Geschichte im Fragment - Augustana-Hochschule Neuendettelsau
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6.2.2.1.3 Zur Existenz von Vergangenem<br />
In einem zweiten Schritt denkt Danto über die Möglichkeit der Existenz von Vergangenem<br />
nach. Vielleicht, so die These, gibt es nichts, was die Aussagen über die Vergangenheit<br />
zum Inhalt haben oder gehabt haben könnten. Logisch wäre es möglich, daß<br />
die Welt erst vor fünf Minuten geschaffen wurde, inklusive aller Erinnerungen. Es gäbe<br />
in Aussagen, die vorgeblich Vergangenes beinhalten, nichts, worauf sie sich beziehen<br />
könnten. Alle derartigen Aussagen wären dann entweder falsch (Russell), oder die Frage<br />
nach wahr und falsch würde sich gar nicht erst stellen (Strawson). Die Argumentation<br />
wäre weniger streng als bei Argument (1), denn es gäbe <strong>im</strong>merhin einige wahre Aussagen<br />
über die Vergangenheit. Es schließt wahre Aussagen über die Vergangenheit nicht<br />
aus, sagt aber, daß wir über die Wahrheit nicht entscheiden können. Das macht <strong>im</strong> Effekt<br />
das gleiche aus wie die Skepsis gegenüber p und nicht-p.<br />
Danto wendet sich hier gegen Skeptiker, die die Möglichkeit einer Vergangenheit, auf<br />
die sich Sätze beziehen könnten, überhaupt bestreiten. Er geht dabei davon aus, daß<br />
Wahrheit zu tun hat mit dem Verhältnis zwischen Sätzen und ihrer Beziehung auf das,<br />
worüber sie etwas aussagen. Er wendet also das Korrespondenzkriterium der Wahrheit<br />
an. Dabei sind nicht die Regeln der Sprache strittig, sondern die Regeln der Beziehung.<br />
Auch eine fiktive Welt ist in sich st<strong>im</strong>mig; die Vergangenheit kann eingelegt sein in<br />
diese fiktive Welt. Analog ist auch die Vorstellung zu konstruieren, daß es die Möglichkeit<br />
einer Zukunft nicht gibt. 22<br />
Danto sieht in der Beziehung Vergangenheit – Zukunft Asymmetrien und Dissonanzen. Er unterscheidet<br />
drei Klassen von Ausdrücken und Begriffen. Ein vergangenheits-bezogener Begriff ist einer, „dessen<br />
richtige Anwendung auf ein gegenwärtiges Objekt oder Ereignis logisch eine Beziehung zu irgendeinem<br />
zeitlich früheren Objekt oder Ereignis einschließt, das in einem kausalen Verhältnis zu dem Objekt stehen<br />
kann oder auch nicht, auf welches der Begriff zur Anwendung kommt“ (121). Ein tempusneutraler Begriffe<br />
„stellt, wenn er auf ein gegenwärtiges Objekt bezogen wird, kein Verhältnis zu zeitlich früheren<br />
Objekten oder Ereignissen her“ (121). Zukunfts-bezogene Begriffe läßt er hier außer Acht.<br />
Aus der Möglichkeit der Vergangenheitslosigkeit kann man aber nicht darauf schließen, daß alle Aussagen,<br />
die sich auf Vergangenes richten, durchweg falsch sind. „Unsere beiden Begriffsgruppen sind zusammengesetzt<br />
aus extensional äquivalenten Paaren, insofern jeder Term in dem einen Paar genau dasselbe<br />
Objekt bezeichnet wie der andere Term in jenem Paar. Doch das eine Glied eines jeden Paares setzt<br />
für seine Anwendbarkeit irgendeine Tatsache über die Vergangenheit voraus“ (126).<br />
Im Blick auf zukunfts-bezogene Prädikate fällt sogleich die Schwierigkeit ins Auge, „wie schwer es ist,<br />
irgendwelche natürlichen Beispiele zu finden, wenn wir mit einem derartigen Prädikat ein solches meinen,<br />
das sich auf ein zukünftiges Ereignis oder Objekt bezieht, und zwar als einer Bedingung der Anwendung<br />
auf ein gegenwärtiges Objekt oder Ereignis“ (127). Am Beispiel „Vater“ wird deutlich, daß dieses Prädikat<br />
dennoch angewendet wird und angewendet werden kann. Denn es ist gar nicht erforderlich, daß er<br />
später wirklicher Vater wird. „Sein Titel als zukünftiger Vater ist logisch nicht abhängig von demjenigen,<br />
was die Zukunft bringen wird.“ Mehr noch, die Erwartung oder Prädikation „basiert auf Kausalgesetzen,<br />
die sich manifestiert haben, gültig gewesen sind“ (128). Zukunfts-bezogene Prädikate lassen sich also, so<br />
scheint es, „zumeist in eine vergangenheits-bezogene oder tempus-neutrale Sprache“ übersetzen; und deren<br />
Anwendung auf gegenwärtige Individuen erfordert keineswegs das Eintreten irgendwelcher späterer<br />
Ereignisse.<br />
22 Hier wäre aber zu fragen, wer die vorausgesetzte vorhandene Welt vernichtet; am Da-Sein kann<br />
letztlich ja wohl kaum gezweifelt werden, auch wenn die Vergangenheit hinweggedacht werden kann.<br />
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