Berlin - Edition dibue
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ennpunkt<br />
4/2011 4,00 Euro Magazin für Fotografie<br />
Oktober bis Dezember 2011<br />
Galerien • Buchbesprechungen • Fotoszene<br />
Portfolio Ulrich Burchert
2 brennpunkt 4/2011<br />
FÜR ORIGINALE<br />
„Ich fotografiere für den Fine Art Druck. Erst die Kombination von hochwertigen traditionellen<br />
Büttenpapieren und modernster Drucktechnik bringt die sinnliche Qualität meiner Bilder optimal<br />
zur Geltung.“ Manfred Kriegelstein Die Digital FineArt Collection bietet exklusive Künstlerpapiere<br />
mit edler Haptik und bestechender Optik für den Inkjetdruck. Brillante Schwarz-Weiß-Aufnahmen<br />
oder subtile Farbfotografie werden dank unserer feinen Papiere der Individualität Ihrer Kunstwerke<br />
mehr als gerecht. Mehr Papierkunst unter www.hahnemuehle.de<br />
P A P I E R E M I T M U S E U M S Q U A L I T Ä T, A L T E R U N G S B E S T Ä N D I G U N D M E H R F A C H P R Ä M I E R T .
Impressum:<br />
brennpunkt<br />
Magazin für Fotografie<br />
Erscheint vierteljährlich,<br />
erhältlich in Fotogalerien,<br />
Geschäften, Buchhandlungen<br />
und über Abonnement.<br />
Jahresabo 13,50 Euro<br />
Einzelpreis 4,00 Euro<br />
Konten:<br />
Postbank <strong>Berlin</strong><br />
Konto-Nr. 3751 06-104<br />
BLZ 100 100 10<br />
Redaktionsschluss:<br />
jeweils am 10. vor dem Erscheinungsmonat<br />
Herausgeber:<br />
edition buehrer<br />
c/o Dietmar Bührer<br />
Odenwaldstraße 26<br />
12161 <strong>Berlin</strong><br />
Telefon u. Telefax: (0 30) 8 53 35 27<br />
e-Mail: buehrer-berlin@t-online.de<br />
Internet: www.edition-buehrer.de<br />
Copyright bei <strong>Edition</strong><br />
Druck:<br />
schöne drucksachen<br />
Bessemerstraße 76a, 12103 <strong>Berlin</strong><br />
ISSN 0932-7231<br />
Redaktion:<br />
Dietmar Bührer V.i.S.d.P.<br />
Michael Gebur<br />
Klaus Rabien<br />
Manfred Kriegelstein<br />
Hinweis:<br />
Für unverlangt eingesandte<br />
Manuskripte und Fotografien<br />
wird keine Haftung übernommen.<br />
Center for Creative Photography, University of<br />
Arizona: W. Eugene Smith Archive / Gift of the<br />
artist © The Heirs of W. Eugene Smith, courtesy<br />
Black Star, Inc., New York<br />
Galerien<br />
� Jürgen Schadeberg »80 Jahre Leben – 62 Jahre Fotograf« ................................................... 5<br />
� Mario Giacomelli »Orte, Landschaften, Seelenzustände« ................................................... 6<br />
� Sibylle Bergemanns Jahre mit dem Theater RambaZamba .................................................. 7<br />
� Anja Niedringhaus »At War« .............................................................................................. 8<br />
� unheimlich vertraut . Bilder vom Terror ............................................................................... 9<br />
� W. Eugene Smith »Fotografien. Eine Retrospektive« ............................................................. 10<br />
� Friedrich Seidenstücker »Von Nilpferden und anderen Menschen« ...................................... 12<br />
� Eva Besnyö »Budapest–<strong>Berlin</strong>–Amsterdam« ......................................................................... 14<br />
� Nora Schattauer »Optische Mitte« ....................................................................................... 15<br />
� STEVE SCHAPIRO »Photographien« .................................................................................... 16<br />
� STEFANIE KETZSCHER »Umgehung und Sonnenwende« .................................................... 17<br />
� André Kirchner, Jörg Schmiedekind »<strong>Berlin</strong> Mitte...« ............................................................ 18<br />
� Jörg Schmiedekind »Frontalansichten« ................................................................................. 19<br />
� Michael Gebur, Ulrich Meyer »Leben am Mekong« ............................................................. 20<br />
� Bofinger, Lauenroth, Gülck, Dazi, Kruse, Hüning, Muenzner ............................................ 21<br />
� Fred Hüning »persönlich« .................................................................................................... 22<br />
� Andreas David »Moment« ................................................................................................... 22<br />
� Sibylle Bergemann »Die Polaroids« ...................................................................................... 23<br />
� Birgit Krause »Unwillkürliche Erinnerungen« ....................................................................... 24<br />
� Oona Eberle »What Do We Know« ..................................................................................... 25<br />
� SURRAU PHOTO WIN 2010 ............................................................................................... 26<br />
� Siegfried Utzig »Spree-Veduten« ......................................................................................... 27<br />
� Fotosammlung Arthur de Ganay .......................................................................................... 28<br />
� Erik van der Haas »Das Chaos und die Schöne« .................................................................. 29<br />
� Helmut Baumann »Aus dem Rahmen gefallen« ................................................................... 29<br />
� Ursula Kelm »Vergänglichkeit der Zeit« ................................................................................ 30<br />
� Abschlussarbeiten der Fotoklasse 27 .................................................................................... 32<br />
� DAWID RRR ....................................................................................................................... 33<br />
� Matthew Pillsbury »Photographs« ........................................................................................ 34<br />
� Susan Burnstine »WITHIN SHADOWS« .............................................................................. 35<br />
� Wohlt, Jacob, Graichen »Holga Visionen« ........................................................................... 36<br />
� Jörg Rubbert »<strong>Berlin</strong> – Bilder einer zerrissenen Stadt« .......................................................... 37<br />
� Efraim Habermann »<strong>Berlin</strong>er Stilleben« ................................................................................ 38<br />
Galeriebesprechungen<br />
� Von Mauern und Menschen. (Klaus Rabien) ....................................................................... 40<br />
Ausstellungen in <strong>Berlin</strong> ............................................................................................................. 47<br />
Ausstellungen<br />
� Henri Cartier-Bresson »Die Geometrie des Augenblicks« .................................................... 48<br />
� Henning Stegmüller »Bombay-Mumbei–Bilder einer Meg-Stadt« ......................................... 49<br />
� Layla Zami »Lichtspuren« .................................................................................................... 50<br />
Fotoszene<br />
� Sofortbilder – Ursula Kelm ................................................................................................... 44<br />
� 10 Jahre Autocenter ............................................................................................................. 45<br />
� Ansel Adams – Kalender 2012 ............................................................................................. 46<br />
� Die (In-)Diskretion des Auslösers (Manfred Kriegelstein) ..................................................... 64<br />
Portfolio<br />
� Ulrich Burchert .................................................................................................................... 52<br />
Buchbesprechungen<br />
� Frankfurt – New York von Torsten Andreas Hoffmann ........................................................ 43<br />
� Porträts retuschieren mit Photoshop ................................................................................... 65<br />
� Die große Fotoschule .......................................................................................................... 65<br />
� HDR Fotografie .................................................................................................................. 65<br />
Vorschau 1-2012 ...................................................................................................................... 66<br />
brennpunkt 4/2011<br />
3
Jürgen Schadeberg<br />
»80 Jahre Leben –<br />
62 Jahre Fotograf«<br />
»Die Stärke der Fotografie ist, das zu<br />
zeigen, was wir noch nicht gesehen<br />
haben«.<br />
Jürgen Schadeberg<br />
Der Freundeskreis Willy-Brandt-Haus<br />
e.V. widmet dem <strong>Berlin</strong>er Fotografen<br />
Jürgen Schadeberg anlässlich seines 80.<br />
Geburtstages eine große Einzelausstellung<br />
mit zahlreichen Fotografien, die in<br />
<strong>Berlin</strong> noch nie zu sehen waren. Einblicke<br />
gibt es in seine sowohl in <strong>Berlin</strong>,<br />
London, Paris, als auch in Südafrika entstandenen<br />
fotografischen Arbeiten.<br />
Berühmt wurde er in den frühen<br />
Fünfzigerjahren als Cheffotograf und<br />
Bildredakteur des Magazins Drum,<br />
der ersten Illustrierten für Schwarze<br />
von Schwarzen in Südafrika. Als erster<br />
weißer Fotograf dokumentiert er die<br />
Lebens- und Arbeitsbedingungen der<br />
schwarzen Bevölkerung und wird<br />
dabei zu einem der wichtigsten<br />
Chronisten der Unterdrückung und<br />
des Befreiungskampfes. Zahlreiche<br />
seiner Fotografien, z.B. von der<br />
Zwangsräumung und dem Abriss<br />
Sophiatowns und der Beerdigung der<br />
Opfer des Sharpeville-Massakers sind<br />
in die Geschichte eingegangen.<br />
Er porträtiert den jungen Rechtsanwalt<br />
und ANC-Kämpfer Nelson Mandela<br />
ebenso wie die damals nur unter<br />
Schwarzen bekannte Sängerin Miriam<br />
Makeba. Er taucht in das pulsierende<br />
Nachtleben der schwarzen townships<br />
ein, dokumentiert deren lebhafte Musik,-<br />
Tanz- und Kneipenszene.<br />
Als Drum 1964 verboten wird, verlässt<br />
Schadeberg das Land und fotografiert<br />
mit seiner Leica die nächsten Jahrzehnte<br />
in Europa und den USA Menschen und<br />
ihren Alltag u.a. für die Magazine Time<br />
Life und Stern. 1985 kehrt Schadeberg<br />
nach Südafrika zurück und schiesst 1994<br />
erneut ein Bild, das um die Welt ging:<br />
Nelson Mandela, der erste schwarze<br />
brennpunkt 4/2011<br />
Galerien<br />
© Jürgen Schadeberg, Nelson Mandela beim Besuch der ehemaligen Gefängniszelle auf Robben Island - in<br />
der er 18 der 27 Jahre seiner Haft verbüßte - vier Jahre nach seiner Haftentlassung – im Jahr 1994, jenem Jahr,<br />
in dem er Präsident Südafrikas wurde.<br />
© Jürgen Schadeberg, »Waiting for the Truck«,<br />
Sophiatown, 1959<br />
Präsident Südafrikas, am Fenster seiner<br />
früheren Zelle auf Robben Island.<br />
Seit 2011 lebt Jürgen Schadeberg mit<br />
seiner Frau Claudia wieder in seiner<br />
Geburtsstadt <strong>Berlin</strong>.<br />
Katalog zur Ausstellung: Jürgen<br />
Schadeberg, Hrsg. Ralf-P. Seippel, Hatje<br />
Cantz Verlag,<br />
ISBN 978-3-7757-2150-9, 58,00 Euro�<br />
© Jürgen Schadeberg, »Mick Jagger«, 1966<br />
Vernissage: 25. Oktober 2011,<br />
um 19.30 Uhr<br />
26. Oktober 2011 bis 15. Januar 2012<br />
Willy-Brandt-Haus<br />
Stresemannstraße 28<br />
10963 <strong>Berlin</strong>-Kreuzberg<br />
Di – So 12 – 18 Uhr<br />
Eintritt frei, Ausweis erforderlich<br />
5
Galerien<br />
Mario Giacomelli<br />
(1925 – 2000)<br />
»Orte, Landschaften,<br />
Seelenzustände«<br />
Eine Fotoausstellung aus der Sammlung<br />
der Stadt Lonato del Garda<br />
Dem Freundeskreis Willy-Brandt-<br />
Haus e.V. und dem Italienischen Kulturinstitut<br />
<strong>Berlin</strong> ist es gelungen,<br />
einhundert Originalfotografien von<br />
Mario Giacomelli aus der Zeit zwischen<br />
1952 und 1980 von der<br />
Stadt Lonato auszuleihen, um sie dem<br />
<strong>Berlin</strong>er Publikum erstmalig vorstellen<br />
zu können.<br />
Der im Jahr 2000 im Alter von 75 Jahren<br />
verstorbene Italiener Mario Giacomelli<br />
ist einer der bekanntesten Künstler in<br />
der Geschichte der Fotografie des 20.<br />
Jahrhunderts. Sein außergewöhnliches<br />
Werk hat sehr früh Anerkennung gefunden.<br />
1925 in Senigallia (Ancona) geboren,<br />
begann er Anfang der 1950er Jahre<br />
zu fotografieren. Bereits 1964 verhalf<br />
ihm eine umfangreiche Ausstellung im<br />
Museum of Modern Art in New York zu<br />
internationalem Ruhm. Heute befinden<br />
sich seine Bilder in den Sammlungen<br />
der größten Museen der Welt.<br />
Seine Arbeiten fasste Giacomelli bevorzugt<br />
in Serien zusammen. Die zwischen<br />
1961 und 1963 entstandenen Fotografien<br />
über junge Priester gingen in die<br />
Fotogeschichte ein. Neben diesen<br />
werden in der Ausstellung Aufnahmen<br />
aus Scanno, dem Dorf in den Abruzzen,<br />
das schon Cartier-Bresson faszinierte<br />
zu sehen sein; mit La buona terra ein<br />
Bildessay über das Leben der Landarbeiter,<br />
außerdem perspektivisch ungewöhnliche<br />
Landschaftsaufnahmen und<br />
die berührende Serie aus dem Hospiz<br />
in Senigallia.<br />
Die Auswahl der Fotografien beinhaltet<br />
alle Themen, die Giacomellis Arbeit<br />
geprägt haben: Italien, die Landschaft<br />
und das Land, menschliches Schicksal,<br />
Alter und Vergänglichkeit, aber auch<br />
Hoffnung und Liebe.<br />
Giacomellis Fotografien bewegen sich<br />
zwischen realistischen dokumentarischen<br />
6 brennpunkt 4/2011<br />
© Mario Giacomelli, »Scanno, Bilder aus dem Dorf«, 1957-1959<br />
© Mario Giacomelli, »aus der Priesterserie«, 1961-1963<br />
Aufnahmen und surrealistisch anmutenden<br />
Bildern. Sie lassen eine sehr eigenständige,<br />
betont grafische Bildsprache<br />
erkennen, mit der er für die Fotografie<br />
der Jahrhundertmitte neue Impulse<br />
setzte.<br />
Die ausgestellten Arbeiten sind Leihgaben<br />
aus der Sammlung der Stadt Lonato<br />
del Garda.<br />
Vernissage: 9. November 2011,<br />
um 19.30 Uhr<br />
10. November 2011 bis 22. Januar 2012<br />
Willy-Brandt-Haus<br />
Stresemannstraße 28<br />
10963 <strong>Berlin</strong>-Kreuzberg<br />
Di – So 12 – 18 Uhr<br />
Eintritt frei, Ausweis erforderlich
Sibylle Bergemann<br />
»Jahre mit dem<br />
Theater RambaZamba«<br />
Sibylle Bergemann (1941-2010) zählt zu<br />
den Ikonen der deutschen Gegenwarts-<br />
Fotografie. Die Ausstellung Sibylle Bergemanns<br />
»Jahre mit dem Theater RambaZamba«<br />
ist eine Hommage an sie und<br />
das Theater.<br />
Als Gründungsmitglied der Agentur<br />
Ostkreuz, Mitglied der Akademie der<br />
Künste <strong>Berlin</strong> und Fotografin für Die<br />
Zeit, das New York Times Magazin, für<br />
Spiegel, Stern und Geo hatte Sibylle Bergemann<br />
sich einen internationalen Ruf<br />
erworben. Ihre Serie »Das Denkmal«<br />
hängt im Museum of Modern Art in New<br />
York. Sie, die mit Gespür für das Leise<br />
und bewundernswerter Konsequenz die<br />
Komposition der Sanftheit pflegte. »Wo<br />
sie hinsah, war Komposition« die Worte<br />
ihres Mentors und späteren Ehemanns<br />
Arno Fischer.<br />
Bei einer Institution jedoch kumuliert<br />
ihre eigene Lebensgeschichte als Fotografin<br />
in der DDR mit Anderer Biografie.<br />
Es war das integrative Theater RambaZamba<br />
in der <strong>Berlin</strong>er Kulturbrauerei.<br />
Gegründet von Gisela Höhne und Klaus<br />
Erforth – wie Bergemann, Persönlichkeiten<br />
des kulturellen Lebens mit gemeinsamer<br />
Herkunft aus einem untergegangenen<br />
Staat. Eine Begegnung und ein<br />
Glücksfall.<br />
Das Theater RambaZamba gilt als das<br />
»derzeit wichtigste integrative Theater<br />
Deutschlands«, an dem fast ausschließlich<br />
Schauspieler mit sogenannter (geistiger)<br />
Beeinträchtigung professionelles<br />
Theaterspiel betreiben.<br />
Es war Zufall, dass Sibylle Bergemann<br />
auf dieses augenscheinlich »besondere«<br />
Theater aufmerksam wurde. Aus der<br />
besonderen Leidenschaft Bergemanns<br />
entstand meist anlässlich der Premieren<br />
des Theaters eine einzigartige Langzeitstudie<br />
die, von der Fotografin nicht als<br />
geschlossene Serie konzipiert, nun erstmals<br />
zur Ausstellung kommt.<br />
Viele der ausgewählten Bilder werden<br />
erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt.<br />
Gezeigt werden analoge Handabzüge<br />
» Sibylle Bergemann »Theater RambaZamba (Original in Farbe)<br />
» Sibylle Bergemann »Theater RambaZamba<br />
(Original in Farbe)<br />
der Fotografin sowie neue Prints und originale<br />
Polaroids. Diese gewinnen eine<br />
ganz besondere Bedeutung im Umgang<br />
mit dem Thema des anders Seins. Die<br />
kleinformatigen Polaroids, erschließen<br />
sich dem Betrachter in ihrer Unmittelbarkeit<br />
nur durch sehr nahe Betrachtung.<br />
Besonders darauf legt das »Behindertentheater«<br />
großen Wert: die Annäherung<br />
an eine oftmals belächelte, »randständige«<br />
Kunst. Die Aufforderung »treten<br />
Sie näher« wäre mit Sicherheit auch im<br />
Sinne der Fotografin.<br />
Vernissage: 24. November 2011,<br />
um 19:30 Uhr<br />
brennpunkt 4/2011<br />
Galerien<br />
Begrüßung<br />
Gisela Kayser, Geschäftsführerin<br />
Freundeskreis Willy-Brandt-Haus e.V.<br />
Gisela Höhne, Regisseurin<br />
und Geschäftsführerin Theater<br />
RambaZamba<br />
Jonas Ludwig Walter, Fotograf und<br />
Kurator der Ausstellung<br />
25. November 2011 bis 8. Januar 2012<br />
Willy-Brandt-Haus<br />
Stresemannstraße 28<br />
10963 <strong>Berlin</strong>-Kreuzberg<br />
Di – So 12 – 18 Uhr<br />
Eintritt frei, Ausweis erforderlich<br />
7
Galerien<br />
Anja Niedringhaus<br />
»At War«<br />
»Wenn ich es nicht fotografiere, wird es<br />
nicht bekannt«.<br />
Anja Niedringhaus<br />
Ihre Fotos kennt man, ohne es zu wissen.<br />
Sie erscheinen weltweit auf den<br />
Titelseiten von Tageszeitungen und<br />
Zeitschriften und prägen tagtäglich<br />
unser Bild von Krisen und Kriegen. Ob<br />
Kroatien, Serbien, Kosovo, Bosnien, Irak,<br />
Afghanistan, Libyen oder Israel – seit 20<br />
Jahren fotografiert Anja Niedringhaus<br />
mit eindringlicher Schonunglosigkeit<br />
das Leid und Elend weltweit. Als eine<br />
der wenigen Frauen in diesem speziellen<br />
Bereich der Reportagefotografie<br />
dokumentiert sie die menschlichen<br />
Tragödien und tiefen Spuren, die die<br />
Gewalt hinterlässt. Auf ihren Einsätzen<br />
fotografiert Anja Niedringhaus keine<br />
Szenen, vielmehr steht sie mittendrin,<br />
ist Akteurin im Krieg.<br />
Anja Niedringhaus fotografiert unter<br />
extremen Bedingungen. Sie sucht genau<br />
diese Grenzerfahrung, weil sie sich selbst<br />
und den Menschen dort am nächsten ist.<br />
Oft wird man sich als Betrachter dessen<br />
gar nicht bewusst, weil der Kontext die<br />
Dramatik unterläuft. Immer steht bei ihr<br />
der Mensch im Vordergrund – Soldaten,<br />
eine strapazierte Zivilbevölkerung,<br />
Gefangene. Erschöpfung, Verzweiflung<br />
und Anspannung zeichnen die Gesichter,<br />
in wenigen Momenten – völlig unerwartet –<br />
auch Lachen, Leichtigkeit und Freude<br />
inmitten in der Not. Die Fotografin<br />
begegnet den Menschen immer mit<br />
Neugier und Verständnis, nie verletzt<br />
sie die Würde der Porträtierten.<br />
Wie sind diese Exremsituationen bzw.<br />
das Dilemma der Kriegsberichterstattung<br />
zwischen Eingreifen und Fotografieren<br />
auszuhalten? Die Kamera schafft Distanz<br />
und ist auch ein großer Schutz. Die<br />
Konzentration auf ihre Aufgabe schirmt<br />
Anja Niedringhaus gegen die Eindrücke<br />
ab. Andererseits hat sie Verletzte ins<br />
Krankenhaus in Sarajevo gefahren,<br />
weil nur sie noch über die Vereinten<br />
Nationen an Benzin gekommen ist. Erst<br />
hinterher bemerkte sie, dass sie kein einziges<br />
Foto geschossen hatte.<br />
8 brennpunkt 4/2011<br />
Bin Jawad, Libyen, März 2011. Als die Front vor Bin Jawad unter Beschuss durch Regierungstruppen<br />
gerät, treibt ein libyscher Rebell die Menschen zur Flucht an.<br />
Salavat, Afghanistan, September 2010.<br />
Afghanische Männer auf einem Motorrad über-<br />
holen kanadische Soldaten des Royal Canadian<br />
Regiment auf einer Patrouille im Bezirk Panjwayi,<br />
südwestlich von Kandahar.<br />
C/O <strong>Berlin</strong> präsentiert erstmals in<br />
<strong>Berlin</strong> eine Ausstellung mit ca. 40<br />
Schwarz-Weiß-Fotografien von Anja<br />
Niedringhaus aus den letzten zehn<br />
Jahren. Die Ausstellung wurde von<br />
Anne-Marie Beckmann, Art Collection<br />
Deutsche Börse, und Felix Hoffmann,<br />
C/O <strong>Berlin</strong>, kuratiert und wird Anfang<br />
2012 im neuen Unternehmenssitz<br />
der Deutschen Börse in Eschborn bei<br />
Frankfurt gezeigt. Zur Ausstellung<br />
erscheint ein Katalog bei Hatje Cantz mit<br />
Texten von Jean-Christophe Ammann,<br />
Ulrike Demmer, Santiago Lyon und<br />
Felix Hoffmann. Alle Fotografien sind<br />
im Auftrag von Associated Press entstanden.<br />
Anja Niedringhaus, 1965 in Höxter in<br />
Westfalen geboren. Zunächst für die<br />
European Pressphoto Agency (EPA) in<br />
Frankfurt am Main und seit 2002 für<br />
Associated Press (AP) in Genf in der<br />
Schweiz ansässig, ist sie bei allen großen<br />
Konflikten im Einsatz – vom Balkan<br />
in den 1990er-Jahren bis zu den Kriegen<br />
im Irak, in Afghanistan und Libyen. Sie<br />
fotografiert nicht nur Krisen und Kriege,<br />
sondern auch sportliche und politische<br />
Ereignisse. Anja Niedringhaus hat zahlreiche<br />
Auszeichnungen erhalten, unter<br />
anderem im Jahr 2005 mit einem Team<br />
von Associated-Press-Fotografen den<br />
Pulitzerpreis in der Kategorie »breaking<br />
news« für ihre Berichterstattung<br />
aus dem Irak und den International<br />
Women’s Media Foundation’s Courage<br />
in Journalism Award (IWMF).<br />
bis 4. Dezember 2011<br />
C/O <strong>Berlin</strong><br />
International Forum For Visual Dialogues<br />
im Postfuhramt<br />
Oranienburgerstraße 35/36<br />
10117 <strong>Berlin</strong>-Mitte<br />
täglich 11 – 20 Uhr
unheimlich vertraut .<br />
Bilder vom Terror<br />
»The games must go on!« Avery<br />
Brundage. IOC-Präsident. 1972.<br />
»Show you‘re not afraid!« Rudolph<br />
Giuliani. Bürgermeister von New York.<br />
2001<br />
Ein vermummter Mann schaut von<br />
einem Balkon. Ein Flugzeug schlägt in<br />
einen Hochhausturm ein. Sofort sind die<br />
Bilder vor unserem Auge. Wir wissen<br />
exakt, um welche Ereignisse es sich handelt.<br />
Denn Bilder besitzen eine gewaltige<br />
Macht. Sie halten nicht nur den<br />
entscheidenden Moment fest, sondern<br />
beeinflussen den öffentlichen Diskurs<br />
und fordern zu Reflexion und Reaktion<br />
heraus. Besonders nach Katastrophen<br />
und traumatischen Ereignissen lässt<br />
sich die Omnipräsenz der Bilder verorten.<br />
Bilder vom Terror haben eine<br />
enorme, nachhaltige Wirkung, der<br />
man sich nicht entziehen kann. Sie<br />
brennen sich tief in unser kollektives<br />
Gedächtnis ein. Die von C/O <strong>Berlin</strong><br />
kuratierte Ausstellung »unheimlich vertraut«<br />
untersucht die Bedeutung von<br />
Fotografie für unsere tägliche Bildkultur<br />
anhand der visuellen Verarbeitung<br />
von unterschiedlichen Terrorbildern<br />
der letzen Jahrzehnte. München 1972<br />
und New York 2001 bilden die historischen<br />
Eckpfeiler. Über die künstlerische<br />
Auseinandersetzung werden politische<br />
Bilder in Frage gestellt, historische<br />
Bildquellen machen Konstruktion und<br />
Illusion von Fotografie sichtbar.<br />
Die Ausstellung entsteht anlässlich<br />
des 10. Jahrestages des 11. September<br />
2001 und wurde von Felix Hoffmann<br />
für C/O <strong>Berlin</strong> kuratiert. Es werden ca.<br />
200 Arbeiten aus dem Bildarchiv des<br />
SPIEGEL sowie von rund 30 Künstlern<br />
gezeigt – unter anderem von Thomas<br />
Ruff, Simon Menner, Peter Piller,<br />
Christoph Draeger, Thomas Hirschhorn,<br />
G.R.A.M., Helmut Newton, Walid Raad,<br />
Gael Peltier, Michael Schirner, Robert<br />
Boyd, Pascale Couvert, Natalie Czech,<br />
Reymond Deparden, Michael Schäfer,<br />
Marc Volk und Malte Wandel.<br />
Nach welcher Logik funktionieren<br />
Verwendung und Verbreitung von Bildern<br />
in der modernen Mediengesellschaft?<br />
Thomas Höpker/Magnum, »Blick von<br />
Williamsburg auf Manhattan, Brooklyn,<br />
11. September 2001, (Original in Farbe)<br />
Gibt es eine Art von Aufmerksamkeitsterrorismus<br />
im digitalen Zeitalter? Wann ist<br />
ein Ereignis von globaler Bedeutung und<br />
wie stark konditionieren und synchronisieren<br />
die Medien ein solches? Oft lassen<br />
sich erst in der Auseinandersetzung<br />
mit den Bildern vom Terror die Struktur<br />
und Funktionsweise des journalistischen<br />
Bildes freilegen. Die medialen<br />
Bilder des Terrors waren und sind mehr<br />
als reine Abbildungen, die auf einen<br />
Sachverhalt oder ein Ereignis außerhalb<br />
ihrer eignen Existenz verweisen oder<br />
ein Ereignis dokumentieren. Sie sind<br />
mehr als Medien, die unter Nutzung<br />
ihres ästhetischen Potentials Deutungen<br />
transportieren. Diese Bilder besitzen die<br />
Fähigkeit, Realität zu erzeugen.<br />
Historischer Ausgangspunkt der<br />
Ausstellung ist der Angriff eines palästinenischen<br />
Terrorkommandos auf<br />
die israelische Delegation bei den<br />
20. Olympischen Sommerspielen<br />
in München. Erstmals fand ein terroristischer<br />
Akt unmittelbar vor den<br />
geöffneten Kameraaugen statt – und<br />
damit unmittelbar vor den Augen der<br />
Weltöffentlichkeit. Durch die Live-<br />
Übertragung im Fernsehen erfolgte eine<br />
quantitative Veränderung des Terrors<br />
hin zu einer massenkommunikativen<br />
Strategie. Die Bildinszenierung ist Teil<br />
des terroritischen Aktes. In der modernen<br />
Mediengesellschaft wird das Bild<br />
quasi zur Waffe und zum Ziel. Und von<br />
der Repräsentation der Tat im Bild zum<br />
Bild als Tat ist es ein kurzer Weg.<br />
Als extreme Form der Erzeugung von terroristischen<br />
Bildereignissen gelten die<br />
Anschläge zum 11. September 2001 –<br />
dem meist fotografierten und gefilmten<br />
Ereignis der Mediengeschichte. Ihrer<br />
Verwertungslogik folgend beginnen<br />
die Medien weltweit am selben Tag<br />
brennpunkt 4/2011<br />
Galerien<br />
einige wenige Bilder und Sequenzen<br />
endlos zu wiederholen und damit<br />
medial auf Dauer zu stellen. Die terroristische<br />
Strategie, größtmögliche<br />
Aufmerksamkeit zu erlangen, und<br />
die kapitalistische Verwertungslogik<br />
der Medien gehen eine symbiotische<br />
Beziehung ein. Die Medien werden<br />
zwangsläufig zu Kollaborateuren,<br />
zu Mittlern zwischen Terroristen und<br />
Publikum.<br />
Trotz einer immensen Bilderflut erscheinen<br />
unmittelbar nach den Ereignissen<br />
nur rund 30 unterschiedliche Fotografien<br />
auf die Titelseiten weltweit. Ebenso werden<br />
im Fehrnsehen immer dieselben<br />
Videos in Endlosschleifen wiederholt.<br />
Die internationale Konzentration und<br />
Zusammenarbeit der Bildagenturen<br />
reduziert die Bildauswahl zusätzlich.<br />
Nach Jahren bleiben jedoch nur<br />
noch fünf bis zehn Motive im kollektiven<br />
Bewusstsein. Diese Beschränkung<br />
der öffentlichen Berichterstattung über<br />
das Geschehen auf wenige Bildtypen<br />
ist kennzeichend für den medialen<br />
Umgang mit Terror.<br />
Historische Aufnahmen werden zitiert,<br />
neue Bilder werden zu Ikonen, zu<br />
medialen Archetypen. So erscheinen<br />
diese Bildmuster uns allen »unheimlich«<br />
vertraut. Das Grauen, das in den Alltag<br />
und das gesellschaftliche System<br />
einbricht, wird fassbar. Vertrautes im<br />
Unfassbaren – ein hilfloser Aktionismus<br />
gegen die Ohnmacht.<br />
Zur Ausstellung erscheint ein Katalog<br />
im Verlag Walther Koenig. C/O <strong>Berlin</strong><br />
stellt zudem ein umfangreiches<br />
Begleitprogramm mit einer Filmreihe,<br />
Vorträgen und einem Symposium<br />
zusammen.<br />
bis 4. Dezember 2011<br />
C/O <strong>Berlin</strong><br />
International Forum For Visual Dialogues<br />
im Postfuhramt<br />
Oranienburgerstraße 35/36<br />
10117 <strong>Berlin</strong>-Mitte<br />
täglich 11 – 20 Uhr<br />
9
Galerien<br />
W. Eugene Smith<br />
»Fotografien<br />
Eine Retrospektive«<br />
W. Eugene Smith, geboren 1918 in<br />
Wichita / Kansas und gestorben 1978<br />
in Tucson / Arizona, hat sich seit den<br />
1940er Jahren als politisch und sozial<br />
engagierter Fotojournalist in den USA<br />
einen Namen gemacht. Viele seiner<br />
Bildreportagen sind bei Life erschienen,<br />
dem wichtigen Magazin für<br />
Fotojournalismus, das 1936 in New<br />
York gegründet wurde. Smith sah in der<br />
Fotografie mehr als nur die Illustration<br />
zu einem Text und hat oft bei den<br />
Redakteuren mehr Mitsprache beim<br />
Gestalten eines Fotoessays eingefordert.<br />
Seine immens aufwendig recherchierten<br />
und emotional bewegenden<br />
Reportagen setzten in den 1940er und<br />
1950er Jahren neue Maßstäbe für die<br />
fotojournalistische Praxis.<br />
Bereits als Fünfzehnjähriger begann<br />
Smith zu fotografieren, angeregt von<br />
seiner Mutter, einer passionierten<br />
Hobbyfotografin. Nach dem Selbstmord<br />
seines Vaters in Folge der Wirtschaftskrise,<br />
studierte Smith zunächst 1936 an der<br />
University of Notre Dame, Indiana. Er<br />
träumte davon, Fotograf zu werden und<br />
zog nach New York. Dort besuchte er<br />
das New York Institute of Photography.<br />
Seinen beruflichen Einstieg fand er 1937<br />
als Fotoreporter bei Newsweek.<br />
Ein Jahr später wurde er freier<br />
Mitarbeiter für die Agentur Black Star<br />
und seine Aufnahmen erschienen bei<br />
Harper’s Bazaar, Collier’s, Time und<br />
bei Life. Mit Life entwickelte sich daraufhin<br />
eine mehrjährige, umfangreiche<br />
Zusammenarbeit.<br />
Nach Eintritt der USA in den Zweiten<br />
Weltkrieg, fertigte Smith zunächst für das<br />
Magazin Parade Propagandaaufnahmen<br />
zur Unterstützung der US-amerikanischen<br />
Truppen. Dann, als Korrespondent<br />
des Magazins Flying, nahm er an<br />
Aufklärungsflügen teil und fotografierte<br />
aus der Luft. 1944 wurde<br />
er erneut bei Life - dieses Mal als<br />
Kriegskorrespondent - angestellt und<br />
hielt die Schlacht von Saipan und die<br />
Landungen der Amerikaner auf den<br />
10 brennpunkt 4/2011<br />
Guardia Civil, Spanien, 1950 (Silbergelatineabzug 25,1 x 32,1cm)<br />
Center for Creative Photography, University of Arizona: W. Eugene Smith Archive /<br />
Gift of the artist<br />
© The Heirs of W. Eugene Smith, courtesy Black Star, Inc., New York<br />
Inseln Iwojima und Okinawa fest. Im<br />
Zuge der Kämpfe veränderte sich der Stil<br />
seiner Aufnahmen: Statt enthusiastischer<br />
Darstellungen zeigte er das immense<br />
Leid der Zivilbevölkerung und entwickelte<br />
eine Bildperspektive, die den<br />
Betrachter emotional einbezog. Smith<br />
wurde am 22. Mai 1945 selbst schwer<br />
verletzt und musste bis 1947 mehrere<br />
Operationen über sich ergehen lassen.<br />
Den symbolischen Neubeginn verkörperte<br />
für ihn das erste Foto nach seiner<br />
Verwundung. A Walk to Paradise Garden<br />
zeigt seine beiden jüngeren Kinder beim<br />
Betreten einer sonnendurchfluteten<br />
Lichtung. »Während ich meinen Kindern<br />
ins Unterholz und zu der Gruppe<br />
höherer Bäume folgte - wie sie sich<br />
an jeder ihrer kleinen Entdeckungen<br />
erfreuen konnten! - und sie betrachtete,<br />
wusste ich auf einmal, dass ich trotz<br />
alledem, trotz aller Kriege und aller<br />
Niederlagen an diesem Tag, in diesem<br />
Augenblick ein Sonett auf das Leben<br />
und auf den Mut, es weiterzuleben,<br />
anstimmen wollte.« (1954) Nach seiner<br />
Genesung arbeitete er erneut für Life.<br />
Besonders Dokumentationen, die das<br />
engagierte Wirken einfacher Menschen<br />
zeigten, beeindruckten die Leser. In<br />
The Country Doctor (erschienen 1948)<br />
begleitete er mehrere Wochen einen<br />
jungen Landarzt aus der Nähe von<br />
Denver bei seiner Arbeit. Sein Beitrag<br />
Nurse Midwife (erschienen 1951)<br />
über die schwarze Hebamme Maud<br />
Callen entstand vor dem Hintergrund<br />
von Rassendiskriminierung und des<br />
aktiven Wirkens des Ku-Klux-Klans im<br />
Süden der USA. Smith veränderte beim<br />
Entwickeln der Abzüge die Lichtregie,<br />
um die emotionale Atmosphäre -<br />
zum Beispiel während einer Geburt<br />
- zu verdichten und um Anteil an der<br />
aufopfernden Arbeit der Hebamme zu<br />
wecken. Sein soziales Engagement fand<br />
jedoch nicht immer Zustimmung wie bei<br />
der unveröffentlichten Reportage (1950)<br />
über die Kampagne zur Wiederwahl von<br />
Clement Attlee, dem Kandidaten der<br />
britischen Labourpartei. Life gedachte<br />
mit dem Bericht indirekt die Position<br />
der Liberalen zu stärken, indem die<br />
Folgen der staatlichen Wirtschaftspolitik<br />
unter Attlee kritisch dargestellt würden.<br />
Smiths Berichterstattung weckte jedoch<br />
Sympathie für Attlees Programm und den<br />
Kandidaten selbst. Mit der Reportage<br />
Spanish Village (erschienen 1951)<br />
hatte Smith mehr Erfolg. Er wollte einen
Albert Schweitzer, Aspen Colorado, 1949 (Silbergelatineabzug 24,7 x 33,2cm)<br />
Center for Creative Photography, University of Arizona: W. Eugene Smith Archive /<br />
Gift of the artist<br />
© The Heirs of W. Eugene Smith, courtesy Black Star, Inc., New York<br />
Eindruck von den Lebensverhältnissen in<br />
einem faschistischen Regime vermitteln.<br />
Nach Erhalt der nötigen Fotoerlaubnis<br />
recherchierte er zwei Monate vor Ort<br />
und wählte ein abgeschiedenes Dorf<br />
in der Extremadura für die Aufnahmen<br />
aus. Etliche der Fotografien erinnern mit<br />
ihrem strengen Helldunkel und ihrer klar<br />
gebauten Komposition an malerische<br />
Vorbilder und vermitteln mittels dieser<br />
Stilisierung ein Gefühl für die Schwere<br />
und auch die Schönheit des dortigen<br />
Lebens.<br />
Smiths Beitrag über Albert Schweitzers<br />
Wirken in Lambaréné sollte der letzte für<br />
Life werden: Die fehlende Mitsprache<br />
bei Bildauswahl und Layout waren für<br />
ihn nicht mehr hinnehmbar und er verließ<br />
die Zeitschrift nach Erscheinen des<br />
Essays A Man of Mercy im November<br />
1955.<br />
Eine berufliche Alternative bot die<br />
Mitgliedschaft bei Magnum, der 1947<br />
gegründeten Agentur für Fotografen. Im<br />
Auftrag von Stefan Lorant begann Smith<br />
eine umfassende Reportage über die<br />
Stadt Pittsburgh und ihre Eisenhütten,<br />
die ihn die nächsten Jahre beschäftigte<br />
und an seine finanziellen und persönlichen<br />
Grenzen brachte. Statt der mit<br />
Lorant verabredeten 100 Abzüge ent-<br />
standen 13.000 Aufnahmen, aus denen<br />
er einen Essay komponierten wollte, der<br />
ganz seinen Überzeugungen entsprach.<br />
1958 wurden 88 Fotografien im Popular<br />
Photography’s Annual publiziert, als<br />
Gesamtwerk ist der Essay nie erschienen.<br />
1957 hatte sich Smith, der für seinen<br />
exzessiven Arbeitsstil bekannt war, von<br />
seiner Familie getrennt und war in die<br />
Sixth Avenue, 821, in New York gezogen.<br />
In dem Haus verkehrten und probten<br />
viele bekannte Jazzmusiker und Smith,<br />
der ein begeisterter Musikliebhaber<br />
war, fotografierte und dokumentierte<br />
während der nächsten Jahre dieses<br />
kreative Umfeld. So zeichnete er die<br />
Arbeitsatmosphäre auch auf 1740<br />
Tonbändern auf, die erst 1998 in seinem<br />
Nachlass gefunden wurden.<br />
Außerdem fotografierte er von seinem<br />
Fenster aus Straßenszenen und arbeitete<br />
zeitgleich über den Bau einer psychiatrischen<br />
Klinik in Haiti.<br />
Ein Auftrag der Cosmos PR Agentur, das<br />
Unternehmen Hitachi Ltd. zu fotografieren,<br />
führte Smith 1961 für ein Jahr<br />
nach Japan. In seinem 1963 erschienenen<br />
Buch stellte er den Kontrast zwischen<br />
dem modernen Japan und den<br />
tief verwurzelten Traditionen in den<br />
bis 27. November 2011<br />
Martin-Gropius-Bau<br />
Niederkirchnerstraße 7<br />
10963 <strong>Berlin</strong>-Kreuzberg<br />
Mi – Mo 10 – 20 Uhr<br />
Dienstags geschlossen<br />
brennpunkt 4/2011<br />
Galerien<br />
Mittelpunkt. Ein Jahrzehnt später widmete<br />
er sich mit der erschütternden Serie<br />
über die Minamata-Krankheit erneut der<br />
forcierten Modernisierung Japans und<br />
ihren schwerwiegenden Folgen. Grund<br />
für die Erkrankungen war die vom<br />
Chemiekonzern Chisso verursachte<br />
Umweltverschmutzung: Der Konzern<br />
hatte quecksilberhaltiges Abwasser in<br />
der Nähe der Stadt Minamata ins Meer<br />
geleitet. Das Komitee zur Verteidigung<br />
der Opfer beauftragte Smith, die<br />
humane und ökologische Katastrophe<br />
zu dokumentieren und der Fotograf, der<br />
sich persönlich sehr für dieses Projekt<br />
engagierte, zog mit seiner zweiten Frau,<br />
Aileen Mioko Smith, nach Minamata.<br />
Während seiner Recherchen wurde er<br />
vom Werkschutz verprügelt und schwer<br />
verletzt. Mit seinen Bildern, die bei Life<br />
und in seinem Buch A Warning to the<br />
World -Minamata veröffentlicht wurden,<br />
trug er wesentlich zur Publikmachung<br />
und Aufklärung des Falles bei.<br />
Smith fotografisches Werk wurde mit<br />
Beginn der 1970er Jahre zunehmend<br />
museal gewürdigt. Sein Foto A Walk to<br />
Paradise Garden hatte Edward Steichen<br />
für die Ausstellung The Family of Man<br />
(1955) als symbolgebendes Schlussbild<br />
gewählt, doch erst 1971 fand die erste<br />
Retrospektive Let Truth Be the Prejudice<br />
im Jewish Museum in New York statt.<br />
1977 zog der schwer kranke Smith<br />
nach Tucson / Ariziona und übernahm<br />
an der dortigen Universität im letzten<br />
Lebensjahr eine Lehrtätigkeit.<br />
Im Center of Creative Photography in<br />
Tuscon ist sein Nachlass archiviert. Das<br />
International Center of Photography, New<br />
York, vergibt seit 1980 in Anerkennung<br />
von Smiths humanem Engagement<br />
das W. Eugene Smith Memorial Fund-<br />
Stipendium.<br />
11
Galerien<br />
Friedrich<br />
Seidenstücker<br />
»Von Nilpferden und<br />
anderen Menschen«<br />
Diese erste umfassende Retrospektive<br />
zu Friedrich Seidenstücker präsentiert<br />
über 200 Originalfotografien in der<br />
<strong>Berlin</strong>ischen Galerie, dem Landesmuseum<br />
für Moderne Kunst, Fotografie<br />
und Architektur. Beinahe jeder <strong>Berlin</strong>er<br />
kennt seine Fotografien. Diejenigen,<br />
die sich für die Geschichte ihrer<br />
Stadt interessieren, schätzen Seidenstückers<br />
atmosphärische Aufnahmen<br />
vom <strong>Berlin</strong>er Alltagsleben der Weimarer<br />
Republik. Unter den Tier- und Zooliebhabern<br />
erwarb er sich mit seinen<br />
einfühlsamen Tierstudien einen geradezu<br />
legendären Ruf, und für die Historiker<br />
sind seine eindringlichen Aufnahmen<br />
des zerstörten <strong>Berlin</strong> eine<br />
kostbare Quelle.<br />
Auch wenn Seidenstücker als typischer<br />
<strong>Berlin</strong>er Fotograf gilt, ist er doch auch<br />
weit über die Stadtgrenzen hinaus<br />
bekannt. Nicht zuletzt deshalb, weil<br />
er sich um eines ganz besonders verdient<br />
gemacht hat: Seine Bilder zeugen<br />
von Humor, und den findet man in der<br />
Fotografie selten. Aus dieser Haltung<br />
heraus hat sich das Werk von Friedrich<br />
Seidenstücker entwickelt. Es ist<br />
von Optimismus getragen, ohne die<br />
Zumutungen und Härten, ohne die<br />
Armut und das Elend der Zeit zu verschweigen.<br />
Seidenstücker konzentrierte sich auf<br />
das Alltagsgebaren der kleinen Leute,<br />
welches er mit sensiblem Blick so in<br />
Szene setzte, dass dahinter Charakteristisches<br />
der menschlichen Natur<br />
sichtbar wird. Während sein beinahe<br />
zoologisches Interesse für die Tierwelt<br />
dazu führte, dass er seine Fotografie<br />
im Zoo mit methodischer Gründlichkeit<br />
anging, kann man davon ausgehen,<br />
dass seine Straßenfotografie eher<br />
zufällig nach dem Lustprinzip entstand.<br />
Ähnlich scheint es mit den Landschafts-<br />
und Aktaufnahmen gewesen zu sein.<br />
Neben einer kleinen Gruppe von<br />
12 brennpunkt 4/2011<br />
Friedrich Seidenstücker, »Tochter und Papa« (Boulette und Knautschke), um 1955<br />
Fotografische Sammlung <strong>Berlin</strong>ische Galerie<br />
Friedrich Seidenstücker, »ohne Titel« (Die Zwillinge Hilde und Helga Fischer), 1948<br />
© bpk / Friedrich Seidenstücker<br />
Friedrich Seidenstücker, Auf den»Hungerstühlen«,<br />
um 1925, © Stiftung Stadtmuseum <strong>Berlin</strong><br />
Friedrich Seidenstücker,»ohne Titel«, um 1932<br />
© bpk / Friedrich Seidenstücker
Friedrich Seidenstücker, »ohne Titel«, 1945, © bpk / Friedrich Seidenstücker<br />
späten Aktfotografien, die als Farbdiapositive<br />
vorlagen, gliedert sich die Ausstellung<br />
in vier weitere Kapitel: Straßenfotografie,<br />
Tierfotografie, Landschaftsfotografie<br />
und <strong>Berlin</strong> nach 1945. Alle 226<br />
ausgestellten Aufnahmen sind Vintage<br />
Prints bis auf 21 Neuprints.<br />
Mit der Retrospektive setzt die <strong>Berlin</strong>ische<br />
Galerie ihre erfolgreiche Ausstellungsreihe<br />
fort, die ausgehend von den<br />
Beständen der Sammlung das Werk von<br />
großen Fotografen des Zwanzigsten<br />
Jahrhunderts wissenschaftlich erschließt<br />
und einem breiten Publikum zugänglich<br />
macht. Vorausgegangen sind Ausstellungen<br />
zu Heinrich Zille, Erich Salomon,<br />
Fritz Kühn und Herbert Tobias.<br />
Eine Ausstellung der <strong>Berlin</strong>ischen<br />
Galerie in Zusammenarbeit mit der<br />
bpk - Bildagentur für Kunst, Kultur und<br />
Geschichte und der Stiftung Stadtmuseum<br />
<strong>Berlin</strong>. Die Ausstellung wird durch<br />
die großzügige finanzielle Unterstützung<br />
des Fördervereins der <strong>Berlin</strong>ischen<br />
Galerie e. V. ermöglicht.<br />
RAHMENPROGRAMM:<br />
Kuratorenführungen: 17.10., 14.11.,<br />
5.12., 26.12.2011,<br />
jeweils 14 Uhr<br />
Im Gespräch: »Lieber Herr Neusüss!<br />
Zum Spaß will ich mal rückwärts<br />
anfangen ...«<br />
Ulrich Domröse (Kurator der Ausstellung)<br />
im Gespräch mit Floris M. Neusüss<br />
(Künstler und Freund von Friedrich<br />
Seidenstücker):<br />
7. November 2011, 17 Uhr<br />
Friedrich Seidenstücker, »Montags früh<br />
Oberbaumbrücke«, <strong>Berlin</strong> 1930<br />
bis 6. Februar 2012<br />
brennpunkt 4/2011<br />
Galerien<br />
Fotografische Sammlung <strong>Berlin</strong>ische Galerie<br />
<strong>Berlin</strong>ische Galerie<br />
Landesmuseum für Moderne Kunst -<br />
Fotografie und Architektur<br />
Alte Jakobstraße 124-128<br />
10969 <strong>Berlin</strong>-Kreuzberg<br />
Mi – Mo 10 – 18 Uhr<br />
13
Galerien<br />
Eva Besnyö<br />
Fotografin 1910–2003<br />
»Budapest – <strong>Berlin</strong> –<br />
Amsterdam«<br />
Erste Retrospektive der Fotografin Eva<br />
Besnyö in Deutschland.<br />
Das Verborgene Museum - zu Gast in<br />
der <strong>Berlin</strong>ischen Galerie - zeigt erstmals<br />
in Deutschland eine Retrospektive der<br />
ungarischen Fotografin Eva Besnyö mit<br />
120 Vintage-Prints.<br />
Als Eva Besnyö 1930, gerade zwanzigjährig,<br />
mit einer Gesellenprüfung des<br />
angesehenen Budapester Fotoateliers<br />
József Pécsi im Gepäck in <strong>Berlin</strong> eintraf,<br />
hatte sie bereits zwei folgenreiche<br />
Entscheidungen getroffen: Das<br />
Fotografieren zu ihrem Beruf zu machen<br />
und dem faschistischen Ungarn für<br />
immer den Rücken zu kehren.<br />
Wie ihre ungarischen Kollegen Moholy-<br />
Nagy, György Kepes und Martin<br />
Munkacsi erlebte auch Eva Besnyö –<br />
und wenig später Endre Friedmann<br />
(Capa) – <strong>Berlin</strong> als Metropole künstlerischer<br />
Experimentierfreude und demokratischer<br />
Lebensformen.<br />
Sie hatte bei dem Pressefotografen Dr.<br />
Peter Weller Arbeit gefunden, streifte<br />
tagsüber mit der Kamera durch die<br />
Stadt, suchte Motive auf Baustellen,<br />
am Wannsee, im Zoo oder in den<br />
Sportstadien und ihre Aufnahmen<br />
wurden veröffentlicht – allerdings wie<br />
damals üblich - unter dem Namen des<br />
Ateliers.<br />
Besnyös bekanntestes Foto stammt aus<br />
diesen Jahren: Der »Junge mit Cello« auf<br />
dem Rücken – eine weltweit bekannte<br />
Ikone für den heimatlosen Tramp. Für<br />
Eva Besnyös hellhöriges politisches<br />
Gespür spricht ihre rechtzeitige Flucht<br />
vor antisemitisch-nationalsozialistischer<br />
Verfolgung im Herbst 1932 aus <strong>Berlin</strong><br />
nach Amsterdam. Unterstützt durch<br />
den Künstlerkreis um Charley Toorop,<br />
Malerin der »Neuen Wirklichkeit«,<br />
den Dokumentarfilmer Joris Ivens und<br />
den Designer Gerrit Rietveld, erfuhr<br />
Besnyö, inzwischen verheiratet mit<br />
dem Kameramann John Fernhout,<br />
schon bald öffentliches Ansehen als<br />
14 brennpunkt 4/2011<br />
Eva Besnyö, »Starnberger Straße«, <strong>Berlin</strong> 1931, © Eva Besnyö/Maria Austria Instituut Amsterdam<br />
Fotografin. Eine Einzelausstellung 1933<br />
in der international renommierten Kunst-<br />
Galerie Van Lier machte sie mit einem<br />
Schlag in den Niederlanden bekannt.<br />
Einen weiteren Durchbruch erlebte<br />
Besnyö wenige Jahre später mit ihrer<br />
Architekturfotografie: ihrer Übertragung<br />
des funktionalistischen Neuen Bauens<br />
in das Neue Sehen.<br />
Sie engagiert sich kulturpolitisch wie<br />
z.B. 1936 bei der Anti-Olympiade-<br />
Ausstellung »D-O-O-D« (De Olympiade<br />
onder Diktatuur) und im Jahr darauf kuratierte<br />
sie im Stedelijk Museum Amsterdam<br />
die internationale Ausstellung »foto`37«.<br />
Der Einmarsch der deutschen Truppen<br />
im Mai 1940 bedeutete für die Jüdin Eva<br />
Besnyö, sich im Untergrund versteckt<br />
zu halten.<br />
Während der 1970er Jahre wurde Besnyö<br />
zur Aktivistin der niederländischen<br />
Frauenbewegung »Dolle Mina«, setzte<br />
sich öffentlich für Gleichberechtigung<br />
ein und dokumentierte mit der Kamera<br />
Demonstrationen und Straßenproteste.<br />
»Wie viele andere Talente, ist auch das<br />
Eva Besnyös wegen des Rassenwahns<br />
der Nationalsozialisten für Deutschland<br />
und seine künstlerische Kreativität verloren<br />
gegangen« (Karl Steinorth, DGPh,<br />
anlässlich der Verleihung des Dr. Erich<br />
Salomon Preises an Eva Besnyö 1999).<br />
Vernissage: 27. Oktober 2011<br />
um 19 Uhr<br />
28. Oktober 2011 bis 27. Februar 2012<br />
DAS VERBORGENE MUSEUM zu Gast<br />
in der <strong>Berlin</strong>ische Galerie<br />
Landesmuseum für Moderne Kunst -<br />
Fotografie und Architektur<br />
Alte Jakobstraße 124-128<br />
10969 <strong>Berlin</strong>-Kreuzberg<br />
Mi – Mo 10 – 18 Uhr
Nora Schattauer<br />
»Optische Mitte«<br />
Die Kölner Künstlerin Nora Schattauer<br />
(*1952) hat den Dialog mit dem fotografischen<br />
Werk von Alfred Ehrhardt seit<br />
jeher implizit geführt. Wie Ehrhardt setzt<br />
sie sich mit allgemeingültigen, immer<br />
wiederkehrenden Formprinzipien in der<br />
Natur auseinander und geht mit naturwissenschaftlicher<br />
Systematik vor. Ihre<br />
mit vielfältigen Materialien entwickelten<br />
Arbeiten visualisieren Formanalogien,<br />
die sich in verschiedenen Medien ausbilden.<br />
Dabei gilt ihr Augenmerk dem<br />
Kräftefluss von Naturkonstruktionen,<br />
den osmotischen Bewegungen im<br />
Mikrobereich, dem Fließenden. Mit der<br />
Ausstellung »Optische Mitte« beschäftigt<br />
sie sich explizit mit Alfred Ehrhardts<br />
bekanntester Bildserie »Das Watt«.<br />
Gezeigt werden Blindzeichnungen auf<br />
Kohlepapier, Fotogramme, Fotografien,<br />
so genannte »Silberblätter«, bei<br />
denen mit der Pipette aufgetragene<br />
Salzlösungen chemisch miteinander<br />
reagieren, sowie eine Auswahl exklusiver<br />
Künstlerbücher.<br />
Schattauers Zeichnungen durch<br />
Kohlepapier wurden unmittelbar durch<br />
Alfred Ehrhardts abstrakte Aufnahmen<br />
von Sandstrukturen im Watt inspiriert und<br />
entstanden mit geschlossenen Augen am<br />
Meeresstrand. Ihre Blindzeichnungen<br />
sind vor dem geistigen Auge entstandene<br />
ästhetische Versuche, die scheinbaren<br />
Gegensätze von menschlichem<br />
Geist und untergeordneter Natur buchstäblich<br />
ineinander fließen zu lassen.<br />
Sie zeigen Bögen, die immer neu<br />
ansetzen, sie spüren der Einwirkung<br />
von Kräften nach, den Entwicklungen<br />
von fließenden Bewegungen in formbarem<br />
Material. Und sie gehen der<br />
Frage nach, wie Wahrnehmung funktioniert,<br />
während durch einen bestimmten,<br />
intuitiv geführten Formungsprozess<br />
eine abstrakte Struktur entsteht. Bei der<br />
Blindzeichnung verfolgt das Auge einzelne<br />
Linien, obwohl das Bewusstsein<br />
gleichzeitig das Ganze überschaut. Im<br />
Bild inbegriffen ist das Verständnis dafür,<br />
dass die Wahrnehmung des Meeres<br />
Nora Schattauer, »Strömung«, Blindzeichnung<br />
durch Kohlepapier, 2009, 20 x 20cm<br />
© Nora Schattauer/VG-Bildkunst, Bonn<br />
oder des Meeresbodens im Watt stets<br />
zwischen zwei Blickarten pendelt: der<br />
horizontale, träumende, imaginative<br />
Blick in die Ferne und der auf den Boden<br />
gerichtete, analytische Blick, welcher<br />
die Strömungen und Strukturen im Sand<br />
beobachtet.<br />
Gleichzeitig zeigen die Fotogramme<br />
und Fotografien von Nora Schattauer<br />
Fließprozesse, die fotografische<br />
Analogien zu den Tropfenformen der<br />
»Silberblätter« bilden. Zur Herstellung<br />
der »Silberblätter« werden vergleichbar<br />
der analogen Schwarz-Weiß-<br />
Fotografie Silber und Salz dem Licht<br />
ausgesetzt und zur Herausbildung spezifischer<br />
Farbwerte angeregt. Salze sind<br />
– im Gegensatz zu Pigmenten – vollständig<br />
in Wasser lösliche Farbstoffe.<br />
Zuerst wird verflüssigtes Silbernitrat,<br />
später eine Ammoniumchloridlösung<br />
per Pipette auf ein sehr offenfaseriges,<br />
japanisches Chromatographie-Papier<br />
getropft, das aufgrund seiner sich unter<br />
Aufnahme von Flüssigkeit ausdehnenden<br />
Struktur am Herstellungsprozess<br />
beteiligt wird, ohne dass die Künstlerin<br />
diesen Verlauf vollständig kontrollieren<br />
könnte. Das Resultat variiert zwischen<br />
den extremen Gegensätzen einer präzisen,<br />
Assoziationen an Zellstrukturen hervorrufenden<br />
Anordnung in Gittern und<br />
Rastern und asymmetrischem Chaos, je<br />
nachdem, wie gleichmäßig oder zufällig<br />
die Künstlerin bei der Verteilung der<br />
Flüssigkeit vorgegangen ist. Diese »visuellen<br />
Experimente« sind Bilder, die jene<br />
zwischen anorganischen Materialien auftretenden<br />
Fließkräfte veranschaulichen<br />
und somit einem Lebendigkeitsprinzip<br />
brennpunkt 4/2011<br />
Galerien<br />
Alfred Ehrhardt, »Formearbeit des Windes und<br />
der rechtwinkelig dazu stehenden Strömung«,<br />
Silbergelatine, 1933/36, späterer Abzug 1967,<br />
30 x 24 cm, © Alfred Ehrhardt Stiftung<br />
in der Natur nachspüren, wie es auch für<br />
Alfred Ehrhardts fotografische Arbeiten<br />
charakteristisch ist.<br />
»Es handelt sich gleichsam um einen<br />
Bildprozess, der aus der Tiefe seiner<br />
Sichtbarkeit entgegen wächst. Die<br />
Bildoberfläche, soweit sie denn vorhanden<br />
ist, erscheint als untrennbare<br />
Einheit von Material und seiner völligen<br />
substantiellen Durchdringung. Dieser<br />
Prozess ist Gleichnis für das künstlerische<br />
Schaffen und darüber hinaus<br />
für alle Denkungsart, die sich von der<br />
Oberfläche weg tieferen Schichten<br />
zuwendet. Erst hier entsteht, wie die<br />
Bilder von Nora Schattauer ausweisen,<br />
Ordnung, Harmonie, etwas, was wir<br />
Schönheit nennen und was letztendlich<br />
als utopischer Begriff nach einem<br />
Gleichklang zwischen der Seele und der<br />
Natur, nach der Einheit von Geist und<br />
Materie Ausschau hält.« Eugen Blume,<br />
in: NoraSchattauer. »Silberblätter«,<br />
Verlag Revolver Publishing 2011.<br />
Vernissage: 7. Oktober 2011<br />
um 19 Uhr<br />
8. Oktober bis 23. Dezember 2011<br />
Alfred Ehrhardt Stiftung<br />
Auguststraße 75<br />
10117 <strong>Berlin</strong>-Mitte<br />
Di–So 11 – 18 Uhr<br />
Do 11 – 21 Uhr<br />
15
Galerien<br />
STEVE SCHAPIRO<br />
»PHOTOGRAPHIEN«<br />
Der Photograph Steve Schapiro zeigt<br />
sowohl Bilder aus der Reihe »Heroes«<br />
als auch exklusive Aufnahmen vom Set<br />
der Filme »Der Pate« von Francis Ford<br />
Coppola und »Taxi Driver« von Martin<br />
Scorsese.<br />
»The sixties were a defining era in<br />
America« (Steve Schapiro) Muhammad<br />
Ali, Andy Warhol, Ray Charles, Martin<br />
Luther King, Jr., Samuel Beckett,<br />
Robert F. Kennedy – sie alle verbindet<br />
nicht nur mit den 1960er Jahren<br />
eine der aufregendsten Dekaden<br />
der Zeitgeschichte, sondern auch ihr<br />
Prestige als Helden einer Ära und<br />
Generation. Steve Schapiro gelang es,<br />
den besonderen Flair sowie die ins<br />
kollektive Gedächtnis eingeprägten<br />
Charakteristika dieser »Heroes«<br />
in einzigartigen Photographien<br />
festzuhalten. Die mitreißenden<br />
Tanzbewegungen von Ray Charles, die<br />
später berühmt gewordenen Siegerposen<br />
des 21-jährigen Cassius Clay oder die<br />
undurchdringliche Aura von Andy<br />
Warhol: In seinen Photographien, die<br />
sich jeglicher Inszenierung entziehen,<br />
gelingt es Steve Schapiro, die Eigenart<br />
und das besondere Charisma dieser<br />
Persönlichkeiten herauszuarbeiten. Auch<br />
Robert F. Kennedy und Bürgerrechtler<br />
Martin Luther King, Jr., Schriftsteller wie<br />
Samuel Beckett und Truman Capote, oder<br />
auch Stilikonen wie Barbra Streisand<br />
und Jackie Kennedy nehmen ihren Platz<br />
unter Steve Schapiros »Heroes« in der<br />
Geschichte ein.<br />
»Der Pate« und »Taxi Driver« Wertvoller<br />
und vielfach hoch gewürdigter<br />
Bestandteil von Steve Schapiros Werk<br />
stellen auch die Photoserien von den<br />
Sets der Filme »Der Pate« (1972) und<br />
»Taxi Driver« (1976) dar. Schapiro<br />
war es möglich, als Photograph exklusiv<br />
die Dreharbeiten zu begleiten<br />
und die Entstehung der mittlerweile<br />
legendären Filme aus einem einzigartigen<br />
Blickwinkel festzuhalten. Die<br />
Photographien vermitteln einzigartig<br />
die schier fühlbare Atmosphäre<br />
der wichtigsten Szenen von »Der<br />
Pate« mit Marlon Brando oder Al<br />
16 brennpunkt 4/2011<br />
© STEVE SCHAPIRO, MUHAMMED ALI, KENTUCKY, 1963<br />
Pacino, die Filmgeschichte geschrieben<br />
haben. Ferner beeindrucken die<br />
Bilder durch ihre Bandbreite, die von<br />
der Porträtaufnahme über ikonografisch<br />
anmutige Szenerien mit hoher<br />
Dramaturgie bis hin zu Filmplakat ähnlichen<br />
Motiven reicht. Dieser Reichtum<br />
an Impressionen dominiert auch die<br />
Photoreihe vom Set von »Taxi Driver«<br />
mit Robert De Niro und der damals<br />
13-jährigen Jodie Foster. Cineastische<br />
Szenerien, ergreifende Nahaufnahmen<br />
als photographische Sozialstudien<br />
und spannende Backstage-Aufnahmen<br />
ermöglichen einen eindringlichen und<br />
zugleich heterogenen Einblick in den<br />
Film. Sowohl Schapiros Photographien<br />
von »Der Pate« als auch von »Taxi Driver«<br />
zeugen von einer reizvollen Ambivalenz<br />
zwischen Fiktion und Realität sowie<br />
einer spannenden Wechselwirkung zwischen<br />
dem Medium des Films und der<br />
Photographie. Somit verstehen sich die<br />
Bilder als bedeutender Bestandteil der<br />
Kulturgeschichte und als künstlerische<br />
Ergänzung zu zwei der bedeutendsten<br />
Kinofilme der Geschichte.<br />
Steve Schapiro begann als Photojournalist<br />
seine Karriere im Jahr 1961. Im »golden<br />
age in photojournalism« begleitete<br />
er u.a. 1968 Robert F. Kennedys<br />
Wahlkampf und berichtete vom Attentat<br />
auf Martin Luther King, Jr.. Schapiros<br />
Photographien werden bis heute in<br />
zahlreichen Magazinen abgedruckt,<br />
darunter Life, Time, Rolling Stone,<br />
© STEVE SCHAPIRO, RAY CHARLES<br />
Sports Illustraed, People, Newsweek<br />
sowie Vanity Fair und waren Bestandteil<br />
von vielen Ausstellungen weltweit. Der<br />
Photograph lebt in New York.<br />
bis 19. November 2011<br />
Galerie Camera Work<br />
Kantstraße 149<br />
10623 <strong>Berlin</strong>-Charlottenburg<br />
Di – Sa 11 – 18 Uhr
STEFANIE KETZSCHER<br />
»Umgehung und<br />
Sonnenwende«<br />
Fotografien 1972-1984<br />
Stefanie Ketzschers künstlerischer<br />
Anspruch gilt immer der Suche nach dem<br />
Auffindbaren hinter dem vordergründig<br />
Spektakulären.<br />
Ihr Sehen ignoriert die Geschwindigkeiten<br />
der zeitfressenden Abläufe, die alles<br />
Entdecken nur in Vergleichen und Wettbewerben<br />
legitimiert.<br />
Ihr eher sporadischer Zugriff erliegt nie<br />
den Verführungen mit dem jeweiligen<br />
Fokus, die oktroyierenden Muster von<br />
Chronik und Historie zu dekorieren.<br />
Stefanie Ketzscher vertraut auf die Sichtbarwerdung<br />
einer Beziehung zu den<br />
Dingen. Sie holt uns an die Orte ihres<br />
Anhaltens in einen Zustand von Vertrautsein.<br />
Ihre »ausgewählten Begegnungen«<br />
beschreibt sie in stiller Konzentration,<br />
respektvoller Distanz und reduziertem<br />
Schwarz-Weiß.<br />
Dadurch erzeugt sie vor allem in ihren<br />
Porträts Physiognomien eines besonderen<br />
Moments, die ohne erzählendes<br />
Interieur auskommen.<br />
Stefanie Ketzscher unaufdringliches<br />
Beobachten ist wie das Sammeln der<br />
Gegenwart im Abseits.<br />
© Stefanie Ketzscher, »Grimmling, sich den<br />
Ozean denkend«, 1984<br />
© Stefanie Ketzscher, »Leipzig-City«, 1979<br />
© Stefanie Ketzscher, »Doris Ziegler«, 1980 © Stefanie Ketzscher, »Akt«, 1980<br />
© Stefanie Ketzscher, »Akt«, 1980<br />
Vernissage<br />
3. November 2011, 19 Uhr<br />
brennpunkt 4/2011<br />
Galerien<br />
4. November bis 23. Dezember 2011<br />
Galerie argus fotokunst<br />
Marienstraße 26<br />
10117 <strong>Berlin</strong>-Mitte<br />
Di – Sa 14 – 18 Uhr<br />
17
Galerien<br />
André Kirchner<br />
Jörg Schmiedekind<br />
»<strong>Berlin</strong> Mitte,<br />
Ecke Jerusalemer«<br />
1990 bis 2011<br />
Seit vielen Jahren schon verfolgt der<br />
<strong>Berlin</strong>er Fotograf André Kirchner die<br />
Idee, seine Fotografien aus ihren<br />
zeitgebundenen, meist seriellen<br />
Zusammenhängen, in denen sie entstanden<br />
sind, herauszulösen, um sie zu<br />
Topographien der ihnen eingeschriebenen<br />
Orte mosaikartig über den ganzen<br />
Zeitraum der Aufnahmen hinweg neu<br />
zusammenzusetzen – ohne dabei in das<br />
ebenso oft geübte wie simple »Vorher/<br />
Nachher« zu verfallen. Also die eigenen<br />
Fotografien eines bestimmten Ortes<br />
in der Stadt quer durch die Zeit wie<br />
Ausschnitte zu sammeln und gleichsam<br />
in einer Collage zusammenzukleben.<br />
Jörg Schmiedekind kam 1984 zum<br />
Architekturstudium nach Westberlin.<br />
Seine ausgiebigen Erkundungs-<br />
Streifzüge durch die Stadtlandschaft<br />
bekamen mit dem Fall der Mauer ein<br />
neues, magisches Zielgebiet: <strong>Berlin</strong>-<br />
Mitte, bzw. was daraus geworden war.<br />
Vom urspünglichen Ziel, Gebautes<br />
und Stadtlandschaften im Stil der<br />
Architekturfotografie idealtypisch<br />
abzubilden, rückte Schmiedekind<br />
zu Gunsten einer ungeschönten<br />
Darstellung inklusive aller Störungen<br />
durch Stadtmöblierung, Schilderwald<br />
und Dauerprovisorien währenddessen<br />
immer weiter ab.<br />
Kirchner und Schmiedekind entdeckten<br />
zufällig, dass sie unabhängig voneinander<br />
eine bestimmte Ecke in Mitte seit<br />
1990 immer wieder aus den verschiedensten<br />
Blickwinkeln fotografierten:<br />
das kriegsversehrte und von der Mauer<br />
angeschnittene Karree Jerusalemer,<br />
Krausen-, Schützen-, und Lindenstraße,<br />
heute Axel-Springer-Straße. Jörg<br />
Schmiedekind von Anfang an in Farbe<br />
und bald digital, André Kirchner dagegen<br />
in Schwarzweiß auf Planfilm mit der<br />
Großformatkamera.<br />
18 brennpunkt 4/2011<br />
© André Kirchner<br />
© Jörg Schmiedekind<br />
Beim Zusammenlegen der Fotografien<br />
zeigte sich schnell, dass man sich nichts<br />
wegnahm, dass sich im Gegenteil für<br />
den beobachteten Ort eine neue, intensive<br />
Darstellung ergab: Schwarzweiß<br />
und Farbe, Schuß und Gegenschuß<br />
in der Perspektive, Detail und Totale<br />
in den Ausschnitten, in räumlichen<br />
Überschneidungen, die zeitlich<br />
bis zu zwanzig Jahre auseinander<br />
liegen. Alles aber mit den Mitteln der<br />
Architekturfotografie geerdet und gerade<br />
gestellt, dabei stets auf Augenhöhe<br />
des Passanten gehalten. Jeder konnte<br />
es sehen, hätte es sehen können, was<br />
an dieser durchaus typischen <strong>Berlin</strong>er<br />
Ecke ohne Ecken -die waren alle vier in<br />
Krieg und Nachkrieg verloren gegangen<br />
-geschah oder eben nicht geschah.<br />
bis 15. Oktober 2011<br />
galerie enpassant<br />
Brunnenstraße 169<br />
10119 <strong>Berlin</strong>-Mitte<br />
Di – Fr 14 – 18 Uhr<br />
Sa 12 – 16 Uhr
Jörg Schmiedekind<br />
«Frontalansichten«<br />
Wie immer in seinen Arbeiten geht<br />
es Schmiedekind nicht um die<br />
Abbildung des Besonderen, sondern<br />
um das Banale, Alltägliche. Dabei<br />
wird ein neutraler Blick auf die Dinge<br />
gewählt: Kameraposition strikt in<br />
Augenhöhe bei moderater Brennweite,<br />
keine extravaganten Blickwinkel und<br />
neutrales, diffuses Tageslicht. Kein<br />
Effekt soll vom Abgebildeten ablenken.<br />
Allein Komposition und Bildausschnitt<br />
kokettieren mit der Subjektivität des<br />
quasi-dokumentarischen Unterfangens.<br />
Komposition und Bildschnitt sind es<br />
auch, die das Abgebildete seiner puren<br />
Zweckdienlichkeit entheben und<br />
ästhetisch aufladen.<br />
Unser Leben spielt sich zu großen<br />
Teilen an gewöhnlichen Orten ab. Wir<br />
beachten sie nicht besonders, sind sie<br />
alltäglich und wir sehen sie ständig - sie<br />
scheinen vertraut.<br />
Abstand und Stille der Fotografie ermöglichen<br />
zu sehen, woran man sonst vorüber<br />
geht. Der Stadtraum ist oft überfüllt<br />
mit Details, die wir vor Ort gar nicht<br />
wahrnehmen können. Erst die Fotografie<br />
ermöglicht das genussvolle Eintauchen<br />
in die visuelle Kakophonie des Alltags.<br />
Die im Fenster 61 gezeigten Arbeiten<br />
sind ein Auswahl aus der offenen <strong>Berlin</strong>-<br />
Serie Schmiedekinds. Die Auswahl konzentriert<br />
sich auf ausschnitthafte Erdgeschoß-Frontalansichten<br />
von typischer<br />
<strong>Berlin</strong>er Blockrandbebauung.<br />
bis 11. Oktober 2011<br />
FENSTER 61<br />
Torstraße 61<br />
10119 <strong>Berlin</strong>-Mitte<br />
© Jörg Schmiedekind<br />
© Jörg Schmiedekind<br />
© Jörg Schmiedekind © Jörg Schmiedekind<br />
brennpunkt 4/2011<br />
Galerien<br />
19
Galerien<br />
Michael Gebur<br />
Ulrich Meyer<br />
»Leben am Mekong«<br />
Im Rahmen des Mekong-Ländertages<br />
in der Albert-Einstein Volkshochschule<br />
Tempelhof-Schöneberg wurde<br />
auch eine Fotoausstellung der beiden<br />
asienerfahrenen Fotografen Michael<br />
Gebur und Ulrich Meyer eröffnet. Die<br />
Schwerpunktthemen dieser Ausstellung<br />
sind »Wasser, Ernährung und Gesundheit«.<br />
Die dokumentaristischen Fotos<br />
geben dem Betrachter die Möglichkeit,<br />
das Leben der Menschen am Mekong<br />
außerhalb der touristischen Höhepunkte<br />
kennen zu lernen. Gezeigt<br />
werden Fotos aus Vietnam, Laos, Kambodscha<br />
und Thailand, die auf verschiedenen<br />
Reisen der Fotografen entstanden<br />
sind.<br />
© Michael Gebur<br />
Obwohl die Fotos primär dokumentaristischen<br />
Charakter haben, bleibt<br />
auch der humoristische Aspekt mancher<br />
Motive dem Betrachter nicht verborgen.<br />
bis 10. November 2011<br />
Albert Einstein Volkshochschule<br />
Barbarossaplatz 5<br />
10718 <strong>Berlin</strong>-Schöneberg<br />
Mo – Fr 9 – 21 Uhr<br />
(in den Ferien bis 16 Uhr)<br />
Sa + So 10 – 14 Uhr<br />
20 brennpunkt 4/2011<br />
© Ulrich Meyer<br />
© Michael Gebur<br />
© Ulrich Meyer<br />
© Michael Gebur
Karoline Bofinger<br />
Inga Alice Lauenroth<br />
Nele Gülck<br />
Chiara Dazi<br />
Calin Kruse<br />
Fred Hüning<br />
Klaus Muenzner<br />
»Familienbande«<br />
Die Familie ist tot! Es lebe die Familie!<br />
Die Strukturen und Größe von Familien<br />
haben sich in den letzten Jahrzehnten<br />
grundlegend geändert. Die Großfamilie<br />
hat ausgedient und wurde ersetzt durch<br />
Patchwork-, Klein- und Kleinst-Familien<br />
- bevorzugt ohne Trauschein. Wahlverwandtschaften<br />
werden Verwandtschaften<br />
vorgezogen. »Uneheliches Kind«<br />
ist lange schon kein Schimpfwort mehr<br />
- es ist aus dem Alltagswortschatz praktisch<br />
verschwunden. »Spätgebärende«<br />
meint heute Frauen Mitte Vierzig und<br />
nicht Ende Zwanzig. Früher kamen<br />
die Kinder automatisch, heute geplant<br />
und dem Lebensplan angepasst. Früher<br />
waren Kinder normal, heute einschneidende,<br />
lebensverändernde Naturereignisse.<br />
Heute beginnt eine Familie schon<br />
mit 2 Personen. Die Bande, die dadurch<br />
entstehen, sind aber nicht weniger eng<br />
als früher bei der ehelichen Kinderschar.<br />
GANZ IM GEGENTEIL - Dies behaupten<br />
zumindest die ausstellenden Fotografinnen<br />
und Fotografen Karoline Bofinger,<br />
Inga Alice Lauenroth, Nele Gülck,<br />
Chiara Dazi, Calin Kruse, Klaus Muenzner<br />
und Fred Hüning mit ihren meist<br />
ganz persönlichen Ansichten von Familie<br />
2011.<br />
© Fred Hüning<br />
bis 4. November 2011<br />
Fotogalerie Friedrichshain<br />
Helsingforser Platz 1<br />
10243 <strong>Berlin</strong>-Friedrichshain<br />
brennpunkt 4/2011<br />
Galerien<br />
Di, Mi, Fr, Sa 13 – 18 Uhr<br />
Do 10 – 18 Uhr<br />
21
Galerien<br />
Fred Hüning<br />
»persönlich«<br />
Unter dem beziehungsreichen Titel persönlich<br />
stellt der <strong>Berlin</strong>er Fotokünstler<br />
Fred Hüning einen fotografischen Bilderzyklus<br />
vor, der das Intime und das<br />
Schöne in radikaler Weise beschwört.<br />
Hüning rückt seine private Ikonografie,<br />
die eigene Familiengeschichte in den<br />
Mittelpunkt, seine Freundin und seinen<br />
heranwachsenden Sohn, in einer Art<br />
intimer Expedition als assoziative Bildcollage.<br />
Dabei setzt er die emotionale<br />
Kraft des intimen Raumes in sehr persönliche<br />
und zugleich zeitlose Bildmomente<br />
ohne lineare Abfolge um.<br />
Die Geschichte der fortlaufenden Trilogie<br />
nimmt ihren Anfang in der Bildserie<br />
»einer«: sie handelt von Leben und<br />
Tod, Trauer und Neubeginn. »zwei«<br />
widmet sich allein der Freundin (und<br />
Mutter seines Sohnes) und erzählt in<br />
intimen Portraits und stimmungsvollen<br />
Landschaftsaufnahmen eine allgemeingültige<br />
Liebesgeschichte – vom Verlieben,<br />
langsamen Annähern, von Erotik<br />
und Liebe bis hin zum Wunsch, ein<br />
gemeinsames Kind zu zeugen. »drei«<br />
stellt abermals die Freundin des Fotografen<br />
und jetzt auch ihren gemeinsa-<br />
Andreas David<br />
»Moment«<br />
Der Moment, der sich ungeplant ergibt<br />
und regelrecht aus dem Nichts entsteht.<br />
Der Moment des Sehens, der Aufnahme<br />
und später der Moment der Betrachtung.<br />
Andreas David zeigt ausgewählte Fotografien,<br />
die als solche Momente auf<br />
Reisen durch Bulgarien und anderen<br />
Länder entstanden sind. Keine Portraits<br />
von Menschen, sondern dokumentarische,<br />
oft minimalistische und grafische<br />
Eindrücke fremder Städte und Orte.<br />
Begegnungen von Vorurteilen, Eindrücken<br />
und Stimmungen des Fotografen<br />
mit genau diesen Spiegelbildern in<br />
22 brennpunkt 4/2011<br />
© Fred Hüning<br />
men Sohn ins Zentrum und erzählt in<br />
atmosphärischen Situationsschilderungen<br />
und stimmungsvollen Stillleben<br />
von der engen Bindung des Kindes zur<br />
Mutter, dem langsamen Herausbilden<br />
einer eigenständigen Persönlichkeit und<br />
dem Zauber der Kindheit.<br />
Die Arbeit »zwei« ist inspiriert von<br />
Nobuyohsi Arakis frühen Fotobuch Sentimental<br />
Journey (1971), das für den<br />
japanischen Fotokünstler der Beginn<br />
seiner Fotokarriere war.<br />
der urbanen Landschaft. Ein Blick auf<br />
Geschichten, Tristesse, Durcheinander<br />
und die Ruhe selbst. Eine Mischung aus<br />
Farb- und Schwarzweißfotografien.<br />
Vernissage: 7. Oktober 2011, 19 Uhr<br />
8. Oktober bis 12. November 2011<br />
Luxad<br />
Mommsenstaße 42<br />
10629 <strong>Berlin</strong>-Charlottenburg<br />
Mo – Fr 10 – 19 Uhr<br />
Sa 12 – 18 Uhr<br />
Angesichts der allgegenwärtigen medialen<br />
Transparenz von scheinbarer Privatheit<br />
setzen Hünings Bilder und Publikationen<br />
symbolhafte und poetische<br />
Augenblicke von subtiler Intimität ohne<br />
künstliche Effekte. Berührend schmerzvoll<br />
und berührend schön.<br />
Anlässlich der Vernissage erscheint<br />
Hünings bei Peperoni Books verlegtes<br />
Buch »drei« und wird zusammen<br />
mit den beiden bereits erschienenen<br />
Büchern der Trilogie durch den Verleger<br />
Hannes Wanderer vorgestellt.<br />
Während in der BrotfabrikGalerie die<br />
Arbeiten »zwei« und »drei« gezeigt<br />
werden, sind Ausschnitte aus »einer«<br />
bis zum 4. November 2011 in der<br />
»Fotogalerie Friedrichshain« zu sehen –<br />
anlässlich einer von Fred Hüning kuratierten<br />
Gruppenausstellung mit dem<br />
Titel »Familienbande«.<br />
Vernissage und Buchpräsentation:<br />
21.Oktober, 20.00 Uhr<br />
in Anwesenheit des Künstlers<br />
22. Oktober bis 4. Dezember 2011<br />
Brotfabrik Galerie<br />
Caligariplatz<br />
13086 <strong>Berlin</strong>-Weissensee<br />
Di – So 16 – 21 Uhr<br />
© Andreas David
Sibylle Bergemann<br />
»Die Polaroids«<br />
Magdalena mit Strohhut, im Arm ein<br />
ausgestopfter Vogel. Eine junge Frau am<br />
Fenster wie eine Vision aus längst vergangener<br />
Zeit. Dinge, die leise miteinander<br />
zu sprechen scheinen.<br />
Pflanzen, die zu magischen Lichtquellen<br />
werden. Man spürt sofort: das sind verwunschene<br />
Bilder, alles andere als beliebige<br />
Schnappschüsse. Sibylle Bergemann<br />
fand im Polaroid ein Medium, das ihrer Art<br />
zu Sehen auf besondere Weise entsprach.<br />
So ist am Rande von Modeaufnahmen,<br />
Reportagereisen oder im Privaten eine<br />
ganz eigene poetische, manchmal<br />
surreal anmutende Bildwelt entstanden.<br />
Mit großem Einfühlungsvermögen<br />
setzte die Photographin die künstlerischen<br />
Möglichkeiten des Sofortbild-<br />
Verfahrens ein, wusste genau, welche<br />
Motive mit der Polaroidkamera »funktionierten«.<br />
Das waren Momente, die sie<br />
selbst berührten, Orte, an denen gelebt<br />
wurde, kleine subtile Überraschungen,<br />
hinter dem Sichtbaren verborgene<br />
Geheimnisse. Treppen, abblätternder<br />
Putz, verblassende Farben, Tiere,<br />
Puppen, Zauberwesen.<br />
Jedes Polaroid ist ein Unikat, durch<br />
zurückgenommene Farbigkeit und<br />
leichte Unschärfe rätselhaft entrückt,<br />
zugleich sinnlich erlebbar und von<br />
bezwingender Intensität. Im Zeitalter des<br />
perfekten Digitalbildes erzählen Sibylle<br />
Bergemanns Polaroidaufnahmen vom<br />
Erinnern und Vergessen, lassen uns staunen<br />
über die wundersame Entstehung<br />
einer andersartigen, oft unvermuteten<br />
Wirklichkeit – unwiederholbar und von<br />
einzigartiger Schönheit.<br />
Susanne Schmid<br />
bis 15. Oktober 2011<br />
Johanna Breede<br />
PHOTOKUNST<br />
Fasanenstraße 69<br />
10719 <strong>Berlin</strong>-Charlottenburg<br />
Di – Fr 11 – 18 Uhr<br />
Sa 11 – 16 Uhr<br />
© Sibylle Bergemann, »Magdalena«, <strong>Berlin</strong>, 1998, (Original in Farbe)<br />
brennpunkt 4/2011<br />
Galerien<br />
© Sibylle Bergemann, »o.T.«, (Original in Farbe) © Sibylle Bergemann, »o.T.«, (Original in Farbe)<br />
Anlässlich zum 70. Geburtstag der<br />
Fotografin Sibylle Bergemann<br />
23
Galerien<br />
Birgit Krause<br />
»Unwillkürliche<br />
Erinnerungen«<br />
Recherche & Blue Monday<br />
Mémoire involontaire in der Fotografie<br />
Die Blumen des Schönen<br />
Der Zucker unserer Erinnerungen<br />
liegt unverrührt auf dem Grund unseres<br />
Gedächtnisses. Ob jemand lieber<br />
grünen Tee trinkt, italienischen Espresso<br />
oder argentinischen Mate, das ist egal.<br />
Worauf es ankommt, ist der Moment, in<br />
dem der Zucker verschmilzt mit unserer<br />
Erinnerung: Dann zuckt der Erinnerungsblitz<br />
und schleudert uns zurück<br />
in die Vergangenheit. Über der Tasse<br />
reiben wir uns verwundert die Augen<br />
und sehen, wie sich ein japanisches<br />
Wunderpapier mit Flüssigkeit vollsaugt<br />
und in einen herrlichen Schwan verwandelt.<br />
Die <strong>Berlin</strong>er Fotografin Birgit Krause<br />
(Studentin der Ostkreuzschule bei<br />
Sibylle Bergemann, Meisterschülerin<br />
von Prof. Arno Fischer) zeigt Arbeiten<br />
unter dem Titel Unwillkürliche Erinnerungen.<br />
Die Anspielung auf Marcel<br />
Prousts Jahrhundertwerk »Auf der Suche<br />
nach der verlorenen Zeit« ist evident.<br />
Proust beschreibt die Form der unwillkürlichen<br />
Erinnerung anhand einer einzigartigen<br />
Szene. Birgit Krause dagegen<br />
signalisiert bewusst eine Vielzahl<br />
unwillkürlicher Erinnerungen. Die<br />
beiden Serien »Recherche« und »Blue<br />
Monday« beziehen sich dabei auf zwei<br />
ausgesuchte Lebensphasen mit je eigenen<br />
Stimmungen und Valeurs: zum<br />
einen auf die Kindheit, zum anderen<br />
auf die Jugend.<br />
Deutet man die Bildunschärfen in<br />
»Recherche« leichtfertig als Ausdruck<br />
erinnerungstechnischer Verschwommenheit,<br />
so ist damit nichts gewonnen.<br />
Die Wahl einer Einwegkamera<br />
entspringt bewusst einer ästhetischen<br />
Begrenzung auf das kindliche Sehen<br />
selbst. Dieses sieht in den Dingen oft<br />
mehr, als sie in Wahrheit sind. Es ist<br />
bezeichnend, dass die Fotografin ihre<br />
Motive nicht an konkreten Orten der<br />
Kindheit und Jugend auffand, sondern<br />
24 brennpunkt 4/2011<br />
© Birgit Krause © Birgit Krause<br />
© Birgit Krause<br />
verstreut in der ganzen Welt. Ein Kantinentisch<br />
in einem DDR-Bunker erinnerte<br />
sie an ihre Kindergartenzeit in Hildesheim.<br />
Weiter könnten Vergangenheit<br />
und Bild, Erinnerung und Motiv, Abbild<br />
und Original kaum auseinander liegen.<br />
Und doch entsteigt dem Bild unaufhörlich<br />
der gleiche leicht saure Geruch<br />
frisch aufgebrühten Hagebuttentees.<br />
Schwarze Nischen und einsame Vögel,<br />
irdische Mondlandschaften und in sich<br />
versunkene Galaxien – der düstere<br />
Grundton von »Recherche« deutet nicht<br />
auf eine bunte Blümchenwiese hin. Und<br />
doch scheinen gerade die schwärzesten<br />
Stellen der Bilder direkt hinüberzufüh-<br />
ren auf jene leuchtende Wiese, auf der,<br />
wie der argentinische Autor Julio Cortázar<br />
einmal sagte, »das Einhorn wiehert«.<br />
Insofern wundert es nicht, dass in<br />
der Jugend ein Farbenbekenntnis erfolgt.<br />
»Blue Monday« – es ist das Schwarzblau<br />
des New Wave und der New Romantic<br />
der 80er Jahre, das die Bilder der<br />
zweiten Serie wie ein Oxidations- und<br />
Haarfärbemittel von damals durchzieht.<br />
Die blaue Blume der Romantik blüht<br />
auf, um sich augenblicklich in etwas<br />
Abstraktes zu verwandeln. Für einen<br />
Moment jedoch ist die Vergangenheit<br />
spürbar nah.<br />
Betrachtet man Birgit Krauses Bilder als<br />
fotografische Erkundungen der Erinnerung<br />
im Modus der Vergangenheit, dann<br />
gehen sie in einem selbst auf. Obwohl<br />
in jüngster Zeit entstanden, wirken sie,<br />
als hätten sie viele Jahre darauf gewartet,<br />
endlich gepflückt zu werden.<br />
Stephan Reisner<br />
www.birgit-krause.com<br />
bis 6. November 2011<br />
exp12 / exposure twelve<br />
Senefelderstraße 35<br />
10437 <strong>Berlin</strong> – Prenzlauer Berg<br />
www.exp12.com<br />
Fr – So 14 – 20 Uhr
Oona Eberle<br />
»What Do We Know«<br />
Fragmente eines Sommers<br />
»Drei offene Fenster bestätigen, dass<br />
das Meer existiert. Und wenn das Meer<br />
existiert, sitze ich auf dem Bettrand, wie<br />
jeden morgen, und trinke in winzigen<br />
Schlucken einen tiefschwarzen, bitteren<br />
Kaffee, der vor ein paar Minuten<br />
noch Pulver war und jetzt Flüssigkeit ist.<br />
Wie lange ist es her, dass ich mit dieser<br />
Zeremonie anfing? Kaffee trinken und<br />
dabei das Meer betrachten als wären die<br />
Wellen Bruchstücke von Leben.<br />
Das Wasser erzeugt einen gemächlichen<br />
Reiz, eine höchste Gemütsruhe,<br />
ein merkwürdiges Erstaunen, das<br />
beruhigt«. (Zoé Valdés, »Das tägliche<br />
Nichts«)<br />
Nachdenklich macht einen das schon:<br />
Hipstamatic-Prints in einer Ausstellung<br />
für Fotografie? Hat Hipstamatic überhaupt<br />
einen Platz in der klassischen<br />
Fotografie? Eine, für das iphone entwickelte<br />
Software, die mit einer Vielzahl<br />
an Filtern und Linsen verschiedene Epochen<br />
der analogen Fotografie nachempfindet?<br />
Hipstamatic be- und entschleunigt die<br />
Entwicklung der Fotografie in unserem<br />
immer schneller werdenden Zeitalter<br />
gleichermaßen und führt die digitale<br />
Entwicklung in gewisser Weise ad<br />
absurdum.<br />
Oona Eberle, Schülerin von Sibylle Bergemann<br />
und Arno Fischer hat sich einen<br />
Sommer lang auf das Experiment eingelassen<br />
und sich auf das Medium konzentriert,<br />
das in ihrem Leben im wahrsten<br />
Sinne des Wortes auf der Hand, bzw.<br />
am Ohr liegt.<br />
Unter dem Titel »What Do We Know«<br />
zeigt sie einfühlsame Bilder die wie eine<br />
Spiegelung ihrer Seele wirken. Momente<br />
aus dem alltäglichen Leben, ohne Inszenierung<br />
aber mit einem tiefen Blick für<br />
den Moment.<br />
Ein Hauch von Melancholie schwebt<br />
durch die Bilder. Schemenhafte Erinnerungen,<br />
entfernte, einzigartige Erlebnisse<br />
und Begebenheiten. Momente, in<br />
denen die Zeit für einen Augenblick still<br />
© Oona Eberle<br />
stand und die letztendlich in Wellen<br />
unwiederbringlich fortgespült wurden.<br />
Oona Eberle fotografiert intuitiv spontan<br />
erlebte Situationen mit präzisem Augenmerk,<br />
für den Moment und dem Schönen<br />
in den kleinen Dingen des Lebens.<br />
Mit »Fragmente eines Sommers« schickt<br />
sie uns auf eine Reise in das Innere von<br />
uns selbst und holt uns wieder zurück<br />
in das Jetzt und lässt uns die Welt durch<br />
ihre Augen sehen.<br />
»The world is appearing and disappearing<br />
all the time at every moment. Culture<br />
and memory may contain the things<br />
we know, but experience is our only<br />
entry into this world«. (Ken Schles)<br />
Vernissage: 11. November 2011<br />
19 Uhr<br />
© Oona Eberle<br />
brennpunkt 4/2011<br />
Galerien<br />
12. November bis 18. Dezember 2011<br />
exp12 / exposure twelve<br />
Senefelderstraße 35<br />
10437 <strong>Berlin</strong> – Prenzlauer Berg<br />
www.exp12.com<br />
Fr – So 14 – 20 Uhr<br />
25
Galerien<br />
SURRAU PHOTO<br />
WIN 2010<br />
Penny Klepuszewska ( GB )<br />
Giuliano Matteucci ( I )<br />
Eva Leitolf ( D )<br />
Jonas Petronis ( LT )<br />
Massimiliano T. Rezza ( I )<br />
Entstanden ist dieser SURRAU PHOTO<br />
WIN aus dem Zusammentreffen von<br />
Salvatore Ligios, Verleger, Fotograf<br />
und Präsident von Su Palatu und<br />
dem Unternehmer und Kunstsammler<br />
Martino Demuro. Der Surrau Photo<br />
Win ist ein internationaler Fotopreis zur<br />
Förderung der Fotografie, von Projekten<br />
und Autoren. Mit 10.000 Euro dotiert,<br />
wurde er erstmalig im Oktober 2010 in<br />
Sardinien verliehen.<br />
Nach der Präsentation von 60 Fotografen<br />
durch verschiedene Kuratoren wurde,<br />
aus einer kleinen Auswahl von 5 Autoren<br />
(Penny Klepuszewska, Eva Leitolf,<br />
Giuliano Matteucci, Jonas Petronis,<br />
Massimiliano T. Rezza), die Arbeit von<br />
Eva Leitolf prämiert.<br />
Die 1. <strong>Edition</strong> des SURRAU PHOTO<br />
WIN findet jetzt in <strong>Berlin</strong> statt.<br />
© Eva Leitolf<br />
26 brennpunkt 4/2011<br />
© Giuliano Matteucci<br />
© Penny Klepuszewska<br />
© Massimiliano T. Rezza<br />
© Jonas Petronis<br />
bis 9. Oktober 2011<br />
Café Aroma Photogalerie<br />
Hochkirchstraße 8<br />
10829 <strong>Berlin</strong>-Schöneberg<br />
Mo – Fr 18 – 24 Uhr<br />
Sa – So 14 – 24 Uhr<br />
und nach Vereinbarung
Siegfried Utzig<br />
»Spree-Veduten«<br />
Die Eigenheiten der italienischen Landschafts-<br />
und Stadtansichten des 17. Jahrhunderts<br />
waren ihre wirklichkeitsgetreue<br />
Darstellung einer Landschaft oder<br />
eines Stadtbildes.<br />
Dass der strenge formale Ansatz der<br />
Veduten auch heute noch zu überzeugenden<br />
Bildern führen kann, zeigt Siegfried<br />
Utzig mit seinem Portfolio »Spree-<br />
Veduten«.<br />
Eingebettet in eine konsequent durchgehaltene<br />
formale Strenge, nehmen die<br />
Schwarz-Weiss Fotografien den Betrachter<br />
mit auf eine, an Überraschungen<br />
reiche, Reise durch <strong>Berlin</strong> entlang der<br />
Spreeufer.<br />
Die Reise beginnt beim Eintritt der Spree<br />
in die Stadt am Müggelsee im Osten und<br />
endet an der Mündung in die Havel im<br />
Westen in <strong>Berlin</strong>-Spandau.<br />
Auf den gut 50 Kilometern durch <strong>Berlin</strong><br />
erschließt das Portfolio die ganze Vielfalt<br />
der Stadtlandschaft mit ihren unterschiedlichen<br />
Formen des Lebens und<br />
der Gestaltung des Stadtraums entlang<br />
des Flusses.<br />
Es entstand ein Bilderbogen <strong>Berlin</strong>s, der<br />
vom idyllisch grünen Flussabschnitt,<br />
über die industrielle genutzten Uferzonen<br />
und die verschiedenen Formen<br />
der Wohnbebauung bis hin zum touristisch,<br />
politisches Zentrum in <strong>Berlin</strong>-<br />
Mitte reicht. Dabei wurde konsequent<br />
auf sattsam bekannte Motive und Kamerastandpunkte<br />
verzichtet.<br />
Durch die Dichte der Bildfolge und die<br />
Nüchternheit der Aufnahmen sind die<br />
bekannten Eyecatcher entbehrlich. Im<br />
Gegenteil, sie würden die Harmonie<br />
des Gesamtwerks stören. Die Fotografien<br />
zeigen daher ein weitgehend unbekanntes<br />
<strong>Berlin</strong>.<br />
Siegfried Utzig wurde 1955 in St.<br />
Wendel/Saar geboren.<br />
Sein Interesse an der Photographie<br />
besteht seit frühster Jugend. Die erste<br />
eigene Spiegelreflexkamera erwarb er<br />
mit 17 Jahren, um sich zuerst ausschließlich<br />
der Dia-Fotografie zu widmen.<br />
In den achtziger Jahren folgte dann<br />
© Siegfried Utzig<br />
eine verstärkte Konzentration auf die<br />
Schwarz-Weiß-Photographie.<br />
Seit Mitte der neunziger Jahre, auf der<br />
Suche nach neuen photographischen<br />
Gestaltungsmöglichkeiten, kam die Hinwendung<br />
zu historischen photographischen<br />
Verfahren - insbesondere Bromöldruck<br />
und Gummidruck - als Medium<br />
der Bildgestaltung.<br />
Er nahm dann umfangreiche autodidaktische<br />
Studien zu den historischen,<br />
fotografischen Verfahren vor, sowie ihrer<br />
Anwendung unter Zuhilfenahme moderner<br />
digitaler Fototechnik.<br />
Er lebt und arbeitet heute in <strong>Berlin</strong>.<br />
Vernissage:<br />
13. Oktober 2011, 20 Uhr<br />
© Siegfried Utzig<br />
brennpunkt 4/2011<br />
Galerien<br />
14. Oktober 2011 bis 15. Januar 2012<br />
Café Aroma Photogalerie<br />
Hochkirchstraße 8<br />
10829 <strong>Berlin</strong>-Schöneberg<br />
Mo – Fr 18 – 24 Uhr<br />
Sa – So 14 – 24 Uhr<br />
und nach Vereinbarung<br />
27
Galerien<br />
Neue Präsentation der<br />
Fotosammlung Arthur<br />
de Ganay<br />
Fotografien von<br />
Lewis Baltz, Elger Esser, Candida<br />
Höfer, Arwed Messmer, Thomas<br />
Ruff, Thomas Struth und Hiroshi<br />
Sugimoto<br />
Anlässlich des fünfjährigen Bestehens<br />
der öffentlich zugänglichen Fotografie-<br />
Ausstellung der Sammlung Arthur de<br />
Ganay wurden am 11. September 2011<br />
Neuerwerbungen aus den letzten Jahren<br />
in einer Preview vorgestellt.<br />
In einem eigens für die Sammlung erworbenen<br />
und hergerichteten Loft in der<br />
Köpenicker Straße in <strong>Berlin</strong>-Kreuzberg,<br />
zeigt der aus Frankreich stammende<br />
Arthur de Ganay seit fünf Jahren einige<br />
der bedeutendsten Vertreter der deutschen<br />
Fotokunst der 1990er Jahre bis<br />
heute.<br />
Wichtiges Anliegen der Sammlung ist<br />
es, einen Beitrag zur breiten Akzeptanz<br />
der Fotokunst zu leisten. Durch<br />
die Ausstellung von ausgesuchten<br />
großformatigen Kompositionen soll<br />
aufgezeigt werden, dass die Fotografie<br />
der Malerei innerhalb der bildenden<br />
Künste gleichwertig ist.<br />
»Wo aber der Mensch aus der<br />
Photographie sich zurückzieht, da tritt<br />
erstmals der Ausstellungswert dem<br />
Kultwert überlegen entgegen.« (Walter<br />
Benjamin) In seinem Essay »Das<br />
Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen<br />
Reproduzierbarkeit« betonte Benjamin<br />
den Bedeutungsverlust des »Kultwerts«<br />
der Kunst durch die Möglichkeit der<br />
Reproduzierbarkeit. In diesen Prozessen<br />
verliere das Kunstwerk seine »Aura«,<br />
was in der Folge wiederum die soziale<br />
Funktion der Medien verändere. In<br />
diesem Zusammenhang unterstreicht er<br />
am Beispiel des Fotografen Eugène Atget<br />
die Anziehungskraft von menschenleeren<br />
Straßenbildern, deren beunruhigende<br />
Atmosphäre an einen Tatort erinnert.<br />
Die Sammlung Arthur de Ganay knüpft<br />
an diesen Aspekt der Fotografie an und<br />
richtet den Fokus auf die Landschafts-<br />
28 brennpunkt 4/2011<br />
Thomas Ruff, »a.s.b.01«, 2001, 130 x 170 cm,<br />
C-Print, gerahmt<br />
Courtesy: Arthur de Ganay und Johnen Galerie<br />
© VG Bild-Kunst<br />
und Architekturfotografie, um den<br />
Betrachter durch den von Benjamin<br />
genannten »Kult der Erinnerung« nicht<br />
abzulenken.<br />
In einer sehr konzentrierten Präsentation<br />
werden die Werke in zusammenhängenden<br />
Ensembles gezeigt. Oft sind es die<br />
eindrucksvollsten, vielleicht auch repräsentativsten<br />
Motive einer Werkgruppe,<br />
die Arthur de Ganay erwirbt, um sie<br />
in seinen Räumen der Öffentlichkeit<br />
zugänglich zu machen.<br />
Zum 10. Jahrestag der Terroranschläge auf<br />
das World Trade Center am 11. September<br />
2001 in New York, wurden in der neuen<br />
Präsentation der Sammlung zwei Bilder<br />
von Thomas Ruff gegenübergestellt: die<br />
Arbeit »jpg td03« aus dem Jahre 2006,<br />
welche den Einsturz des World Trade<br />
Centers zeigt, steht der Arbeit »Nacht<br />
20 I« aus dem Jahre 1995 gegenüber. In<br />
dieser Stadtansicht verwendete Thomas<br />
Ruff ein Nachtsichtgerät, welches in der<br />
Kriegsberichterstattung während des<br />
zweiten Golfkrieges im Jahre 1990 eingesetzt<br />
wurde. Die beiden Bilder zeigen<br />
wie die moderne Kriegsberichterstattung<br />
vom Golfkrieg 1990 bis zum Krieg gegen<br />
den Terror seit 2001 die Darstellung von<br />
Brutalität verharmlost.<br />
Die Gegenüberstellung der beiden<br />
Fotografien soll auch den fragwürdigen,<br />
populistischen Reiz und den gesellschaftlichen<br />
Einfluss von Bildern diskutieren,<br />
die mit Überwachungskameras<br />
oder Amateurvideos entstehen und<br />
unbegrenzt im Internet kursieren.<br />
Ein weiteres Motiv der neuen Hängung<br />
der Sammlung sind Straßenbilder mit<br />
Werken von Thomas Struth und Arwed<br />
Messmer. Ob in <strong>Berlin</strong>, Lima oder<br />
Leipzig zu verschiedenen Zeitpunkten<br />
aufgenommen, erinnern die gezeigten<br />
Ruinen und Leerstellen ebenfalls an das<br />
Thema der Zerstörung durch den Krieg<br />
und knüpfen so an die zuvor beschriebenen<br />
Bilder Ruffs an.<br />
Mit der veränderten Präsentation von<br />
»Color of Shadows C 1022« wird<br />
ein Ensemble des Künstlers Hiroshi<br />
Sugimoto abgerundet. In Ergänzung zu<br />
einer kleinen, unscharfen Aufnahme des<br />
Bodensees aus der Serie »Seascapes«<br />
und zusammen mit der großformatigen<br />
Arbeit »Austrian Post Offices<br />
Saving Bank«, entsteht ein magistrales<br />
Ensemble, welches die entscheidenden<br />
Qualitäten Sugimotos Bildsprache<br />
erfahrbar macht.<br />
Mit den Aufnahmen der Pariser<br />
Oper von Candida Höfer und den<br />
Landschaftsaufnahmen von Elger Esser<br />
sind weitere Ensembles zu sehen, die<br />
bereits als Klassiker der Sammlung gelten.<br />
Arthur de Ganay begann bereits<br />
während seines Architekturstudiums<br />
in Paris Mitte der Neunziger Jahre<br />
Fotokunst zu sammeln. Sein besonderes<br />
Interesse gilt großformatiger<br />
Landschafts-und Architekturfotografie.<br />
Von großer Bedeutung war für ihn die<br />
Begegnung mit dem künstlerischen<br />
Werk Hiroshi Sugimotos, welches seine<br />
Sammlungstätigkeit seither stark geprägt<br />
hat. Mit seinem Umzug nach <strong>Berlin</strong> im<br />
Jahre 2001 widmete sich der Sammler<br />
verstärkt der deutschen Fotokunst, insbesondere<br />
der Düsseldorfer Becher-Schule<br />
mit Künstlern wie Thomas Ruff, Thomas<br />
Struth oder Candida Höfer, um einige<br />
der wichtigsten Vertreter zu nennen. Seit<br />
2006 ist die Sammlung Arthur de Ganay<br />
öffentlich zugänglich.<br />
bis 30. Dezember 2011<br />
Fotografiesammlung Arthur de Ganay<br />
Köpenicker Straße 10A<br />
10997 <strong>Berlin</strong>-Kreuzberg<br />
Führungen finden jeden ersten<br />
Samstag im Monat von 14 bis 16 Uhr<br />
statt.<br />
Anmeldung erforderlich unter:<br />
info@collectionarthurdeganay.com<br />
www.collectionarthurdeganay.com
Erik van der Haas<br />
»Das Chaos und die<br />
Schöne«<br />
Erotische Fotografien<br />
Marode und baufällige Gebäude unterstreichen<br />
durch ihre Unvollkommenheit<br />
die Schönheit und den Reiz des weiblichen<br />
Körpers.<br />
Durch die maroden Ruinen wird ein<br />
intensiver Kontrast zur Lebendigkeit und<br />
der persönlichen Ausstrahlung des Menschen<br />
erzeugt, was die Kernaussage von<br />
Eriks Haas Fotografien darstellt. Die Bilder<br />
entstehen spontan und intuitiv.<br />
In oft halsbrecherischen Aktionen entstehen<br />
die Aufnahmen mit einem minimalen<br />
technischen Aufwand.<br />
Helmut Baumann<br />
»Aus dem Rahmen<br />
gefallen«<br />
Aktfotografien<br />
Helmut G. Baumann, 59 Jahre, ist Foto-<br />
Autodidakt seit seinem 14.Lebensjahr.<br />
Erste Aufnahmen mit der legendären<br />
Exa Ib: Einstürzende Altbauten, Porträts<br />
am Strand, Naturaufnahmen.<br />
Seit 10 Jahren ist er überzeugter Digitalist<br />
mit Augenmerk auf das Motiv, nicht<br />
auf die Montage.<br />
Der Akt in beeindruckender Landschaft<br />
ist seine neue Leidenschaft.<br />
Gemeinsam mit anderen Fotografen und<br />
Modellen unternimmt er Fotoreisen in<br />
die Toskana, Südfrankreich, Teneriffa.<br />
Vernissage<br />
4. November 2011, ab 19 Uhr<br />
© Erik van der Haas<br />
© Helmut Baumann<br />
Vorschau:<br />
2. Dezember bis 31. Dezember 2011<br />
Gemeinschaftsausstellung des Arbeitskreises<br />
für künstlerische Aktfotografie<br />
Ergebnisse vom Sommertreffen Wasserburg<br />
Gerswalde<br />
7. Oktober bis 30. Oktober 2011<br />
Die Aktgalerie<br />
Krossenerstraße 34<br />
10245 <strong>Berlin</strong>-Friedrichshain<br />
Fr, Sa, So 16 – 20 Uhr<br />
brennpunkt 4/2011<br />
Galerien<br />
Durch einen bewussten Verzicht auf<br />
digitales „Botox“ bei der Optimierung<br />
der Gesichter und der Körper am Computer<br />
bleibt die Authentizität der fotografierten<br />
Frauen erhalten.<br />
Somit versucht Erik van der Haas<br />
einen Gegensatz und eine Alternative<br />
zur Hochglanzfotografie nach Art der<br />
bekannten Männermagazine zu schaffen.<br />
Vernissage<br />
7. Oktober 2011, ab 19 Uhr<br />
4. November bis 27. November 2011<br />
Die Aktgalerie<br />
Krossenerstraße 34<br />
10245 <strong>Berlin</strong>-Friedrichshain<br />
Fr, Sa, So 16 – 20 Uhr<br />
29
Galerien<br />
Ursula Kelm<br />
»Vergänglichkeit der<br />
Zeit«<br />
Fotoarbeiten<br />
Erinnerungen, auch wenn sie schön<br />
sind, können manchmal eine Last sein.<br />
Das eigene Leben, einen Teil davon in<br />
fotografischen Bildern zu beschreiben,<br />
ist nicht einfach. Jedes Leben ist sehr<br />
komplex, aber wie nimmt man es wahr<br />
oder wie träumt man es.<br />
Fotos sind nicht wie Texte zu lesen, vermitteln<br />
aber Botschaften.<br />
Diese Botschaften sind chiffrierte Wirklichkeiten,<br />
verrätselt.<br />
Aus der Arbeit am Adressbuchprojekt<br />
stellten sich Fragen:<br />
Wer/was ist denn wichtig?<br />
Woran erinnere ich mich, wenn ich die<br />
Namen lese?<br />
Welche Bilder tauchen auf?<br />
Was verbinde ich damit?<br />
Bilder aus der Kindheit, der Familie,<br />
Bilder aus dem Jetzt, je nach Anordnung<br />
und Kontext bringen sie neue Bildeinheiten,<br />
neue Erzählungen hervor. Bilder<br />
kommunizieren, fließen ineinander. Der<br />
Betrachter wird aufgefordert, ein eigenes<br />
Bild zu schaffen.<br />
Zeit und Bewegung werden sichtbar.<br />
Innere Bilder bleiben vor dem Verschwinden<br />
festgehalten. Vergangenheit<br />
und Gegenwart, bereits vergangenes<br />
Leben, Schärfe und Unschärfe treffen<br />
sich zwischen Farbe, Verblasstem und<br />
schwarz/weiß zu neuer Einheit, zu Bildern<br />
von Zeit.<br />
Ursula Kelm<br />
Sechsundzwanzig Buchstaben : A-Z<br />
Sechsundzwanzig Bildeinheiten<br />
(2008-2011)<br />
(Einzelbilder, Diptychen oder Triptychen)<br />
Buchauflage: 26 Exemplare<br />
Das Adressbuchprojekt:<br />
... umgeknickte Ecken, vergilbte Ränder,<br />
kaum erkennbare Registerbuchstaben,<br />
.. . abgegriffen, so wie ein Teddybär<br />
nach vielen Jahren,<br />
.. . aufbewahrte Bilder zum Festhalten<br />
oder Neuentdecken.<br />
30 brennpunkt 4/2011<br />
© Ursula Kelm (Original in Farbe)<br />
© Ursula Kelm (Original in Farbe)<br />
© Ursula Kelm (Original in Farbe)<br />
Vernissage:<br />
7. Oktober 2011, 19 Uhr<br />
8. Oktober bis 12. November 2011<br />
imago fotokunst<br />
Linienstraße 145<br />
10115 <strong>Berlin</strong>-Mitte<br />
Di – Fr 12 – 19 Uhr<br />
Sa 14 – 18 Uhr
© Ursula Kelm (Original in Farbe)<br />
© Ursula Kelm (Original in Farbe)<br />
© Ursula Kelm<br />
brennpunkt 4/2011<br />
Galerien<br />
31
Galerien<br />
Abschlussarbeiten der<br />
Fotoklasse 27<br />
Künstlerische Leitung:<br />
Ursula Kelm<br />
Auseinandersetzung mit dem eigenen<br />
Bild vom Bild<br />
Mit elf Augenpaaren und elf Vorstellungen,<br />
das Gesehene festzuhalten und<br />
dem Betrachter zu vermitteln, haben<br />
wir uns aufgemacht, unsere Kunst ins<br />
Licht zu setzen.<br />
Das ohne Zweifel bei allen Beteiligten<br />
vorhandene leidenschaftliche Potenzial<br />
zur Bild erzeugenden Darstellung<br />
wurde durch die praktische Umsetzung<br />
klarer Aufgabenstellungen einem positiven<br />
Entwicklungsprozess unterzogen<br />
und mit guter Fixierung abgeschlossen.<br />
Hinsichtlich der künstlerischen Ausgestaltung<br />
dienten die oftmals langen<br />
und sehr intensiven Dialoge über das<br />
so genannte »gute Bild«, das es so ja<br />
nicht gibt.<br />
Nicht die vielen Bilder vermitteln, sondern<br />
das eine Bild oder die Bildreihe<br />
soll prägnant die Botschaft transportieren,<br />
war die Erkenntnis, die wir im<br />
Rahmen der künstlerischen Betrachtung<br />
gewinnen konnten.<br />
Unsere neuen Augen auf die Schönheit<br />
und das Besondere des Alltäglichen<br />
werden wir behalten.<br />
Wolfgang Zummack<br />
© Ronald Gierth<br />
© Larissa Honsek<br />
32 brennpunkt 4/2011<br />
© Heike Molkentin © Franziska Schmidt<br />
© Katrin Frohns © Uwe Gessner<br />
© Valentina Luski<br />
© Christine Mauch<br />
© Axel Schrick<br />
© Martina Kohnova<br />
© Wolfgang Zummack<br />
Vernissage:<br />
18. November 2011, 19 Uhr<br />
19. November bis 21. Dezember 2011<br />
imago fotokunst<br />
Linienstraße 145<br />
10115 <strong>Berlin</strong>-Mitte<br />
Di – Fr 12 – 19 Uhr<br />
Sa + So 14 – 18 Uhr
DAWID<br />
»RRR«<br />
Die Fotografie kann alles sein, vom<br />
authentischen Abbild bis hin zur Illusion,<br />
Realität und zugleich Imitation.<br />
Die Arbeiten von Dawid (Björn<br />
Dawidsson), einem der angesehensten<br />
und bekanntesten Fotografen und<br />
Künstler Schwedens, sind fast ein Synonym<br />
für diesen fotografischen Diskurs.<br />
Er wurde als Schwedens erste Postmoderner<br />
Künstler bezeichnet. Sein Werk<br />
wird breit diskutiert und bewegt sich<br />
oft auf dem schmalen Grat zwischen<br />
dem Grafischen und Fotografischen.<br />
Wie ein Alchemist und Wissenschaftler<br />
experimentiert er andauernd mit<br />
verschiedensten Techniken und Ausrüstungen<br />
- neuen und alten. Verspielt<br />
zeigt er immer wieder andere Sichtweisen<br />
auf gewöhnliche und ungewöhnliche<br />
Objekte. Seine Fotografien bestätigen<br />
die bestehenden Formen und stellen<br />
sie im gleichen Atemzug radikal in<br />
Frage und hinterfragen dabei unsere<br />
Wahrnehmung.<br />
Was ist eigentlich Fotografie? Abgesehen<br />
von einer technischen Erfindung ist Fotografie<br />
auch eine konzeptionelle Errungenschaft.<br />
Die Fotografie ist eine Abbildung<br />
von etwas, das bereits als Bild in<br />
unserer Vorstellung existiert. Es ist kein<br />
Zufall, dass die Diskussion dort weitergeht,<br />
wo sie René Magritte begonnen<br />
hat. Fotografie vergegenwärtigt etwas<br />
Abwesendes, einen realen Gegenstand<br />
in einer illusionären Art und Weise. Die<br />
Radikalität, welche die Arbeiten von<br />
Dawid auszeichnet, besteht im ständigen<br />
Prüfen und Überschreiten der Grenzen<br />
dieser Ausdrucksform. In der Serie<br />
RRR erforscht Dawid, wann ein Bild zu<br />
einer Illusion wird und trotzdem eine<br />
Fotografie bleibt.<br />
Dawid (Björn Davidsson) wurde 1949<br />
in Örebro geboren. Er lebt und arbeitet<br />
in Stockholm. 1969-70 Studium an<br />
der legendären Fotografieschule »Fotoskolan«,<br />
die unter Christer Strömholm<br />
von 1962 bis 1974 eine ganze Generation<br />
von hervorragenden schwedischen<br />
Fotografen hervorbrachte. Im Anschluss<br />
Grafikdesign-Studium an der Beckmans<br />
Reklamskola (Schule für Kunst und<br />
© DAWID RRR (Original in Farbe)<br />
© DAWID RRR (Original in Farbe)<br />
Design). Dozent an der Hochschule für<br />
Fotografie, Göteborg und der Kunsthochschule<br />
Stockholm. Dawid hat zahlreiche<br />
Bücher veröffentlicht, u.a. »Rost«<br />
DOG/Fotografiska Museet, Stockholm<br />
1983 und »Beautiful Frames«, Steidl<br />
bis 29. Oktober 2011<br />
SWEDISH PHOTOGRAPHY<br />
Karl-Marx-Allee 62<br />
10243 <strong>Berlin</strong>-Friedrichshain<br />
Mi – Sa 12 – 18 Uhr<br />
brennpunkt 4/2011<br />
Galerien<br />
2001. Vertreten u.a. in den ständigen<br />
Sammlungen des Morderna Museet,<br />
Stockholm, Hasselblad Center, Göteborg,<br />
Museum Folkwang, Essen, Statens<br />
Konstråd, (Kunstrat des schwedischen<br />
Kulturministeriums) Stockholm. Dawid<br />
hat auch zahlreiche Auszeichnungen<br />
und Stipendien erhalten. Seine Bilder<br />
sind in vielen Einzel- und Gruppenausstellungen<br />
gezeigt worden.<br />
33
Galerien<br />
Matthew Pillsbury<br />
»Photographs«<br />
Die galerie hiltawsky zeigt in Zusammenarbeit<br />
mit der Bonni Benrubi Gallery,<br />
New York die erst zweite Einzelausstellung<br />
der Werke des amerikanischen<br />
Künstlers Matthew Pillsbury in<br />
Deutschland. Die ausgestellten Arbeiten<br />
sind aus den Serien »Time Frame«<br />
und »Screen Lives«, sowie neue Arbeiten.<br />
Den Verlauf der Zeit einzufrieren ist der<br />
konventionellste Trick einer Kamera.<br />
Matthew Pillsbury’s Fotografien leisten<br />
mehr, sie fangen die Erfahrung von<br />
Zeit sowohl physisch als auch psychologisch<br />
ein. Ursprünglich davon ausgehend<br />
das Leben seiner Freunde und<br />
Familie in ihrer Freizeit zu fotografieren,<br />
rückte schnell die Gemeinsamkeit<br />
viel Zeit vor Bildschirmen und Fernsehern<br />
zu verbringen und damit die Rolle<br />
moderner Technologie in das Zentrum<br />
seiner Arbeit. Inspiriert durch Hiroshi<br />
Sugimoto leuchtet Pillsbury seine Szenarien<br />
nur mit vorhandenem Licht aus<br />
und durch sehr lange Belichtungszeiten<br />
werden die Lichtquellen zu weissen<br />
Flächen und bilden die Oberfläche<br />
für unsere eigenen Interpretationen. Die<br />
menschlichen Bewegungen werden in<br />
außergewöhnlichen und ungesehenen<br />
Orten eingefangen, die Figuren wirken<br />
geisterhaft in ihrer Flüchtigkeit gegen<br />
die Permanenz der Umgebung und den<br />
Reichtum des Details des Materiellen.<br />
Matthew Pillsbury wurde 1973 in Frankreich<br />
geboren, ist dort aufgewachsen<br />
und hat 1995 an der Yale University<br />
und 2004 an der New York’s School of<br />
Visual Arts studiert. Seine Arbeiten sind<br />
in den letzten Jahren umfangreich in<br />
den USA und Europa ausgestellt worden<br />
und befinden sich in den Sammlungen<br />
des Whitney Museum of American Art,<br />
Museum of Modern Art in New York,<br />
Guggenheim New York, Los Angeles<br />
County Museum of Art, Museum of Fine<br />
Art in Houston, San Francisco MOMA<br />
und Elton John’s Photography Collection<br />
in Atlanta. Er wurde vom Photo-<br />
34 brennpunkt 4/2011<br />
© Matthew Pillsbury, »Nathan Noland, Mario Kart DS, The Star Cup, Wynn«, Las Vegas<br />
© Matthew Pillsbury, »Selfporträt in SF«<br />
DistrictNews (PDN) 2005 als einer der<br />
Top 30 »emerging artists« gewählt und<br />
hat 2007 den HSBC-Preis für Fotografie<br />
gewonnen.<br />
Matthew Pillsbury lebt und arbeitet in<br />
New York.<br />
bis 22. Oktober 2011<br />
galerie hiltawsky<br />
Tucholskystraße 41<br />
10117 <strong>Berlin</strong>-Mitte<br />
Mi – Sa 14 – 18 Uhr
Susan Burnstine<br />
»WITHIN SHADOWS«<br />
Susan Burnstine interpretiert in ihren<br />
Fotos die flüchtigen Momente zwischen<br />
träumen und wach sein, die verschwommenen<br />
Sekunden in denen Phantasie<br />
und Wirklichkeit kollidieren.<br />
Als Kind litt sie unter intensiven Albträumen,<br />
die sie tagelang beschäftigten.<br />
Oft lief sie herum und war sich nicht<br />
sicher, ob sie träumte oder wach war.<br />
Die Linien zwischen beiden Zuständen<br />
blieben verschwommen.<br />
Als Trilogie konzipiert, wird dieses Projekt<br />
in drei fortlaufenden Kapiteln präsentiert:<br />
»On Waking Dreams«, »Between«<br />
und »Flight«, die drei Zustände<br />
der Psyche erforschen: träumen (unterbewusst),<br />
schlafen (unbewusst) und<br />
wach sein (bewusst).<br />
Für diese Serien wollte Susan Burnstine<br />
einen Weg finden ihre Traumvisionen<br />
als unverfälschte Fotos und nicht als<br />
bildbearbeitete Manipulationen darzustellen.<br />
Dafür hatte sie 21 selbstgebaute<br />
Kameras und Objektive, unter Zuhilfenahme<br />
von Plastik- und Gummiteilen<br />
aus Haushaltsgegenständen, eingesetzt.<br />
Diese Kameras waren oft unberechenbar<br />
hinsichtlich ihrer technischen Eigenschaften<br />
und stellten daher eine große<br />
Herausforderung für sie dar. Nach ihrer<br />
Auffassung sind dieselben Gegenstände<br />
ein Schlüssel, um Träume zu interpretieren.<br />
Das Ergebnis dieser Anstrengungen<br />
zeigt die galerie hiltawsky in einer Ausstellung.<br />
© Susan Burnstine<br />
© Susan Burnstine © Susan Burnstine<br />
Vernissage:<br />
28. Oktober 2011, 19 Uhr<br />
brennpunkt 4/2011<br />
Galerien<br />
29. Oktober bis 23. Dezember 2011<br />
galerie hiltawsky<br />
Tucholskystraße 41<br />
10117 <strong>Berlin</strong>-Mitte<br />
Mi – Sa 14 – 18 Uhr<br />
35
Galerien<br />
Franca Wohlt<br />
Oliver Jacob<br />
Thomas Graichen<br />
»Holga Visionen«<br />
In Fortführung ihrer Tradition von<br />
Holga Gruppenausstellungen eröffnet<br />
die aff Galerie im Oktober die Ausstellung<br />
»Holga Visionen«. Die kontinuierliche<br />
Auseinandersetzung mit den<br />
unterschiedlichen Ausdrucksmöglichkeiten<br />
dieser besonderen Kamera ist<br />
ein Bestandteil des Programms der aff<br />
Galerie.<br />
Die Holga Kamera wurde in den achtziger<br />
Jahren als »Volkskamera« in China<br />
entwickelt. Sie besteht fast ausschließlich<br />
aus Kunststoff, besitzt nahezu keine<br />
Einstellungsmöglichkeiten und verwendet<br />
das zu dieser Zeit in China weit verbreitete<br />
Mittelformat.<br />
© Oliver Jacob<br />
Oliver Jacob zeigt in seiner Arbeit<br />
»Augenwanderungen« seine Eindrücke<br />
aus dem modernen Großstadtleben. Er<br />
fängt dabei Augenblicke der Unruhe,<br />
Orientierungslosigkeit und Melancholie<br />
im Strom der Stadt ein, aber auch<br />
kleine Details am Straßenrand. Dabei<br />
erscheinen einzelne in den Bildern eingefangene<br />
Individuen etwas verloren<br />
und unschlüssig oder auf der Suche.<br />
Die schwarzweißen Bilder erinnern<br />
dadurch an Standbilder eines Film Noir<br />
oder an Szenen eines alten Stummfilms.<br />
In Doppelbelichtungen, die sich in der<br />
36 brennpunkt 4/2011<br />
Arbeit mit der einfachen Holga Kamera<br />
geradezu anbieten, verdichtet er die<br />
Flut von Eindrücken und Sinneswahrnehmungen,<br />
die sich aus der Hektik der<br />
Großstadt ergeben.<br />
An der Arbeit mit der Holga fasziniert<br />
Jacob das Unperfekte und das Zufällige<br />
bei der Entstehung der Bilder. Die Einfachheit<br />
der Kamera erlaubt ihm, sich<br />
voll und ganz auf den Moment zu konzentrieren.<br />
© Thomas Graichen<br />
In den Bildern der Serie »Eingang zum<br />
Paradies« sucht der Fotograf Thomas<br />
Graichen nach Orten, die ins Paradies<br />
führen könnten. Zu seiner eigenen<br />
Überraschung entdeckte er zahlreiche<br />
derartige Übergänge in der ihn alltäglich<br />
umgebenden Welt. Manchmal sind<br />
sie versteckt, manchmal offensichtlich,<br />
wenn man sie erst einmal erkannt hat.<br />
Einige sind einfach zugänglich, andere<br />
verbaut. Manche sind einladend, andere<br />
eher abschreckend und wieder andere<br />
geben Rätsel auf. Allen gemein ist, dass<br />
man sie vorher nie als solche Schnittstellen<br />
in eine andere Welt wahrgenommen<br />
hätte. Das Paradies steht hier<br />
metaphorisch für das Reich der Phantasie,<br />
die beim Anblick unerwarteter<br />
neuer Wege und Möglichkeiten angeregt<br />
wird. Was ist jenseits des Alltäglichen,<br />
des Gewohnten und Bekannten<br />
alles möglich?<br />
Thomas Graichen arbeitet schon seit<br />
vielen Jahren mit der Holga und setzt<br />
sie gezielt als ein Werkzeug mit besonderer<br />
Bildcharakteristik ein. Er arbeitet<br />
mit der Spannung, die sich zwischen<br />
ihrem technisch unperfekten Bild und<br />
einer sehr präzisen Bildkomposition<br />
und Motivwahl entwickelt.<br />
© Franca Wohlt<br />
Die von Franca Wohlt präsentierte<br />
Arbeit »Ticino - un sogno« profitiert<br />
ebenso von der charakteristischen Bildsprache<br />
der Plastikkamera. Die recht<br />
zufällige Bildschärfe, wenig vorhersehbare<br />
Belichtung und ungenaue Wahl<br />
des Bildausschnitts verleiht ihren Bildern<br />
etwas Traumartiges, irreal Anmutendes,<br />
das eine emotionale Verbindung<br />
der Fotografin zu einem Ort ihrer Sehnsucht<br />
verbildlicht. Sie lässt den dadurch<br />
erzwungenen Kontrollverlust bewusst<br />
zu und genießt ihn. Dies steht ganz im<br />
Gegensatz zu der sonst von ihr benutzten<br />
Großformatkamera, die Geduld,<br />
Konzentration und Beherrschung des<br />
technischen Vorgangs erfordert.<br />
Die Aufnahmen entstanden in den<br />
Bergen des Schweizer Kantons Tessin/<br />
Ticino, ein Ort zu dem sich die Fotografin<br />
auf besondere Weise hingezogen<br />
fühlt. Sie wünscht sich ihr Leben<br />
lang immer wieder an ihn zurückzukehren.<br />
Ihre Schwarzweißfotografien<br />
zeigen persönliche Eindrücke der dortigen<br />
Landschaft und der Spuren der<br />
Menschen, die diese Region seit Jahrhunderten<br />
entbehrungsreich bewohnen<br />
und bewirtschaften.<br />
Vernissage: 7. Oktober 2011,<br />
20 Uhr<br />
8. Oktober bis 30. Oktober 2011<br />
aff Galerie<br />
Kochhannstraße 14<br />
10249 <strong>Berlin</strong>-Friedrichshin<br />
Sa + So 14 – 17 Uhr<br />
www.aff-berlin.com
Jörg Rubbert<br />
»<strong>Berlin</strong> – Bilder einer<br />
zerrissenen Stadt«<br />
Anlässlich des historischen Datums »50<br />
Jahre Mauerbau« zeigt die aff-Galerie<br />
die Ausstellung »<strong>Berlin</strong> – Bilder einer<br />
zerrissenen Stadt«. Die meisten der hier<br />
gezeigten Aufnahmen aus den frühen<br />
achtziger Jahren zeugen vom Leben<br />
im damaligen West-<strong>Berlin</strong>. Das unbestrittene<br />
Zentrum war zu jener Zeit der<br />
Kurfürstendamm mit seinen Straßencafés,<br />
den Pavillons und Kinos.<br />
Als der 1963 geborene Hamburger Fotograf<br />
Jörg Rubbert 1980 zum ersten Mal<br />
ins damalige West-<strong>Berlin</strong> kam, empfand<br />
er die Stadt als eine Art geschütztes<br />
Biotop mit einer überalterten Bevölkerung.<br />
Daneben – quasi als Gegenentwurf<br />
– gab es eine vornehmlich von<br />
Studenten geschaffene Subkultur. Die<br />
Kulisse für das Zusammenleben bildete<br />
die vom zweiten Weltkrieg gebrandmarkte<br />
Stadt mit ihren vielen Altbauten,<br />
Abrissfassaden und großen Freiflächen<br />
in der Nähe der Mauer.<br />
Rubbert faszinierten die überall sichtbaren<br />
Wunden des Krieges und der<br />
an vielen Häuserwänden manifestierte<br />
Anspruch, es nie wieder so weit<br />
kommen zu lassen. Das Leben mit der<br />
Mauer beförderte zwangsläufig das Entstehen<br />
einer Subkultur, wie man es so<br />
von keiner anderen westdeutschen Stadt<br />
kannte. Wie sollte man es auch anders<br />
ertragen und den Widerstand und die<br />
Ungerechtigkeit besser zum Ausdruck<br />
bringen?<br />
In den folgenden Jahren bis zur endgültigen<br />
Übersiedlung nach <strong>Berlin</strong> 1995<br />
besuchte Rubbert die Stadt immer wieder,<br />
stets mit der Intention, die gewaltigen<br />
Veränderungsprozesse, die die Wiedervereinigung<br />
mit sich brachte, in Bilder<br />
zu fassen. Diese waren am deutlichsten<br />
in der Mitte <strong>Berlin</strong>s zu spüren.<br />
Neben der sogenannten »neuen Mitte«<br />
fotografierte Rubbert auch die traditionsreiche<br />
Trabrennbahn Karlshorst. Hier<br />
traf er vorwiegend auf ältere Herren aus<br />
der näheren Umgebung, die schon zu<br />
DDR-Zeiten zu den Renntagen kamen,<br />
© Jörg Rubbert<br />
um für einen geringen Einsatz zu wetten.<br />
Es hat etwas von einem Ritual: Der Wetteinsatz<br />
als eine Art Eintrittskarte in diese<br />
für Außenstehende verschlossene und<br />
schwer zugängliche Welt …<br />
Die Eindrücke aus dieser Zeit prägten<br />
Rubbert’s fotografische Ausrichtung<br />
maßgeblich. So fokussiert er sich seither<br />
auf das Genre der klassischen Straßenfotografie<br />
und stellt den Menschen<br />
in seinem soziokulturellen Umfeld in<br />
den Mittelpunkt seiner Arbeiten.<br />
Vernissage: 4. November 2011,<br />
20 Uhr<br />
brennpunkt 4/2011<br />
Galerien<br />
5. November bis 27. November 2011<br />
aff Galerie<br />
Kochhannstraße 14<br />
10249 <strong>Berlin</strong>-Friedrichshin<br />
Sa + So 14 – 17 Uhr<br />
www.aff-berlin.com<br />
37
Galerien<br />
Efraim Habermann<br />
«<strong>Berlin</strong>er Stilleben«<br />
Efraim Habermann, der mit seiner Familie<br />
dem nationalsozialistischen Terror<br />
nur knapp entkam, hat sich <strong>Berlin</strong> in<br />
den Jahren nach seiner Rückkehr mit<br />
der Kamera »zurückerobert«. Dabei war<br />
sein Blick auf die Stadt und ihre Menschen<br />
weder von Ressentiments noch<br />
von Sentimentalität geprägt. Ihn interessierte<br />
nicht das dokumentarische<br />
Abbild, sondern die ästhetische Komposition<br />
im Zusammenspiel von Stadt und<br />
Mensch. So entstanden Fotografien von<br />
großer formaler Strenge, Zurückhaltung<br />
und Stille. In seiner Arbeit gibt es keinen<br />
Zufall, alles ist arrangiert, zusammengehalten<br />
von einer durchdringenden<br />
Poesie. Kurz vor seinem 80. Geburtstag<br />
zieht ein Grandseigneur der <strong>Berlin</strong>er<br />
Fotografie die Bilanz seines Schaffens.Drei<br />
große Themen bestimmen<br />
Efraim Habermanns Werk. Da ist zum<br />
einen das Porträt, bei dem die Serie<br />
»Frau im Bild« eine besondere Stellung<br />
einnimmt. Über viele Jahre hat<br />
er <strong>Berlin</strong>er Museen besucht und dort<br />
zufällig getroffene Besucherinnen vor<br />
den Bildern alter Meister fotografiert.<br />
Dabei interessiert Habermann nicht<br />
das reine Porträt, die bloße Abbildung<br />
der Person, sondern immer das Zusammenspiel<br />
von Mensch und Hintergrund,<br />
hier dem gemalten Bild. Zum anderen<br />
greift Efraim Habermann mit seinen<br />
fotografischen Stillleben oder »Fensterbildern«<br />
eine Jahrhunderte alte Gattung<br />
der Malerei auf. Wenige Gegenstände,<br />
etwa eine frische Rose in einem verbeulten<br />
Blechtopf vor einer verwitterten<br />
Wand, genügen ihm, um eine meditative<br />
und zugleich poetische Stimmung<br />
zu erzeugen, die durch die vielen Graustufen<br />
seiner Schwarzweiss-Fotografie<br />
und die hohe Körnigkeit des benutzten<br />
Filmmaterials noch verstärkt wird. »Ich<br />
bin ein Realromantiker. Die Welt hat<br />
so viele Dinge überall, man muss sie<br />
nur phantasievoll sehen können«, sagt<br />
Efraim Habermann.In der Fotografie von<br />
Städten, insbesondere von <strong>Berlin</strong> und<br />
Venedig, entfaltet Efraim Habermann<br />
seine Meisterschaft. <strong>Berlin</strong> bezeichnet<br />
er als seine »optische Heimat«.<br />
38 brennpunkt 4/2011<br />
© Efraim Habermann, »Bauhaus-Archiv«, 1985<br />
Bereits seine frühen <strong>Berlin</strong>er Ansichten<br />
zeigen das für Efraim Habermann<br />
Wesentliche. Er will mit seiner<br />
Fotografie nicht dokumentieren oder<br />
gar Bezüge herstellen zum aktuellen<br />
Geschehen, auch meidet er meistens<br />
die architektonischen Ikonen <strong>Berlin</strong>s<br />
wie das Brandenburger Tor, den<br />
Funkturm, die Gedächtniskirche oder<br />
den Reichstag. Er sucht seine Motive<br />
eher abseits und wählt Perspektive<br />
und Ausschnitt so, dass der Betrachter<br />
den genauen Standort des Fotografen<br />
nur vermuten kann. Und so entdeckt<br />
Efraim Habermann eher das Phänotypische<br />
einer Stadt, also Elemente, die<br />
nicht nur für diese eine, sondern für<br />
Stadtlandschaft im Allgemeinen stehen.<br />
Das hat ihm sogar den Vorwurf eingebracht,<br />
seine Fotografien könnten<br />
»überall aufgenommen worden sein«.<br />
Aber: ist nicht der künstlerische Ausdruck<br />
einer Fotografie dann am intensivsten,<br />
wenn sie im Gegenstand das<br />
ihm eigene Wesen, sein individuelles<br />
Gesicht erfasst? Letzteres gelingt Efraim<br />
Habermann, wenn er den Schatten einer<br />
Wäschestange, gekreuzt auf eine Brandmauer<br />
projiziert, mittels Helldunkel-<br />
Wirkungen ablichtet und so ein symbolhaftes<br />
Bild für eine <strong>Berlin</strong>er Lebenssituation<br />
findet. »Er gelangt«, wie Prof. Dr.<br />
Ulrich Eckhardt im Katalog zu Habermanns<br />
fünfundsechszigsten Geburts-<br />
tag schreibt »vom Abbild zum Sinnbild«.<br />
Anlässlich der Buchveröffentlichung<br />
zeigt die Kommunale Galerie<br />
<strong>Berlin</strong> vom 9. Oktober bis zum 4.<br />
Dezember 2011 alle im Buch abgebildeten<br />
Fotografien Efraim Habermanns.<br />
Manfred Carpentier<br />
Efraim Habermann: »<strong>Berlin</strong>er Stilleben«<br />
Fotografien 1975–2000<br />
Herausgegeben von Manfred Carpentier<br />
und Mathias Bertram<br />
Lehmstedt Verlag, Leipzig 2011,<br />
136 Seiten mit 66 ganzseitigen<br />
Duotone-Abbildungen<br />
24 x 21 cm, Festeinband,<br />
Schutzumschlag, Fadenheftung<br />
ISBN 978-3-942473-13-2<br />
24,90 Euro (D), 25,90 Euro (A), 43,90 sFr<br />
9. Oktober bis 4. Dezember 2011<br />
Kommunale Galerie <strong>Berlin</strong><br />
Hohenzollerndamm 176<br />
10713 <strong>Berlin</strong>-Wilmersdorf<br />
Di–Fr 10 – 17 Uhr<br />
Mi 10 – 19 Uhr<br />
So 11 – 17 Uhr<br />
Eintritt frei
© Efraim Habermann, »Neue Nationalgalerie«<br />
© Efraim Habermann, »Ziegelwand am Joachimsthalschen Gymnasium (Universität der Künste)«, 1988<br />
brennpunkt 4/2011<br />
Galerien<br />
39
Galeriebericht<br />
Von Mauern und<br />
Menschen.<br />
Über den Bau der Mauer vor 50 Jahren<br />
ist in den letzten Wochen viel berichtet<br />
worden. Klar, dass die Fotografie<br />
das herausragende Medium ist, um die<br />
gewaltsame Teilung Deutschlands im<br />
kollektiven Gedächtnis zu bewahren.<br />
Film und Fernsehen sind zu flüchtig. Es<br />
ist der dramatische Moment, im Foto<br />
festgehalten, der sich einprägt.<br />
© Norbert Bunge, »Mauer«, 1962<br />
Im Vorfeld des Gedenktages versammelte<br />
Norbert Bunge in seiner Galerie<br />
argus fotokunst die Zeugnisse von<br />
12 Fotografen, die ihm nahestehen, mit<br />
eigener Beteiligung. Hans W. Mende<br />
zeigte bei Aedes am Pfefferberg sein<br />
»Grenzarchiv West-<strong>Berlin</strong>« vom Winter<br />
1978/79, weite leere Räume einer fast<br />
ausgestorbenen Stadtlandschaft (im<br />
Druck erschienen bei Peperoni Books<br />
2010). Ein unermüdlicher Chronist über<br />
2 Jahrzehnte war Karl-Ludwig Lange.<br />
Seine „Topographie der <strong>Berlin</strong>er Mauer“<br />
war zuletzt im Elisabeth-Lüders-Haus<br />
des Deutschen Bundestags zu sehen.<br />
Thomas Hoepker und viele andere<br />
fingen Alltagsleben und Kinderspiel im<br />
Schatten des »Bollwerks für den Frieden«<br />
ein.<br />
40 brennpunkt 4/2011<br />
Nur wenige Bilder gibt es von der anderen,<br />
der östlichen Seite der Grenzanlagen,<br />
wegen des breiten Sperrgürtels.<br />
Für Kleinmachnow hat Georg Heinze<br />
die Zeit im Hinterland dokumentiert,<br />
»beschützt und eingesperrt«, zu sehen<br />
im dortigen Rathaus. Aus der »Exklave«<br />
Kleinglienicke sind bis Oktober im<br />
Schloss Glienicke spannende Bilder zu<br />
entdecken, die vor allem von den DDR-<br />
Genzern stammen. Auch bis Oktober:<br />
Unter den Linden 40 eine aufwendige<br />
Schau mit 300 Panoramen in tristem<br />
Grau, unter dem Titel »Aus anderer<br />
Sicht«, von Arwed Messmer geschickt<br />
zusammengefügt aus der fotografischen<br />
Bestandsaufnahme der DDR-Grenzsoldaten<br />
von 1965/66. Messmer hatte das<br />
einst streng geheime Material in den<br />
Neunzigern in einem Militärarchiv entdeckt.<br />
Aus den Protokollen der Grenzbehörden<br />
hat Annett Gröschner den<br />
Bildern Textfragmente zugeordnet, die<br />
gerade in ihrer Banalität bezeichnend<br />
sind für den Alltag an der Mauer.<br />
Für die Besucher West-<strong>Berlin</strong>s war ja<br />
»The Wall« eine touristische Attraktion,<br />
die der Stadt auch den Spitznamen<br />
»Spray-Athen« eingebracht hat. Ähnlich<br />
locker geht die <strong>Berlin</strong>er Fotografin Ruth<br />
Westerwelle mit dem Thema um.<br />
Sie reimt in der Fotogalerie Friedrichshain<br />
fröhlich: »Nicht von Dauer war die<br />
Mauer«. Immerhin hat die Deutschland<br />
28 Jahre lang zerrissen, und die Folgen<br />
machen uns bis heute zu schaffen.<br />
Westerwelle hat ihre schwarzweißen<br />
Ansichten meist paarweise auf große<br />
Bögen drucken lassen, technisch unbefriedigend,<br />
und hat auch mal Ansichten<br />
vom selben Standpunkt gegenübergestellt,<br />
mit zeitlichem Abstand. In ihrem<br />
»<strong>Berlin</strong>er Fotosalon« gibt sie ihre Erfahrungen<br />
weiter.<br />
© Günter Bersch, »Kasernengelände Hillersleben«,<br />
Sachsen-Anhalt, 1992<br />
Der Freundeskreis Willy-Brandt-Haus<br />
nimmt das Gedenken an den Mauerbau<br />
zum Anlass, die meist grell farbigen<br />
kraftvollen Ölbilder von Johannes<br />
Heisig unter dem Titel »Übergänge« zu<br />
vereinen mit Fotos von Günter Bersch,<br />
der Heisig in seinem bunten Atelier<br />
etwas snobistisch in müden Grautönen<br />
abgelichtet hat (»Johannespassion«).<br />
Eindringlicher ist Berschs Fotoreportage<br />
vom Abzug der Russen aus ihren Kasernen<br />
um 1992. Die ernsten Gesichter<br />
der jungen Männer und Frauen erzählen<br />
von leiser Trauer und großer Skepsis,<br />
was ihre Zukunft in der Heimat betrifft.<br />
Die Ausstellung läuft noch bis zum 16.<br />
Oktober (Ausweis erforderlich).<br />
c/o <strong>Berlin</strong>, noch im Postfuhramt, ließ<br />
uns nach so viel Mauer über deren Rand<br />
gucken, bis nach Amerika, mit den spektakulären<br />
Inszenierungen von Gregory<br />
Crewdson: »In a Lonely Place«. Diese<br />
großformatigen Tableaus sprengen die<br />
Vorstellung von Fotografie. Es sind eher<br />
fiktive Film-Sets, aus der amerikanischen<br />
Provinz, hyperrealistische und<br />
damit albtraumhaft unheimliche Szenerien,<br />
die jeweils mit einem Staff von<br />
30 Mitarbeitern in tagelanger Arbeit kreiert<br />
wurden. Vor allem mit dem Licht<br />
zaubern Crewdson und seine Mannen<br />
die Atmosphäre, überall im Areal sind<br />
seine Quellen verborgen und penibel<br />
ausgerichtet. Crewdson sagt: »I want to<br />
construct a perfect world« und gesteht,<br />
dass die aus dem Chaos seines Lebens<br />
kommt, aus der neurotischen Energie,<br />
die ihn antreibt. Er erforscht und realisiert<br />
die Spannung zwischen Fiktion und<br />
scheinbarer Wirklichkeit, mit der wir ja<br />
heute alle konfrontiert sind im Medienzeitalter,<br />
mit Cyberspace und Second<br />
World. Die Menschen sind wie Spielfiguren<br />
aufgestellt und doch auf gespenstische<br />
Weise lebendig und handlungsfähig.<br />
Crewdson verheimlicht gern neugierigen<br />
Reportern seine Aufnahmetechnik.<br />
Sie ist analog, mit einer Großformatkamera,<br />
weil er nur eine technisch<br />
relativ unbestechliche Methode<br />
für geeignet hält, traumatische Abläufe<br />
glaubwürdig darzustellen.<br />
Es gab weitere Bildmeldungen aus den<br />
Staaten, so von Werner Amann (Jahrgang<br />
69) in der Robert-Morat-Galerie. Er<br />
behauptet in oft schrecklichen Farben<br />
eine romantische Wahrnehmung, die<br />
man ihm nicht abnehmen will.
© Greg Bannan<br />
In den intensiven Porträts ist er nachsichtiger.<br />
Das schöne Kellergewölbe der Galerie<br />
imago fotokunst ist mit schon oft gesehenen<br />
Ansichten von Kinos und Motels<br />
aus LA in Schwarzweiß behängt, die<br />
Greg Bannan »Somewhere in Hollywood«<br />
nennt. Auch hier sagen die Porträts<br />
von jungen Leuten viel mehr aus,<br />
wenn sie auch ein bisschen willkürlich<br />
angeschnitten sind. Aber Greg Bannan<br />
hatte eine pfiffige Idee: Mit einer Videokamera<br />
vor dem Bauch ist er in Echtzeit<br />
den Hollywood-Boulevard langgeradelt,<br />
auf dem Bürgersteig und um die<br />
wenigen Fußgänger herum. Als Galeriebesucher<br />
sitzt man selbst auf seinem<br />
Drahtesel, den Lenker scheinbar in<br />
den Händen, und gondelt in Richtung<br />
Traumfabrik, ohne dass man nur eines<br />
der Versprechen aus der Fantasie zum<br />
Thema Hollywood eingelöst findet. Das<br />
hat was.<br />
Solche Mätzchen leistet sich ein gestandener<br />
Meister wie Arnold Crane bei<br />
Camera Work natürlich nicht. Er ist<br />
gerade 75 geworden und hat im vorigen<br />
Jahrhundert berühmte Kollegen<br />
besucht, um sie hinter ihrer Kamera weg<br />
und vor die seine zu locken. Das ist ja<br />
eine beliebte Methode, selbst von deren<br />
Ruhm etwas abzustauben. Da sieht man<br />
Ansel Adams mit schwerem Gerät durchs<br />
Geröll stapfen und Edward Steichen mit<br />
Rauschebart unter seiner Fellmütze hervorlugen<br />
(beide 1969). Man Ray bohrt<br />
sich 1974 in der Nase und Paul Strand<br />
steuert sein Auto 1968 durch Verneuil-<br />
© Arnold Crane, »Brassaï«, 1968-1970<br />
sur-Seine. So hat das Crane noch mit<br />
vielen Fotopromis gemacht, und seine<br />
Sammlung hat nun einen schier unermesslichen<br />
historischen Wert. Der fotografische<br />
fällt dagegen deutlich ab.<br />
Das liegt auch daran, dass sich mit nunmehr<br />
170 Jahren Fotografiegeschichte<br />
parallel zur Technik die Ansprüche<br />
an ein wirklich aussagekräftiges Bild<br />
gewandelt haben. Wäre schlimm, wenn<br />
es nicht so wäre. Es muss was rüberkommen.<br />
Viele Ikonen der Vergangenheit<br />
erfüllen diese Forderung.<br />
Deshalb ist die Wiederbegegnung mit<br />
ihnen oft eine Offenbarung. Bei Camera<br />
Work sind Cranes Porträts einige Meisterwerke<br />
zugeordnet, so Man Rays<br />
Rückenakt mit Violinschlüsseln von<br />
1924 und Kertész’ berühmte »Gabel«<br />
von 1928. Die klare Formensprache<br />
war damals wegweisend, heute ist sie<br />
Geschichte. Mehr von André Kertész,<br />
1894 in Budapest geboren, führte uns<br />
der Gropiusbau bis September vor. Er<br />
gilt bis heute als der große Anreger, hat<br />
viel experimentiert und originelle Werke<br />
geschaffen. Aber wenn man beim Rundgang<br />
unter der Anleitung des versierten<br />
Fotohistorikers Enno Kaufhold angehalten<br />
wird, die zum Teil winzigen Originale<br />
mit der Lupe zu betrachten, fällt<br />
es schwer, ihnen einen aktuellen Kunsthandelswert<br />
von 50.000.- Euro� zuzugestehen.<br />
Beim Vergleich mit dem Origi-<br />
Galeriebericht<br />
nal wird deutlich, wie unsicher sich Kertész<br />
oft in der Wahl des Bildausschnitts<br />
war. Er hat ihn meist beim Vergrößern<br />
stark verändert oder gekontert. Seine<br />
Aktaufnahmen im Zerrspiegel sind so<br />
wenig ästhetisch, dass man gar nicht<br />
hingucken mag.<br />
Das Bauhaus-Archiv stellte uns zeitgleich<br />
Albert Renger-Patzsch (Jahrgang<br />
1897) vor. Der hat das Faguswerk, eine<br />
Schuhfabrik, in den Zwanzigern und<br />
noch einmal nach 1960 sauber nach<br />
Scheimpflug ausgerichtet und wie ein<br />
Industriedenkmal abgelichtet. Hier<br />
fehlt das Leben. Wo sind die Arbeiter<br />
am Fließband? Das wollen wir heute<br />
sehen. Es hätte sicher auch damals nicht<br />
geschadet. Renger-Patzsch war ein entschiedener<br />
Gegner der sogenannten<br />
Kunstfotografie. Mit seiner nüchternen<br />
Sachlichkeit lag er klar auf der Bauhauslinie.<br />
Seinem 1928 erschienenen<br />
Hauptwerk gab er den Titel »Die Welt ist<br />
schön«. Übrigens: In Schöneberg gibt es<br />
ein angesagtes Szenelokal mit Namen<br />
Renger-Patzsch. Die Werbung liegt im<br />
Bauhaus aus.<br />
© Sasha Stone, (1895-1940), Cami Stone (1895-<br />
1972), <strong>Berlin</strong> 1926<br />
Auch Norbert Bunge bietet uns bei argus<br />
bis 29. Oktober Historisches, mit dem<br />
1895 in St. Petersburg geborenen Alexander<br />
Serge Steinsapir alias Sasha<br />
Stone.<br />
Von ihm sind nur wenige Originale<br />
erhalten, darunter raffinierte Montagen,<br />
auch als Selbstporträt. Er hat journalistisch<br />
gearbeitet und in der Gruppe<br />
brennpunkt 4/2011<br />
41
Galeriebericht<br />
G handwerkliches Können wie Renger-<br />
Patzsch über das Künstlerische gestellt,<br />
das er als »Bemäntelung von Unfähigkeit«<br />
bezeichnete. Seine Stadtlandschaften<br />
aus <strong>Berlin</strong> weisen ihn als klugen<br />
Beobachter aus, die großformatig aufgenommenen<br />
Bilder bieten reiche Details,<br />
die zu entdecken sind. 1928 fragte er<br />
im »Kunstblatt«: Kann man heute noch<br />
fotografieren? Er hielt das Medium<br />
schon damals für ausgeschöpft, hat ihm<br />
selbst auch nicht alles entlockt, was es<br />
ihm hätte geben können. Dennoch war<br />
er in der großen Werkbund-Ausstellung<br />
»Film und Foto 1929« neben Steichen,<br />
Man Ray und Moholy-Nagy mit<br />
68 Arbeiten vertreten.<br />
Helmut Newton, Focus Magazine, Milan 1997,<br />
Polaroid © Helmut Newton Estate<br />
Wiederentdeckt wird derzeit die von der<br />
digitalen Technik verdrängte Sofortbildfotografie.<br />
Noch bis 20. November zeigt<br />
Matthias Harder in der Jebensstraße<br />
Helmut Newtons Polaroids, dankenswerterweise<br />
schön groß reproduziert.<br />
Das provisorische Element dieser Probeshoots<br />
kommt dennoch zur Geltung,<br />
die typischen Falschfarben sind erhalten.<br />
Und sie belegen auf reizvolle Weise,<br />
wie nüchtern und zielstrebig der Meister<br />
der Erotik gearbeitet hat, bei aller Spontaneität.<br />
Eine Kostbarkeit sind die Polaroids von<br />
Sibylle Bergemann, als Originale ausgestellt<br />
bei c/o <strong>Berlin</strong> im Juli und August,<br />
bei Johanna Breede in der Fasanenstraße<br />
noch bis 15. Oktober. Was da auf<br />
9 x 9 cm rüberkommt an Emotion ist<br />
schier unglaublich. Die Fotografin hat<br />
42 brennpunkt 4/2011<br />
gern behauptet, sie interessiere sich für<br />
den Rand der Welt, nicht die Mitte, aber<br />
diesen Rand hat sie in der Mitte getroffen.<br />
Die zarten Porträts von Kindern und<br />
Frauen haben eine irritierende, zauberhafte<br />
Ausstrahlung.<br />
Ende vorigen Jahres ist Sibylle Bergemann<br />
ihrem Krebsleiden erlegen.<br />
© Arno Fischer, (Original in Farbe)<br />
Ihr einstiger Lehrer an der Leipziger<br />
HGB und langjähriger Partner, Arno<br />
Fischer, hat erst in reiferen Jahren in<br />
seinem Garten poetische Motive gefunden<br />
für die Polaroid-Kamera. Sie fügen<br />
sich weniger harmonisch ein in sein<br />
fotografisches Lebenswerk als bei Bergemann.<br />
Das fiel vor allem in seiner<br />
großen Retrospektive in der <strong>Berlin</strong>ischen<br />
Galerie auf. Im intimen Rahmen<br />
von »Exp12« in Prenzelberg machen<br />
sie sich gut, zusammen mit denen<br />
seiner Schüler Nicole Woischwil und<br />
vor allem Ole Fischer, der für das neuerdings<br />
wieder verfügbare Material<br />
schöne morbide Motive im Dortmunder<br />
Zechengelände gefunden hat.<br />
Manchmal findet man unvermutet fotografische<br />
Perlen in <strong>Berlin</strong>. So ging es mir,<br />
als ich an einem der zwei heißen Augusttage<br />
am Nollendorfplatz einen kühlen<br />
Drink nehmen wollte im »Café Berio«.<br />
Die »Nolle« ist traditionell ein Pflaster<br />
für Schwule und Lesben, durch die ich<br />
mir den Weg bahnte zu den klaren, zum<br />
Teil bizarren, dabei sehr ästhetischen<br />
Porträts und Halbakten von Alexander<br />
Platz. Das strenge Schwarzweiß wirkt<br />
in dem bunten Treiben des vollbesetzten<br />
Cafés fast wie eine Mahnung zu stil-<br />
ler Einkehr. Der Autor hat die Ausstellung<br />
Sonia Mossé gewidmet, Gründerin<br />
des lesbischen Kabaretts »Le Capricorne«<br />
in Paris, die 1943 von den Nazis<br />
ermordet wurde.<br />
Auch in <strong>Berlin</strong>er Hotels lassen sich<br />
Entdeckungen machen, nicht nur im<br />
längst als »Photoplatz« ausgewiesenen<br />
»Bogotá« in der Schlüterstraße.<br />
Hier war es Nomi Baumgartls wunderlicher<br />
»Elefantenmann«, die Geschichte<br />
einer Freundschaft zwischen Rauschebart<br />
Chris Gallucci und dem Elefanten<br />
Timbo. Im zweiten Raum tummelten<br />
sich springende Delphine.<br />
Im Ibishotel <strong>Berlin</strong> Airport Tegel zeigt<br />
der <strong>Berlin</strong>er Fotograf Peet East unter<br />
dem Titel »Inside Earth« bis 30. Oktober<br />
seine edlen Strukturstudien wertvoller<br />
Steine, sehr schön aufgenommen und<br />
präsentiert als malerische Zeugnisse<br />
von Jahrmillionen der Erdgeschichte.<br />
Im Zyklus der »Brotfabrik« am Caligariplatz<br />
mit dem Titel »Zeitblicke« geht es<br />
um die jüngere Geschichte, in der DDR<br />
und in den Jahren danach. Auf Peter<br />
Woelck folgte in diesem Rahmen 2010<br />
Ulrich Burchert, den wir in diesem Heft<br />
vorstellen. Mit Andreas Fahr begegnen<br />
wir nun in der kleinen Galerie bis<br />
16. Oktober einem weiteren sensiblen<br />
Chronisten, der seine Mitmenschen in<br />
eindringlichen Schwarzweißbildern<br />
darstellt, mit viel Sinn für eine packende<br />
Bildkomposition.<br />
Die von Renger-Patzsch und Stone<br />
einst geschmähte »Kunstfotografie« war<br />
heuer kaum zu finden, außer als Extrem<br />
in der Kreuzberger Neuen Gesellschaft<br />
für Bildende Kunst (NGBK), wo uns<br />
Beate Geissler und Oliver Sann mit<br />
einer Reihe von riesigen schwarzen<br />
Monitoren, auf denen nichts als schwarzes<br />
Nichts zu sehen ist, weismachen<br />
wollen, dass sie damit das Geschehen<br />
an den großen Finanzmärkten sublimieren<br />
könnten. Der blumige Titel »volatile<br />
smile - Ein uneinschätzbares Lächeln«<br />
hilft uns nicht weiter. Eher Thomas<br />
Mann, der sich mal fragte, ob nicht das<br />
Nichts die reinste Form der Vollkommenheit<br />
sei.<br />
Klaus Rabien<br />
Nach Redaktionsschluss erreichte uns<br />
die Nachricht, dass Arno Fischer am<br />
13. September 2011 mit 84 Jahren verstorben<br />
ist.
Frankfurt – New York<br />
von Torsten Andreas<br />
Hoffmann<br />
Frankfurt, so sagt man, ist die<br />
amerikanischste Stadt Europas, auch<br />
Mainhattan genannt. Und New York gilt<br />
als die europäischste Stadt Amerikas.<br />
Kein Wunder, dass ein begnadeter<br />
Fotograf wie Torsten Andreas Hoffmann<br />
auf die Idee kommt, die beiden<br />
Metropolen in einem Bildband einander<br />
gegenüberzustellen. Er tut das auf<br />
jeweils zwei Buchseiten in exzellentem<br />
Schwarzweiß. Natürlich sind es zuerst<br />
die »skyscraper«, die sich ähneln und<br />
die wunderbarerweise an denselben<br />
Wolken zu kratzen scheinen, hier wie<br />
dort. Hoffmanns Liebe gehört dem<br />
Detail. Da führt die Wall Street auf dem<br />
Straßenschild als »One Way« nach links<br />
und vis.à-vis die Frankfurter Wallstraße<br />
als Einbahnstraße nach rechts. Listig hat<br />
der Autor die erstaunlichsten Parallelen<br />
aufgespürt. Er nennt es eine spielerische<br />
Auseinandersetzung mit den beiden<br />
Städten, ohne sie auf den gleichen<br />
Rang zu setzen. »Den haben sie einfach<br />
nicht«, sagt er. Aber seine Fotos, die<br />
haben ihn! Jede Doppelseite ist ein<br />
ästhetischer Genuss. Die Neuauflage<br />
2011 ist gegenüber der ersten von 2007<br />
um reizvolle Motive erweitert, so um<br />
anrührende Menschenbilder an Main<br />
und East River.<br />
Hoffmann hat bis 1983 bei Michael Ruetz<br />
in Düsseldorf studiert und sich seither<br />
einen Namen gemacht, auch als Dozent.<br />
Wir stellen Ihre<br />
künstlerischen<br />
Aktfotos aus!<br />
Sie sind in einem Fotoverein und haben<br />
viele Aktfotos gemacht? Sie zeigen Sie<br />
im Internet, aber nun möchten Sie die<br />
Bilder einmal persönlich in einer Galerie<br />
vorstellen?<br />
Wir geben Ihnen die Möglichkeit, in der<br />
Aktgalerie Ihre Kunstwerke einen Monat<br />
Cover<br />
Ein Standardwerk ist sein »Workshop<br />
kreative Schwarzweißfotografie«, das<br />
gerade im digitalen Zeitalter eine solide<br />
Grundlage für die fotografische Arbeit ist,<br />
weil die Bildgestaltung im Vordergrund<br />
steht. In »Frankfurt – New York« ist sie<br />
zur Meisterschaft gereift.<br />
lang gegen einen Unkostenbeitrag<br />
auszustellen. Ohne Zensur, ohne das<br />
die Galerie an den Bildern verdient. Wir<br />
übernehmen die Presseinformationen<br />
und die Aufsichten an 3 Nachmittagen<br />
je Woche für Sie.<br />
Wir sind eine Gemeinschaft von<br />
Fotografen, die die Galerie unterhalten.<br />
Wir haben in den letzten 10 Jahren<br />
bereits viele unserer Mitglieder<br />
in Einzelausstellungen oder in<br />
Gruppenausstellungen gezeigt, auch<br />
viele Nichtmitglieder haben bei<br />
uns ausgestellt. Wir streben danach,<br />
Frankfurt – New York<br />
Fotografische Perspektiven<br />
zweier Metropolen<br />
Societäts-Verlag 2011<br />
144 Seiten, 24,90 Euro�<br />
ISBN: 978-3-942921-03-9<br />
Buchbesprechung<br />
möglichst viele unterschiedliche<br />
Sichtweisen des Themas Akt in unserer<br />
Galerie zu präsentieren. Wenn Sie<br />
Interesse haben, melden Sie sich bei uns,<br />
am besten bald, damit wir Sie rechtzeitig<br />
in unsere Ausstellungsplanung<br />
einbeziehen können.<br />
Die Aktgalerie<br />
www.die-aktgalerie.de<br />
Krossener Straße 34<br />
10245 <strong>Berlin</strong> - Friedrichshain<br />
Fr, Sa, So 16 – 20 Uhr<br />
Tel. 030 6263249 oder 29003936<br />
brennpunkt 4/2011<br />
43
Fotoszene<br />
Sofortbilder<br />
Ursula Kelm<br />
Polaroids sind einzigartig, einmalig.<br />
Das Besondere an Polaroids ist, dass sie<br />
immer Unikate sind.<br />
Als Einzelbilder entstanden, existieren<br />
sie nebeneinander. Aneinandergereiht<br />
ergeben sich neue Abfolgen, die<br />
Raum schaffen für assoziativ aufgeladene,<br />
eigene Erinnerungen.<br />
Abhängig vom Material, das man für<br />
das Sofortbild wählt, verändert sich die<br />
malerische Anmutung des Bildes: Die<br />
spezielle Farbgebung, der weiße Bildrahmen<br />
der Integralfilme, Sofort-Diafilm<br />
s/w oder Farbe sowie die klassischen<br />
Trennbildfilme mit der Möglichkeit<br />
zu Emulsion-Lift und Image-Transfer,<br />
erlauben den kreativen Einsatz der<br />
Materialien auf speziellen Papieren und<br />
Untergründen.<br />
© Ursula Kelm, »negativo«, 1997<br />
© Ursula Kelm, »chi-ka-gu«, 1998 (O.i.F.)<br />
44 brennpunkt 4/2011<br />
© Ursula Kelm, »nightlife«, 2010-11 (O.i.F.) © Ursula Kelm, »chi-ka-gu«, 1998 (O.i.F.)<br />
Ursula Kelm, 1942 in <strong>Berlin</strong> geboren,<br />
Studium der Fotografie an der Werkstatt<br />
für Photographie in <strong>Berlin</strong>. Seit<br />
1985 Lehraufträge, Vorlesungen, Studienreisen,<br />
Workshops in <strong>Berlin</strong> und im<br />
internationalen Ausland. Ausstellungen<br />
europaweit einschließlich UdSSR sowie<br />
USA und Australien.<br />
Diverse Stipendien, u.a. Arbeitsstipendium<br />
der Stadt und des Landes <strong>Berlin</strong>,<br />
Senat für Kultur; drei Stipendien Progetto<br />
Civitella d‘Agliano/I; Kunstpreis<br />
des Bundesministers der Justiz; Aufenthaltsstipendium<br />
der Akademie der<br />
Künste <strong>Berlin</strong> für Villa Serpentara, Olevano/I;<br />
Aufenthaltsstipendium Noosa<br />
Projekt, Noosa/Qld., Australien.<br />
Vertreten in Öffentlichen Sammlungen,<br />
u.a. <strong>Berlin</strong>ische Galerie; Deutsches Historisches<br />
Museum <strong>Berlin</strong>; Bibliotheque<br />
Nationale, Paris; Museum für Photographie<br />
Braunschweig;<br />
Museum of Contemporay Art, Thessaloniki;<br />
Staatliche Galerie Moritzburg<br />
Halle; AMO Associazione Amici Museo<br />
Olevano Romano.<br />
www.ursula-kelm.de<br />
© Ursula Kelm, »nightlife«, 2010-11 (O.i.F.)<br />
© Ursula Kelm, »negativo«, 1997<br />
Ursula Kelm<br />
Polaroid Photography<br />
Vernissage:<br />
November 4th, 2011 - 6.30 p.m.<br />
Ursula Kelm will be present<br />
Exhibition:<br />
November 5th - November 22nd, 2011<br />
A catalogue is available<br />
Deutsches Haus,<br />
42 Washington Mews, NY 10003
»10 Jahre Autocenter«<br />
Auktion zugunsten<br />
des AUTOCENTERS<br />
Der Ausstellungsraum AUTOCENTER<br />
wurde im Jahr 2001 von den Künstlern<br />
Maik Schierloh und Joep van Liefland<br />
in einer ehemaligen Autolackiererei<br />
gegründet. Es ist ein non-for-profit Ort<br />
der Kunst, der jenseits der Hierarchien<br />
des Kunstmarkts operiert und internationale<br />
bildene Künstler ausstellt, bevor<br />
sie Kunstgeschichte schreiben. Auf insgesamt<br />
333 m² im <strong>Berlin</strong>er Bezirk Friedrichshain<br />
werden Ideen und Visionen<br />
einem avancierten Kunstpublikum -von<br />
Kuratoren, Kritikern, Sammlern bis hin<br />
zu Architekten, Fotografen und Galeristen<br />
vorgestellt.<br />
Zum 10-jährigen Jubiläum wurde das<br />
AUTOCENTER von 34 namenhaften<br />
<strong>Berlin</strong>er Künstlern unterstützt, die je ein<br />
Kunstwerk stifteten, um mit dem Erlös<br />
den Erhalt einer der wichtigsten nonprofit-Institutionen<br />
der Stadt zu sichern.<br />
Die Auktion fand am 8. September unter<br />
der Leitung des Londoner Auktionshauses<br />
Phillips de Pury & Company statt.<br />
Die folgenden Künstler waren an der<br />
Auktion beteiligt:<br />
Aids-3D, Olivia Berckemeyer, Marc Bijl,<br />
Ronald de Bloeme, Mike Bouchet, Lutz<br />
Braun, Aaron Curry, Martin Dammann,<br />
Tatjana Doll, Iris van Dongen, Zhivago<br />
Duncan, Martin Eder, Olafur Eliasson,<br />
Thomas Eller, Armen Eloyan, Cyprien<br />
Gaillard, Katharina Grosse, Eberhard<br />
Havekost, Thilo Heinzmann, Gregor<br />
Hildebrandt, Andy Hope 1930, Olaf<br />
Holzapfel, Christian Jankowski, Josh<br />
Kolbo, Elke Krystufek, Joep van Liefland,<br />
Robert Lucander, Jonathan Meese,<br />
Isa Melsheimer, Frank Nitsche, Kirstine<br />
Roepstorff, Thomas Scheibitz, Maik<br />
Schierloh, Jannis Varelas, Jorinde Voigt<br />
und Thomas Zipp<br />
Es wurde ein Gesamterlös von 86.050<br />
Euro erzielt.<br />
Martin Eder, Les Nus‚ # 8995, 2008<br />
Fotografie, 43,6 x 29,5cm, Auflage 14/35, Courtesy Galerie EIGEN + ART, Leipzig/<strong>Berlin</strong><br />
Fotoszene<br />
AUTOCENTER:<br />
Maik Schierloh und Joep van Liefland<br />
Eldenaer Strasse 34 a,<br />
10247 <strong>Berlin</strong><br />
via James-Hobrecht-Str., above the<br />
supermarket<br />
email: mail@autocenterart.de<br />
web: www.autocenterart.de<br />
brennpunkt 4/2011<br />
45
Fotoszene<br />
Ansel Adams<br />
Kalender für das Jahr<br />
2012<br />
Der Ansel-Adams-Kalender ist der<br />
Klassiker unter den Fotokalendern. Er<br />
erscheint seit 1983 Jahr für Jahr im gleichen,<br />
noch von Ansel Adams festgelegten<br />
Layout und bringt 13 Motive aus den<br />
überragenden Landschaftsfotografien<br />
des Meisters der klassischen Schwarzweißfotografie.<br />
Der Kalender überzeugt<br />
durch guten Druck, die großformatige<br />
Abbildung und natürlich durch die faszinierenden<br />
Fotografien:<br />
Ansel Adams: 2012 Calendar.<br />
Monatskalender mit 13 Duoton-Fotos<br />
(Januar 2012 bis Januar 2013), Kalenderformat<br />
39,5 x 32 cm, (aufgeklappt<br />
39,5 x 64 cm), Kalendarium englisch,<br />
Spiralbindung, 16,95 EUR.<br />
Neben dem Wandkalender erscheint<br />
für 2012 auch wieder ein Buchkalender,<br />
der gleich 53 Fotografien aus Ansel<br />
Adams‘ schier unerschöpflichen Oevre<br />
zeigt und dazu noch Raum für tägliche<br />
Notizen bietet:<br />
Ansel Adams: 2012 Engagement Calendar.<br />
Wochenkalender. 112 Seiten mit 53<br />
ganzseitigen Duoton-Fotos, Format 24<br />
x 21 cm, Kalendarium englisch, Spiralbindung,<br />
16,95 EUR.<br />
In Deutschland sind beide Kalender<br />
erhältlich bei:<br />
Lindemanns Buchhandlung<br />
Nadlerstraße 4, 70173 Stuttgart<br />
www.lindemanns.de<br />
Begeisterung für Natur und Landschaften<br />
und ein Höchstmaß an technischer<br />
Präzision bei der Umsetzung der Bildideen<br />
zeichnen Adams‘ Fotografien aus.<br />
Dank dieser Zutaten haben sie über<br />
Jahrzehnte hinweg nichts von ihrer Faszination<br />
verloren.<br />
46 brennpunkt 4/2011<br />
© Ansel Adams<br />
© Ansel Adams, »Half Dome«, 1938<br />
© Ansel Adams, »Sand Dunes sunrise«<br />
© Ansel Adams, »Winter Sunrise«
<strong>Berlin</strong>ische Galerie<br />
bis 31. Dezember 2011<br />
Raoul Hausmann , El Lissitzky , Marta<br />
Astfalck-Vietz , Erich Salomon , ...<br />
u.a.<br />
»Kunst in <strong>Berlin</strong> 1880-1980«<br />
Sammlungspräsentation<br />
Alte Jakobstraße 124-128<br />
10969 <strong>Berlin</strong>-Kreuzberg<br />
M – Mo 10–18 Uhr<br />
galerie:pixelgrain<br />
bis 4. November 2011<br />
Gunter Glücklich<br />
»In die Ebene«<br />
Rosenstraße 16/17<br />
10178 <strong>Berlin</strong>-Mitte<br />
Mo–Sa 10–19 Uhr<br />
So 14–19 Uhr<br />
Robert Morat Galerie<br />
bis 26. November 2011<br />
Paul Kranzler<br />
»Brut«<br />
Kleine Hamburger Straße 2<br />
10115 <strong>Berlin</strong>-Mitte<br />
Sa 12–18 Uhr<br />
Caritas Galerie<br />
bis 11. November 2011<br />
Gunar Schlegel<br />
»Handwerk mit Tradition«<br />
18. November 2011 bis 20. Januar 2012<br />
Oliver Staak<br />
»Street of <strong>Berlin</strong>«<br />
Modefotograie<br />
Residenzstraße 90<br />
13409 <strong>Berlin</strong>-Reinickendorf<br />
Mo–Do 8–17 Uhr<br />
Fr 8–16 Uhr<br />
Brotfabrik Galerie<br />
bis 16. Oktober 2011<br />
Andreas Fahr<br />
»Begegnungen/Fotografien aus vier Jahrzehnten«<br />
Caligariplatz<br />
13086 <strong>Berlin</strong>-Weissensee<br />
täglich 16–21 Uhr<br />
Galerie<br />
argus fotokunst<br />
bis 29. Oktober 2011<br />
SASHA und CAMI STONE<br />
»<strong>Berlin</strong> in Bilder«<br />
4. November - 23. Dezember 2011<br />
STEFANIE KETZSCHER<br />
»Umgehung und Sonnenwende«<br />
Fotografien 1972-1984<br />
Marienstraße 26<br />
10117 <strong>Berlin</strong>-Mitte<br />
Di–Sa 14–18 Uhr<br />
Deutsches<br />
Historisches Museum<br />
11. November 2011 bis 5. Februar 2012<br />
50 Jahre Jugendfotopreis<br />
Unter den Linden 2<br />
Hinter dem Zeughaus<br />
10117 <strong>Berlin</strong>-Mitte<br />
täglich 10–18 Uhr<br />
Martin Gropius Bau<br />
15. Oktober 2011 bis 18. März 2012<br />
Ai Weiwei<br />
»Ai Weiwei in New York«<br />
Fotografien 1983-1993<br />
Niederkirchnerstraße 7<br />
10963 <strong>Berlin</strong>-Kreuzberg<br />
täglich 10–20 Uhr<br />
Helmut Newton<br />
Stiftung<br />
bis 20. November 2011<br />
Helmut Newton<br />
»Polaroids«<br />
Jebensstraße 2<br />
10623 <strong>Berlin</strong>-Charlottenburg<br />
Di–So 10–18 Uhr<br />
Do 10–22 Uhr<br />
Moeller Fine Art<br />
Ausstellungen<br />
bis 12. November 2011<br />
Simon Norfolk<br />
»Burke + Norfolk: Fotografien aus dem<br />
Krieg in Afghanistan«<br />
Tempelhofer Ufer 11<br />
10963 <strong>Berlin</strong>-Tempelhof<br />
Mo–Fr 11–18 Uhr<br />
PHOTO EDITION<br />
BERLIN<br />
bis 12. November 2011<br />
Hajnal Nemeth<br />
»Works from 54. Biennale Venedig«<br />
Ystaderstraße 14a<br />
10437 <strong>Berlin</strong>-Prenzlauer Berg<br />
Mi 14–20 Uhr<br />
Sa 12–18 Uhr<br />
Neue Nationalgalerie<br />
bis 1. Januar 2012<br />
Taryn Simon<br />
»A Living Man Declared Dead and<br />
Other Chapters«<br />
Potsdamer Straße 50<br />
10785 <strong>Berlin</strong>-Schöneberg<br />
Di–Fr 10–18 Uhr<br />
Do 10–22 Uhr<br />
Sa + So 11–18 Uhr<br />
brennpunkt 4/2011<br />
47
Ausstellungen<br />
Henri Cartier-Bresson<br />
»Die Geometrie des<br />
Augenblicks«<br />
»Fotografieren bedeutet Verstand, Auge<br />
und Herz auf eine Linie zu bringen. Es<br />
ist eine Art zu leben«.<br />
Henri Cartier-Bresson<br />
In dieser »Geometrie des Augenblicks«<br />
komponierte er Flächen und Linien,<br />
Menschen und Situationen zu einer<br />
perfekten Ordnung. Der Aufbau der<br />
Ausstellung und die Anordnung der Bilder<br />
nehmen das Prinzip der geometrischen<br />
Komposition auf. Das Kunstmuseum<br />
beauftragte die Fotokünstlerin Frauke<br />
Eigen, ein Konzept für die Präsentation<br />
der Werke zu erarbeiten. Bisher wurden<br />
Cartier-Bressons Ausstellungen stets<br />
chronologisch, nach Themen oder nach<br />
Ländern geordnet. Frauke Eigen entwickelte<br />
eine neuartige Hängeordnung, die<br />
erstmals den inneren Zusammenhang der<br />
Bilder durch formale Korrespondenzen<br />
zeigt. So wird für den Besucher über<br />
das Einzelbild hinaus sichtbar, wie<br />
ein Gestaltprinzip im nächsten Bild in<br />
abgewandelter Form wiederkehrt. Der<br />
Betrachter kann selbst eine abstrakte<br />
Geschichte der lebendigen Formen von<br />
der ersten bis zur letzten Fotografie verfolgen<br />
und dabei etwas über die einzigartige<br />
Sprache Henri Cartier-Bressons<br />
erfahren.<br />
Cartier-Bresson fotografierte stets diskret<br />
und mit großer Sensibilität. Dabei hat<br />
er die eigene Person immer zurückgestellt.<br />
Er gab nur selten Interviews und<br />
hasste es, fotografiert zu werden. Das<br />
Museum of Modern Art in New York<br />
plante 1947 sogar eine große, posthume<br />
Retrospektive in der Annahme,<br />
er sei tot. Cartier-Bresson reiste daraufhin<br />
in die USA. Die Ausstellung fand in<br />
seinem Beisein trotzdem statt. Solche<br />
Geschichten liebte der Franzose.<br />
Ab 1973, auf dem Höhepunkt seines<br />
Ruhmes, gab Henri Cartier-Bresson die<br />
Fotografie auf und griff nur noch selten<br />
zur Kamera. Er kehrte zu seinen Wurzeln<br />
zurück und widmete sich wieder dem<br />
Zeichnen, vor allem Landschaften. Er<br />
48 brennpunkt 4/2011<br />
FRANKREICH. Brie. 1968. © Henri-Cartier-Bresson/Magnum Photos<br />
selbst sah darin nur einen Wechsel des<br />
»Handwerks«, denn es geschah mit demselben<br />
Blick und dem Gespür für Formen<br />
und Geometrie. Das Fotografieren<br />
war für ihn eine unmittelbare Tat, das<br />
Zeichnen bedeutete jedoch eine Art von<br />
Meditation.<br />
Sam Szafran, ein befreundeter Maler,<br />
sagte einst zu Cartier-Bresson: »Um<br />
schnell gehen zu können, muss man<br />
sehr langsam gehen. Man muss beobachten,<br />
schauen wie die Dinge geschehen,<br />
sie verstehen, sie fühlen, sonst gerät<br />
man in Gefahr...«<br />
In diesem Sinne bildet die Ausstellung<br />
»Die Geometrie des Augenblicks«, die<br />
in Kooperation mit der Photoagentur<br />
Magnum Photos, Paris und der<br />
Fondation HCB, Paris ermöglicht wurde,<br />
eine harmonische Ergänzung zu der<br />
großen thematischen Ausstellung Die<br />
Kunst der Entschleunigung. Bewegung<br />
und Ruhe in der Kunst von Caspar<br />
David Friedrich bis Ai Weiwei, die ab<br />
dem 12. November 2011 parallel im<br />
Kunstmuseum Wolfsburg zu sehen sein<br />
wird.<br />
Rita Werneyer, M.A.<br />
SOWJETUNION. Armenien. Besucher eines<br />
Dorfs am Sewansee. 1972<br />
© Henri-Cartier-Bresson/Magnum Photos<br />
FRANKREICH. Alpes de Haute-Provence.<br />
Bei Cereste. 1999<br />
© Henri-Cartier-Bresson/Magnum Photos<br />
bis 13. Mai 2012<br />
Kunstmuseum Wolfsburg<br />
Hollerplatz 1<br />
38440 Wolfsburg<br />
Di 11 – 20 Uhr<br />
Mi – So 11 – 18 Uhr
Henning Stegmüller<br />
»Bombay-Mumbai<br />
– Bilder einer Mega-<br />
Stadt«<br />
Die Fotogalerie zeigt Schwarz-Weiß-<br />
Aufnahmen des Fotografen und Filmemachers<br />
Henning Stegmüller aus Indiens<br />
Megastadt Bombay-Mumbai. Die<br />
Ausstellung ist ein fotografischer Streifzug<br />
von Nariman Point, dem Manhattan<br />
gleichenden wirtschaftlichen Zentrum<br />
der Stadt, über Slums und die Unterwelt<br />
bis nach Film City, der großen indischen<br />
Traumfabrik.<br />
Die ausgewählten Bilder dokumentieren<br />
die sehr persönliche Begegnung des<br />
Fotografen mit dem »Moloch Bombay«,<br />
beeinflusst von den beiden Dichtern<br />
Philip Chitre und Namdeo Dhasal, die<br />
dem Fotografenfreund »ihre« geliebte<br />
und gehasste Metropole vor Augen<br />
geführt haben (s. auch »Bombay-<br />
Mumbai - Bilder einer Mega-Stadt«, A1<br />
Verlag München, 1996).<br />
© Henning Stegmüller<br />
© Henning Stegmüller © Henning Stegmüller<br />
© Henning Stegmüller © Henning Stegmüller<br />
Ausstellungen<br />
15. Oktober bis 27. November 2011<br />
Fotogalerie Karin Schneider-Henn<br />
Schmidzeile 12<br />
83512 Wasserburg am Inn<br />
Sa + So 14 – 18 Uhr<br />
und nach Vereinbarung<br />
brennpunkt 4/2011<br />
49
Ausstellungen<br />
Layla Zami<br />
»Lichtspuren«<br />
Träumende, tanzende Figuren. Einsame<br />
Menschen, umgeben von Melancholie<br />
und Musik, von Natur und Ruhe. Als<br />
Fotokünstlerin möchte ich beobachten<br />
und zeigen, schauen und zuschauen<br />
lassen. Ein Bild, eine Person und ihre<br />
intime Welt im Einklang oder Kontrast<br />
mit ihrer Umwelt. Eine Tänzerin, verbunden<br />
mit dem Boden und der Luft,<br />
die sie atmet. Manches ist auf meinen<br />
Bildern zu sehen, vieles ist zu spüren.<br />
Ich mag an Fotografieren, dass ich die<br />
Atmosphäre des Augenblicks künstlerisch<br />
mitnehme und wiedergebe. Die<br />
Freiheit der ZuschauerInnen, auf den<br />
Bildern ihre eigene Kreativität zu projizieren,<br />
bleibt aber unangetastet. Mich<br />
inspirieren besonders Reisen, in denen<br />
ich immer wieder neue Lichtspuren<br />
sehe.<br />
Meine Fotokunst lässt an meinen Erinnerungen<br />
teilhaben, Erinnerungen an<br />
einen Moment, an die Farbe einer Stimmung,<br />
an eine Person und ihre Sinnlichkeit.<br />
Erinnerungen, die nun in unserer<br />
Gegenwart schweben. Dabei bin ich<br />
stets dankbar für die Person, für die Konstellation<br />
von Schönheit einer Frau und<br />
eines Moments. Wie aufregend, die<br />
Spontaneität des Augenblicks zu erfassen,<br />
aber auch die Inszenierung liebe<br />
ich. Denn selbst ein inszeniertes Bild<br />
ist die Momentaufnahme von Zeitspuren.<br />
So begleitete ich die Künstlerin<br />
Oxana Chi in ihrer Spurensuche nach<br />
der deportierten Tänzerin Tatjana Barbakoff.<br />
Ein Teil dieser Bilder waren im Mai 2011<br />
im Rahmen der Ausstellung »Tanzende<br />
Erinnerungen« in der Galerie Gondwana<br />
<strong>Berlin</strong> zu sehen. Ich empfand,<br />
wie jede Person, die den Raum betrat,<br />
neue Emotionen mit sich trug und wie<br />
das Publikum von Kunstliebhabern<br />
somit die Stimmung mitgestaltete. So<br />
wie Licht und Umgebung des Motives<br />
das Bild prägen, so spielt der Kontext,<br />
in dem Bilder präsentiert werden,<br />
auch eine wesentliche Rolle. Die mit<br />
Lehm verputzten Wände harmonierten<br />
50 brennpunkt 4/2011<br />
© Layla Zami »Die Tänzerin Oxana Chi«, <strong>Berlin</strong><br />
2010<br />
mit den warmen Farbtönen der Bilder.<br />
Die Holzrahmen aus edlen Hölzern –<br />
Kirsch, Ahorn, Nuß, Erle,... die die Kuratorin<br />
Oxana Chi und ich selbst gestaltet<br />
und hergestellt haben, verliehen eine<br />
persönliche Note. Es war für uns eine<br />
unkonventionelle, an Malerei andeutende<br />
Art, zeitgenössische Fotografie<br />
auszustellen. Der Austausch mit Menschen,<br />
die sich meine Bilder anschauen,<br />
ist beglückend und überraschend. So<br />
erwarte ich mit Neugier das Publikum<br />
der kommenden Ausstellung »Mémoire<br />
dansée« in Paris.<br />
In meiner Affinität zu darstellenden<br />
Künsten, insbesondere zur Tanzkunst,<br />
nehme ich auch in der Alltagsbühne<br />
Personen wahr und verschmelze gern<br />
die Formen. Und Tanz, ja Tanz ist Bewegung,<br />
ist Stille, ist Pose. Fotografie ist nur<br />
zwei Schritte von Tanz entfernt, diese<br />
Schritte sind Zeit und Licht. Ich liebe es,<br />
eine Muse zu haben, Inspiration in der<br />
Ästhetik ihrer Gestik zu schöpfen und<br />
die Grazie eines poetischen Momentes<br />
zu spüren. Ich liebe Dämmerlichter,<br />
Clair-obscur und das Licht als Mittel, den<br />
Körper bildnerisch zu gestalten. Ich lausche<br />
mit dem Herzen, der Finger spult<br />
vor, mein Auge blickt durch die Linse<br />
und schon wird ein Bild lebendig!<br />
Layla Zami<br />
© Layla Zami »Die Tänzerin Oxana Chi«, <strong>Berlin</strong><br />
2010<br />
© Layla Zami »Die Tänzerin Oxana Chi«,<br />
Martinique 2011<br />
9. November bis 4. Dezember 2011<br />
Violette & Co<br />
Art Gallery & Bookshop<br />
102, rue de Charonne<br />
75011 Paris<br />
Di – Sa 11–20.30 Uhr<br />
So 14–19 Uhr
© Layla Zami, »Ilya W.«, San Francisco, 2009<br />
© Layla Zami, »Tameka M.«, Cape Town, 2004<br />
Ausstellungen<br />
brennpunkt 4/2011<br />
51
Portfolio Ulrich Burchert<br />
Ulrich Burchert<br />
Die Fotos des Bildjournalismus können<br />
vergangene Zeiten lebendig werden<br />
lassen. Das hängt von ihren Inhalten<br />
ab, die in einer Synthese von Notwendigkeit<br />
und Zufall entstanden; das Erfüllen<br />
eines Auftrages ist notwendig, was<br />
einem vor Ort begegnet ist vielfach zufäl-<br />
52 brennpunkt 4/2011<br />
lig. Im Bestreben brauchbare Fotos zu<br />
produzieren, waren für mich unter anderem<br />
aus der Malerei und der Druckgrafik<br />
die erzählenden Bilder z. B. von Bruegel<br />
d. Ä. über Masereel hin zu Mattheuer<br />
wichtig. Das Problem ist dabei,<br />
dass solche Bilder als Fotos im Atelier<br />
Ulrich Burchert / Kollwitzplatz / <strong>Berlin</strong> 1988<br />
des Lebens, in dem statistisch produziert<br />
wird, gefunden werden müssen. Oft sind<br />
die Inhalte wichtig, aber ihnen entsprechen<br />
nicht die Formen und umgekehrt.<br />
Für das journalistische Fotografieren gilt<br />
das eherne Gesetz: gleich oder nie, alles<br />
oder nichts: was vorbei ist, ist vorbei.
Ulrich Burchert / Sonneberg 1988<br />
Portfolio Ulrich Burchert<br />
brennpunkt 4/2011<br />
53
Portfolio Ulrich Burchert<br />
54 brennpunkt 4/2011<br />
Ulrich Burchert / Industriewerk Ludwigsfelde (IWL) / Ludwigsfelde 1986<br />
Ulrich Burchert / Junkalor / Dessau 1985
Ulrich Burchert / Betriebsdirektorin / Neubrandenburg 1984<br />
Portfolio Ulrich Burchert<br />
brennpunkt 4/2011<br />
55
Portfolio Ulrich Burchert<br />
56 brennpunkt 4/2011<br />
Ulrich Burchert / <strong>Berlin</strong> 1984
Ulrich Burchert / Volkssolidarität / Günsdorf 1981<br />
Portfolio Ulrich Burchert<br />
brennpunkt 4/2011<br />
57
Portfolio Ulrich Burchert<br />
58 brennpunkt 4/2011<br />
Ulrich Burchert / Wolfgang Mattheuer / Jahrhundertschritt / Bezirkskunstausstellung Leipzig / Leipzig 1985
Ulrich Burchert / Fritz Kremer. Teil der unvollendeten Plastikgruppe zum 50. Jahrestag der Oktoberrevolution / Atelier / <strong>Berlin</strong> 1989<br />
Portfolio Ulrich Burchert<br />
brennpunkt 4/2011<br />
59
Portfolio Ulrich Burchert<br />
60 brennpunkt 4/2011<br />
Ulrich Burchert / <strong>Berlin</strong> 1992<br />
Ulrich Burchert / Dresden 2001
Ulrich Burchert / <strong>Berlin</strong> 2001<br />
Portfolio Ulrich Burchert<br />
brennpunkt 4/2011<br />
61
Portfolio Ulrich Burchert<br />
62 brennpunkt 4/2011<br />
Ulrich Burchert / <strong>Berlin</strong> 2008
Ulrich Burchert / <strong>Berlin</strong> 2001<br />
Portfolio Ulrich Burchert<br />
brennpunkt 4/2011<br />
63
Fotoszene<br />
Die (In-)Diskretion des Auslösers<br />
Der geneigte Leser dieser Reihe wird<br />
festgestellt haben, dass ich in der Vergangenheit<br />
im Wesentlichen über die<br />
fotografische Qualität von Bildern und<br />
deren Bewertung geschrieben habe.<br />
Das ist ja auch sicherlich einer der<br />
wichtigsten Gesichtspunkte in der Fotografie.<br />
Außerhalb der journalistischen<br />
Funktion, also als reine Informationsvermittlung,<br />
nehmen wir Bilder als kreative<br />
Produkte war.<br />
Der Fotograf als Künstler, ist bemüht, in<br />
seinem Werk einen Teil seiner Seele zu<br />
implementieren. Etwas überzeichnet<br />
formuliert wird das Motiv zum Objekt<br />
des kreativen Schaffensprozesses degradiert.<br />
Das mag dem Objekt, so es sich um eine<br />
Landschaft, ein Gebäude oder auch ein<br />
Tier handelt, ziemlich egal sein.<br />
Aber was ist, wenn ein Mensch Gegenstand<br />
der fotografischen Begierde wird?<br />
Darf die fotografische Intention eines<br />
Fotografen die persönliche Spähre der<br />
abgebildeten Personen dominieren?<br />
Ich höre förmlich den Aufschrei »natürlich<br />
geht das nicht - die Würde des Menschen<br />
ist unantastbar«!<br />
Nun, die Bildrechte der Personen sind<br />
in den westlichen Ländern weitgehend<br />
geschützt - Persönlichkeiten des öffentlichen<br />
Lebens ausgeschlossen - wieso<br />
eigentlich?<br />
Wenn ich meinen Nachbarn fotografiere<br />
während er das Kindermädchen<br />
küsst und das Bild im Internet zeige,<br />
bekomme ich Ärger. Sollte mein Nachbar<br />
sich aber in der Vergangenheit um<br />
das Allgemeinwohl verdient gemacht<br />
haben und einen hohen politischen<br />
Rang bekleiden, bekomme ich für das<br />
gleich Bild eine Veröffentlichung in der<br />
»Bunten« - und ein saftiges Honorar!<br />
Das ist eine extreme Ungleichbehandlung!<br />
Oder?<br />
Es heißt dann häufig, Personen des<br />
öffentlichen Lebens müssen eben auch<br />
höheren moralischen Anforderungen<br />
genügen. Wieso eigentlich?<br />
Mir persönlich ist ein Politiker, der<br />
Arbeitsplätze schafft und ein Verhältnis<br />
64 brennpunkt 4/2011<br />
© Manfred Kriegelstein<br />
mit seiner Sekretärin hat lieber, als der<br />
treu sorgende Familienvater, der jeden<br />
Sonntag in die Kirche geht, aber politisch<br />
ein Versager ist!<br />
Bill Clinton war sicherlich nicht der<br />
schlechteste Präsident...<br />
Aber zurück zur Fotografie.<br />
Der Fotograf hat ja auch immer die<br />
Funktion eines Zeitzeugen, er nimmt<br />
mit seinen Augen die Umwelt wahr und<br />
macht aufmerksam.<br />
Aber wo ist die Grenze zwischen Hinweis<br />
und Diskretion?<br />
Will man zum Beispiel auf Missstände<br />
der Arbeitsmarktpolitik hinweisen und<br />
fotografiert die lange Schlange Wartender<br />
vor einem Jobcenter, diskreditiert<br />
man dann mit dem Bild die Menschen<br />
die dort anstehen oder rückt man<br />
eher gesellschaftliche Defizite in den<br />
Focus?<br />
Sie sehen, liebe Leser, es gibt keine<br />
sicheren Regeln an denen man sich als<br />
Fotograf orientieren kann. Ich denke,<br />
die Entscheidung den Auslöser zu betätigen<br />
- oder auch nicht - kann ein Fotograf<br />
immer nur für sich selbst treffen. Er<br />
alleine übernimmt dann auch die Verantwortung<br />
für seine Bilder. Aber auch<br />
nur so kann er eventuell in den Köpfen<br />
der Menschen etwas bewegen.<br />
Sicher haben die TV-Sender den größten<br />
Einfluss auf die Sichtweise der Menschen<br />
über aktuelle Ereignisse. Die Wirkung<br />
auf den Betrachter ist aber oft sehr<br />
flüchtig und selten nachhaltig.<br />
Wenn ich mir so die Berichterstattung<br />
über die schrecklichen Ereignisse in<br />
Japan vor Augen führe, dann ist mir<br />
eigentlich ein Zeitungsbild besonders in<br />
Erinnerung geblieben, es zeigt inmitten<br />
der Tsunami-Verwüstung einen blühenden<br />
Kirschbaum der allen Zerstörungen<br />
getrotzt hat...<br />
Ich habe lange überlegt, welches Bild ich<br />
zur Illustration dieses Textes nehmen soll.<br />
Meine Wahl fiel auf eine Aufnahme, die<br />
rein fotografisch gesehen, nicht meinen<br />
Qualitätskriterien für ein gutes Bild<br />
entspricht. Ich würde es wahrscheinlich<br />
nie in einer Ausstellung zeigen. Aber ich<br />
denke schon, dass der Inhalt geeignet ist<br />
mal darüber nachzudenken, wie gut es<br />
uns eigentlich geht...<br />
Manfred Kriegelstein
Porträts retuschieren mit<br />
Photoshop<br />
Haut, Figur, Effekte<br />
Matthias Matthai<br />
Verlag: dpunkt.verlag<br />
2. aktualisierte und überarbeitete<br />
Auflage<br />
ISBN: 978-3-89864-681-9<br />
280 Seiten,komplett in Farbe<br />
36,90 Euro�<br />
Durch die unzähligen Workshops über<br />
Porträt-und Aktfotografie fallen auch im<br />
Amateurbereich zahlreiche Bilder an, bei<br />
denen in der digitalen Nachbearbeitung<br />
Probleme in der Optimierung von<br />
Hauttönen auftauchen.<br />
Der in <strong>Berlin</strong> geborene Autor ist<br />
zweifellos vom Fach und beschäftigt<br />
sich schon lange mit Fotografie und<br />
digitaler Bildbearbeitung.<br />
Beeindruckend sind seine sensiblen<br />
Hinweise zur Beautyretusche, die darauf<br />
zielen den individuellen Charakter eines<br />
Gesichtes nicht digital zu zerstören - das<br />
Gegenteil kann man oft auf Titelbildern<br />
von Magazinen insbesondere TV-<br />
Zeitschriften sehen...<br />
Wer über die langläufigen Kenntnisse der<br />
digitalen Bildbearbeitung hinaus, Tipps<br />
und Tricks für die spezielle Retusche<br />
von Porträts und Aktbildern sucht, ist<br />
mit diesem Werk aus dem dpunkt.verlag<br />
bestens bedient.<br />
Manfred Kriegelstein<br />
Die große Fotoschule<br />
Digitale Fotopraxis<br />
Christian Westphalen<br />
Verlag: Galileo Design<br />
ISBN: 978-3-8362-1311-0<br />
601 Seiten,komplett in Farbe,<br />
mit DVD<br />
39,90 Euro�<br />
Es wird ja wohl kaum noch Umsteiger<br />
von analog auf digital geben, dennoch<br />
birgt dieses Buch auch für »gestandene«<br />
Digitalfotografen einige interessante<br />
Erkenntnisse. Es werden nicht nur<br />
solide Grundlagen zum Verständnis der<br />
digitalen Fotografie vermittelt, sondern<br />
auch weitergehende Aspekte der Bildbearbeitung<br />
wie RAW-Entwicklung,<br />
Farbmanagement und Mehrfachbelichtung<br />
für HDR.<br />
Wenn man sich nicht für jeden Aspekt<br />
der digitalen Fotowelt einen Wälzer<br />
ins Regal stellen möchte, hat man hier<br />
ein umfassendes Werk, welches einem<br />
einen guten Überblick über die Dinge<br />
gibt, die man als Fotograf eigentlich<br />
täglich praktiziert, ohne sich die tieferen<br />
Zusammenhänge immer bewußt zu<br />
machen.<br />
Als Allgemeinwerk eine gute Empfehlung.<br />
Manfred Kriegelstein<br />
Buchbesprechung<br />
HDR Fotografie<br />
Aufnahme, Entwicklung und<br />
Nachbearbeitung<br />
Fructuoso Navarro<br />
Verlag: ADDISON-WESLEY<br />
ISBN: 978-3-8273-3068-0<br />
416 Seiten, 1DVD, 4-farbig,<br />
Bilderdruck, 39,80 Euro�<br />
Einige sehen es als vergängliche Modeerscheinung,<br />
andere als ultimatives<br />
Werkzeug zur Kontrastbewältigung an.<br />
Auf jeden Fall ist HDR (High Dynamic<br />
Range) eine neue Fototechnik, mit der<br />
man sich auseinandersetzen sollte.<br />
Leider ist der Bildermarkt überschwemmt<br />
von HDR-Ergebnissen, die<br />
wohl nur nach der Methode »try and<br />
error« entstanden sein können - leider<br />
überwiegt dabei häufig der error...<br />
Das Werk von Fructuoso Navarro hilft,<br />
mit dem nötigen Feingefühl und Kompetenz,<br />
zu erstklassigen und eben nicht<br />
überzogenen Resultaten zu gelangen.<br />
Kapitel für Kapitel zeigt er von der Aufnahme<br />
bis zum Endprodukt die nötigen<br />
Schritte, die zu einem optimalen Ergebnis<br />
führen. Er präsentiert fünf Methoden,<br />
die jeweils unterschiedliche Aufnahmesituationen<br />
berücksichtigen.<br />
Es macht Spaß sich mit dem Buch zu<br />
beschäftigen. Auch die Bildbeispiele<br />
können sich überwiegend sehen lassen,<br />
was keine Selbstverständlichkeit bei<br />
einem Lehrbuch ist.<br />
Fazit, eine Empfehlung für alle, die sich<br />
intensiv mit HDR befassen wollen.<br />
Manfred Kriegelstein<br />
brennpunkt 4/2011<br />
65
Vorschau 1/2012<br />
brennpunkt 1-2012<br />
erscheint am<br />
4. Januar 2012<br />
Portfolio<br />
Fotografen aus dem<br />
Nahen Osten<br />
© Jeanno Gaussi<br />
© Steve Sabella<br />
66 brennpunkt 4/2011<br />
Leserfotos<br />
© Monika Minder, Wyssachen/Schweiz<br />
© Monika Minder, Wyssachen/Schweiz
ennpunkt 4/2011<br />
67
68 brennpunkt 4/2011<br />
Vorschau 1/2012<br />
•<br />
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