Zwanglos sozial engagiert - BruderhausDiakonie
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TITELTHEMA<br />
Werner Opitz,<br />
ehemaliges Vorstandsmitglied<br />
bei der Gustav<br />
Werner Stiftung<br />
Thomas Niet-<br />
hammer ist Leiter<br />
der Bruderhaus-<br />
Diakonie Buttenhausen<br />
<strong>Zwanglos</strong> <strong>sozial</strong> <strong>engagiert</strong><br />
Wie der Zivildienst Lebenswege verändern kann<br />
Vom Bergwerk zur Jugendhilfe<br />
Es gibt besondere Biografien. Abwechslungsreich und<br />
spannend wie ein guter Roman. Werner Opitz, ehemaliger<br />
Vorstand bei der Gustav Werner Stiftung (der<br />
heutigen <strong>BruderhausDiakonie</strong>), hat so eine Biografie.<br />
Und wenn er damals, in den 60er Jahren des letzten<br />
Jahrhunderts, nicht den Kriegsdienst verweigert und<br />
Zivildienst geleistet hätte, wäre sein Leben womöglich<br />
ganz anders verlaufen …<br />
Anfang 1960: Die gesetzliche Grundlage für den<br />
Wehrersatzdienst tritt in Kraft. Auf diesen Moment<br />
hat der 20-jährige, politisch interessierte Bergmann<br />
gewartet. Als einer der Ersten macht er von seinem<br />
Recht Gebrauch und verweigert. Der gelernte Maschinenschlosser<br />
arbeitet zu diesem Zeitpunkt in<br />
einem Steinkohlebergwerk im Ruhrgebiet. Ihm ist<br />
klar, dass der Bergbau keine Zukunft hat. Im Januar<br />
1962 wechselt Werner Opitz ins Kernforschungszentrum<br />
Karlsruhe, als Techniker im Sicherheitsbereich.<br />
Im Mai ist das Verfahren, das über seine Anerkennung<br />
als Kriegsdienstverweigerer entscheiden soll.<br />
Zweieinhalb Stunden steht Werner Opitz Rede und<br />
Antwort, argumentiert mit seinem Gewissen – und<br />
überzeugt. Im Juli 1963 zieht er ins oberschwäbische<br />
Wilhelmsdorf, der Zivildienst ist gerade von zwölf auf<br />
18 Monate verlängert worden. In der Wilhelmsdorfer<br />
Gehörlosenschule ist er der erste Zivi und, abgesehen<br />
vom Hausmeister, der einzige Mann. Er betreut<br />
sechs- bis 16-jährige Jungen, die bei ihm toben und<br />
klettern dürfen, lernt eine Menge über den Umgang<br />
mit Kindern und Jugendlichen und stößt schließlich<br />
auf Dietrich Bonhoeffer, dessen Persönlichkeit und<br />
Theologie ihn tief beeindrucken. Es sei eine schöne,<br />
wertvolle und prägende Zeit gewesen, wird er sich<br />
später an seinen Zivildienst erinnern.<br />
„Diese Zeit ist ein Gewinn“<br />
Thomas Niethammer könnte ein bequemeres Leben<br />
führen – als Miteigentümer eines kleinen, lukrativen<br />
Unternehmens in Reutlingen, das sein Vater einst<br />
aufgebaut hatte. Die Arbeit in dem grafischen Betrieb<br />
würde ihm sogar Spaß machen, beteuert der gelernte<br />
Industriekaufmann. Dass er, anders als sein ältester<br />
Bruder, nicht in den Familienbetrieb eingestiegen ist,<br />
hat andere Gründe. „Der Zivildienst in Mariaberg hat<br />
meinem Leben eine neue Weichenstellung gegeben.“<br />
<strong>sozial</strong> • Ausgabe 4 | 2010<br />
Anfang 1965 setzt Werner Opitz seine Arbeit im<br />
Kernforschungszentrum Karlsruhe fort. Bei einer vom<br />
Landesjugendring organisierten Reise durch Israel<br />
macht er im Kinderheim von Haifa eine erstaunliche<br />
Entdeckung. Obwohl er ihre Sprache nicht spricht,<br />
fliegen ihm im Nu die Herzen der Kinder zu. Auf einmal<br />
weiß er, wo sein Platz ist. In Reutlingen macht er<br />
eine dreijährige Ausbildung zum Heimerzieher und<br />
Diplom-Sozialpädagogen, die er 1968 abschließt. Mit<br />
seiner Frau zusammen übernimmt er danach das Jugendhaus<br />
der Stadt Reutlingen und verwandelt es in<br />
eine attraktive Jugendeinrichtung. 1970 tritt das Ehepaar<br />
in den Dienst der Gustav Werner Stiftung. Zwölf<br />
Jahre widmet sich Werner Opitz der Neugestaltung<br />
des Kinderheims und der Schule für Erziehungshilfe<br />
in Loßburg-Rodt. Eine klare Linie und transparente<br />
Strukturen kennzeichnen seinen Arbeitsstil. Von 1981<br />
bis 1992 ist er Bereichsleiter für Jugendhilfe und<br />
Zivildienst in Reutlingen. Ab 1993 ist er Vorstand für<br />
Jugendhilfe, Behindertenhilfe und Zivildienst, bis er<br />
2000 in Altersteilzeit geht.<br />
Neben seiner beruflichen Arbeit hat Werner Opitz<br />
immer auch ehrenamtlich auf Bundes- und Landesebene<br />
mitgewirkt: in Fachverbänden der EKD und des<br />
Diakonischen Werks etwa und an der Fachhochschule<br />
für Sozialpädagogik in Reutlingen. „Ich habe mein<br />
Berufsleben genossen – trotz aller Belastung“, sagt<br />
der 70-Jährige rückblickend. „Doch ohne den Zivildienst<br />
wäre ich wahrscheinlich Techniker geblieben“,<br />
vermutet er. Und was sollen junge Männer tun, wenn<br />
es den Zivildienst nächstes Jahr nicht mehr gibt?<br />
„Ein Freiwilliges Soziales Jahr“, rät Werner Opitz,<br />
„weil es die Persönlichkeit prägt, und wenn es nur für<br />
die eigene Familie ist.“ kaw Z<br />
Dass er den Wehrdienst verweigern würde, stand<br />
für Thomas Niethammer fest. „Ich war überzeugter<br />
Antimilitarist.“ Abgeschreckt durch die unverarbeiteten<br />
Kriegserlebnisse seines Vaters, über die in der<br />
Familie nicht gesprochen wurde, kam für den damals<br />
19-Jährigen nur ein gewaltfreier Weg in Frage. Da<br />
er aus einem pietistischen Elternhaus stammte,<br />
konnte er glaubhaft auf religiöse Motive verweisen.<br />
„Dazu kam meine <strong>sozial</strong>politische Leidenschaft.“ Der