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öffentliche beschlüsse der 46. jahresversammlung 2011 in köln

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AMNESTY INTERNATIONAL, SEKTION DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND E.V.ÖFFENTLICHE BESCHLÜSSE DER <strong>46.</strong>JAHRESVERSAMMLUNG <strong>2011</strong>IN KÖLNPLENUM-1: 50 JAHRE AMNESTY INTERNATIONAL: EIN GRUND ZUM FEIERN, NICHT ZUMAUSRUHENI.1. Amnesty International <strong>in</strong> Deutschland wird auch fünfzig Jahre nach ihrer Gründung für die Unteilbarkeitund Unverlierbarkeit aller Menschenrechte e<strong>in</strong>treten. Das Ziel e<strong>in</strong>er Gesellschaft „ohneFurcht und Not“, wie es die Allgeme<strong>in</strong>e Erklärung <strong>der</strong> Menschenrechte vorgibt, ist noch langenicht erreicht; die Opfer von Menschenrechtsverletzungen weltweit brauchen noch immer unsereStimme und unsere solidarische Unterstützung.2. Die Menschenrechte bed<strong>in</strong>gen e<strong>in</strong>an<strong>der</strong>. AI setzt sich für den Schutz aller Menschenrechte, <strong>der</strong>bürgerlich-politischen und <strong>der</strong> WSK-Rechte, wie sie sich, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e aus <strong>der</strong> AEdMR und denUN-Pakten ergeben, e<strong>in</strong>.3. Menschenrechte müssen gelebt werden. Es reicht nicht aus, sie im Gesetzblatt festzuschreiben,son<strong>der</strong>n die Gesellschaft muss sich ständig aufs Neue über ihre Bedeutung und ihren Schutz verständigen.4. Dabei haben Menschenrechte ihre Bedeutung gerade <strong>in</strong> <strong>der</strong> Krise. Wirtschaftlich und/o<strong>der</strong> politischunruhige Verhältnisse dürfen nicht zum Abbau von Menschenrechten führen, im Gegenteilmuss sich ihr Schutz beson<strong>der</strong>s unter solchen Verhältnissen bewähren. Der Abbau von Menschenrechtenunter dem Vorwand <strong>der</strong> Terrorismusbekämpfung o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Bekämpfung e<strong>in</strong>er Wirtschaftskrisedarf nicht h<strong>in</strong>genommen werden.5. Menschenrechte gelten <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e für diejenigen, die – auf Grund beliebiger Kriterien und Zuschreibungen– als "an<strong>der</strong>s" angesehen o<strong>der</strong> als "fremd" def<strong>in</strong>iert werden. Wenn e<strong>in</strong>e bestimmteGruppe vom Genuss <strong>der</strong> Menschenrechte ausgeschlossen wird, s<strong>in</strong>d alle <strong>in</strong> Gefahr, ihre Menschenrechtezu verlieren. Rassismus und Diskrim<strong>in</strong>ierung <strong>in</strong> je<strong>der</strong> Gestalt s<strong>in</strong>d konkrete Menschenrechtsverletzungen,die zugleich e<strong>in</strong>e Bedrohung für die Rechte aller Menschen darstellen.6. Der Schutz <strong>der</strong> Menschenrechte muss vor allem für die Schwachen und für diejenigen sichergestelltwerden, die ke<strong>in</strong>e Heimat haben. Sowohl <strong>der</strong> Schutz von K<strong>in</strong><strong>der</strong>n vor Menschenrechtsverletzungenals auch <strong>der</strong> Schutz von Flüchtl<strong>in</strong>gen sowie von Migrant<strong>in</strong>nen und Migranten bleiben fürAmnesty International zentrale Aufgaben.7. Für den Menschenrechtsschutz stellen sich neue Herausfor<strong>der</strong>ungen, denen sich Amnesty Internationalstellen muss. Stichworte s<strong>in</strong>d etwa die gewaltlose Lösung von Konflikten und die Verantwortlichkeit(accountability) für Menschenrechtsverletzungen im Rahmen von Auslandse<strong>in</strong>sätzen und/o<strong>der</strong> bei gemischt-nationalen Operationen (zum Beispiel von deutschen Grenzbeamt<strong>in</strong>nen und -beamtenim Rahmen von E<strong>in</strong>sätzen <strong>der</strong> Europäischen Grenzschutzagentur Frontex).


ÖFFENTLICHE BESCHLÜSSE DER <strong>46.</strong> JAHRESVERSAMMLUNG <strong>2011</strong> SEITE 2/12II.1. Amnesty International begreift sich als gesellschaftlicher Akteur, <strong>der</strong> Verantwortung für den ständigensozialen Konsens über die Menschenrechte trägt. Wir s<strong>in</strong>d ke<strong>in</strong> abgeschlossener Zirkel von Expert<strong>in</strong>nenund Experten, son<strong>der</strong>n müssen <strong>in</strong> die Gesellschaft h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>wirken und unsererseits Anstößeaus <strong>der</strong> Gesellschaft, <strong>in</strong> <strong>der</strong> wir leben, aufnehmen.2. Amnesty International kann nur weiterh<strong>in</strong> Erfolg haben, wenn sie ihren Charakter als Mitglie<strong>der</strong>organisationbehält. Mitglie<strong>der</strong> müssen das letzte Wort haben, wenn es um grundsätzliche Entscheidungenihrer Organisation geht. Die Organisation lebt von und mit ihren Unterstützer<strong>in</strong>nen undUnterstützern – nur auf diese Weise ist e<strong>in</strong>e wirksame Verb<strong>in</strong>dung mit <strong>der</strong> Gesellschaft, <strong>in</strong> <strong>der</strong> wiruns bewegen, sichergestellt.3. Wir bleiben an <strong>der</strong> Seite <strong>der</strong> Opfer. Ihnen geben wir unsere Stimme, ihre Sichtweise ist unser Bezugsrahmenbei politischen Entscheidungen. Nicht was die Machthaber wollen, son<strong>der</strong>n was denOpfern hilft, ist für uns die zentrale Frage.4. Die deutsche Sektion begreift sich zugleich ausdrücklich als Teil <strong>der</strong> <strong>in</strong>ternationalen MenschenrechtsbewegungAmnesty International. Wir werden uns weiterh<strong>in</strong> solidarisch, aber auch kritisch <strong>in</strong>die Arbeit unserer gesamten Organisation e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gen.5. Damit Amnesty International e<strong>in</strong>e lebendige und effektiv arbeitende Menschenrechtsorganisationbleibt, ist e<strong>in</strong> Wachstum an Mitglie<strong>der</strong>n und f<strong>in</strong>anziellen Mitteln unabd<strong>in</strong>gbar. Schwerpunkte desWachstums <strong>in</strong> <strong>der</strong> deutschen Sektion müssen <strong>in</strong> den nächsten Jahren se<strong>in</strong>:a. E<strong>in</strong>e Verbreiterung des Unterstützerumfeldes und e<strong>in</strong>e bessere Interaktion mit allen unserenUnterstützer<strong>in</strong>nen und Unterstützern;b. e<strong>in</strong>e Verbesserung <strong>der</strong> Verzahnung und Evaluation von Kampagnen und Fundrais<strong>in</strong>g;c. e<strong>in</strong>e verbesserte Integration unserer verschiedenen Methoden <strong>in</strong> Unterstützerwerbung, Mitglie<strong>der</strong>gew<strong>in</strong>nungund Fundrais<strong>in</strong>gd. sowie e<strong>in</strong>e bessere Nutzung unserer ehren- und hauptamtlichen Ressourcen.Dieser Beschluss ist öffentlich.PLENUM-2: ZEHN VERSPRECHEN FÜR WEITERE 50 JAHREAls Amnesty International vor 50 Jahren entstand, rückte <strong>der</strong> Grün<strong>der</strong> Peter Benenson die entstehendeMenschenrechtsorganisation <strong>in</strong> den Kontext <strong>der</strong> Befreiungsgeschichte <strong>der</strong> Menschheit. Im Gründungsaufruf,e<strong>in</strong>em Zeitungsartikel, bezog er sich auf die Geschichte <strong>der</strong> Sklavenbefreiung <strong>in</strong> den USA unddas Ende <strong>der</strong> Leibeigenschaft <strong>in</strong> Russland. 1961 – auf e<strong>in</strong>em <strong>der</strong> Höhepunkte des Kalten Krieges –gelte es, gewaltlose politische Gefangene <strong>in</strong> Ost, West und Süd durch die Arbeit e<strong>in</strong>es Appeal for Amnestyzu befreien. Schon nach sechs Monaten stellte er fest, dass <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er ständig zynischer werdendenWelt e<strong>in</strong> großes verborgenes Reservoir an Idealismus nur darauf wartet, erschlossen zu werden. Erfolgreichwerde die Initiative nur se<strong>in</strong>, so Benenson, wenn das Vorhaben umfassend <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Zusammensetzung,<strong>in</strong>ternational <strong>in</strong> se<strong>in</strong>em Charakter und unparteilich <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er politischen Ausrichtung sei. Beflügeltvon <strong>der</strong> Vision e<strong>in</strong>er Welt, <strong>in</strong> <strong>der</strong> die Menschen frei von Furcht und Not (Allgeme<strong>in</strong>e Erklärung<strong>der</strong> Menschenrechte) leben, sollte Amnesty pragmatisch und ganz konkret für die Freilassung von zuUnrecht <strong>in</strong>haftierten Menschen arbeiten. Vision und Pragmatismus bei <strong>der</strong> Durchsetzung <strong>der</strong> Menschenrechte,beides zusammen e<strong>in</strong>t die Grün<strong>der</strong><strong>in</strong>nen und Grün<strong>der</strong> von e<strong>in</strong>st mit den Aktiven von heute.So wurde aus Idealismus e<strong>in</strong>e real gestaltende Kraft.50 Jahre später s<strong>in</strong>d wir e<strong>in</strong>e große Menschenrechtsorganisation geworden, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Frauen und Männer,Mädchen und Jungen erfolgreich zusammen arbeiten.• Wir haben vielen Menschen konkret helfen können.• Wir haben daran mitgewirkt, die Menschenrechte völkerrechtlich zu verankern.


ÖFFENTLICHE BESCHLÜSSE DER <strong>46.</strong> JAHRESVERSAMMLUNG <strong>2011</strong> SEITE 3/12• Wir haben dazu beigetragen, dass staatliche und nichtstaatliche Institutionen entstanden s<strong>in</strong>d, diedie E<strong>in</strong>haltung <strong>der</strong> Menschenrechte kontrollieren.• Wir haben zusammen mit an<strong>der</strong>en e<strong>in</strong>e globale Menschenrechtsbewegung geschaffen – viel breiterund vielfältiger als Amnesty International –, die Voraussetzung für die Verwirklichung <strong>der</strong> universellgeltenden Menschenrechte ist.• Wir haben geholfen, die Menschenrechte für mehr Menschen zu e<strong>in</strong>er erlebbaren Realität zu machen.• Wir s<strong>in</strong>d politisch und f<strong>in</strong>anziell unabhängig – die zentrale Bed<strong>in</strong>gung für die Glaubwürdigkeit undWirksamkeit unserer Arbeit ist bewahrt worden!Wir danken deshalb allen, die den Impuls von 1961 aufgenommen haben und seit Jahrzehnten gegenWi<strong>der</strong>stände verwirklichen, verbreitern und fortentwickeln. Viele s<strong>in</strong>d heute noch für die Menschenrechteaktiv. Amnesty begann mit <strong>der</strong> Arbeit für die Freilassung gewaltloser politischer Gefangener. Es folgten<strong>der</strong> Kampf gegen Folter, „Verschw<strong>in</strong>denlassen“, politische Morde, die Todesstrafe und für faire Gerichtsverfahrensowie den Flüchtl<strong>in</strong>gsschutz. Nach dem Ende des Kalten Krieges wurden diese Ziele1991 zum Konzept <strong>der</strong> Bekämpfung schwerer Menschenrechtsverletzungen ausgeweitet.In den 1990er Jahren bzw. zu Beg<strong>in</strong>n des neuen Jahrtausends wurden die Frauen-Menschenrechte <strong>in</strong>tegriertund 2003 das bisherige begrenzte und nur schrittweise erweiterte Mandat durch die möglichepraktische Arbeit zu allen Menschenrechten ersetzt. Das Mandat – demokratisch und <strong>in</strong>ternational festgelegt– beschränkte nur die praktische Arbeit unserer Organisation, nicht das Bekenntnis zu den universellgültigen, unteilbaren und <strong>in</strong> gegenseitiger Abhängigkeit stehenden Menschenrechten. Es sollteden jeweiligen Ressourcen von Amnesty entsprechen und jeden nächsten Schritt aus <strong>der</strong> bisherigenPraxis <strong>der</strong> Organisation entwickeln. Die Arbeit von Amnesty hat von Beg<strong>in</strong>n an im Rahmen <strong>der</strong> unteilbarenMenschenrechte stattgefunden, für die Amnesty immer e<strong>in</strong>stand.In 50 Jahren ist aus <strong>der</strong> fasz<strong>in</strong>ierenden Idee des Anfangs e<strong>in</strong>e weltweite, unabhängige und pragmatischarbeitende Bürgerbewegung für die Menschenrechte geworden. Überall auf <strong>der</strong> Welt setzen sich Menschen,die sich unabhängig von ihren sonstigen politischen, weltanschaulichen o<strong>der</strong> religiösen Überzeugungenzusammengeschlossen haben, <strong>in</strong> ihrem gesellschaftlichen Umfeld für die Verwirklichung <strong>der</strong>Menschenrechte e<strong>in</strong>. Über alle Unterschiede h<strong>in</strong>weg e<strong>in</strong>t sie die Überzeugung, dass schwerwiegendeMenschenrechtsverletzungen nirgendwo toleriert werden dürfen und alle etwas dagegen tun können.In den letzten 50 Jahren ist e<strong>in</strong> weltweites Netzwerk <strong>der</strong> Solidarität entstanden:1. Wir haben <strong>in</strong> 50 Jahren gelernt, dass Menschenrechte nicht durch die Verabschiedung von Resolutionen,Gesetzen und Abkommen verwirklicht werden, so unersetzlich diese für e<strong>in</strong>en wirksamenMenschenrechtsschutz auch s<strong>in</strong>d.• Wir halten fest, dass dieser Beitrag konkret se<strong>in</strong> muss und sich nicht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Propagierung nochso sympathischer und erstrebenswerter politischer Ziele erschöpfen kann, die nur von ferne etwasmit Menschenrechten zu tun haben. Wir müssen uns wie<strong>der</strong> stärker vergegenwärtigen,wann wir reden müssen und wann wir schweigen sollten.• Wir verpflichten uns, das weltweite Netzwerk <strong>der</strong> Solidarität auszubauen und darauf h<strong>in</strong>zuwirken,dass wir e<strong>in</strong> stets sichtbares und noch effektiveres Gegengewicht gegen jeden menschenrechtsverletzendenMissbrauch von politischer, militärischer und wirtschaftlicher Macht werden.2. Wir haben <strong>in</strong> 50 Jahren gelernt, dass es Politiker/<strong>in</strong>nen gibt, die sich für die Menschenrechte e<strong>in</strong>setzen.Das ist wichtig. Aber nicht alle Politiker/<strong>in</strong>nen me<strong>in</strong>en, was sie sagen. Oft hören wir folgenloseRhetorik. Oft bedeutet das Beharren auf „stiller Diplomatie“ nicht an<strong>der</strong>es als endlose„schweigende Diplomatie“. Oft wird unter „Freiheit“ nicht die Befreiung von Unterdrückung undHunger verstanden, son<strong>der</strong>n die „Freiheit des Fuchses im Hühnerstall“.


ÖFFENTLICHE BESCHLÜSSE DER <strong>46.</strong> JAHRESVERSAMMLUNG <strong>2011</strong> SEITE 4/12• Wir halten fest, dass – jenseits <strong>der</strong> wichtigen präventiven Ansätze – nur das Zurückdrängeno<strong>der</strong> gar die tatsächliche Beendigung von Menschenrechtsverletzungen Kriterien für die Qualitätstaatlicher und nichtstaatlicher Menschenrechtspolitik se<strong>in</strong> können. Folgenlose Programmsätzes<strong>in</strong>d unsere Sache nicht.• Wir verpflichten uns, weiterh<strong>in</strong> auf e<strong>in</strong>e konsequente Menschenrechtspolitik <strong>der</strong> Staaten und<strong>in</strong>ternationalen Gremien E<strong>in</strong>fluss zu nehmen. Bei aller Nähe zu den politischen Strukturenund ihren Repräsentant/<strong>in</strong>nen, die wir für den kritischen Dialog mit ihnen brauchen, werdenwir die Distanz nicht aufgeben, die unsere Unabhängigkeit, unsere Kampagnen und Aktionenund die Notwendigkeit, Druck auszuüben, von uns verlangen. Wir s<strong>in</strong>d und bleiben e<strong>in</strong> kritischesund politisch wie f<strong>in</strong>anziell unabhängiges Gegenüber je<strong>der</strong> Macht, von <strong>der</strong> Menschenrechtsverletzungenausgehen können. Wir wollen, dass sich Politiker/<strong>in</strong>nen und Regierungenunsere For<strong>der</strong>ungen zu eigen machen. Wir werden aber nicht zulassen, dass sich die politischVerantwortlichen aus ihrer menschenrechtlichen Rechenschaftspflicht gegenüber <strong>der</strong> politischenÖffentlichkeit stehlen und es sich stattdessen „bei Amnesty gemütlich machen.“ Deshalbweisen wir jedes billige Lob zurück, das nicht durch tatsächliche Arbeit für die Menschenrechtegedeckt ist.3. Wir haben <strong>in</strong> 50 Jahren gelernt, dass die Medien und Journalisten/<strong>in</strong>nen unverzichtbar für e<strong>in</strong>e erfolgreicheÖffentlichkeitsarbeit <strong>der</strong> Menschenrechtsbewegung s<strong>in</strong>d. Wir haben gute und mutigeFreund<strong>in</strong>nen und Freunde <strong>in</strong> den Medien, die uns helfen, absichtsvoll Verborgenes über Menschenrechtsverletzungenbekannt zu machen:• Wir halten fest, dass es ke<strong>in</strong>e politischen o<strong>der</strong> wirtschaftlichen Interessen gibt, die das Verschweigenvon Menschenrechtsverletzungen gebieten o<strong>der</strong> erlauben.• Wir verpflichten uns, die hohe Zuverlässigkeit unserer Informationen über Menschenrechtsverletzungendurch umfangreichen und sorgfältigen Research sicherzustellen. Wir werden entschiedeneKampagnen und Aktionen nicht durch nur kurzfristig wirksame Inszenierungen ersetzen.„Prom<strong>in</strong>ente“ <strong>in</strong> <strong>der</strong> Öffentlichkeitsarbeit s<strong>in</strong>d hilfreich. Sie sollen und können unsgerne unterstützen. Aber sie können die praktische und konkrete Arbeit unserer Organisationwe<strong>der</strong> ersetzen noch ihre alle<strong>in</strong>igen Sprecher/<strong>in</strong>nen se<strong>in</strong>. Ebenso s<strong>in</strong>d die neuen Medien <strong>in</strong> <strong>der</strong>Menschenrechtsarbeit sehr hilfreich. Sie erweitern den öffentlichen Raum, <strong>in</strong> dem sich politischeWillensbildung vollzieht, s<strong>in</strong>d aber nicht mit ihm gleichzusetzen.4. Wir haben <strong>in</strong> 50 Jahren gelernt, dass die mehr als drei Millionen Mitglie<strong>der</strong> und Unterstützer/<strong>in</strong>nenunserer weltweiten Organisation e<strong>in</strong> großer Reichtum s<strong>in</strong>d. Mit <strong>der</strong> Zahl unserer Mitglie<strong>der</strong> undihren Aktionen wächst unser politisches Gewicht. Mit <strong>der</strong> Zahl <strong>der</strong> aktiven Mitglie<strong>der</strong> wächst unsereFähigkeit, an vielen Orten gleichzeitig wirksamen Druck für die Menschenrechte auszuüben.• Wir halten fest, dass wir im Vergleich zu vielen an<strong>der</strong>en nichtstaatlichen Organisationen sehrviele aktive Mitglie<strong>der</strong> haben und dass sie sich dankenswerterweise mit Amnesty als ihrem Instrumentzur reaktiven und präventiven Bekämpfung von Menschenrechtsverletzungen identifizieren.Diese Form <strong>der</strong> „ownership“ hat Amnesty stark gemacht.• Wir verpflichten uns, <strong>in</strong>tern Demokratie, Partizipation und Pluralität und extern öffentliche Rechenschaftspflichtund Transparenz als Markenzeichen unserer Organisation ernst zu nehmenund weiterzuentwickeln. Angesichts des Wachstums <strong>der</strong> Organisation – gerade auch <strong>in</strong> an<strong>der</strong>enWeltregionen – erfor<strong>der</strong>t dies von uns mehr Anstrengungen als bisher. Wir als deutscheSektion wollen stärker die unterschiedlichen Erfahrungen und Perspektiven <strong>in</strong> die Menschenrechtsarbeitaufnehmen, die unsere sich wandelnde Gesellschaft prägen. „Diversity“ ist gesellschaftlicheRealität und Herausfor<strong>der</strong>ung, die wir annehmen wollen. Sie ist das Gegenteil vonSelbstgenügsamkeit und stärkt unsere Glaubwürdigkeit.


ÖFFENTLICHE BESCHLÜSSE DER <strong>46.</strong> JAHRESVERSAMMLUNG <strong>2011</strong> SEITE 5/125. Wir haben <strong>in</strong> 50 Jahren gelernt, dass die Zusammenarbeit mit an<strong>der</strong>en zivilgesellschaftlichen(Menschenrechts-)Organisationen unabd<strong>in</strong>gbar für e<strong>in</strong>e wirkungsvolle Menschenrechtsarbeit ist.• Wir halten fest, dass auch e<strong>in</strong>e große Organisation wie Amnesty weltweit nur e<strong>in</strong>en Teil <strong>der</strong>Menschenrechtsverletzungen recherchieren und veröffentlichen kann. Auch ist Amnesty nichtüberall bereits verwurzelt. Die Wirksamkeit unserer Arbeit hängt von <strong>der</strong> fruchtbaren Zusammenarbeitmit befreundeten Organisationen ab. Ihre Expertise über die Menschenrechtslageist uns so wichtig wie ihre E<strong>in</strong>schätzung von Strategien zur Verbesserung <strong>der</strong> Situation im jeweiligenLand. Ohne die frühzeitige E<strong>in</strong>beziehung etwa <strong>in</strong> die Kampagnenplanung, bleiben unsereBemühungen Stückwerk.• Wir verpflichten uns, die zivilgesellschaftliche Zusammenarbeit mit an<strong>der</strong>en Organisationen <strong>in</strong>Deutschland und über die Grenzen h<strong>in</strong>weg zu suchen und auszubauen. Wir begegnen ihnenauf Augenhöhe und lernen <strong>in</strong> Dialog, Zusammenarbeit und Erfahrungsaustausch vone<strong>in</strong>an<strong>der</strong>.Gerade weil die Möglichkeiten des <strong>in</strong>tensiven Austauschs mit an<strong>der</strong>en zivilgesellschaftlichenGruppen <strong>in</strong> den letzten Jahren durch das Ende des Kalten Krieges und durch die Entwicklungenbei den neuen Medien ganz beträchtlich gewachsen s<strong>in</strong>d, werden wir hier künftig besserzuhören und Initiativen vor Ort <strong>in</strong> ihrer Arbeit unterstützen und ggf. schützen.6. Wir haben <strong>in</strong> 50 Jahren gelernt, dass Amnesty International e<strong>in</strong>en spezifischen Beitrag zur Verbesserung<strong>der</strong> globalen Menschenrechtslage und zum Wachstum <strong>der</strong> weltweiten Menschenrechtsbewegungleistet.• Wir halten fest, dass dieser Beitrag konkret se<strong>in</strong> muss und sich nicht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Propagierung nochso sympathischer und erstrebenswerter politischer Ziele erschöpfen kann, die nur von ferne etwasmit Menschenrechten zu tun haben. Wir müssen uns wie<strong>der</strong> stärker vergegenwärtigen,wann wir reden müssen und wann wir schweigen sollten.• Wir verpflichten uns, uns an die Diszipl<strong>in</strong> strikt menschenrechtlicher Argumentation <strong>in</strong> <strong>der</strong> öffentlichenDiskussion zu halten. Dafür ist die Entwicklung von Fähigkeiten (Kompetenzen)und Wissen aller Aktiven notwendig. Die beste Menschenrechtsbildung ist immer noch diepraktische Menschenrechtsarbeit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Organisation wie Amnesty.7. Wir haben <strong>in</strong> 50 Jahren gelernt, dass vor allem die konkrete Kritik <strong>der</strong> Verantwortlichen für Menschenrechtsverletzungenzu e<strong>in</strong>er Verbesserung <strong>der</strong> Lage beiträgt. Dafür ist e<strong>in</strong> breites SpektrumVerantwortlicher anzusprechen: <strong>in</strong> <strong>der</strong> Wirtschaft, <strong>in</strong> <strong>der</strong> Politik, <strong>in</strong> den Medien. Sowohl staatlicheals auch nichtstaatliche Macht über Menschen kann für Menschenrechtsverletzungen o<strong>der</strong> fürMenschenrechtsübergriffe verantwortlich se<strong>in</strong>.• Wir halten fest, dass Staaten e<strong>in</strong>e herausragende Verantwortung für die E<strong>in</strong>haltung <strong>der</strong> Menschenrechtetragen.• Wir verpflichten uns, <strong>der</strong> Län<strong>der</strong>arbeit von Amnesty International weiterh<strong>in</strong> unsere beson<strong>der</strong>eAufmerksamkeit zu widmen und grundsätzlich Regierungen von Staaten für den Schutz, dieAchtung und För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Menschenrechte rechenschaftspflichtig zu halten. Wir stellen fest,dass die Expertise, die durch die Themenarbeit von Amnesty gewonnen wird, e<strong>in</strong>e unverzichtbareErgänzung <strong>der</strong> Län<strong>der</strong>arbeit darstellt. Das Expertenwissen etwa über e<strong>in</strong>zelne Menschenrechtsstandardsund die beson<strong>der</strong>en Bedürfnisse verschiedener gesellschaftlichen Gruppen,und das Expertenwissen über die Menschenrechtssituation, aber auch die politischen, sozialenund kulturellen Verhältnisse <strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelnen Län<strong>der</strong>n, ist komplementär und bilden zusammendie Grundlage für e<strong>in</strong>e solide und effektive Menschenrechtsarbeit. Verantwortlichkeit willkonkret, nicht allgeme<strong>in</strong> angesprochen werden.


ÖFFENTLICHE BESCHLÜSSE DER <strong>46.</strong> JAHRESVERSAMMLUNG <strong>2011</strong> SEITE 6/128. Wir haben <strong>in</strong> 50 Jahren gelernt, dass kont<strong>in</strong>uierliche, beharrliche und gewaltfreie, an den Opfernvon Menschenrechtsverletzungen orientierte Menschenrechtsarbeit zu e<strong>in</strong>er Verbesserung <strong>der</strong> öffentlichenDebatte menschenrechtlicher Anliegen geführt hat. In den Jahren bis zum Ende desKalten Krieges ist – oft gegen mächtige Wi<strong>der</strong>sprüche und unter persönlichen Opfern – das Fundamentdafür gelegt worden, dass die universellen und unteilbaren Menschenrechte nach 1989 <strong>in</strong>das Zentrum politischer Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzung gerückt s<strong>in</strong>d.• Wir halten fest, dass die Vielfalt menschenrechtlicher Aufrufe <strong>in</strong> Politik, Zivilgesellschaft undMedien e<strong>in</strong> großer Erfolg ist und dass sie zu Fortschritten bei <strong>der</strong> Anerkennung <strong>der</strong> Menschenrechteals vorrangigem Ziel aller politischen Anstrengungen beigetragen haben.• Wir verpflichten uns, je<strong>der</strong> Instrumentalisierung menschenrechtlicher Anliegen für Zwecke des„Kampfes <strong>der</strong> Kulturen“ und je<strong>der</strong> kulturalistischen o<strong>der</strong> religiösen Deformation universellerRechte zu wi<strong>der</strong>stehen und erwarten von unserer Organisation, dass sie mit verlässlichen Informationenorientierend auf diese vielstimmigen und z.T. wi<strong>der</strong>sprüchlichen Debatten E<strong>in</strong>flussnimmt. Wir wollen uns künftig <strong>in</strong> schwierigen Zweifelsfällen auf jeden Fall Zeit für e<strong>in</strong>egründliche Debatte nehmen.9. Wir haben <strong>in</strong> 50 Jahren gelernt, dass Vielfalt <strong>in</strong> <strong>der</strong> Menschenrechtsbewegung und <strong>in</strong> unserer Organisatione<strong>in</strong>e große Stärke ist. Als Amnesty International e<strong>in</strong>t uns die geme<strong>in</strong>same und weltweitkoord<strong>in</strong>ierte Arbeit für die Menschenrechte. Diese folgt den vom Internationalen Sekretariat o<strong>der</strong>mit ihm abgestimmten sorgfältig recherchierten Informationen über Menschenrechtsverletzungen.• Wir halten fest, dass Amnesty Erfolge erzielt hat.• Wir verpflichten uns als deutsche Sektion, weiter für die E<strong>in</strong>bettung <strong>der</strong> Menschenrechte <strong>in</strong>unsere Gesellschaft zu streiten. Viele staatliche Strukturen, die <strong>in</strong> Deutschland dem Schutz<strong>der</strong> Menschenrechte dienen, s<strong>in</strong>d durch die Arbeit <strong>der</strong> deutschen Sektion gefor<strong>der</strong>t und geför<strong>der</strong>to<strong>der</strong> fortentwickelt worden. Die nationalen Amnesty-Sektionen brauchen deshalb ebensowie die regionalen Zusammenschlüsse (z.B. bei <strong>der</strong> Arbeit zur Europäischen Union) Raum fürihre spezifische Arbeit. Damit ist jedem politischen, adm<strong>in</strong>istrativen o<strong>der</strong> f<strong>in</strong>anziellen Zentralismuse<strong>in</strong>e klare Grenze gesetzt. E<strong>in</strong>heit <strong>in</strong> <strong>der</strong> Vielfalt ist gefragt. Das Internationale Sekretariat<strong>in</strong> London vertritt unsere Ziele und For<strong>der</strong>ungen <strong>in</strong> <strong>in</strong>ternationalen Zusammenhängen wieden Vere<strong>in</strong>ten Nationen. Es ist zugleich e<strong>in</strong> wichtiges Instrument <strong>der</strong> weltweiten Mitgliedschaftzur Stärkung und – wo immer nötig – Koord<strong>in</strong>ierung unserer Arbeit, die auf den InternationalenRatstagungen von Amnesty verb<strong>in</strong>dlich geplant wird. Die deutsche Sektion bekenntsich zu „One Amnesty – Many Voices“ als Versuch, mit vielen verschiedenen Stimmen dase<strong>in</strong>e Anliegen <strong>der</strong> Menschenrechte zu för<strong>der</strong>n.10. Schließlich haben wir <strong>in</strong> 50 Jahren gelernt, dass <strong>der</strong> E<strong>in</strong>satz für die Menschenrechte für diejenigen,die sich aktiv und gestaltend e<strong>in</strong>setzen, prägend ist. Dieser E<strong>in</strong>satz ist sowohl für die Ausbildungdes eigenen Menschenrechtsbewusstse<strong>in</strong>s wie für die Wirkung des Engagements <strong>in</strong> die Gesellschaftnicht hoch genug e<strong>in</strong>zuschätzen.• Wir halten fest, dass das ehrenamtlich gestaltende Engagement für die Menschenrechte für dieVerwirklichung <strong>der</strong> Ziele von Amnesty unabd<strong>in</strong>gbar ist. Wirksames ehrenamtliches Engagementist unverzichtbar auf e<strong>in</strong>e hauptamtliche Unterstützung angewiesen. Die durchdachteKomb<strong>in</strong>ation dieser beiden Säulen hat die Erfolge von Amnesty ermöglicht.• Wir verpflichten uns, diese Zusammenarbeit fortzusetzen und s<strong>in</strong>d dabei davon überzeugt, dassdas schlummernde Potenzial von Amnesty <strong>in</strong> dem Wissen und den Ideen <strong>der</strong> dezentralenStrukturen liegt und nicht <strong>in</strong> immer professionelleren Öffentlichkeitsstrategien bzw. -konzepten,so unverzichtbar diese auch s<strong>in</strong>d. E<strong>in</strong>e gute Idee, die schlecht o<strong>der</strong> unzureichend umgesetztwird, führt im schlimmsten Fall zum Misserfolg. E<strong>in</strong>e gute Idee, die das Wissen, die Er-


ÖFFENTLICHE BESCHLÜSSE DER <strong>46.</strong> JAHRESVERSAMMLUNG <strong>2011</strong> SEITE 7/12fahrung und die Potenziale <strong>in</strong> <strong>der</strong> Mitgliedschaft nicht systematisch berücksichtigt und ernstnimmt, hat mit Amnesty nichts zu tun.• Wir verpflichten uns dazu, unsere Strukturen so weiterzuentwickeln, dass möglichst viele Menschen<strong>in</strong> allen Lebenslagen, egal wo und wie sie wohnen, die Möglichkeit <strong>der</strong> aktiven Mitarbeitbei Amnesty bekommen und behalten, und die Möglichkeit zur Partizipation <strong>in</strong> den demokratischenEntscheidungsprozessen des Vere<strong>in</strong>s.Der heute 93 Jahre alte Stéphane Hessel, Flüchtl<strong>in</strong>g vor den deutschen Nazis, e<strong>in</strong>gebürgerter Kämpfer<strong>in</strong> <strong>der</strong> französischen „Résistance“, KZ-Überleben<strong>der</strong> und Mitautor <strong>der</strong> Allgeme<strong>in</strong>en Erklärung <strong>der</strong> Menschenrechtevon 1948, hat auch uns geme<strong>in</strong>t, als er vor Kurzem angesichts <strong>der</strong> Verletzungen <strong>der</strong> Menschenrechteauf diesem Globus zu e<strong>in</strong>em „Aufstand <strong>in</strong> Friedfertigkeit“ und zu „Zorn über die Ungerechtigkeit“aufrief. „Mischt Euch e<strong>in</strong>, empört Euch!“ – so se<strong>in</strong>e Empfehlung.Wir, die Jahresversammlung <strong>der</strong> deutschen Sektion von Amnesty International, antworten ihm im vollenBewusstse<strong>in</strong> unserer 50-jährigen Arbeit:„Die Allgeme<strong>in</strong>e Erklärung <strong>der</strong> Menschenrechte macht alle Menschen an allen Orten zu Trägern gleicherRechte. Wir werden gegenüber allen Menschen so handeln, als wenn es diese Weltbürgerrechteschon gäbe. Das so vorweggenommene Weltbürgerrecht wird helfen, Konflikte an<strong>der</strong>s zu lösen als mitnackter Gewalt. Wer sich – aus welcher Ausgangsposition auch immer – mit uns auf den Weg macht,diesem emanzipatorischen Versprechen <strong>der</strong> Menschenrechtserklärung näher zu kommen, kann auf unszählen. Wer das nicht will, soll mit uns rechnen müssen!“Der Beschluss ist extern; er soll <strong>der</strong> Öffentlichkeit zugänglich gemacht, den an<strong>der</strong>en Sektionen undStrukturen, dem <strong>in</strong>ternationalen Vorstand und dem Internationalen Sekretariat übersandt und dazu <strong>in</strong>sEnglische übersetzt werden.S-8: ZUSATZPROTOKOLL ZUM UN-SOZIALPAKT RATIFIZIERENDie Jahresversammlung for<strong>der</strong>t den Bund und die Län<strong>der</strong> auf, ihrer nationalen und <strong>in</strong>ternationalen Verantwortungfür den Menschenrechtsschutz gerecht zu werden und das Zusatzprotokoll zum InternationalenPakt über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte unverzüglich zu ratifizieren.Dieser Beschluss ist öffentlich.S-9: RELIGION UND MENSCHENRECHTEAnlässlich des 50-jährigen Bestehens von Amnesty International er<strong>in</strong>nert die Jahresversammlung daran,dass das Recht auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit e<strong>in</strong> grundlegendes Menschenrechtist, und for<strong>der</strong>t alle Staaten und nichtstaatlichen Akteure auf, ihrer Verpflichtung zu Achtung,Schutz und Verwirklichung dieses Rechtes nachzukommen.Verletzungen des Rechts auf Religionsfreiheit weltweit zeigen sich e<strong>in</strong>erseits durch direkte E<strong>in</strong>griffeund an<strong>der</strong>erseits <strong>in</strong> Form von Verweigerung vieler Staaten, ihrer Verpflichtung zur Achtung, Schutz undzur Verwirklichung <strong>der</strong> politisch-bürgerlichen und wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte fürAnhänger und Anhänger<strong>in</strong>nen ihnen jeweils missliebiger Religionen und Weltanschauungen nachzukommen.Die Jahresversammlung verurteilt jegliche Form von Gewalt gegen o<strong>der</strong> Diskrim<strong>in</strong>ierung von Menschenaufgrund ihrer religiösen o<strong>der</strong> weltanschaulichen Überzeugungen, gleich welcher Religion o<strong>der</strong> Weltanschauungsie angehören o<strong>der</strong> nicht angehören. Die JV verurteilt ebenfalls jegliche Gewalt und Diskrim<strong>in</strong>ierung,die unter Berufung auf Religionen o<strong>der</strong> Weltanschauungen ausgeübt werden.Zudem for<strong>der</strong>t sie alle Regierungen und im Rahmen ihrer Möglichkeiten auch alle Führenden <strong>der</strong> religiösenund weltanschaulichen Geme<strong>in</strong>schaften auf, dafür Sorge zu tragen, dass alle Menschen <strong>in</strong> denungeh<strong>in</strong><strong>der</strong>ten Genuss <strong>der</strong> friedlichen freien Religionsausübung gelangen, ohne dabei Schaden an Leib


ÖFFENTLICHE BESCHLÜSSE DER <strong>46.</strong> JAHRESVERSAMMLUNG <strong>2011</strong> SEITE 8/12und Leben zu nehmen bzw. Opfer von Diskrim<strong>in</strong>ierung zu werden. Staaten und religiöse und weltanschaulicheGeme<strong>in</strong>schaften sollen geeignete Maßnahmen ergreifen, um e<strong>in</strong> Klima des Respekts gegenüberAn<strong>der</strong>sdenkenden und An<strong>der</strong>sgläubigen zu schaffen und damit Intoleranz und Gewalt den Nährbodenzu entziehen.Die Jahresversammlung verweist darauf, dass das Recht auf Religionsfreiheit die Freiheit e<strong>in</strong>schließt,se<strong>in</strong>e Religion o<strong>der</strong> se<strong>in</strong>e Überzeugung ungeh<strong>in</strong><strong>der</strong>t aufzugeben o<strong>der</strong> zu wechseln, sowie die Freiheit,se<strong>in</strong>e Religion o<strong>der</strong> se<strong>in</strong>e Überzeugung alle<strong>in</strong> o<strong>der</strong> <strong>in</strong> Geme<strong>in</strong>schaft mit an<strong>der</strong>en öffentlich o<strong>der</strong> privatdurch Lehre, Ausübung, Gottesdienst und Kulthandlungen zu bekennen. Das Recht auf Religionsfreiheitschließt ebenfalls das Recht e<strong>in</strong>, ke<strong>in</strong>er Religion anzugehören. Staatliche Regelungen, die auchnur e<strong>in</strong>zelne Teile dieser Freiheiten beschneiden o<strong>der</strong> krim<strong>in</strong>alisieren, s<strong>in</strong>d daher Verletzungen desRechtes auf Religionsfreiheit.Die JV for<strong>der</strong>t die EU Staaten auf, die sog. EU-Qualifikationsrichtl<strong>in</strong>ie umfassend <strong>in</strong> nationales Rechtumzusetzen und Flüchtl<strong>in</strong>ge, denen Verfolgung aufgrund ihrer theistischen, atheistischen o<strong>der</strong> nichttheistischenÜberzeugungen droht, entsprechend zu schützen.Die JV beauftragt den Vorstand, diesen Beschluss dem IEC, dem Generalsekretär und dem ChairsForum zur Kenntnis zu br<strong>in</strong>gen und im Internationalen Sekretariat anzuregen, Verletzungen desRechtes auf Religionsfreiheit als Kategorie <strong>in</strong> <strong>der</strong> Dokumentenbasis systematisch zu erfassen.Dieser Beschluss ist öffentlich.S-10: SITUATION IN GEFÄNGNISSENDie Jahresversammlung ist tief beunruhigt über die Haftbed<strong>in</strong>gungen <strong>in</strong> Gefängnissen <strong>in</strong> vielen Län<strong>der</strong>ndieser Welt, die auf strukturellen Defiziten des Justiz-Systems beruhen und schwere Menschenrechtsverletzungendarstellen. Hierbei ist beson<strong>der</strong>s die Missachtung <strong>der</strong> Notwendigkeit e<strong>in</strong>er angemessenenVersorgung <strong>der</strong> Untersuchungshäftl<strong>in</strong>ge und Gefangenen mit Nahrung und sauberem Tr<strong>in</strong>kwasser, ausreichendensanitären E<strong>in</strong>richtungen, Kleidung sowie mediz<strong>in</strong>ischer Versorgung bei Krankheit zu nennen.Die Jahresversammlung betont,• dass es sich hierbei um Verstöße gegen das Verbot aller Formen von grausamer, unmenschlicherund erniedrigen<strong>der</strong> Behandlung o<strong>der</strong> Strafe sowie gegen das Recht auf Gesundheit handelt;• dass die Menschenrechte nicht verwirkt werden können und dass dies selbstverständlich auch fürUntersuchungshäftl<strong>in</strong>ge und für verurteilte StraftäterInnen gilt;• dass Gefangene aufgrund ihrer Situation beson<strong>der</strong>s hilflos s<strong>in</strong>d und sich nicht selbst versorgenkönnen. Die JV weist darauf h<strong>in</strong>, dass gelegentliche Hilfeleistung durch Angehörige o<strong>der</strong> Nichtregierungsorganisationenke<strong>in</strong>en Ersatz für die u.a. im Zivilpakt Art. 10 festgeschriebene Verpflichtung<strong>der</strong> Staaten ist, menschenwürdige Haftbed<strong>in</strong>gungen zu gewährleisten.Die Jahresversammlung weist zudem darauf h<strong>in</strong>, dass es sich bei vielen <strong>der</strong> hier betroffenen Gefangenenum M<strong>in</strong><strong>der</strong>jährige handelt. In diesem Zusammenhang ruft die Jahresversammlung <strong>in</strong> Er<strong>in</strong>nerung,dass nach geltenden <strong>in</strong>ternationalen Menschenrechtsstandards M<strong>in</strong><strong>der</strong>jährige nur im Ausnahmefall undfür die kürzest mögliche Zeit festgehalten werden dürfen. Zudem gelten beson<strong>der</strong>e Richtl<strong>in</strong>ien sowohlfür die Inhaftierung von M<strong>in</strong><strong>der</strong>jährigen als auch für <strong>in</strong>haftierte Mütter mit ihren Säugl<strong>in</strong>gen o<strong>der</strong> Kle<strong>in</strong>k<strong>in</strong><strong>der</strong>n.Die Jahresversammlung for<strong>der</strong>t alle Staaten auf, Gefangene m<strong>in</strong>destens entsprechend den M<strong>in</strong>imalenRegeln für die Behandlung von Gefangenen, wie sie sie bereits 1955 vom ersten UN-Kongress zur Verh<strong>in</strong><strong>der</strong>ungvon Verbrechen und zur Behandlung von Straftätern angenommen wurden, zu behandeln.(Siehe http://www2.ohchr.org/english/law/treatmentprisoners.htm; Adopted by the First United NationsCongress on the Prevention of Crime and the Treatment of Offen<strong>der</strong>s, held at Geneva <strong>in</strong> 1955, and


ÖFFENTLICHE BESCHLÜSSE DER <strong>46.</strong> JAHRESVERSAMMLUNG <strong>2011</strong> SEITE 9/12approved by the Economic and Social Council by its resolutions 663 C (XXIV) of 31 July 1957 and2076 (LXII) of 13 May 1977; (A/RES/43/173 vom 9.12. 1988.)Die JV for<strong>der</strong>t den Vorstand auf zu prüfen, <strong>in</strong> welchem Rahmen und unter welchen Aspekten die Arbeitvon Amnesty International zu diesem Thema verstärkt entwickelt werden kann, und bittet den Vorstanddie Thematik auf <strong>in</strong>ternationaler Ebene <strong>in</strong> geeigneter Form e<strong>in</strong>zubr<strong>in</strong>gen.Dieser Beschluss ist öffentlich.S-13: STRAFVERFOLGUNG VON BUSHIn <strong>der</strong> Überzeugung, dass ke<strong>in</strong> e<strong>in</strong>ziger Zweck welche Foltermethode o<strong>der</strong> Folterandrohung auch immerrechtfertigt o<strong>der</strong> etwa “bezahlt macht”, und <strong>in</strong> <strong>der</strong> Absicht, geme<strong>in</strong>sam mit allen gleichges<strong>in</strong>nten Körperschaftendarauf h<strong>in</strong>zuwirken, dass <strong>in</strong> Zukunft ke<strong>in</strong>e Regierung <strong>der</strong> Welt annimmt, diesem Beispielfolgend zur Erreichung e<strong>in</strong>es bestimmten Zieles e<strong>in</strong>e bestimmte Foltermethode gutheißen zu können,schließt sich die Sektion Deutschland von Amnesty International ausdrücklich und öffentlich <strong>der</strong> For<strong>der</strong>ungdes Internationalen Sekretariats von Amnesty International vom 9. und 10. 11. 2010 nach gerichtlicherAnklage aller Verantwortlichen <strong>der</strong> Regierung George W. Bush, e<strong>in</strong>schließlich des US-Ex-Präsidenten,e<strong>in</strong>mütig an.Dieser Beschluss ist öffentlich.S-15: MENSCHENRECHTE UND ARABISCHE REVOLUTIONSeit Beg<strong>in</strong>n dieses Jahres bef<strong>in</strong>det sich die arabische Welt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em historischen Umbruch, <strong>der</strong> für dasSchicksal Hun<strong>der</strong>ter Millionen Menschen von außerordentlicher Bedeutung ist. Was <strong>in</strong> unserer unmittelbarenNachbarschaft jenseits des Mittelmeeres im Namen <strong>der</strong> Menschenwürde, <strong>der</strong> Freiheit, <strong>der</strong> Demokratieund e<strong>in</strong>er gerechten Teilhabe erstritten wird, wird zweifellos über die praktische Anerkennung<strong>der</strong> universellen Geltung <strong>der</strong> Menschenrechte auf diesem Globus mit entscheiden. Von Tunesien ausgehendhaben diese Ziele <strong>in</strong> allen ihren politischen und sozialen Dimensionen Ägypten und schließlichviele arabische Län<strong>der</strong> ergriffen. Repressive Regime wurden gestürzt und autokratische Herrschaft beendet.Die sche<strong>in</strong>bare Stabilitätspolitik Europas gegenüber vielen Autokraten <strong>der</strong> Region ist gescheitert. Europahat viel aufzuarbeiten. Der Vorwurf lautet: „Kumpanei mit Autokraten und repressiven Regimen“ –sei es im Bereich <strong>der</strong> Waffenlieferungen o<strong>der</strong> <strong>der</strong> polizeilich-militärischen Zusammenarbeit, sei es bei<strong>der</strong> systematischen und teilweise völkerrechtswidrigen Abwehr von Asylsuchenden und Flüchtl<strong>in</strong>gen,die <strong>in</strong> Europa Schutz suchen. Schutz vor Flüchtl<strong>in</strong>gen statt Schutz für Flüchtl<strong>in</strong>ge ist die Devise, dienach Aussagen des Menschenrechtskommissars des Europarates Thomas Hammarberg e<strong>in</strong>e Mitverantwortungfür bereits mehr als 1400 im Mittelmeer Ertrunkenen im ersten Halbjahr <strong>2011</strong> trägt.Noch ist <strong>der</strong> weitere Weg <strong>in</strong> den meisten arabischen Län<strong>der</strong>n offen und unentschieden. Aber schonjetzt haben viele Menschen <strong>in</strong> den Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungen ihr Leben verloren: mehr als 300 <strong>in</strong> Tunesien,mehr als 800 <strong>in</strong> Ägypten, ca. 1000 <strong>in</strong> Syrien, viele im Jemen und <strong>in</strong> Libyen.Angesichts dieser Situation beschließt die Jahresversammlung <strong>der</strong> deutschen Sektion von Amnesty International,verstärkte Anstrengungen zu unternehmen, um ihrer Solidarität mit den um Freiheit undTeilhabe, Recht und Gerechtigkeit r<strong>in</strong>genden Menschen Ausdruck zu geben.Dabei halten wir als Menschenrechtsorganisation folgende Aufgaben für beson<strong>der</strong>s wichtig: Durchsetzung<strong>der</strong> Menschenrechte, <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e Frauenrechte, <strong>der</strong> Religionsfreiheit, <strong>der</strong> Me<strong>in</strong>ungsfreiheit, <strong>der</strong>Pressefreiheit und <strong>der</strong> Freiheit des Internets, des Rechts auf Versammlungs- und Vere<strong>in</strong>igungsfreiheitund des friedlichen Protests, den Schutz aktiver MenschenrechtsverteidigerInnen sowie die demokratischeKontrolle <strong>der</strong> „Sicherheitskräfte“ und die E<strong>in</strong>haltung rechtsstaatlicher Pr<strong>in</strong>zipien und des Folterverbots.Repression und Korruption müssen e<strong>in</strong> Ende haben. Kurz: die bürgerlichen und politischen


ÖFFENTLICHE BESCHLÜSSE DER <strong>46.</strong> JAHRESVERSAMMLUNG <strong>2011</strong> SEITE 10/12Rechte, die Teilhabe und die sozialen und wirtschaftlichen Rechte müssen die Maßstäbe aller Verän<strong>der</strong>ungense<strong>in</strong>. Jedem Opfer <strong>der</strong> Verletzung dieser Rechte gilt unsere Solidarität.Wir werden die Mitgliedsstaaten <strong>der</strong> Europäischen Union und die Union selbst mit geeigneten Maßnahmenunter Druck setzen, menschenrechtswidrige Interessenpolitik zu beenden und e<strong>in</strong>e positiveRolle beim Aufbau demokratischer und rechtsstaatlich-menschenrechtlicher Strukturen zu übernehmen.Zu den wichtigen Aufgaben <strong>der</strong> Län<strong>der</strong> <strong>der</strong> Region gehört es, die Verbrechen <strong>der</strong> repressiven Regimevor und während den Ause<strong>in</strong>an<strong>der</strong>setzungen dieses Jahres strafrechtlich aufzuarbeiten und den Gebrauch<strong>der</strong> Folter zu ahnden. Dies ist auch deshalb unverzichtbar, weil sich die Zeichen mehren, dasssich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>igen Län<strong>der</strong>n die Kräfte <strong>der</strong> Unterdrückung wie<strong>der</strong> sammeln und um ihren E<strong>in</strong>fluss kämpfen.Wir nehmen uns vor, verstärkt den direkten Kontakt mit den MenschenrechtsverteidigerInnen <strong>in</strong> denLän<strong>der</strong>n <strong>der</strong> Region zu suchen, und werden die Zusammenarbeit mit denjenigen <strong>in</strong>tensivieren, die hierbei uns für e<strong>in</strong>e menschenrechtliche Entwicklung <strong>in</strong> Nordafrika und im Nahen und Mittleren Osten e<strong>in</strong>treten.Wir werden uns <strong>in</strong> unserer <strong>in</strong>ternationalen Organisation dafür e<strong>in</strong>setzen, dass die bisher geübte Praxis<strong>in</strong>tensiver Ermittlungen und ausführlicher Berichte von Amnesty International fortgeführt wird und unsdabei hilft, unserer Solidarität praktischen Ausdruck zu geben. Wir bitten den neuen Vorstand, die betroffenenLän<strong>der</strong>-Kogruppen und die Delegierten <strong>der</strong> deutschen Sektion, die im August zum InternationalenRat von Amnesty International fahren werden, <strong>in</strong> diesem S<strong>in</strong>ne E<strong>in</strong>fluss zu nehmen und die Arbeit<strong>der</strong> Sektion zur ganzen Region zu verstärken. Die Mitgliedschaft <strong>der</strong> deutschen Sektion drücktihren Willen aus, verstärkte Anstrengungen zu unternehmen, um den Wandel <strong>in</strong> <strong>der</strong> arabischen Weltund die Verwirklichung aller Menschenrechte zu unterstützen.Der Beschluss ist öffentlich.S-16: GAY PRIDE KROATIENDie TeilnehmerInnen <strong>der</strong> Jahresversammlung von Amnesty International s<strong>in</strong>d bestürzt über die gewaltsamenÜbergriffe auf die Pride Parade „Unterschiedliche Familien, gleiche Rechte“ am vergangenenSamstag <strong>in</strong> Split, Kroatien, bei <strong>der</strong> m<strong>in</strong>destens fünf Menschen unter an<strong>der</strong>em durch Ste<strong>in</strong>würfe verletztwurden. Die kroatische Polizei war nicht <strong>in</strong> <strong>der</strong> Lage, die TeilnehmerInnen <strong>der</strong> Demonstration ausreichendzu schützen.Amnesty International for<strong>der</strong>t die kroatischen Behörden auf, e<strong>in</strong>e sofortige Untersuchung <strong>der</strong> Vorfällee<strong>in</strong>zuleiten. Die Polizei muss klarstellen, dass homophobe Gewalt e<strong>in</strong>e Straftat ist und nicht toleriertwerden kann. Die kroatischen Behörden müssen sofort handeln, um e<strong>in</strong>e Wie<strong>der</strong>holung <strong>der</strong>artiger Vorfälle<strong>in</strong> <strong>der</strong> Zukunft auszuschließen. Amnesty International for<strong>der</strong>t alle kroatischen PolitikerInnen auf,geschlossen klarzustellen, dass alle Menschen das Recht auf friedliche Demonstration und Ausdruckihrer sexuellen Identität haben.Der Beschluss ist öffentlich.P-2: ASYLBEWERBERLEISTUNGSGESETZ1. Die Jahresversammlung stellt fest, dassa. die Leistungssätze des AsylbLG für Erwachsene nicht das menschenwürdige Existenzm<strong>in</strong>imumgewährleisten. Mit den Leistungen des AsylbLG ist ke<strong>in</strong>e ausreichende mediz<strong>in</strong>ischeVersorgung und ke<strong>in</strong>e Teilhabe am gesellschaftlichen, sozialen und politischen Leben sichergestellt.Auch können Verfahrensrechte nicht ausreichend wahrgenommen werden;b. Gruppen von Leistungsbeziehern <strong>in</strong> den Geltungsbereich des AsylbLG fallen, obwohl sie dasKriterium des vorübergehenden Aufenthaltes <strong>in</strong> <strong>der</strong> Regel nicht mehr erfüllen;


ÖFFENTLICHE BESCHLÜSSE DER <strong>46.</strong> JAHRESVERSAMMLUNG <strong>2011</strong> SEITE 11/12c. die prekäre Situation <strong>der</strong> unter das AsylbLG fallenden Personen durch die Residenzpflichtund den e<strong>in</strong>geschränkten Zugang zum Arbeitsmarkt verstärkt wird;d. nach wie vor das gilt, was im Beschluss P-1 <strong>der</strong> Jahresversammlung aus dem Jahr 2007 festgehaltenwurde, dass nämlich <strong>der</strong> deutsche Gesetzgeber die EU-Richtl<strong>in</strong>ie 2003/9/EG desRates vom 27. Januar 2003 zu Festlegung von M<strong>in</strong>destnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern<strong>in</strong> den Mitgliedstaaten h<strong>in</strong>sichtlich ihrer mediz<strong>in</strong>isch/gesundheitlichen Aspekte nicht<strong>in</strong> deutsches Recht umgesetzt hat.2. Daher for<strong>der</strong>t die Jahresversammlung dazu auf, die vorgenannten Positionen durch Lobbyarbeitdes SdS, <strong>der</strong> Landesbeauftragten für politische Flüchtl<strong>in</strong>ge und <strong>der</strong> Gruppen zu vertreten und aufihre Erfüllung zu drängen.3. Der Beschluss ist öffentlich.P-3: EU: ZUSAMMENARBEIT MIT DRITTSTAATEN BEIM FLÜCHTLINGSSCHUTZ NEU GESTALTEN1. Die Jahresversammlung ist darüber besorgt, dass die Europäische Union und ihre Mitgliedstaatenbei <strong>der</strong> Zusammenarbeit mit Drittstaaten im Bereich des Flüchtl<strong>in</strong>gsschutzes menschenrechtlicheAnfor<strong>der</strong>ungen nicht immer h<strong>in</strong>reichend beachten und vor allem nicht sicherstellen, dass Asylsuchendean den Grenzen <strong>der</strong> Europäischen Union stets Zugang zu e<strong>in</strong>em fairen und umfassendenAsylverfahren haben.2. Die Jahresversammlung weist nachdrücklich darauf h<strong>in</strong>, dass es nicht zulässig ist, an den GrenzenEuropas ankommende Asylsuchende pauschal auf den Flüchtl<strong>in</strong>gsschutz <strong>in</strong> angrenzenden Drittstaatenzu verweisen, <strong>in</strong> welchen dieser Flüchtl<strong>in</strong>gsschutz jedoch oftmals nicht annähernd ausreichendgewährleistet ist.3. Die Jahresversammlung for<strong>der</strong>t die Bundesregierung und die Regierungen <strong>der</strong> Bundeslän<strong>der</strong> daherauf, <strong>in</strong> den Gremien <strong>der</strong> Europäischen Union mit aller Entschiedenheit darauf h<strong>in</strong>zuwirken, dassdie Zusammenarbeit <strong>der</strong> EU und ihrer Mitgliedstaaten mit Drittstaaten im Bereich des Flüchtl<strong>in</strong>gsschutzeskritisch überdacht und unter konsequenter Berücksichtigung menschenrechtlicher Anfor<strong>der</strong>ungenneu gestaltet wird.4. Die Jahresversammlung betont, dass dies <strong>in</strong>sbeson<strong>der</strong>e für die Staaten Nordafrikas gilt, <strong>in</strong> denennach den jüngsten politischen Umwälzungen die Chance für e<strong>in</strong>e neue, ehrliche Art <strong>der</strong> Zusammenarbeitmit den EU-Staaten besteht, die von europäischer Seite nicht primär unter dem Aspekt<strong>der</strong> Externalisierung des Flüchtl<strong>in</strong>gsschutzes ausgenutzt werden darf.5. Dieser Beschluss ist öffentlich.P-4: ABSCHIEBUNGSBEOBACHTUNG IN DEUTSCHLAND WEITER ERMÖGLICHEN UNDAUSBAUEN1. Die Jahresversammlung setzt sich für die unverzügliche Umsetzung <strong>der</strong>jenigen Bestimmungen <strong>der</strong>EU-Rückführungsrichtl<strong>in</strong>ie <strong>in</strong> Deutschland e<strong>in</strong>, die die EU-Mitgliedstaaten verpflichtet, e<strong>in</strong> wirksamesSystem zur Überwachung von Abschiebungen zu schaffen. Diese Regelung ist bisher nicht <strong>in</strong>den deutschen Entwurf des sogenannten "Richtl<strong>in</strong>ienumsetzungsgesetzes" aufgenommen worden.2. Die Jahresversammlung verweist <strong>in</strong> diesem Zusammenhang auf die <strong>in</strong> Deutschland an den Flughäfen<strong>in</strong> Düsseldorf, Frankfurt am Ma<strong>in</strong> und Hamburg bestehende Abschiebungsbeobachtungsstellen,die – je nach Standort – seit bis zu 10 Jahren Abschiebungen beobachten. Diese beruhen lediglichauf landesrechtlichen Vere<strong>in</strong>barungen und haben bisher ke<strong>in</strong>e rechtliche Grundlage imBundesrecht. Die Beobachtungsstellen bestehen aus Abschiebungsbeobachtern o<strong>der</strong> -beobachter<strong>in</strong>nen,die bei den Abschiebungen präsent s<strong>in</strong>d, und aus e<strong>in</strong>em Gesprächsforum aus Vertreter<strong>in</strong>-


ÖFFENTLICHE BESCHLÜSSE DER <strong>46.</strong> JAHRESVERSAMMLUNG <strong>2011</strong> SEITE 12/12nen und Vertretern von nichtstaatlichen und staatlichen Stellen, des UNHCR und <strong>der</strong> Kirchen, <strong>in</strong>dem strukturelle Missstände und problematische E<strong>in</strong>zelfälle diskutiert und Lösungsvorschläge dazuerarbeitet werden können. Amnesty International arbeitet <strong>in</strong> allen drei Gesprächsforen mit.3. Die Jahresversammlung betont die positiven Effekte <strong>der</strong> Abschiebungsbeobachtung, die e<strong>in</strong>e deeskalierendeWirkung bei Abschiebungen hat sowie zum<strong>in</strong>dest <strong>der</strong> Fachöffentlichkeit gegenüber e<strong>in</strong>eTransparenz des Abschiebungsprozesses herstellt und dadurch dazu beiträgt, die E<strong>in</strong>haltung <strong>der</strong>Menschenrechte <strong>der</strong> abgeschobenen Menschen sicherzustellen.4. Die Jahresversammlung verweist desweiteren auf die Tatsache, dass die Europäische Kommissiondie <strong>in</strong> Deutschland praktizierte Form <strong>der</strong> Abschiebungsbeobachtung für e<strong>in</strong>e gelungene Umsetzung<strong>der</strong> Vorgaben <strong>der</strong> EU-Rückführungsrichtl<strong>in</strong>ie hält.5. Die Jahresversammlung for<strong>der</strong>t die Bundesregierung auf, die die Überwachung von Abschiebungenbetreffenden Regelungen <strong>der</strong> EU-Rückführungsrichtl<strong>in</strong>ie unter Beachtung und Berücksichtigung<strong>der</strong> vorgenannten Kriterien <strong>in</strong> das deutsche Aufenthaltsgesetz zu übernehmen und außerdem anallen deutschen Flughäfen, von denen aus Abschiebungen erfolgen, Abschiebungsbeobachtungsstellene<strong>in</strong>zurichten. Die Abschiebungsbeobachtung sollte lückenlos erfolgen.6. Dieser Beschluss ist öffentlich.

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