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Zwanglos sozial engagiert - BruderhausDiakonie

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<strong>sozial</strong> • Ausgabe 4 | 2010<br />

Lothar Bauer:<br />

Orte für den Dienst an der Gemeinschaft erhalten<br />

„Frage nicht, was Dein Land für Dich tun kann, frage,<br />

was Du für Dein Land tun kannst.“ So forderte einst<br />

John F. Kennedy.<br />

Für frühere Generationen war es selbstverständlich,<br />

dass man sich für die Gemeinschaft einzusetzen<br />

hatte. In meiner Heimatgemeinde gab es einst einen<br />

„Fronmeister“. Die Gemeinde betrieb einen sogenannten<br />

Farrenstall, in dem der gemeindeeigene<br />

Zuchtbulle gehalten wurde. Es waren dafür eigene<br />

Felder vorhanden. Auch Gemeindewälder gab es. Das<br />

alles, ebenso wie der Unterhalt der Gemeindestraßen<br />

und -wege, wurde nicht mit hauptamtlichem Personal<br />

betrieben oder an Unternehmer vergeben. Dazu<br />

fehlte das Geld. Diese Einrichtungen zu unterhalten,<br />

war Aufgabe der Bürger, und der Fronmeister teilte<br />

sie zur Gemeindearbeit ein. Es war selbstverständlich,<br />

dass man mit mehr oder weniger Murren etwas „für<br />

sein Land“, sprich für seine Gemeinde, zu tun hatte.<br />

Und siehe da: In der Gemeindeordnung des Landes<br />

Baden-Württemberg ist zu lesen, dass auch noch<br />

heute die Einwohner von ihren Gemeinden „für eine<br />

bestimmte Zeit zur Mitwirkung bei der Erfüllung<br />

vordringlicher Pflichtaufgaben und für Notfälle zu<br />

Gemeindediensten (Hand- und Spanndienste)“ verpflichtet<br />

werden können (§10,5). Also, lieber Leser,<br />

ziehen Sie den Hut tiefer ins Gesicht, wenn Sie das<br />

nächste Mal ihrem Bürgermeister begegnen. Sie<br />

könnten verpflichtet werden.<br />

Die Militärpflicht war der weitestgehende Dienst für<br />

die Allgemeinheit – zumindest für die Männer – und<br />

ist es bis heute. Vom Mann wurde erwartet, dass er<br />

im Zweifel für die Gemeinschaft auch sein Leben in<br />

die Schanze wirft. Mehr hat keiner zu geben. Über<br />

den Missbrauch, der vor allem im letzten großen<br />

Krieg mit dem Gemeinsinn und der Opferbereitschaft<br />

der Menschen getrieben wurde, brauchen wir hier<br />

nicht weiter zu reden.<br />

Die Bundesregierung hat die Aussetzung des Wehrdienstes<br />

beschlossen. Mit dem Ende des Wehrdiens-<br />

KOLUMNE<br />

Pfarrer Lothar<br />

Bauer, Vorstandsvorsitzender<br />

der<br />

<strong>BruderhausDiakonie</strong><br />

tes wird es auch den zivilen Ersatzdienst nicht mehr<br />

geben, den die Verfassungsväter im Sinne des Gewissensschutzes<br />

nach den Erfahrungen im Dritten Reich<br />

an den Wehrdienst gekoppelt hatten. Damit wird<br />

auch dieser besondere „Gemeinschaftsdienst“, der<br />

unserem Land viel Ehre gemacht hat, aus dem Leben<br />

der jungen Männer verschwinden und der Begriff des<br />

„Dienstes“ einen Ort verlieren, den er im Bewusstsein<br />

der Menschen hatte. Die kommunalen Gemeinschaftsdienste<br />

sind seit Jahrzehnten überwiegend<br />

verschwunden, und nur noch in der Gemeindeordnung<br />

findet sich eine Erinnerung an sie, so wie der<br />

Blinddarm an eine frühere Evolutionsstufe erinnert.<br />

Ein gesellschaftlicher Pflichtdienst ist bei uns nicht<br />

diskussionsfähig. Die Frage, wo das Thema des<br />

Dienstes für die<br />

Gemeinschaft<br />

Ein gesellschaftlicher Pflichtdienst<br />

insbesondere in<br />

einer sehr indi- ist bei uns nicht diskussionsfähig<br />

vidualisierten<br />

Gesellschaft seinen Ort hat, gerade auch im Sozialisationsprozess<br />

von jungen Menschen, sollte uns aber<br />

weiter beschäftigen.<br />

Die <strong>sozial</strong>en Einrichtungen kommen durch den Wegfall<br />

des Zivildienstes in Nöte. In der <strong>BruderhausDiakonie</strong><br />

werden 100 junge Männer fehlen, die in der<br />

Betreuung, in der Pflege, in Funktionsdiensten tätig<br />

sind. Dass diese Zahlen ohne weiteres durch freiwillige<br />

Dienste ausgeglichen werden können, scheint mir<br />

unrealistisch. Die Wirtschaftskrise und die kommunale<br />

Finanzlage hinterlassen Spuren in der <strong>sozial</strong>en<br />

Arbeit. Nun fallen auch noch die Zivis aus. Das kann<br />

von Trägern wie der <strong>BruderhausDiakonie</strong> nicht kompensiert<br />

werden. Es ist notwendig, dass die Mittel,<br />

die für den Zivildienst eingesetzt werden, auch künftig<br />

für die <strong>sozial</strong>e Arbeit zur Verfügung stehen. Der<br />

Ort, an dem junge Menschen etwas für ihr Land, für<br />

die Gemeinschaft tun können, sollte so gut wie möglich<br />

erhalten werden.<br />

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