Zwanglos sozial engagiert - BruderhausDiakonie
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<strong>sozial</strong> • Ausgabe 4 | 2010 <strong>Zwanglos</strong> <strong>sozial</strong> <strong>engagiert</strong><br />
TITELTHEMA<br />
junge Mann hatte die Studentenunruhen von 1968<br />
aufmerksam verfolgt und spürte die Aufbruchstimmung,<br />
die davon ausging. „Nur“ Geld zu verdienen,<br />
erschien ihm bald zu banal.<br />
„Ich wollte den gesellschaftlichen Aufbruch mitgestalten.“<br />
Dieser Leitgedanke zieht sich wie ein roter<br />
Faden durch sein Leben. 1972/73 leistet Thomas<br />
Niethammer seinen 18-monatigen Zivildienst im<br />
Jugendhilfebereich von Mariaberg in Gammertingen.<br />
Betreut dort erst 13- bis 16-jährige Jungs, zu denen<br />
er einen guten Draht hat, dann fünf- bis achtjährige<br />
Buben. Beginnt als Zivi eine Ausbildung zum Heilerziehungspfleger.<br />
Baut nach dem Zivildienst Betreutes<br />
Jugendwohnen und Elternarbeit auf, lässt sich in klientenzentrierter<br />
Beratung ausbilden. „Das Entwicklungspotenzial<br />
war enorm. Ich konnte etwas ganz<br />
Neues gestalten. Das war meine treibende Kraft.“<br />
Sein Gestaltungswille lässt ihn 1982 nach Reutlingen<br />
zur Gustav Werner Stiftung, der heutigen <strong>BruderhausDiakonie</strong>,<br />
wechseln. „Damals gab es noch<br />
Frauen- und Männerhäuser mit Riesengruppen und<br />
Vier-Bett-Zimmern. Zwischen Menschen mit geistiger<br />
Zivildienst als Lebensschule<br />
Als Sven Graul nach dem Abitur die Schule verlässt,<br />
hat er ein klares berufliches Ziel. Er will Betriebswirt<br />
werden. Zu diesem Zweck studiert er Betriebswirtschaftslehre<br />
an der Berufsakademie in Heidenheim.<br />
Praktische Erfahrungen sammelt er während des<br />
Studiums bei einem Hersteller von Heimtextilien<br />
in Laichingen. Dort wäre er nach erfolgreich beendetem<br />
Studium wohl geblieben, wäre da nicht der<br />
Einberufungsbescheid gewesen. Obwohl sein Vater<br />
Berufssoldat ist, kommt für den Sohn der militärische<br />
Dienst nicht in Betracht. „Aus christlichen Motiven. Es<br />
hätte meinem Glauben widersprochen“, betont der<br />
44-Jährige. Ein Brief mit einer deutlichen Begründung<br />
genügt. Ende 1989 tritt Sven Graul seinen Zivildienst<br />
beim Oberlin-Jugendhilfeverbund der Gustav Werner<br />
Stiftung, der heutigen <strong>BruderhausDiakonie</strong>, an.<br />
15 Monate arbeitet er in einer Wohngruppe, zu der<br />
acht Kinder und Jugendliche zwischen zehn und 18<br />
Jahren gehören. Der Zivildienst ist für den damals<br />
22-Jährigen „wie eine Lebensschule“. Zwar hat er als<br />
Gymnasiast die kirchliche Jugendarbeit mitgestaltet.<br />
Wie man mit Kindern und Jugendlichen aus schwierigen<br />
familiären Verhältnissen umgeht, ist jedoch völliges<br />
Neuland für ihn. „Ich habe viel beobachtet und<br />
nachgefragt und dadurch unheimlich viel gelernt“,<br />
erinnert er sich. Geholfen hat ihm, dass er von den<br />
Behinderung und Menschen mit psychischer Erkrankung<br />
wurde nicht differenziert.“ Mit seiner Hilfe<br />
verwandelt sich das archaische Bruderhaus Gaisbühl<br />
in eine zeitgemäße Einrichtung für Menschen mit<br />
psychischer Erkrankung, deren Leitung Thomas Niethammer<br />
1987 übernimmt. Im Jahr 2000 wird aus<br />
dem Bruderhaus Gaisbühl und dem Friedrich-Naumann-Haus<br />
im Stadtzentrum der Sozialpsychiatrische<br />
Wohnverbund mit stationären und zunehmend<br />
ambulanten Wohnangeboten. Thomas Niethammer<br />
leitet den Wohnverbund bis 2005. Seither ist er für<br />
die Veränderungsprozesse in der <strong>BruderhausDiakonie</strong><br />
Buttenhausen verantwortlich. Die fachlichen Themen<br />
heißen heute dezentralisieren, regionalisieren, Standort<br />
sichern. Niethammers Lebensthema heißt nach<br />
wie vor aufbrechen, anpacken, gestalten.<br />
Der 57-Jährige ist mehr denn je überzeugt, „dass<br />
<strong>sozial</strong>es Lernen jungen Menschen ein hohes Maß an<br />
<strong>sozial</strong>en Kompetenzen vermittelt, die auch Führungskräfte<br />
in der Industrie heute dringend benötigen“. Ob<br />
Zivildienst oder freiwilliges <strong>sozial</strong>es Jahr: „Diese Zeit<br />
ist ein großer Gewinn.“ kaw Z<br />
Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern „nicht als kleiner<br />
Gehilfe“, sondern „immer als vollwertiger Mitarbeiter“<br />
betrachtet wurde. „Was ich zu den Jugendlichen<br />
gesagt habe, das galt.“ Sven Graul war ihr Ansprechpartner,<br />
strukturierte ihren Tagesablauf, half bei den<br />
Hausaufgaben, spielte mit den Kindern, ging mit<br />
ihnen zum Arzt, kochte mit ihnen und brachte sie ins<br />
Bett. „Es war eine intensive und schöne Zeit.“<br />
Sven Graul kehrt nicht als Betriebswirt nach Laichingen<br />
zurück. Direkt nach dem Zivildienst studiert er<br />
Sozialpädagogik in Reutlingen bis 1995 und arbeitet<br />
nebenher in der Wohngruppe weiter. Im selben Jahr<br />
noch bekommt er eine Stelle als Jugendreferent beim<br />
CVJM in Münsingen, wo er zwei Aufgaben hat: die<br />
kirchliche Jugendarbeit und die Jugend<strong>sozial</strong>arbeit<br />
mit jungen Russlanddeutschen. Sven Graul gründet<br />
gemischte Jugendkreise, zu denen regelmäßig 50<br />
bis 60 Jugendliche kommen. Im Jahr 2000 stellt sich<br />
der Familienvater einer neuen Herausforderung.<br />
In der <strong>BruderhausDiakonie</strong> Buttenhausen baut er<br />
das Ambulant Betreute Wohnen für Menschen mit<br />
psychischer Erkrankung auf. Seit 2001 leitet er den<br />
Jugendmigrationsdienst in Münsingen, macht mobile<br />
Jugendarbeit, Streetwork und Schul<strong>sozial</strong>arbeit. Das<br />
BWL-Studium war trotzdem nützlich: „Es kommt mir<br />
bei der Verwaltungsarbeit zugute.“ kaw Z<br />
Sven Graul leitet<br />
den Jugendmigrationsdienst<br />
in<br />
Münsingen<br />
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