschichte</strong>“ läßt sich also recht unterschiedlich begründen. Einmal mit<br />

dem Sieg eines ideologischen Großkonzeptes über ein anderes, also mit der totalen<br />

Durchsetzung einer „großen Erzählung“. 14 Damit verbinden sich, wie bei Fukuyama,<br />

positive Wertungen. Dann – geradezu entgegengesetzt – mit dem Sich-Verflüchtigen<br />

jeglicher historischer Sinnzusammenhänge; <strong>Geschichte</strong> wird gleichsam sinnlos. Und<br />

schließlich mit einem abgeschlossenen Horizont von Möglichkeiten, der nur in seinem<br />

Rahmen Vielfalt und Alternativen möglich sein läßt.<br />

2 Ein Systematisierungsversuch<br />

Diese Begründungen lassen sich auf drei Ebenen einordnen. Die Rede vom Ende der<br />

<strong>Geschichte</strong> besitzt gleichsam drei D<strong>im</strong>ensionen: eine geschichtsphilosophische, eine<br />

erkenntniskritische und schließlich eine pragmatische. Bringt man weiter die skizzierten<br />

Redeformen auf den Begriff, lassen sich drei solcher Formen unterscheiden. Das Ende<br />

der <strong>Geschichte</strong> wird beschrieben als Vollendung, als Abbruch und als Frist. Zur besseren<br />

Handhabung dieser Formen wollen wir die Formen nun typisiert nebeneinanderstellen.<br />

12 Sloterdijk, Eurotaoismus 276.<br />

13 Vgl. Rotermundt, Ende 5.<br />

14 Eine Analyse über Bedeutung und Ende von „großen Erzählungen“ bietet Jean-François Lyotard, Das<br />

postmoderne Wissen, Wien 1986.<br />

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