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Berlin - Edition dibue

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unheimlich vertraut .<br />

Bilder vom Terror<br />

»The games must go on!« Avery<br />

Brundage. IOC-Präsident. 1972.<br />

»Show you‘re not afraid!« Rudolph<br />

Giuliani. Bürgermeister von New York.<br />

2001<br />

Ein vermummter Mann schaut von<br />

einem Balkon. Ein Flugzeug schlägt in<br />

einen Hochhausturm ein. Sofort sind die<br />

Bilder vor unserem Auge. Wir wissen<br />

exakt, um welche Ereignisse es sich handelt.<br />

Denn Bilder besitzen eine gewaltige<br />

Macht. Sie halten nicht nur den<br />

entscheidenden Moment fest, sondern<br />

beeinflussen den öffentlichen Diskurs<br />

und fordern zu Reflexion und Reaktion<br />

heraus. Besonders nach Katastrophen<br />

und traumatischen Ereignissen lässt<br />

sich die Omnipräsenz der Bilder verorten.<br />

Bilder vom Terror haben eine<br />

enorme, nachhaltige Wirkung, der<br />

man sich nicht entziehen kann. Sie<br />

brennen sich tief in unser kollektives<br />

Gedächtnis ein. Die von C/O <strong>Berlin</strong><br />

kuratierte Ausstellung »unheimlich vertraut«<br />

untersucht die Bedeutung von<br />

Fotografie für unsere tägliche Bildkultur<br />

anhand der visuellen Verarbeitung<br />

von unterschiedlichen Terrorbildern<br />

der letzen Jahrzehnte. München 1972<br />

und New York 2001 bilden die historischen<br />

Eckpfeiler. Über die künstlerische<br />

Auseinandersetzung werden politische<br />

Bilder in Frage gestellt, historische<br />

Bildquellen machen Konstruktion und<br />

Illusion von Fotografie sichtbar.<br />

Die Ausstellung entsteht anlässlich<br />

des 10. Jahrestages des 11. September<br />

2001 und wurde von Felix Hoffmann<br />

für C/O <strong>Berlin</strong> kuratiert. Es werden ca.<br />

200 Arbeiten aus dem Bildarchiv des<br />

SPIEGEL sowie von rund 30 Künstlern<br />

gezeigt – unter anderem von Thomas<br />

Ruff, Simon Menner, Peter Piller,<br />

Christoph Draeger, Thomas Hirschhorn,<br />

G.R.A.M., Helmut Newton, Walid Raad,<br />

Gael Peltier, Michael Schirner, Robert<br />

Boyd, Pascale Couvert, Natalie Czech,<br />

Reymond Deparden, Michael Schäfer,<br />

Marc Volk und Malte Wandel.<br />

Nach welcher Logik funktionieren<br />

Verwendung und Verbreitung von Bildern<br />

in der modernen Mediengesellschaft?<br />

Thomas Höpker/Magnum, »Blick von<br />

Williamsburg auf Manhattan, Brooklyn,<br />

11. September 2001, (Original in Farbe)<br />

Gibt es eine Art von Aufmerksamkeitsterrorismus<br />

im digitalen Zeitalter? Wann ist<br />

ein Ereignis von globaler Bedeutung und<br />

wie stark konditionieren und synchronisieren<br />

die Medien ein solches? Oft lassen<br />

sich erst in der Auseinandersetzung<br />

mit den Bildern vom Terror die Struktur<br />

und Funktionsweise des journalistischen<br />

Bildes freilegen. Die medialen<br />

Bilder des Terrors waren und sind mehr<br />

als reine Abbildungen, die auf einen<br />

Sachverhalt oder ein Ereignis außerhalb<br />

ihrer eignen Existenz verweisen oder<br />

ein Ereignis dokumentieren. Sie sind<br />

mehr als Medien, die unter Nutzung<br />

ihres ästhetischen Potentials Deutungen<br />

transportieren. Diese Bilder besitzen die<br />

Fähigkeit, Realität zu erzeugen.<br />

Historischer Ausgangspunkt der<br />

Ausstellung ist der Angriff eines palästinenischen<br />

Terrorkommandos auf<br />

die israelische Delegation bei den<br />

20. Olympischen Sommerspielen<br />

in München. Erstmals fand ein terroristischer<br />

Akt unmittelbar vor den<br />

geöffneten Kameraaugen statt – und<br />

damit unmittelbar vor den Augen der<br />

Weltöffentlichkeit. Durch die Live-<br />

Übertragung im Fernsehen erfolgte eine<br />

quantitative Veränderung des Terrors<br />

hin zu einer massenkommunikativen<br />

Strategie. Die Bildinszenierung ist Teil<br />

des terroritischen Aktes. In der modernen<br />

Mediengesellschaft wird das Bild<br />

quasi zur Waffe und zum Ziel. Und von<br />

der Repräsentation der Tat im Bild zum<br />

Bild als Tat ist es ein kurzer Weg.<br />

Als extreme Form der Erzeugung von terroristischen<br />

Bildereignissen gelten die<br />

Anschläge zum 11. September 2001 –<br />

dem meist fotografierten und gefilmten<br />

Ereignis der Mediengeschichte. Ihrer<br />

Verwertungslogik folgend beginnen<br />

die Medien weltweit am selben Tag<br />

brennpunkt 4/2011<br />

Galerien<br />

einige wenige Bilder und Sequenzen<br />

endlos zu wiederholen und damit<br />

medial auf Dauer zu stellen. Die terroristische<br />

Strategie, größtmögliche<br />

Aufmerksamkeit zu erlangen, und<br />

die kapitalistische Verwertungslogik<br />

der Medien gehen eine symbiotische<br />

Beziehung ein. Die Medien werden<br />

zwangsläufig zu Kollaborateuren,<br />

zu Mittlern zwischen Terroristen und<br />

Publikum.<br />

Trotz einer immensen Bilderflut erscheinen<br />

unmittelbar nach den Ereignissen<br />

nur rund 30 unterschiedliche Fotografien<br />

auf die Titelseiten weltweit. Ebenso werden<br />

im Fehrnsehen immer dieselben<br />

Videos in Endlosschleifen wiederholt.<br />

Die internationale Konzentration und<br />

Zusammenarbeit der Bildagenturen<br />

reduziert die Bildauswahl zusätzlich.<br />

Nach Jahren bleiben jedoch nur<br />

noch fünf bis zehn Motive im kollektiven<br />

Bewusstsein. Diese Beschränkung<br />

der öffentlichen Berichterstattung über<br />

das Geschehen auf wenige Bildtypen<br />

ist kennzeichend für den medialen<br />

Umgang mit Terror.<br />

Historische Aufnahmen werden zitiert,<br />

neue Bilder werden zu Ikonen, zu<br />

medialen Archetypen. So erscheinen<br />

diese Bildmuster uns allen »unheimlich«<br />

vertraut. Das Grauen, das in den Alltag<br />

und das gesellschaftliche System<br />

einbricht, wird fassbar. Vertrautes im<br />

Unfassbaren – ein hilfloser Aktionismus<br />

gegen die Ohnmacht.<br />

Zur Ausstellung erscheint ein Katalog<br />

im Verlag Walther Koenig. C/O <strong>Berlin</strong><br />

stellt zudem ein umfangreiches<br />

Begleitprogramm mit einer Filmreihe,<br />

Vorträgen und einem Symposium<br />

zusammen.<br />

bis 4. Dezember 2011<br />

C/O <strong>Berlin</strong><br />

International Forum For Visual Dialogues<br />

im Postfuhramt<br />

Oranienburgerstraße 35/36<br />

10117 <strong>Berlin</strong>-Mitte<br />

täglich 11 – 20 Uhr<br />

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