Geschichte im Fragment - Augustana-Hochschule Neuendettelsau

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02.12.2012 Aufrufe

gangenheit ist nun nicht nur eine Aussage über die Erfahrungen, die man machen wird auf der Suche nach Beweisen für ein Ereignis der Vergangenheit, sondern eine Aussage über dieses Ereignis – mindestens, daß es stattgefunden hat. Danto geht weiter davon aus, daß sich die Bedeutung eines Satzes ändert, wenn wir diesen Satz verifizieren. Wenn jemand die vorhergesagte Erfahrung gemacht hat, dann kann er diese Erfahrung nicht mehr machen. Bedeutung haben Aussagen über die Vergangenheit, weil sie sich auf etwas richten. Danto führt die verschiedenen Bedeutungswechsel am Beispiel des Satzes „Cäsar ist im Jahre 44 v.u.Z. gestorben“ durch. Bedeutung erlangt dieser Satz, unabhängig von der Zeitform, durch die Erfahrungen, die ich mit diesem Satz machen werde, gemacht habe, mache, oder das alles im Konjunktiv. Danto weist nun nach, daß der Bezug auf Ereignisse nicht möglich ist, sondern nur auf damit zusammenhängende Erfahrungen. Eine zeitabhängige Aussage richtet sich „auf ein Ereignis, nicht jedoch auf ein vergangenes Ereignis. Denn Vergangensein ist keine Eigenschaft von Ereignissen, sondern ein Verhältnis, in dem Ereignisse eine Seite einnehmen mögen. Der tatsächliche Inhalt solcher Sätze hat Beziehungen auf Ereignisse und auf absolute Eigenschaften von Ereignissen“ (94). Zeitliche Prädikate sind ähnlicher Art wie räumliche; ein „neben“ gibt es nicht an sich. Eine Tür kann sowohl „links neben“ als auch „rechts neben“ sein, ohne daß damit ein Widerspruch impliziert sein müßte. Kaum allerdings können gleichermaßen die Prädikationen „Die Tür ist aus Holz“ und die „Tür ist aus Metall“ zutreffen. Zeitabhängige Sätze lassen sich in zwei voneinander unterschiedene Komponenten zerlegen, „deren jede eine eigene Information vermittelt; wobei die eine mit einem Ereignis zu tun hat und die andere mit dem Verhältnis zwischen einem Ereignis und der Zeit, zu der eine Aussage gemacht wird“ (95). 6.2.2.1.2 Zur Wahrheit temporaler Sätze Im Blick auf diese Unterscheidung stellt Danto nun die Frage nach der Wahrheit. Ein in Zeitform gebrachter Indikativsatz scheint Danto als eine „wahrheits-funktionale Verbindung logisch unterschiedener Aussagen“ analysierbar zu sein, „wobei die Verbindung als solche durch bloßen grammatikalischen Zufall verdunkelt wird. Das eine der Relata (A) sagt etwas über ein Ereignis E aus, und das andere Konjunkt (B) enthält eine Aussage über die zeitliche Stellung des Sprechenden relativ zu E“ (96f). Aus wahrheitslogischen Erwägungen scheint es möglich, daß die Wahrheit oder Falschheit des einen Elements die des anderen nicht berührt. Andererseits hat die „Wahrheit oder Falschheit der Relata mit der Wahrheit oder Falschheit der Verbindung selbst, als ganzes genommen, zu tun: Dies folgt aus der von uns gemachten Annahme, daß ein in Zeitform stehender Indikativ eine verdeckte wahrheitsfunktionale Relation sei. Insbesondere wird die Konjunktion dann falsch sein, wenn das eine oder beide Verbundenen falsch sind. In diesem Fall folgt daraus ganz natürlich, daß der Wahrheitswert eines in Zeitform stehenden Indikativs in ganz erheblichem Maße von der Zeit abhängig ist, zu der er ausgesprochen wird, denn hierbei handelt es sich schließlich um eine seiner Wahrheits-Bedingungen“ (97). 112

Durchaus falsch kann die Verbindung zweier zeitgebundener Indikativsätze sein, insofern das Konjunkt (B), also der Zeitbezug des Sprechers zum Ereignis E falsch ist; im Beispiel, wenn jemand sagt: „Cäsar wird sterben“ und „Nein, er ist bereits gestorben“. Nun kann man einwenden, daß die Falschheit von (B) die Wahrheit von (A) unberührt lasse, wenn es als von der Zeitform unabhängige Aussage über E verstanden wird; also daß (A) unabhängig vom Konjunkt (B) sei. „Ein in die Zeitform gesetzter Satz allerdings hängt sehr wohl hinsichtlich seines Wahrheitswertes von dem Zeitpunkt ab, zu dem er ausgesprochen wird. Daraus folgt sodann, daß wir entweder in Zeitform stehende Sätze nicht ohne Zeitform wiedergeben können, oder daß einige Sätze ohne Zeitform hinsichtlich ihres Wahrheitswertes ganz entschieden vom Zeitpunkt ihrer Äußerung abhängig sind“ (98). Außerdem ist ‚… ist unabhängig von…‘ kein symmetrisches Verhältnis. Ein Verhältnis zu nicht-existenten Ereignissen ist nicht möglich. „Die Wahrheit von (A) ist demgemäß eine notwendige Bedingung der Wahrheit (oder, gemäß einer alternativen Analyse, der Wahrheit oder Falschheit) von (B). Man könnte also, wenn man so will, sagen, daß die Wahrheit eines in der Zeitform stehenden Satzes die Wahrheit jenes Teils eines Satzes voraussetze, der, ohne in eine Zeitform gesetzt zu sein, ausgesagt werden kann“ (99f). Die Wahrheit zeitförmiger Sätze hängt für Danto von der Wahrheit jenes Teils der Sätze ab, die ohne Zeitform ausgesagt werden können. Die Zeitform selbst kann als Operator aufgefaßt werden, die keinen „eigenständigen Wahrheitswert“ (100) besitzt. Das grundlegende Problem dabei ist, daß die „Wahrheit im Hinblick auf Sätze für eine a-temporale Tatsache angesehen wird“ (101). Danto macht nun darauf aufmerksam, daß dieser Sachverhalt zwar für Sätze ohne Zeitform zutrifft, damit jedoch noch längst nicht ausgemacht ist, daß zeitförmige Sätze verifizierbar sind. „Die Wahrheit eines nicht-zeitförmigen Satzes garantiert keineswegs die Wahrheit all seiner zeitförmigen Spielarten“ (102). Der verifizierbare Gehalt dieser Sätze ist ja nur ein Teil des ganzen Satzes. „Die Verifizierbarkeit eines Teils indessen hat nicht die Verifizierbarkeit des Ganzen zur Folge“ (103). „Daß die Verifizierbarkeit von Sätzen ohne Zeitform nichts zu tun habe mit der Zeit, zu der sie geäußert werden, ist genau die Schlußfolgerung, die wir erwarten würden, wenn davon ausgegangen wird, daß die Verifizierbarkeit eine Angelegenheit der Bedeutung, des Sinnes sei“ (103). Danto tritt dafür ein, zwischen Sinn und Bedeutung eines Begriffs und auch von Sätzen zu unterscheiden. Falsche Sätze sind ebensowenig sinnlos wie Sätze aus dem Bereich der Fiktion. Wahr-Sein zur notwendigen Bedingung von Sinnvoll-Sein zu machen würde bedeuten, sich in unzumutbarer Weise Fesseln anzulegen. „Bedeutungshaftigkeit, als Verifizierbarkeit begriffen, ist unabhängig vom Wahrheitswert, von den aufeinander bezogenen Verhältnissen und von dem Zeitpunkt, zu dem Sätze ausgesprochen werden“ (104). Hier ist Kants Position sehr einleuchtend, daß nämlich Zeit kein Datum der Erfahrung, sondern eine Form der Erfahrung, (Vor-)Bedingung der Erfahrung ist. „Wenn ‚über etwas‘ ein Verhältnis ist, können wir es nur in sprachlichen Ausdruck bringen, indem wir seine Momente in Sprachform setzen, und dies zerstört das Verhältnis zwischen Sprache und Welt überhaupt. Beziehung ist nicht selbst Teil der Sprache, aber Teile der Sprache konstituieren eines der Glieder des Beziehungsverhältnisses“ (105). Verifizierbarkeit ist für Danto darum letztlich, soweit historische Sätze in Betracht kommen, kein adäquates Sinnkriterium. 113

gangenheit ist nun nicht nur eine Aussage über die Erfahrungen, die man machen wird auf der Suche nach<br />

Beweisen für ein Ereignis der Vergangenheit, sondern eine Aussage über dieses Ereignis – mindestens,<br />

daß es stattgefunden hat.<br />

Danto geht weiter davon aus, daß sich die Bedeutung eines Satzes ändert, wenn wir diesen<br />

Satz verifizieren. Wenn jemand die vorhergesagte Erfahrung gemacht hat, dann<br />

kann er diese Erfahrung nicht mehr machen. Bedeutung haben Aussagen über die Vergangenheit,<br />

weil sie sich auf etwas richten. Danto führt die verschiedenen Bedeutungswechsel<br />

am Beispiel des Satzes „Cäsar ist <strong>im</strong> Jahre 44 v.u.Z. gestorben“ durch. Bedeutung<br />

erlangt dieser Satz, unabhängig von der Zeitform, durch die Erfahrungen, die ich<br />

mit diesem Satz machen werde, gemacht habe, mache, oder das alles <strong>im</strong> Konjunktiv.<br />

Danto weist nun nach, daß der Bezug auf Ereignisse nicht möglich ist, sondern nur auf<br />

damit zusammenhängende Erfahrungen.<br />

Eine zeitabhängige Aussage richtet sich „auf ein Ereignis, nicht jedoch auf ein vergangenes<br />

Ereignis. Denn Vergangensein ist keine Eigenschaft von Ereignissen, sondern ein<br />

Verhältnis, in dem Ereignisse eine Seite einnehmen mögen. Der tatsächliche Inhalt solcher<br />

Sätze hat Beziehungen auf Ereignisse und auf absolute Eigenschaften von Ereignissen“<br />

(94). Zeitliche Prädikate sind ähnlicher Art wie räumliche; ein „neben“ gibt es<br />

nicht an sich. Eine Tür kann sowohl „links neben“ als auch „rechts neben“ sein, ohne<br />

daß damit ein Widerspruch <strong>im</strong>pliziert sein müßte. Kaum allerdings können gleichermaßen<br />

die Prädikationen „Die Tür ist aus Holz“ und die „Tür ist aus Metall“ zutreffen.<br />

Zeitabhängige Sätze lassen sich in zwei voneinander unterschiedene Komponenten zerlegen,<br />

„deren jede eine eigene Information vermittelt; wobei die eine mit einem Ereignis<br />

zu tun hat und die andere mit dem Verhältnis zwischen einem Ereignis und der Zeit, zu<br />

der eine Aussage gemacht wird“ (95).<br />

6.2.2.1.2 Zur Wahrheit temporaler Sätze<br />

Im Blick auf diese Unterscheidung stellt Danto nun die Frage nach der Wahrheit. Ein in<br />

Zeitform gebrachter Indikativsatz scheint Danto als eine „wahrheits-funktionale Verbindung<br />

logisch unterschiedener Aussagen“ analysierbar zu sein, „wobei die Verbindung<br />

als solche durch bloßen grammatikalischen Zufall verdunkelt wird. Das eine<br />

der Relata (A) sagt etwas über ein Ereignis E aus, und das andere Konjunkt (B) enthält<br />

eine Aussage über die zeitliche Stellung des Sprechenden relativ zu E“ (96f).<br />

Aus wahrheitslogischen Erwägungen scheint es möglich, daß die Wahrheit oder Falschheit<br />

des einen Elements die des anderen nicht berührt. Andererseits hat die „Wahrheit<br />

oder Falschheit der Relata mit der Wahrheit oder Falschheit der Verbindung selbst, als<br />

ganzes genommen, zu tun: Dies folgt aus der von uns gemachten Annahme, daß ein in<br />

Zeitform stehender Indikativ eine verdeckte wahrheitsfunktionale Relation sei. Insbesondere<br />

wird die Konjunktion dann falsch sein, wenn das eine oder beide Verbundenen<br />

falsch sind. In diesem Fall folgt daraus ganz natürlich, daß der Wahrheitswert eines in<br />

Zeitform stehenden Indikativs in ganz erheblichem Maße von der Zeit abhängig ist, zu<br />

der er ausgesprochen wird, denn hierbei handelt es sich schließlich um eine seiner<br />

Wahrheits-Bedingungen“ (97).<br />

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