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Zerstörung und Aufbau der Brücken über die Dill in Ehringshausen

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<strong>Zerstörung</strong> <strong>und</strong> <strong>Aufbau</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>Brücken</strong> <strong>über</strong> <strong>die</strong> <strong>Dill</strong><br />

von Fritz Ke<strong>in</strong>er<br />

<strong>in</strong> Ehr<strong>in</strong>gshausen


Anlässlich des 60. Jahrestages des <strong>Brücken</strong>e<strong>in</strong>sturzes <strong>in</strong> Ehr<strong>in</strong>gshausen,<br />

welcher zwei Menschenleben for<strong>der</strong>te, wäre es angebracht, sich noch e<strong>in</strong>mal<br />

an <strong>die</strong>se Ereignisse zu er<strong>in</strong>nern.<br />

Wegen <strong>der</strong> turbulenten Nachkriegszeit fehlen exakte Aufzeichnungen <strong>und</strong><br />

Bil<strong>der</strong>, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e von den Tagen <strong>der</strong> <strong>Brücken</strong>sprengung 1945 <strong>und</strong> den<br />

nachfolgenden Bemühungen e<strong>in</strong>en Übergang <strong>über</strong> <strong>die</strong> <strong>Dill</strong> zu ermöglichen.<br />

Fotoapparate mussten während des Krieges alle abgegeben werden.<br />

Die bekannten vorhandenen Aufnahmen beg<strong>in</strong>nen alle ab dem Hochwasser<br />

im Februar 1946 <strong>und</strong> dem Eisgang bzw. <strong>Brücken</strong>e<strong>in</strong>sturz im März 1947. Sie<br />

wurden von e<strong>in</strong>em Herrn Harich, <strong>der</strong> zu <strong>die</strong>ser Zeit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Mühlbachstraße 6<br />

wohnte, aufgenommen.<br />

Folgen<strong>der</strong> Beitrag soll ke<strong>in</strong>e Aufarbeitung <strong>der</strong> Geschichte se<strong>in</strong>, son<strong>der</strong>n e<strong>in</strong><br />

chronologischer Ablauf <strong>der</strong> Geschehnisse beim Bau <strong>der</strong> <strong>Brücken</strong> <strong>in</strong><br />

Ehr<strong>in</strong>gshausen.<br />

Würde man alle, auch <strong>die</strong> Notbrücken mit e<strong>in</strong>beziehen, dann wäre das <strong>die</strong><br />

Elfte, <strong>die</strong> wir zur Zeit <strong>über</strong>queren.<br />

Die <strong>Dill</strong>, im Sommer e<strong>in</strong> Flüsschen, im W<strong>in</strong>ter hoch <strong>und</strong> reißend, trennt<br />

Ehr<strong>in</strong>gshausen <strong>in</strong> zwei Teile. Ihr Verlauf <strong>in</strong>nerhalb <strong>der</strong> Gemarkung wurde<br />

mehrmals verän<strong>der</strong>t. Bekannt ist, dass das alte <strong>Dill</strong>bett im Bereich <strong>der</strong><br />

Marktstraße / Nelkenweg das Dorf durchquerte.<br />

In dem Heimatbuch von Ehr<strong>in</strong>gshausen, I. Teil, von Hans Watz, wird <strong>in</strong> dem<br />

Abschnitt „<strong>Dill</strong> <strong>und</strong> <strong>Dill</strong>brücke“ berichtet, dass schon e<strong>in</strong>e Brücke im Jahr 1610<br />

im Bereich Bettengärten <strong>in</strong> alten Schriftstücken erwähnt wird. Der<br />

Bahnhofstraße folgend, <strong>die</strong> im Bereich Volksbank damals viel tiefer lag <strong>und</strong><br />

noch nicht bebaut war, konnte man das breite <strong>und</strong> dünnfließende Wasser mit<br />

Fuhrwerken durchqueren. Im Jahr 1840 wurde etwas oberhalb e<strong>in</strong>e<br />

Holzbrücke errichtet, welche aber nur von Fußgängern <strong>und</strong> leichten<br />

Gespannen befahren werden durfte.<br />

Um dem beg<strong>in</strong>nenden Schwerverkehr von Eisenste<strong>in</strong>transporten aus den<br />

umliegenden Gruben zur neu erbauten Bahnstrecke gerecht zu werden, wurde<br />

e<strong>in</strong>e Brücke mit höherer Tragkraft aus Ste<strong>in</strong> 1870/71 gebaut.<br />

Soweit <strong>die</strong> Aufzeichnungen aus dem Heimatbuch von Hans Watz.<br />

- 2 -


Wie es <strong>der</strong> damaligen Zeit entsprach, wurde sie ohne Eisen <strong>und</strong> Beton als<br />

Mauerwerk mit Naturste<strong>in</strong>en erstellt.<br />

Sie bestand aus vier Pfeilern, zwei Wi<strong>der</strong>lagern <strong>und</strong> fünf <strong>Brücken</strong>bogen <strong>und</strong><br />

war für das Verkehrsaufkommen bis 1945 ausreichend.<br />

Alte <strong>Dill</strong>brücke bis 1945<br />

Vom Zweiten Weltkrieg, <strong>der</strong> viel Leid <strong>und</strong> <strong>Zerstörung</strong> <strong>über</strong> Deutschland<br />

brachte, wurde auch Ehr<strong>in</strong>gshausen nicht verschont. Außer den<br />

Beschädigungen durch Fliegerangriffe wurde auch <strong>die</strong> Brücke <strong>über</strong> <strong>die</strong> <strong>Dill</strong><br />

zerstört.<br />

Als <strong>die</strong> Westfront Deutschland erreichte wurde seitens <strong>der</strong> Regierung <strong>der</strong><br />

uns<strong>in</strong>nige Befehl erteilt <strong>Brücken</strong> zu sprengen, um den Vormarsch des<br />

damaligen Fe<strong>in</strong>des (amerikanische Truppen) aufzuhalten.<br />

Am 27.03.1945 erreichten <strong>der</strong>en Panzerverbände vom Westerwald <strong>und</strong> Ulmtal<br />

kommend, den Waldrand „auf <strong>der</strong> Heide“ (heute Ichelhausen). E<strong>in</strong>e letzte<br />

Pioniere<strong>in</strong>heit <strong>der</strong> deutschen Wehrmacht hat den Befehl zum<br />

<strong>Brücken</strong>sprengen lei<strong>der</strong> auch bei uns durchgeführt.<br />

- 3 -


Zwischen 9:00 Uhr <strong>und</strong> 10:00 Uhr haben sie (nach Augenzeugenberichten)<br />

e<strong>in</strong>ige Kästen Dynamit auf den mittleren <strong>der</strong> fünf <strong>Brücken</strong>bogen gestellt (<strong>und</strong><br />

nicht wie an<strong>der</strong>swo beschrieben, dass Fahnenjunker den Pfeiler gesprengt<br />

hätten) <strong>und</strong> s<strong>in</strong>d nach dem Anzünden <strong>der</strong> Zündschnur mit Rufen: „Alles von<br />

<strong>der</strong> Straße, <strong>die</strong> Brücke wird gesprengt.“ mit ihrem Auto eiligst weggefahren.<br />

Bei <strong>der</strong> nachfolgenden schweren Detonation wurden viele anliegende Häuser<br />

beschädigt. Auch <strong>die</strong> gesamte Tr<strong>in</strong>kwasserversorgung von dem e<strong>in</strong>zigen<br />

Hochbehälter am Himmelberg war damit für längere Zeit unterbrochen.<br />

Der gesprengte <strong>Brücken</strong>bogen<br />

Von den Panzern, <strong>die</strong> am Waldrand aufgefahren waren <strong>und</strong> ihre<br />

Geschützrohre auf Ehr<strong>in</strong>gshausen gerichtet hatten, erwartete man<br />

schlimmeres. Es blieb aber bei vere<strong>in</strong>zeltem Granatfeuer, da seitens <strong>der</strong><br />

deutschen Truppen kaum Wi<strong>der</strong>stand geleistet wurde.<br />

Diese Panzer fuhren am frühen Nachmittag oberhalb <strong>der</strong> Brücke ohne<br />

Schwierigkeiten durch <strong>die</strong> <strong>Dill</strong>, verteilten sich mit den bekannten<br />

Unannehmlichkeiten im Dorf <strong>und</strong> s<strong>in</strong>d am nächsten Tag <strong>über</strong> Kölschhausen <strong>in</strong><br />

Richtung Gladenbach weiter vorgestoßen.<br />

Am folgenden Tag hat e<strong>in</strong>e Pioniere<strong>in</strong>heit <strong>der</strong> Amerikaner, welche auf solche<br />

Situationen vorbereitet waren, zwei große Fahrbahnträger <strong>über</strong> den<br />

gesprengten <strong>Brücken</strong>bogen gelegt <strong>und</strong> <strong>die</strong> nachfolgenden Truppenverbände<br />

fuhren tagelang <strong>über</strong> <strong>die</strong>se Behelfsbrücke. Auch <strong>die</strong> E<strong>in</strong>wohner von<br />

Ehr<strong>in</strong>gshausen durften sie benutzen.<br />

Nach e<strong>in</strong>igen Tagen, als sich <strong>die</strong> Front nach Osten verlagerte, haben Truppen<br />

<strong>der</strong> Amerikaner ohne Vorwarnung <strong>die</strong>se Fahrbahnträger wie<strong>der</strong> entfernt,<br />

wodurch ke<strong>in</strong> Übergang mehr vorhanden war. Bürger, <strong>die</strong> vorher <strong>die</strong> Seiten<br />

gewechselt hatten, konnten plötzlich nicht mehr zurück.<br />

- 4 -


Wir als 13jährige haben dann schnellstens unsere Boote (welche wir aus<br />

Zusatztanks <strong>der</strong> amerikanischen Jagdbomber umgebaut hatten) geholt <strong>und</strong><br />

Personen <strong>über</strong> <strong>die</strong> <strong>Dill</strong> beför<strong>der</strong>t. E<strong>in</strong>e Frau M. Wi. aus dem Mühlbach<br />

mussten wir mitsamt ihrem Korb voll Brot, welches sie im Backhaus <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

Nie<strong>der</strong>gasse gebacken hatte, mit zittern zurückbeför<strong>der</strong>n.<br />

E<strong>in</strong> älterer Mann W. E., welcher sich unbeholfen auf den Rand des Bootes<br />

gesetzt <strong>und</strong> wir etwas schnell losgefahren waren kippte um, wobei nur <strong>die</strong><br />

Hand mit <strong>der</strong> großen Tabakspfeife aus dem Wasser ragte, damit <strong>die</strong>se nicht<br />

nass wurde.<br />

E<strong>in</strong>ige Bürger, welche <strong>die</strong> schwierige Situation erkannten handelten schnell.<br />

Telegrafenstangen, <strong>die</strong> im Bereich Dreschhalle (heute Volkshalle) lagen <strong>und</strong><br />

<strong>die</strong> nötige Länge hatten, wurden <strong>über</strong> das gesprengte <strong>Brücken</strong>teil gelegt,<br />

Bretter wurden vom Sägewerk Weimer geholt <strong>und</strong> mit freiwilligem E<strong>in</strong>satz war<br />

e<strong>in</strong> Behelfs<strong>über</strong>gang erstellt.<br />

Für Fuhrwerke <strong>und</strong> leichte Motorfahrzeuge war sie ausreichend. Panzer <strong>und</strong><br />

schwere Lastwagen fuhren <strong>über</strong> <strong>die</strong> Brücke bei <strong>Dill</strong>heim. Amerikanische<br />

Truppen, welche als Besatzung hier im Dorf blieben, stellten Wachposten an<br />

<strong>der</strong> Brücke auf, wo nur Zivilpersonen mit e<strong>in</strong>em Passiersche<strong>in</strong>, <strong>der</strong> auf dem<br />

Bürgermeisteramt ausgestellt war, durchgelassen wurden.<br />

E<strong>in</strong>e öffentliche Ordnung war nicht mehr vorhanden. E<strong>in</strong> Kreisbauamt o. ä.<br />

hatten ihre Tätigkeit noch nicht wie<strong>der</strong> aufgenommen. Die kommissarisch<br />

e<strong>in</strong>gesetzte Geme<strong>in</strong>deverwaltung hat aber mit Unterstützung e<strong>in</strong>heimischer<br />

Firmen <strong>und</strong> Bürger <strong>die</strong> Initiative ergriffen <strong>und</strong> mit dem Wie<strong>der</strong>aufbau <strong>der</strong><br />

Brücke begonnen.<br />

Baumasch<strong>in</strong>en wie Bagger, Kran o<strong>der</strong> Lastwagen waren nicht vorhanden. So<br />

wurde mit Hacke, Schaufel <strong>und</strong> Schubkarren begonnen, den Bauschutt des<br />

gesprengten <strong>Brücken</strong>bogens wegzuschaffen, um e<strong>in</strong>en evtl. <strong>Aufbau</strong> zu<br />

ermöglichen. Als man den Schutt auch an den Seiten <strong>der</strong> beiden<br />

angrenzenden Pfeiler entfernt hatte, kippten <strong>die</strong>se seitlich weg <strong>und</strong> <strong>die</strong> beiden<br />

aufliegenden <strong>Brücken</strong>bögen stürzten e<strong>in</strong>, weil dem gemauerten Gewölbe das<br />

Wi<strong>der</strong>lager genommen war. Glücklicherweise waren <strong>die</strong> Bauarbeiter gerade<br />

bei <strong>der</strong> Frühstückspause <strong>und</strong> niemand kam zu Schaden.<br />

Die zwei anliegenden <strong>Brücken</strong>bogen stürzen nach Entfernen des Bauschutts e<strong>in</strong><br />

- 5 -


Als erste Maßnahme versuchte man nun wie<strong>der</strong> e<strong>in</strong>en Übergang zum<strong>in</strong>dest<br />

für <strong>die</strong> Fußgänger zu schaffen. Zwei Schwimmkähne aus Wehrmachtsbeständen<br />

wurden gef<strong>und</strong>en, mit e<strong>in</strong>em Holzsteg versehen <strong>und</strong> für Fußgänger<br />

freigegeben. Fahrzeuge fuhren wie<strong>der</strong> <strong>über</strong> <strong>Dill</strong>heim.<br />

Fußgängersteg bis W<strong>in</strong>tere<strong>in</strong>bruch 1945<br />

Man wollte nun auf schnellstem Wege <strong>die</strong> drei <strong>Brücken</strong>bogen wie<strong>der</strong><br />

aufbauen. Diesmal wurde <strong>der</strong> Bauschutt an den zwei stehengebliebenen<br />

Pfeilern <strong>und</strong> Bögen als Stütze liegengelassen <strong>und</strong> nur im Bereich <strong>der</strong> zwei<br />

umgestürzten Pfeiler freigeräumt, um sie (wie gefor<strong>der</strong>t, im alten Baustil mit<br />

Naturste<strong>in</strong>en verblendet) wie<strong>der</strong> aufzubauen.<br />

Da <strong>die</strong> Zeit drängte <strong>und</strong> <strong>die</strong> Mittel dazu fehlten das Wasser umzuleiten usw.,<br />

hat man darauf verzichtet <strong>die</strong> alten F<strong>und</strong>amente im Flussbett auf <strong>der</strong>en<br />

Zustand zu <strong>über</strong>prüfen. Nur so war es möglich, <strong>die</strong> zwei Pfeiler <strong>und</strong> drei Bogen<br />

noch vor dem W<strong>in</strong>ter hochzuziehen <strong>und</strong> befahrbar zu machen.<br />

Die große Opferbereitschaft e<strong>in</strong>zelner Bürger unter Mithilfe e<strong>in</strong>heimischer<br />

Firmen sei hier erwähnt. Denn <strong>der</strong> ohneh<strong>in</strong> ger<strong>in</strong>ge Arbeitslohn <strong>in</strong> Reichsmark<br />

besaß wenig an Wert, weil es Nahrungsmittel <strong>und</strong> alles was man zum Leben<br />

brauchte nur auf zugeteilten Bezugssche<strong>in</strong>en gab. Man nannte sie <strong>die</strong><br />

Zigarettenwährung (1 Ami-Zigarette = 6 Mark im Schwarzhandel).<br />

So wurden mit zusätzlichen Mitteln, wie Lebensmittelkarten für Schwerarbeiter,<br />

o<strong>der</strong> sonstigen Beihilfen <strong>die</strong> Arbeiter bei <strong>der</strong> Stange gehalten. Beim<br />

Beschaffen von Baumaterial wie Eisen, Zement <strong>und</strong> vieles mehr wurde seitens<br />

<strong>der</strong> Geme<strong>in</strong>de mit Holzlieferungen aus dem Wald o<strong>der</strong> Produkten heimischer<br />

Firmen im Tauschverfahren etwas nachgeholfen.<br />

- 6 -


Unter Zeitdruck wurden nun <strong>die</strong> zwei neuen Pfeiler aus dem Abbruch <strong>der</strong><br />

umgestürzten als Mauerwerk auf <strong>die</strong> alten F<strong>und</strong>amente gesetzt. Die drei<br />

mittleren <strong>Brücken</strong>bogen wurden aus Beton gegossen <strong>und</strong> mit den zwei<br />

verbliebenen verb<strong>und</strong>en.<br />

Zur Freude aller konnte sie noch 1945 vor W<strong>in</strong>tere<strong>in</strong>bruch für den Verkehr<br />

freigegeben werden. Die Fahrbahndecke, Bürgersteig <strong>und</strong> Gelän<strong>der</strong> wurden<br />

erst im nächsten Frühjahr aufgebracht.<br />

Statt Gelän<strong>der</strong> waren nur Seile gespannt, wo jedes K<strong>in</strong>d hätte durchfallen<br />

können.<br />

Hochwasser Februar 1946 mit Briefträger Kann<br />

Panzer <strong>und</strong> Autos <strong>der</strong> Amerikanischen Besatzung auf <strong>der</strong> Tuchbleiche unter Wasser<br />

- 7 -


Dieser W<strong>in</strong>ter war mild, aber mit viel Regen <strong>und</strong> Hochwasser, welches auch<br />

<strong>die</strong> Bahnhofstraße <strong>über</strong>flutete <strong>und</strong> wir uns mit den vorh<strong>in</strong> beschriebenen Boten<br />

vergnügten.<br />

Mit den Paddelbooten aus Zusatztanks <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bahnhofstraße<br />

Der W<strong>in</strong>ter 1946 - 1947 war sehr kalt mit viel Schnee <strong>und</strong> Eis auf <strong>der</strong> <strong>Dill</strong> bis<br />

zu 30 cm dick.<br />

Eis auf <strong>der</strong> <strong>Dill</strong> zwischen <strong>Dill</strong>heim <strong>und</strong> Katzenfurt<br />

- 8 -


Am 6. März begann Tauwetter mit Regen <strong>und</strong> <strong>der</strong> Wasserstand begann zu<br />

steigen. Am folgenden Tag standen viele Schaulustige auf <strong>der</strong> Brücke <strong>und</strong><br />

warteten auf den Moment, wo sich <strong>die</strong> Eisdecke hob <strong>und</strong> unter großem<br />

Krachen <strong>in</strong> Stücke zerbrach.<br />

Wäre <strong>in</strong> <strong>die</strong>sen M<strong>in</strong>uten <strong>die</strong> Brücke e<strong>in</strong>gestürzt, es hätte viele Todesopfer gegeben.<br />

Vor den Pfeilern stauten sich immer wie<strong>der</strong> große Eisschollen, welche von<br />

mutigen Männern aus Ehr<strong>in</strong>gshausen gelockert <strong>und</strong> zum Weiterschwimmen<br />

gebracht wurden.<br />

- 9 -


Inzwischen hatte <strong>der</strong> Regen nachgelassen, <strong>der</strong> Wasserstand fiel <strong>und</strong> große<br />

Mengen Eisschollen vom Oberlauf <strong>der</strong> <strong>Dill</strong> blieben auf den angrenzenden<br />

Wiesen liegen.<br />

Am Nachmittag des 9. März sackte plötzlich <strong>der</strong> zweite Pfeiler von l<strong>in</strong>ks etwa<br />

1 m tief ab.<br />

Der 2. Pfeiler (vom Dorf aus gesehen) hat sich durch Unterspülung <strong>und</strong> Eisgang gelöst.<br />

Reißendes Hochwasser hatte ihn nach <strong>und</strong> nach für das Auge unsichtbar<br />

unterspült <strong>und</strong> dem Druck <strong>der</strong> Strömung <strong>und</strong> den Eisschollen nicht mehr<br />

standgehalten.<br />

Vorerst herrschte Ratlosigkeit. Als <strong>die</strong> Brücke hielt, s<strong>in</strong>d <strong>die</strong> Fußgänger wie<strong>der</strong><br />

dar<strong>über</strong> gegangen. Gegen 18:00 Uhr kam e<strong>in</strong> Omnibus <strong>der</strong> Firma Arnold vom<br />

Bahnhof im L<strong>in</strong>ienverkehr zur Lemp. Die Insassen s<strong>in</strong>d ausgestiegen <strong>und</strong> nach<br />

<strong>der</strong> Überfahrt wie<strong>der</strong> zugestiegen.<br />

Am folgenden Tag hat man <strong>die</strong> Brücke für den Verkehr gesperrt <strong>und</strong> für<br />

Fußgänger e<strong>in</strong> Schild „Betreten auf eigene Gefahr“ angebracht.<br />

Irgendwo <strong>in</strong> <strong>der</strong> umliegenden Industrie konnte man 10 - 15 Stahlw<strong>in</strong>den<br />

auftreiben, welche dann Bauarbeiter unter Lebensgefahr <strong>in</strong> <strong>der</strong> Bruchkante<br />

anbrachten, um damit <strong>die</strong> Brücke evtl. zu stützen.<br />

- 10 -


Am 13. März f<strong>in</strong>g es wie<strong>der</strong> an zu regnen <strong>und</strong> <strong>der</strong> Wasserstand begann zu<br />

steigen. Die dicken Eisschollen, welche oberhalb auf den <strong>Dill</strong>wiesen lagen <strong>und</strong><br />

jetzt <strong>in</strong> dem reißenden Wasser flussabwärts trieben, fegten <strong>die</strong> Stahlw<strong>in</strong>den<br />

wie<strong>der</strong> weg, aber <strong>die</strong> Brücke hielt nach wie vor stand <strong>und</strong> <strong>die</strong> Fußgänger<br />

g<strong>in</strong>gen dar<strong>über</strong>.<br />

So auch am Abend des 14. März, wo <strong>die</strong> 17jährigen Ilse Kreuter <strong>und</strong> Luise<br />

Arab<strong>in</strong> als letzte von vielen aus e<strong>in</strong>em Zug aus Wetzlar <strong>über</strong> <strong>die</strong> Brücke<br />

g<strong>in</strong>gen <strong>und</strong> plötzlich unter großem Krachen <strong>die</strong> zwei frei hängenden<br />

<strong>Brücken</strong>bogen unter ihnen wegbrachen.<br />

Aufnahme nach dem E<strong>in</strong>sturz, als das Wasser wie<strong>der</strong> gefallen war.<br />

Me<strong>in</strong> Schulkamerad H. Me. <strong>und</strong> ich, <strong>die</strong> wir kurz vorher bei <strong>der</strong> Brücke <strong>und</strong> auf<br />

dem Heimweg im Bereich Oppermann waren, s<strong>in</strong>d sofort zurückgelaufen, den<br />

Damm entlang bis zu den Wiesen, welche <strong>über</strong>flutet waren. Im Wasser<br />

konnten wir niemand mehr sehen. E<strong>in</strong>ige, <strong>die</strong> uns vorausgeeilt waren<br />

berichteten, dass e<strong>in</strong> Mädchen schwimmend um Hilfe geschrieen hat soweit<br />

es das reißende Wasser <strong>und</strong> <strong>die</strong> hohen Wellen zuließen (Ilse Kreuter konnte<br />

schwimmen) <strong>und</strong> <strong>die</strong> an<strong>der</strong>e kurz danach nicht mehr gesehen wurde. Es<br />

bestand ke<strong>in</strong>e Rettungsmöglichkeit.<br />

Bei den Dorfbewohnern, <strong>die</strong> nun alle angelaufen kamen, herrschte große<br />

Verwirrung, weil niemand genau wusste, ob sich noch mehrere Personen <strong>in</strong><br />

<strong>die</strong>sem Moment auf <strong>der</strong> Brücke bef<strong>und</strong>en hatten. E<strong>in</strong>ige suchten <strong>in</strong> <strong>der</strong><br />

anbrechenden Dunkelheit nach Angehörigen, welche zu <strong>die</strong>ser Zeit im Dorf<br />

unterwegs waren.<br />

Luise Arab<strong>in</strong> wurde am folgenden Tag <strong>in</strong> <strong>der</strong> Nähe <strong>der</strong> Werdorfer Brücke<br />

gef<strong>und</strong>en. Ilse Kreuter e<strong>in</strong>ige Tage später <strong>in</strong> Wetzlar, wo <strong>die</strong> <strong>Dill</strong> <strong>in</strong> <strong>die</strong> Lahn<br />

mündet.<br />

- 11 -


Die restlichen <strong>Brücken</strong>teile stürzten dann nach <strong>und</strong> nach e<strong>in</strong>.<br />

Auch <strong>die</strong>smal mussten wir uns wie<strong>der</strong> mit den umgebauten Paddelbooten <strong>und</strong><br />

e<strong>in</strong>em größeren Kahn als Fährschiffer bewähren.<br />

- 12 -


Die Geme<strong>in</strong>de war nun erneut gefor<strong>der</strong>t, e<strong>in</strong>e Notlösung zu f<strong>in</strong>den.<br />

Wie<strong>der</strong> <strong>in</strong> alten Wehrmachtsbeständen fand man e<strong>in</strong>ige 4 m lange<br />

Stahlstützen <strong>und</strong> Querträger, welche sich für e<strong>in</strong>e Notbrücke eigneten. An <strong>der</strong><br />

Stelle des vorhergehenden Fußgängerstegs baute man <strong>die</strong>se so genannte<br />

„Stelzenbrücke“ auf, wobei e<strong>in</strong>e Balken- <strong>und</strong> Bretterauflage <strong>die</strong> Fahrbahn<br />

bildete.<br />

Die Stelzenbrücke<br />

Für Schwerlastverkehr war sie aber nicht belastbar. Auch bei mittlerem<br />

Hochwasser war <strong>der</strong> Bereich „Parkplatz-Volkshalle“, <strong>der</strong> damals noch viel<br />

tiefer lag, <strong>über</strong>flutet <strong>und</strong> <strong>die</strong> Südseite des Dorfes zu Fuß nicht mehr erreichbar.<br />

Daraufh<strong>in</strong> hat man den noch vorhandenen Fußgängersteg mit den zwei<br />

Schwimmkähnen etwa 90 m unterhalb <strong>der</strong> Brücke von Damm zu Damm<br />

aufgebaut, weil <strong>die</strong> Kähne bei steigendem Wasser schwimmend e<strong>in</strong>en<br />

Ausgleich schafften.<br />

Für <strong>die</strong> Dorfbewohner, welche zum Bahnhof wollten, war das <strong>über</strong> den Hof<br />

von Peter Bayer <strong>und</strong> den Fußweg unterhalb des alten K<strong>in</strong>o e<strong>in</strong>e spürbare<br />

Abkürzung.<br />

- 13 -


An Stelle <strong>der</strong> e<strong>in</strong>gestürzten Brücke sollte nun e<strong>in</strong>e vollkommen neue<br />

entstehen. Da es nach wie vor an Baumasch<strong>in</strong>en mangelte, wurde wie<strong>der</strong> <strong>in</strong><br />

Handarbeit mit Rollwagen <strong>und</strong> Fuhrwerken <strong>der</strong> Bauschutt aus dem <strong>Dill</strong>bett<br />

entfernt. E<strong>in</strong>ige E<strong>in</strong>wohner holten sich Ste<strong>in</strong>e, befreiten sie vom Mörtel <strong>und</strong><br />

verwendeten <strong>die</strong>se beim Hausbau.<br />

Entfernung des Bauschutts aus dem <strong>Dill</strong>bett<br />

Lei<strong>der</strong> kam es <strong>in</strong> <strong>die</strong>ser Zeit nochmals zu e<strong>in</strong>em tödlichen Unfall. Der 78jährige<br />

Joseph Ullmann, e<strong>in</strong> Bürger unserer Heimatvertriebenen, war auf e<strong>in</strong>em Steg<br />

für Bauarbeiter, welcher <strong>über</strong> <strong>die</strong> Baustelle führte <strong>und</strong> von E<strong>in</strong>wohnern gerne<br />

als Abkürzung benutzt wurde, bei Dunkelheit zu Fall gekommen <strong>und</strong><br />

ertrunken.<br />

- 14 -


Weil im Jahr 1947 e<strong>in</strong> sehr trockener Sommer war <strong>und</strong> <strong>die</strong> <strong>Dill</strong> wenig Wasser<br />

führte, konnte sie entsprechend reguliert werden, um <strong>die</strong> zwei neuen Pfeiler<br />

aus Stahlbeton noch vor W<strong>in</strong>tere<strong>in</strong>bruch zu erstellen.<br />

Schon wie<strong>der</strong> Hochwasser im W<strong>in</strong>ter 1947/48<br />

- 15 -


Von den wenigen, im Krieg nicht zerstörten Fabriken wurde <strong>die</strong> Firma<br />

Kölsch-Fölzer <strong>in</strong> Siegen gef<strong>und</strong>en, welche e<strong>in</strong>e Stahlkonstruktion (<strong>die</strong><br />

eigentlich für e<strong>in</strong>e Eisenbahnbrücke gedacht war) vorrätig hatte <strong>und</strong><br />

Ehr<strong>in</strong>gshausen zur Verfügung stellen konnte.<br />

Im Frühjahr 1948 wurden <strong>die</strong> schweren Eisenträger per Bahn angeliefert <strong>und</strong><br />

mit dem ersten <strong>und</strong> e<strong>in</strong>zigen Traktor <strong>in</strong> Ehr<strong>in</strong>gshausen, des Dreschmasch<strong>in</strong>enbesitzers<br />

He<strong>in</strong>rich Kraus (e<strong>in</strong> Zwei-Zyl<strong>in</strong><strong>der</strong> Deutz-Bulldog mit 27 PS <strong>und</strong><br />

Vollgummireifen) auf Rollen vom damaligen Güterbahnhof zur Baustelle<br />

gezogen.<br />

Auflegen <strong>der</strong> Eisenträger<br />

Mit e<strong>in</strong>em großen Säulenkran, welcher nur im Handbetrieb <strong>über</strong> Seilw<strong>in</strong>den<br />

bewegt wurde, mussten <strong>die</strong> Träger aufgelegt <strong>und</strong> mit Stahlbolzen, welche auf<br />

e<strong>in</strong>er Feldschmiede erhitzt wurden, vernietet werden.<br />

- 16 -


Beschleunigt durch <strong>die</strong> Währungsreform am 20.06.1948 konnte im Spätherbst<br />

<strong>die</strong> Fahrbahn mit Bürgersteig betoniert werden. Mangels Masch<strong>in</strong>e musste <strong>die</strong><br />

letzte Teerschicht noch <strong>in</strong> Handarbeit aufgetragen werden.<br />

- 17 -


Die Freigabe <strong>der</strong> Brücke erfolgte am 18.02.1949, welche <strong>die</strong> E<strong>in</strong>wohner von<br />

Ehr<strong>in</strong>gshausen freudig begrüßten.<br />

Auch <strong>die</strong>ser Brücke war ke<strong>in</strong>e lange Lebensdauer beschieden. Schon Mitte<br />

<strong>der</strong> 80er Jahre wurde ihre Tragfähigkeit beanstandet <strong>und</strong> e<strong>in</strong>e neue gefor<strong>der</strong>t.<br />

- 18 -


Um den Durchgangsverkehr aufrechtzuerhalten hat man auf speziell erstellten<br />

Hilfspfeilern <strong>die</strong> gesamte Brücke mit hydraulischen Pressen <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er<br />

Meisterleistung etwa 30 m dillaufwärts geschoben.<br />

Nach neuesten Erkenntnissen entstand nun e<strong>in</strong>e (vorerst letzte) Brücke aus<br />

Stahlbeton <strong>und</strong> konnte im Jahr 1987 dem Verkehr <strong>über</strong>geben werden.<br />

Möge uns <strong>die</strong>se Brücke recht lange erhalten bleiben.<br />

- 19 -<br />

im Februar 2007

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