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Berlin - Edition dibue

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Galeriebericht<br />

G handwerkliches Können wie Renger-<br />

Patzsch über das Künstlerische gestellt,<br />

das er als »Bemäntelung von Unfähigkeit«<br />

bezeichnete. Seine Stadtlandschaften<br />

aus <strong>Berlin</strong> weisen ihn als klugen<br />

Beobachter aus, die großformatig aufgenommenen<br />

Bilder bieten reiche Details,<br />

die zu entdecken sind. 1928 fragte er<br />

im »Kunstblatt«: Kann man heute noch<br />

fotografieren? Er hielt das Medium<br />

schon damals für ausgeschöpft, hat ihm<br />

selbst auch nicht alles entlockt, was es<br />

ihm hätte geben können. Dennoch war<br />

er in der großen Werkbund-Ausstellung<br />

»Film und Foto 1929« neben Steichen,<br />

Man Ray und Moholy-Nagy mit<br />

68 Arbeiten vertreten.<br />

Helmut Newton, Focus Magazine, Milan 1997,<br />

Polaroid © Helmut Newton Estate<br />

Wiederentdeckt wird derzeit die von der<br />

digitalen Technik verdrängte Sofortbildfotografie.<br />

Noch bis 20. November zeigt<br />

Matthias Harder in der Jebensstraße<br />

Helmut Newtons Polaroids, dankenswerterweise<br />

schön groß reproduziert.<br />

Das provisorische Element dieser Probeshoots<br />

kommt dennoch zur Geltung,<br />

die typischen Falschfarben sind erhalten.<br />

Und sie belegen auf reizvolle Weise,<br />

wie nüchtern und zielstrebig der Meister<br />

der Erotik gearbeitet hat, bei aller Spontaneität.<br />

Eine Kostbarkeit sind die Polaroids von<br />

Sibylle Bergemann, als Originale ausgestellt<br />

bei c/o <strong>Berlin</strong> im Juli und August,<br />

bei Johanna Breede in der Fasanenstraße<br />

noch bis 15. Oktober. Was da auf<br />

9 x 9 cm rüberkommt an Emotion ist<br />

schier unglaublich. Die Fotografin hat<br />

42 brennpunkt 4/2011<br />

gern behauptet, sie interessiere sich für<br />

den Rand der Welt, nicht die Mitte, aber<br />

diesen Rand hat sie in der Mitte getroffen.<br />

Die zarten Porträts von Kindern und<br />

Frauen haben eine irritierende, zauberhafte<br />

Ausstrahlung.<br />

Ende vorigen Jahres ist Sibylle Bergemann<br />

ihrem Krebsleiden erlegen.<br />

© Arno Fischer, (Original in Farbe)<br />

Ihr einstiger Lehrer an der Leipziger<br />

HGB und langjähriger Partner, Arno<br />

Fischer, hat erst in reiferen Jahren in<br />

seinem Garten poetische Motive gefunden<br />

für die Polaroid-Kamera. Sie fügen<br />

sich weniger harmonisch ein in sein<br />

fotografisches Lebenswerk als bei Bergemann.<br />

Das fiel vor allem in seiner<br />

großen Retrospektive in der <strong>Berlin</strong>ischen<br />

Galerie auf. Im intimen Rahmen<br />

von »Exp12« in Prenzelberg machen<br />

sie sich gut, zusammen mit denen<br />

seiner Schüler Nicole Woischwil und<br />

vor allem Ole Fischer, der für das neuerdings<br />

wieder verfügbare Material<br />

schöne morbide Motive im Dortmunder<br />

Zechengelände gefunden hat.<br />

Manchmal findet man unvermutet fotografische<br />

Perlen in <strong>Berlin</strong>. So ging es mir,<br />

als ich an einem der zwei heißen Augusttage<br />

am Nollendorfplatz einen kühlen<br />

Drink nehmen wollte im »Café Berio«.<br />

Die »Nolle« ist traditionell ein Pflaster<br />

für Schwule und Lesben, durch die ich<br />

mir den Weg bahnte zu den klaren, zum<br />

Teil bizarren, dabei sehr ästhetischen<br />

Porträts und Halbakten von Alexander<br />

Platz. Das strenge Schwarzweiß wirkt<br />

in dem bunten Treiben des vollbesetzten<br />

Cafés fast wie eine Mahnung zu stil-<br />

ler Einkehr. Der Autor hat die Ausstellung<br />

Sonia Mossé gewidmet, Gründerin<br />

des lesbischen Kabaretts »Le Capricorne«<br />

in Paris, die 1943 von den Nazis<br />

ermordet wurde.<br />

Auch in <strong>Berlin</strong>er Hotels lassen sich<br />

Entdeckungen machen, nicht nur im<br />

längst als »Photoplatz« ausgewiesenen<br />

»Bogotá« in der Schlüterstraße.<br />

Hier war es Nomi Baumgartls wunderlicher<br />

»Elefantenmann«, die Geschichte<br />

einer Freundschaft zwischen Rauschebart<br />

Chris Gallucci und dem Elefanten<br />

Timbo. Im zweiten Raum tummelten<br />

sich springende Delphine.<br />

Im Ibishotel <strong>Berlin</strong> Airport Tegel zeigt<br />

der <strong>Berlin</strong>er Fotograf Peet East unter<br />

dem Titel »Inside Earth« bis 30. Oktober<br />

seine edlen Strukturstudien wertvoller<br />

Steine, sehr schön aufgenommen und<br />

präsentiert als malerische Zeugnisse<br />

von Jahrmillionen der Erdgeschichte.<br />

Im Zyklus der »Brotfabrik« am Caligariplatz<br />

mit dem Titel »Zeitblicke« geht es<br />

um die jüngere Geschichte, in der DDR<br />

und in den Jahren danach. Auf Peter<br />

Woelck folgte in diesem Rahmen 2010<br />

Ulrich Burchert, den wir in diesem Heft<br />

vorstellen. Mit Andreas Fahr begegnen<br />

wir nun in der kleinen Galerie bis<br />

16. Oktober einem weiteren sensiblen<br />

Chronisten, der seine Mitmenschen in<br />

eindringlichen Schwarzweißbildern<br />

darstellt, mit viel Sinn für eine packende<br />

Bildkomposition.<br />

Die von Renger-Patzsch und Stone<br />

einst geschmähte »Kunstfotografie« war<br />

heuer kaum zu finden, außer als Extrem<br />

in der Kreuzberger Neuen Gesellschaft<br />

für Bildende Kunst (NGBK), wo uns<br />

Beate Geissler und Oliver Sann mit<br />

einer Reihe von riesigen schwarzen<br />

Monitoren, auf denen nichts als schwarzes<br />

Nichts zu sehen ist, weismachen<br />

wollen, dass sie damit das Geschehen<br />

an den großen Finanzmärkten sublimieren<br />

könnten. Der blumige Titel »volatile<br />

smile - Ein uneinschätzbares Lächeln«<br />

hilft uns nicht weiter. Eher Thomas<br />

Mann, der sich mal fragte, ob nicht das<br />

Nichts die reinste Form der Vollkommenheit<br />

sei.<br />

Klaus Rabien<br />

Nach Redaktionsschluss erreichte uns<br />

die Nachricht, dass Arno Fischer am<br />

13. September 2011 mit 84 Jahren verstorben<br />

ist.

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