02.12.2012 Aufrufe

Geschichte im Fragment - Augustana-Hochschule Neuendettelsau

Geschichte im Fragment - Augustana-Hochschule Neuendettelsau

Geschichte im Fragment - Augustana-Hochschule Neuendettelsau

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Exkurs: Zur Rede vom „Ende der <strong>Geschichte</strong>“<br />

Erwartet euch nicht zuviel vom Weltuntergang.<br />

Stanislav Jerzy Lec<br />

Die Vorstellung von einem „Ende“ der <strong>Geschichte</strong> begleitet das Denken der <strong>Geschichte</strong><br />

in neuerer Zeit. 1 Am Beginn dieses Exkurses sollen Beobachtungen zur gegenwärtigen<br />

Redeweise vom „Ende der <strong>Geschichte</strong>“ stehen (1). Daran schließt sich der Versuch einer<br />

Systematisierung der Rede vom Ende der <strong>Geschichte</strong> an (2). In einem dritten Schritt soll<br />

die mögliche Bedeutung der Rede vom Ende der <strong>Geschichte</strong> herausgearbeitet werden<br />

(3).<br />

1 Beobachtungen zur Rede vom „Ende der <strong>Geschichte</strong>“<br />

Ich beginne mit einigen Beobachtungen zum erneuten Auftauchen der Redeweise vom<br />

„Ende der <strong>Geschichte</strong>“. 2 Im Sommer 1989 erschien in der Zeitschrift The National Interest<br />

ein Essay von Francis Fukuyama mit dem Titel „The End of History?“. Die dann<br />

in deutscher Sprache erschienene und erweiterte Fassung verzichtet auf dieses Fragezeichen.<br />

3 Das Ende der <strong>Geschichte</strong> stellt sich für Fukuyama folgendermaßen dar: Der Zusammenbruch<br />

der sozialistischen Gesellschaften markiert den Höhepunkt eines weltgeschichtlichen<br />

Prozesses, dessen Ziel es ist, daß die liberale Demokratie und die Marktwirtschaft<br />

den Endpunkt der ideologischen Evolution und die endgültige menschliche<br />

Wirtschafts- und Regierungsform darstellen. 4<br />

Die Kehrseite dieses Endes der <strong>Geschichte</strong> beschreibt Eduardo Galeano. 5 Am Beispiel<br />

Lateinamerikas zeigt er, in welche Verzweiflung das Ende der <strong>Geschichte</strong> diejenigen<br />

stürzen muß, die sich nur von der Zukunft noch etwas erwarten konnten. Denn wenn das<br />

Ende der <strong>Geschichte</strong> erreicht ist, dann muß die Zukunft Gegenwart sein. Für diejenigen,<br />

1 Zur <strong>Geschichte</strong> des Topos „Ende der <strong>Geschichte</strong>“ vgl. Rainer Rotermundt, Jedes Ende ist ein Anfang.<br />

Auffassungen vom Ende der <strong>Geschichte</strong>, Darmstadt 1994. „Ende der <strong>Geschichte</strong>“ wird dabei<br />

<strong>im</strong>manent verstanden und ist tunlichst zu unterscheiden von religiös motivierten Endzeiterwartungen;<br />

vgl. Rotermundt, Ende 2f.<br />

2 Vgl. zum Folgenden auch Karl F. Gr<strong>im</strong>mer, Nach dem Ende der <strong>Geschichte</strong> – die Nachgeschichte,<br />

in: Hans Jürgen Luibl (Hg.), Spurensuche <strong>im</strong> Grenzland. Postmoderne Theorien und protestantische<br />

Theologie, Wien 1996, 201–220, sowie Ernst Friedauer, Ende der <strong>Geschichte</strong>, in: Luibl (Hg.), Spurensuche<br />

177–199.<br />

3 Der Aufsatz erschien in deutscher Sprache unter dem Titel „Das Ende der <strong>Geschichte</strong>?“ in: Europäische<br />

Rundschau 4/1989, 3ff; mit ausgeweiteter Argumentation dann als Buch: Das Ende der <strong>Geschichte</strong>.<br />

Wo stehen wir?, München 1992; das amerikanische Original unter dem Titel „The End of<br />

History and the Last Man“ (1992). Zur Diskussion um Fukuyamas Thesen vgl. Perry Anderson, Zum<br />

Ende der <strong>Geschichte</strong>, Berlin 1993, 11ff sowie vor allem 96ff; Mihály Vajda, Ende der <strong>Geschichte</strong><br />

oder Wiederkehr der <strong>Geschichte</strong>?, in: NHP 34/1993, 18–41, dessen Kritik vor allem darin besteht,<br />

daß Fukuyama „praktisch mit gar keinen anderen Kulturen rechnet als den europäischen und auch innerhalb<br />

der sog. europäischen Kultur keine Unterschiede erkennen will“ (19, <strong>im</strong> Orig. kursiv).<br />

4 Daß Fukuyama dabei ein teleologisches Geschichtsbild anwendet, wie die seiner Meinung nach endgültig<br />

aus der <strong>Geschichte</strong> verschwundene Ideologie des Sozialismus, ficht ihn dabei kaum an.<br />

5 Morgen ist nicht heute, die tageszeitung, Berlin, vom 15.2.1991.<br />

127

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!