TREFFPUNKT MATTHÄUS - Matthäus-Gemeinde Berlin-Steglitz

4 Gesangbücher
Jubilate, everybody!
Brauchen wir mehr neue geistliche Lieder in der Kirche? – Ein Diskussionsbeitrag
Schon immer hat es in unserer
Kirche sangesfreudige Gruppen
gegeben, die neben den offiziellen
Gesangbuchliedern gerne auch moderne
Lieder gesungen haben, die mehr
ihrem Lebensgefühl entsprachen als
die ehrwürdigen Zeugnisse früherer
Glaubensstärke.
Kurzer Rückblick auf Stationen
des neuen geistlichen Liedes
Also griffen wir damals in den fünfziger
Jahren zu dem von Friedrich
Samuel Rothenberg herausgegebenen
Heftchen Das junge Lied: 80 neue
Lieder der Christenheit und machten so
die Gedichte von Jochen Klepper und
Rudolf Alexander Schröder publik,
sangen begeistert „Abend ward, bald
kommt die Nacht“, „Noch hinter
Berges Rande“, „Die Nacht ist vorgedrungen“,
„Er weckt mich alle Morgen“,
„Es mag sein, dass alles fällt.“ Alles
nach der Devise „Singt dem Herrn
ein neues Lied.“ Wir hatten Erfolg, einige
der damaligen „Außenseiterlieder“
wurden in das neu bearbeitete EKG
(Evangelisches Kirchengesangbuch)
und in das EG (Evangelisches Gesangbuch
von 1993) übernommen.
Danach kam der Impuls der singenden
Kirchentage mit ihren Komponisten,
Bandleadern und Textern
wie Peter Janssens, Dieter Trautwein
und Oskar Gottlieb Blarr. Die Liederhefte
des Deutschen Evangelischen
Kirchentages wurden zu Motoren
einer neuen Liedbewegung. Die Junge
Gemeinde und die Evangelische
Studentengemeinde der siebziger und
achtziger Jahre griffen jetzt zu Liedheften
wie Mein Liederbuch für heute
und morgen, das einerseits Klassiker
des EKG enthielt, aber andererseits
unter vielen neuen geistlichen Liedern
auch der politischen Bewusstwerdung
entsprach, wofür “We shall overcome“
oder Wolf Biermanns „Soldat, Soldat“
Zeugnis ablegten. Manche Kirchengemeinden
wie beispielsweise die Lankwitzer
Bonhoeffer-Kirchengemeinde
schufen sich auch ihre eigenen Liederhefte.
Heute in Matthäus bei Jugendund
Kindergruppen
Zwar haben wir keine eigene Kirchenmusikerin
bzw. keinen Kirchenmusiker
mehr, aber in den Jugendgruppen
und der Kinderkirche dürfte es nach
meiner Einschätzung sehr gut um
das junge Lied stehen. Unser Diakon
Heiko Reschke ließ mich das Liederbuch
prüfen, mit dem er arbeitet: Das
Liederbuch: Lieder zwischen Himmel
und Erde; Düsseldorf: tvd-Verlag 2007,
broschiert, heftgroß, 448 Seiten mit
461 fast ausschließlich neuen Liedern,
davon 44 Textseiten mit Andachten,
Gebeten, Segensformeln; Redaktion:
Pfarrer Dr. Peter Böhlemann u.a., Evangelische
Kirche von Westfalen; Einzelpreis
17,00 Euro (50 Stück 14,50 Euro).
Die Selbstanpreisung des Verlages entspricht
den Tatsachen: „Das vielseitige
Liederbuch. Rock und Choral, Chanson
und Beat, Spirituals und Gospels,
Lobpreis- und Friedenssongs, Best of
Taizé und Kirchentag, Kanons und Hits
für Kinder.“
Heute in Matthäus bei den traditionellen
Gottesdiensten der
Erwachsenen
Eine spezielle Pflege des modernen
geistlichen Liedes wie aber auch des
Gemeindegesangs überhaupt ist unter
den obwaltenden Umständen (wechselnde
Prediger und Kirchenmusiker
beim Fehlen eines/einer für die Kontinuität
sorgenden gemeindeeigenen
Kantors/Kantorin, veränderte Gemeindestruktur
mit geringeren jüngeren,
kräftigeren, singfreudigen und singfähigen
Gottesdienstbesuchern) schwieriger
geworden. Schon die Vorspiele zu
den Liedern müssten m.E. dem durch
Präsentation der Singstimme stärker
Rechnung tragen. In dieser Situation
wäre es schön, wenn ein kirchenmusikalischer
GKR-Ausschuss sich dieser
Thematik annähme. Trotzdem plädiere
ich schon jetzt für eine zielgerichtete
Pflege des neuen geistlichen Liedes.
Ein Modell für den verstärkten
Einsatz moderner Kirchenlieder?
Der folgende Bericht ist selbstverständlich
nicht als Kritik an Zuständen
meiner liebwerten Matthäus-Gemeinde
oder als gegenseitiges Ausspielen von
Gemeinden mit ihren Stärken und
Schwächen zu verstehen. Es handelt
sich um eine Nachbargemeinde unseres
Sprengels. Wir sind froh, voneinander
lernen zu können und Erfahrungen
weiterzugeben.
Kürzlich besuchten meine Frau und
ich den Gottesdienst im Bunten Haus
(Markus-Gemeinde) und erhielten wie
bei uns in Matthäus am Eingang das
übliche mitteldicke offizielle Gesangbuch
EG. Aber dazu im gleichen
Format und gleicher Größe noch ein
zweites, nur von mittelblauer statt
grünlicher Farbe. Sehr gut aufgemacht,
fester Deckel, weißes satiniertes Papier,
gut lesbare Seitenzahlen, angenehme
Schrift, klares Notenbild. Titel: Durch
Hohes und Tiefes. Untertitel: Gesangbuch
der Evangelischen Studierendengemeinden
in Deutschland; Supplement
[Ergänzungsband] zum Evangelischen
Gesangbuch. Auf dem rückseitigen Umschlag:
444 neue geistliche Lieder. München,
Strube Verlag, 2008. Unterstützt
von der Evang. Kirche in Deutschland
und fünf ihrer Gliedkirchen wie der
Evang.-luther. Kirche in Bayern. Inhalt:
die gleichen Kapitelüberschriften wie
im EG, also: Kirchenjahr; Gottesdienst;
Biblische Gesänge; Glaube Liebe Hoffnung;
Gesänge Hymnen Psalmen. Aber
natürlich gibt es teilweise neue Unterkategorien
und selbstverständlich alles
neue Lieder, weitestgehend identisch
mit dem Material im oben genannten
Liederbuch Lieder zwischen Himmel
und Erde. Also keine Gefahr, an ein
elitäres Akademikerliedgut zu geraten!
Zu Hause habe ich zwei volle Tage
gebraucht, die Lieder durchzulesen
und anzuhören. (Anzuhören? Ja, unter
www.hohesundtiefes.de kann man fast
400 der 444 Lieder mit jeweils einer
Strophe sich vorsingen und vorspielen
lassen. Eine ausgezeichnete Hilfe
für weniger notensichere Leute.) Auf
der Liedtafel im Gottesdienst waren
die neuen Lieder von den EG-Liedern
durch einen davor gesetzten blauen
Punkt leicht zu unterscheiden, und sie
wurden nach meinem Eindruck mit
gleichem Einsatz gesungen wie die
vertrauten EG-Lieder.
Erste Erfahrungen mit neuen
Liedern in der Markusgemeinde
Wie ich von der Markus-Pfarrerin Dr.
Rudolph erfuhr, hat unsere Nachbargemeinde
110 Exemplare für ihre beiden
Predigtstätten angeschafft (Mengenrabatt:
1 Expl. für äußerst preiswerte
10 Euro). Vertraut gemacht wird die
Gemeinde mit den neuen Liedern
auch durch die Einrichtung des sog.
Monatsliedes: In jedem Gottesdienst
eines Monats wird ein neues Lied (oder
auch ein anderes ziemlich unbekanntes)
gesungen, das gleichzeitig im
Gemeindeblatt vorgestellt wird.
Mein spontanes Votum:
Lasst es uns – in Zusammenarbeit mit
unserem Sprengelfachmann – versuchen,
mit dem Supplementgesangbuch
Erfahrungen zu sammeln. Was halten
Sie davon?
Dietmar Pertsch