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Zwanglos sozial engagiert - BruderhausDiakonie

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<strong>sozial</strong> • Ausgabe 4 | 2010<br />

und Frauen durch Vorteile bei der Ausbildungsplatzvergabe<br />

in die Freiwilligendienste gelockt werden?<br />

Zivildienstleistende sagen oft: Ich hätte mir auch<br />

etwas Freiwilliges vorstellen können, wenn ich nicht<br />

zum Pflichtdienst gemusst hätte. Natürlich werden<br />

jetzt nicht 85 000 Zivis einen Freiwilligendienst<br />

machen. Aber wenn diese Muss-Geschichte weg ist,<br />

wird ein Teil einen Freiwilligendienst machen. Andererseits<br />

ist natürlich zu fragen: Wieweit kann ich das<br />

durch bestimmte Angebote unterstützen. Wir brauchen,<br />

glaube ich, künftig noch mehr unterschiedliche<br />

Typen von Freiwilligendiensten für unterschiedliche<br />

Personengruppen. Und da kann natürlich auch ein<br />

spezielles Junge-Männer-Angebot dabei sein mit<br />

Dienstplätzen, die vielleicht für Männer attraktiver<br />

sind als für Frauen. Bisher war immer die Nachfrage<br />

nach Plätzen höher als das Angebot. Das wird sich<br />

aber jetzt genau umkehren. Und man darf gespannt<br />

sein, wie der Freiwilligenmarkt sich dadurch verändert<br />

und welche Einrichtung schneller, flexibler und<br />

kreativer ist im Vergleich zu den andern.<br />

Y Im Moment sind unterschiedliche Modelle im<br />

Gespräch, wie der Zivildienst ersetzt werden könnte.<br />

Können Sie uns den aktuellen Stand kurz zusammenfassen?<br />

Ich glaube gar nicht, dass die Modelle so unterschiedlich<br />

sind, sondern nur die Begriffe, unter denen sie<br />

verhandelt werden. Den Ländern war es sehr wichtig,<br />

noch mal ein politisches Signal zu senden: Wenn<br />

der Bund etwas entwickeln will, für das er Bundeskompetenz<br />

und Bundesfinanzierung beansprucht,<br />

dann muss er das auch entsprechend benennen. Und<br />

daher ist jetzt der Begriff „Bundesfreiwilligendienst“<br />

im Gespräch. Gedacht ist an einen dritten Dienst in<br />

Analogie zum Modell FSJ und FÖJ, die ja unter die<br />

Zuständigkeit der Länder fallen. Nur ist dieser dann<br />

eben in Zuständigkeit des Bundes. Das hat mit den<br />

Haushaltsmitteln zu tun: Die Haushaltsmittel für<br />

den Zivildienst sind im Bundeshaushalt eingestellt<br />

und können auch nur auf Bundesebene umgewidmet<br />

werden. Der Bundesfreiwilligendienst geht für<br />

Menschen bis zu 27 Jahren in der Regel über ein Jahr,<br />

ist eine Vollzeittätigkeit, muss mindestens sechs<br />

Monate, darf höchstens 24 Monate dauern, ist ein<br />

Bildungsjahr, soll also auch 25 Bildungstage beinhalten<br />

wie die bisherigen Freiwilligendienste. Da ist man<br />

sich im Großen und Ganzen ziemlich einig geworden<br />

– nach vielen Diskussionen in den letzten Wochen. In<br />

den Details ist noch erheblicher Klärungsbedarf.<br />

<strong>Zwanglos</strong> <strong>sozial</strong> <strong>engagiert</strong><br />

Y Auf welche Modelle setzt die Diakonie?<br />

Nach wie vor ist das FSJ die Karte, auf die man setzt.<br />

Zumal das FSJ im Kontext der jetzigen Gesetzgebungsverfahren<br />

deutlich besser ausgestattet wird –<br />

eine uralte politische Forderung unabhängig von den<br />

aktuellen Diskussionen. Die politische Vorgabe ist,<br />

dass FSJ und Bundesfreiwilligendienst etwa gleich<br />

viele Plätze beinhalten sollen. Bundesweit haben wir<br />

im FSJ in diesem Jahrgang rund 36 000 Plätze, gut<br />

6 000 davon im evangelisch-diakonischen Bereich.<br />

Wenn beide Säulen gleich groß sein sollen, macht das<br />

für den Bundesfreiwilligendienst also auch knappe<br />

7 000 Plätze. Wenn man das mit den aktuellen Zivildienstzahlen<br />

von etwa 13 000 vergleicht, wäre das<br />

etwa eine Halbierung.<br />

Y Immer wieder wird auch ein allgemeiner <strong>sozial</strong>er<br />

Pflichtdienst ins Spiel gebracht, der junge Männer<br />

und junge Frauen gleichermaßen treffen würde. Was<br />

halten Sie davon?<br />

Ich persönlich halte erst mal gar nichts davon. Und<br />

Diakonie und Kirche halten auch nichts davon. Da<br />

gibt es eine ganz klare verbandspolitische und kirchenpolitische<br />

Positionierung. Das passt einfach<br />

nicht in die Logik der Diakonie. Und auch auf einer<br />

ganz pragmatischen Ebene halte ich nichts davon:<br />

Wenn alle müssen, müssen wir auch alle nehmen.<br />

Und ich behaupte: Weder brauchen wir alle, noch<br />

wollen wir alle. Wir reden, trotz demografischer Veränderungen,<br />

immer noch von 360 000 bis 400 000<br />

jungen Leuten pro Jahrgang. Aktuell haben wir – Zivis,<br />

Bundeswehr-Wehrpflichtige und Freiwilligendienstler<br />

zusammengenommen – etwa 180 000 bis<br />

200 000 junge Leute im Dienst. Wenn wir alle nehmen<br />

müssten, hätten wir das Doppelte. So viele Plätze<br />

haben wir gar nicht. Wenn sie auch die nehmen<br />

müssen, die sie gar nicht wollen, wird es schwierig.<br />

Und dabei haben wir noch gar nicht über volkswirtschaftliche<br />

Kosten und Grundgesetz und europäische<br />

und Völkerrechtssprechung geredet, die auch alle<br />

dagegensprechen. msk Z<br />

+ www.diakonie.de/freiwilliges-<strong>sozial</strong>es-engagement-undzivildienst-3713.htm<br />

TITELTHEMA<br />

Rainer Hub (49) ist Sozial- und Diakoniewissenschaftler und leitet<br />

beim Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche Deutschlands in<br />

Berlin das Arbeitsfeld Freiwilliges Engagement und Zivildienst. Zu<br />

seinen Aufgaben gehört unter anderem, freiwilliges Engagement<br />

zu fördern und Dienste wie den Zivildienst oder das Freiwillige Soziale<br />

Jahr weiterzuentwickeln.<br />

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