02.12.2012 Aufrufe

Berlin - Edition dibue

Berlin - Edition dibue

Berlin - Edition dibue

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

© Greg Bannan<br />

In den intensiven Porträts ist er nachsichtiger.<br />

Das schöne Kellergewölbe der Galerie<br />

imago fotokunst ist mit schon oft gesehenen<br />

Ansichten von Kinos und Motels<br />

aus LA in Schwarzweiß behängt, die<br />

Greg Bannan »Somewhere in Hollywood«<br />

nennt. Auch hier sagen die Porträts<br />

von jungen Leuten viel mehr aus,<br />

wenn sie auch ein bisschen willkürlich<br />

angeschnitten sind. Aber Greg Bannan<br />

hatte eine pfiffige Idee: Mit einer Videokamera<br />

vor dem Bauch ist er in Echtzeit<br />

den Hollywood-Boulevard langgeradelt,<br />

auf dem Bürgersteig und um die<br />

wenigen Fußgänger herum. Als Galeriebesucher<br />

sitzt man selbst auf seinem<br />

Drahtesel, den Lenker scheinbar in<br />

den Händen, und gondelt in Richtung<br />

Traumfabrik, ohne dass man nur eines<br />

der Versprechen aus der Fantasie zum<br />

Thema Hollywood eingelöst findet. Das<br />

hat was.<br />

Solche Mätzchen leistet sich ein gestandener<br />

Meister wie Arnold Crane bei<br />

Camera Work natürlich nicht. Er ist<br />

gerade 75 geworden und hat im vorigen<br />

Jahrhundert berühmte Kollegen<br />

besucht, um sie hinter ihrer Kamera weg<br />

und vor die seine zu locken. Das ist ja<br />

eine beliebte Methode, selbst von deren<br />

Ruhm etwas abzustauben. Da sieht man<br />

Ansel Adams mit schwerem Gerät durchs<br />

Geröll stapfen und Edward Steichen mit<br />

Rauschebart unter seiner Fellmütze hervorlugen<br />

(beide 1969). Man Ray bohrt<br />

sich 1974 in der Nase und Paul Strand<br />

steuert sein Auto 1968 durch Verneuil-<br />

© Arnold Crane, »Brassaï«, 1968-1970<br />

sur-Seine. So hat das Crane noch mit<br />

vielen Fotopromis gemacht, und seine<br />

Sammlung hat nun einen schier unermesslichen<br />

historischen Wert. Der fotografische<br />

fällt dagegen deutlich ab.<br />

Das liegt auch daran, dass sich mit nunmehr<br />

170 Jahren Fotografiegeschichte<br />

parallel zur Technik die Ansprüche<br />

an ein wirklich aussagekräftiges Bild<br />

gewandelt haben. Wäre schlimm, wenn<br />

es nicht so wäre. Es muss was rüberkommen.<br />

Viele Ikonen der Vergangenheit<br />

erfüllen diese Forderung.<br />

Deshalb ist die Wiederbegegnung mit<br />

ihnen oft eine Offenbarung. Bei Camera<br />

Work sind Cranes Porträts einige Meisterwerke<br />

zugeordnet, so Man Rays<br />

Rückenakt mit Violinschlüsseln von<br />

1924 und Kertész’ berühmte »Gabel«<br />

von 1928. Die klare Formensprache<br />

war damals wegweisend, heute ist sie<br />

Geschichte. Mehr von André Kertész,<br />

1894 in Budapest geboren, führte uns<br />

der Gropiusbau bis September vor. Er<br />

gilt bis heute als der große Anreger, hat<br />

viel experimentiert und originelle Werke<br />

geschaffen. Aber wenn man beim Rundgang<br />

unter der Anleitung des versierten<br />

Fotohistorikers Enno Kaufhold angehalten<br />

wird, die zum Teil winzigen Originale<br />

mit der Lupe zu betrachten, fällt<br />

es schwer, ihnen einen aktuellen Kunsthandelswert<br />

von 50.000.- Euro� zuzugestehen.<br />

Beim Vergleich mit dem Origi-<br />

Galeriebericht<br />

nal wird deutlich, wie unsicher sich Kertész<br />

oft in der Wahl des Bildausschnitts<br />

war. Er hat ihn meist beim Vergrößern<br />

stark verändert oder gekontert. Seine<br />

Aktaufnahmen im Zerrspiegel sind so<br />

wenig ästhetisch, dass man gar nicht<br />

hingucken mag.<br />

Das Bauhaus-Archiv stellte uns zeitgleich<br />

Albert Renger-Patzsch (Jahrgang<br />

1897) vor. Der hat das Faguswerk, eine<br />

Schuhfabrik, in den Zwanzigern und<br />

noch einmal nach 1960 sauber nach<br />

Scheimpflug ausgerichtet und wie ein<br />

Industriedenkmal abgelichtet. Hier<br />

fehlt das Leben. Wo sind die Arbeiter<br />

am Fließband? Das wollen wir heute<br />

sehen. Es hätte sicher auch damals nicht<br />

geschadet. Renger-Patzsch war ein entschiedener<br />

Gegner der sogenannten<br />

Kunstfotografie. Mit seiner nüchternen<br />

Sachlichkeit lag er klar auf der Bauhauslinie.<br />

Seinem 1928 erschienenen<br />

Hauptwerk gab er den Titel »Die Welt ist<br />

schön«. Übrigens: In Schöneberg gibt es<br />

ein angesagtes Szenelokal mit Namen<br />

Renger-Patzsch. Die Werbung liegt im<br />

Bauhaus aus.<br />

© Sasha Stone, (1895-1940), Cami Stone (1895-<br />

1972), <strong>Berlin</strong> 1926<br />

Auch Norbert Bunge bietet uns bei argus<br />

bis 29. Oktober Historisches, mit dem<br />

1895 in St. Petersburg geborenen Alexander<br />

Serge Steinsapir alias Sasha<br />

Stone.<br />

Von ihm sind nur wenige Originale<br />

erhalten, darunter raffinierte Montagen,<br />

auch als Selbstporträt. Er hat journalistisch<br />

gearbeitet und in der Gruppe<br />

brennpunkt 4/2011<br />

41

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!