Geschichte im Fragment - Augustana-Hochschule Neuendettelsau
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menalismus als Varianten des radikalen Programms des Empirismus, eine vollständige,<br />
bruchlose Übersetzung der Wissenschaftssprache in ein Beobachtungs-Vokabular zu erreichen.<br />
Danto setzt dagegen: „Man hat nur vermittels einer Schlußfolgerung Zugang<br />
zur Vergangenheit, und solche Rückschlüsse zu ziehen, erfordert (oder setzt voraus)<br />
gewisse theoretische Sätze – seien diese nun explizit gemacht oder nicht –, die das Gegenwärtig-Evidente<br />
mit der vergangenen Tatsache verknüpfen“ (165). Um <strong>Geschichte</strong><br />
zu begreifen sind „umgreifende Hypothesen“ nötig.<br />
Der Historiker kann als jemand betrachtet werden, der nicht eine Landschaft aus Ereignissen<br />
der Vergangenheit schafft, sondern der Darstellungen vergangener Ereignisse<br />
testet. Dinge sind dann für ihn „Urkunde für“. „Ist eine Urkunde“ aber ist ein relationales<br />
Prädikat. Und das eine seiner Relata muß eine Theorie, ein Vorurteil oder ein<br />
Vorverständnis sein. Andererseits hängt jede moralische Bewertung von Ereignissen<br />
von den vorausgesetzten Tatsachen ab.<br />
Kriterien für die Zulässigkeit geschichtlicher Zeugnisse führen aber kaum weiter. Es gibt keine Kriterien,<br />
mit denen gewisse Berichte als unmöglich ausgeschieden werden können (175). Auch Wunder sind logisch<br />
möglich. Ein Begriff empirischer Unmöglichkeit, der besagen würde, daß wir das Übereinst<strong>im</strong>men<br />
mit der gegenwärtigen Erfahrung als Kriterium für die empirische Möglichkeit verwenden, bringt auch<br />
keine Lösung. Denn es ist „nicht jeder mögliche Bericht zugleich wahr, noch ist – wenn man mir diese<br />
Plattheit auszusprechen gestattet – jedes mögliche Ereignis auch wirklich“ (175). Historiker mit gemeinsamen<br />
Zulässigkeitskriterien können gegensätzliche Darstellungen eines Ereignisses geben, und beide<br />
können glaubhaft sein. Gewisse Darstellungen müssen als mögliche konstruiert werden. Von daher gibt es<br />
einen gewissen Relativismus aufgrund unterschiedlicher Reihen von Grundkonzepten.<br />
Danto vertritt nun in seiner Analyse die Auffassung, daß auf die Grundvoraussetzungen<br />
hin eine Perspektivität oder Relativität gegeben ist. Hinsichtlich der Annehmbarkeit<br />
oder Unmöglichkeit historischer Aussagen kann es nach Danto keine echten Meinungsverschiedenheiten<br />
geben. „Denn entweder ist ihnen [den Historikern, KFG] dieselbe<br />
Reihe von Grundvoraussetzungen gemeinschaftlich und sie können folglich nicht entgegengesetzter<br />
Meinung sein, oder sie gehen von verschiedenen Voraussetzungen aus, in<br />
welchem Falle es ebenfalls keine echte Differenz in ihren Auffassungen geben kann. Sie<br />
könnten nicht wirklich abweichender Meinung sein, weil sie darin übereinkommen<br />
müssen, daß ein kontroverser Satz jeweils annehmbar zu den Grundvoraussetzungen des<br />
einen und unmöglich relativ zu den Voraussetzungen des anderen ist“ (178). Echte Divergenzen<br />
kann es nur geben auf dem Boden gemeinsamer Grundvoraussetzungen.<br />
Er unterscheidet drei Ebenen möglicher Meinungsverschiedenheit, nämlich unterschiedliche Auffassungen<br />
über historische Aussagen, über Voraussetzungen und über Kriterien. Die möglichen unterschiedlichen<br />
Auffassungen sollen den Skeptizismus stützen. Danto zeigt nun, daß unterschiedliche Auffassungen über<br />
Aussagen annehmbar sind, denn es ist lediglich die Frage, ob diese Auffassungen wahr oder falsch sind,<br />
wenn die gleichen Voraussetzungen gemacht werden. Mit dieser Klasse von Aussagen läßt sich der historische<br />
Skeptizismus also nicht stützen.<br />
Auch unterschiedliche Auffassungen <strong>im</strong> Blick auf die Voraussetzungen lassen sich nicht für den Skeptizismus<br />
verwenden, denn die Akzeptabilität von Voraussetzungen bei gemeinsamen Kriterien stellt die<br />
Aussagen nicht in Frage.<br />
Bleibt also die Klasse der Kriterien. Und da gibt es nach Danto keine letzten Kriterien. Die Grundentscheidungen<br />
sind willkürlich. Aber auch das ergibt kein Argument für den historischen Skeptizismus, weil<br />
die Willkürlichkeit hinsichtlich der Grundentscheidungen bei allen kognitiven Unternehmen willkürlich<br />
ist. „<strong>Geschichte</strong> unterliegt nicht mehr und nicht weniger relativistischen Faktoren als die Naturwissen-<br />
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