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Fach: Pädagogik Kognitive Entwicklung - Egozentrismus Jean PiagetEine umfassen<strong>de</strong> Theorie <strong>de</strong>r Entwicklung <strong>de</strong>s Denkensund <strong>de</strong>r Intelligenz <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s wur<strong>de</strong> von Jean Piaget(1937) entworfen und später aufgrund zahlreicher Forschungenvon ihm selber und seinen Mitarbeitern weiter-5 entwickelt.101520253035404550556065Wollte man eine Geistesgeschichte <strong>de</strong>s 20. Jahrhun<strong>de</strong>rtsschreiben, führte kein Weg an Jean Piaget vorbei: sowohlfür die Entwicklungspsychologie als auch für die Pädagogik,aber auch für die Naturwissenschaften und nicht zuletztdie Sozialisationsforschung sind seine theoretischenAnsätze bis heute von herausragen<strong>de</strong>r Anregungskraftgeblieben.Mit seinen über viele Jahrzehnte hinweg kontinuierlichfortgeführten empirischen Untersuchungen legte er dieBasis für eine umfassen<strong>de</strong> Theorie <strong>de</strong>r geistigen und kognitivenEntwicklung <strong>de</strong>s Menschen in <strong>de</strong>r Kindheit und Jugend.Dabei interessierte ihn vor allem das Problem <strong>de</strong>sWer<strong>de</strong>ns <strong>de</strong>r menschlichen Erkenntnistätigkeit - ein bisdahin <strong>de</strong>r Sphäre <strong>de</strong>r Philosophie zugeordneter Wissenschaftsbereich.(..) Und eben hier, in dieser Grenzregionzwischen Philosophie und Biologie, hat Piaget seine Lebensaufgabegefun<strong>de</strong>n: in <strong>de</strong>r empirischen Erforschung<strong>de</strong>s Wer<strong>de</strong>ns <strong>de</strong>r menschlichen Wahrnehmungs- und Erkenntnisvorgänge,die in Piagets genetischer Entwicklungstheorieseinen Nie<strong>de</strong>rschlag fin<strong>de</strong>tBei seinen Beobachtungen fand er, daß Kin<strong>de</strong>r in bestimmtemAlter noch nicht in <strong>de</strong>r Lage sind, Aufgaben miteinem bestimmten Schwierigkeitsgrad zu lösen und konnteso die Annahme <strong>de</strong>s Behaviorismus wi<strong>de</strong>rlegen, <strong>de</strong>mMenschen seien durch Programmierung spezifischerReiz-Reaktions-Verbindungen grundsätzlich alle Leistungenzu je<strong>de</strong>r Zeit "anzutrainieren". Vielmehr erkannte er,daß sich die menschliche Kognition in zunehmen<strong>de</strong>m Alternicht nur quantitativ im Sinne <strong>de</strong>s geradlinigen Zunehmens<strong>de</strong>r Intelligenz, wie sie etwa Binet beschrieb, son<strong>de</strong>rnvor allem qualitativ än<strong>de</strong>rt: das kindliche Denkenentwickelt sich ja vom Konkreten zum Abstrakten, vomEinfachen zum Differenzierten, es wird integrierter, systematischer,flexibler und letztlich angepaßter.So sah er die geistige Entwicklung <strong>de</strong>s Menschen vor allemals strukturelle Verän<strong>de</strong>rung an. Wenn das Wesen einerStruktur in jenen regelhaften Beziehungen zwischenEinheiten <strong>de</strong>s Systems (hier: <strong>de</strong>n Inhalten <strong>de</strong>s Denkens)besteht, dann muß man sich die im Verlauf <strong>de</strong>r Kindheitund Jugend stattfin<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Prozesse eben als einen ständigenund entwicklungsgesetzmäßigen Umbau <strong>de</strong>r kognitivenStruktur vorstellen. Diesen Umbau <strong>de</strong>r Denk- undHandlungsstrukturen <strong>de</strong>s Individuums sieht Piaget als einendurch tägliche Interaktion mit <strong>de</strong>n Gegenstän<strong>de</strong>n <strong>de</strong>rUmwelt bedingten und sich beständig vollziehen<strong>de</strong>n Prozeßan - ohne die gegenständliche und soziale Umweltgäbe es <strong>de</strong>mnach auch keine Entwicklung.Mit diesem Standpunkt wen<strong>de</strong>t sich Piaget aber auch<strong>de</strong>utlich von <strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Empiristen (v.a. Locke und Hume)ab, die die kognitiven Strukturen <strong>de</strong>s Individuums als einAbbild <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r äußeren Welt wahrgenommenen Strukturenbeschrieben haben. Nach Piaget ist es nämlich dasIndividuum selbst, das seine kognitive Struktur von innenheraus selbst konstruiert, in<strong>de</strong>m inadäquate Vorstellungenvon <strong>de</strong>n Dingen ständig durch neue, stimmigere ersetztwer<strong>de</strong>n. Dies macht <strong>de</strong>n oft sogenannten Konstruktivismusim Werk Piagets aus707580859095100105110115Nach Piaget löst sich das Denken von Geburt an zunehmendvon <strong>de</strong>r sinnlichen Wahrnehmung und schreitet zuimmer differenzierteren Lösungsformen auf abstraktbegrifflicherGrundlage fort. Er kommt zu <strong>de</strong>m allgemeinenErgebnis, daß die von ihm bei <strong>de</strong>n Kin<strong>de</strong>rn analysiertenlogischen Strukturen konstruiert, d.h., vom Kind selberentwickelt wer<strong>de</strong>n und zu ihrer Ausformung (zumin<strong>de</strong>st imwestlichen Kulturkreis) ein gutes Dutzend Jahre brauchen.In <strong>de</strong>r empirischen und qualitativen Untersuchung <strong>de</strong>skindlichen Denkens (vor allem bei seinen drei eigenenKin<strong>de</strong>rn) erweist sich Piaget als ungeheuer einfallsreich,kindgemäß und alltagsnah, so vor allem in seinen eigensdafür entwickelten Beobachtungsmetho<strong>de</strong>n (strukturierteExploration, doppelte Perspektive, klinische Metho<strong>de</strong>).Mit <strong>de</strong>m Konzept <strong>de</strong>r Äquilibration hebt Piaget seineTheorie von <strong>de</strong>n Wi<strong>de</strong>rspiegelungstheorien (Locke, Hume,Mill) ab. Nicht Abbildung, son<strong>de</strong>rn Konstruktion ist die I-<strong>de</strong>e im Konzept <strong>de</strong>r Äquilibration. Die Konstruktion kanndurch Erfahrungen, Wort Bild o<strong>de</strong>r Beispiele beeinflussto<strong>de</strong>r angeregt sein, sie ist aber nicht empirisches Lernen,son<strong>de</strong>rn eine neue Strukturierung und Organisation, obkreativ und selbständig ent<strong>de</strong>ckt o<strong>de</strong>r nur nachvollzogen.Grundbegriffe <strong>de</strong>r Piagetschen TheorieDie kognitive Persönlichkeitsentwicklung ist laut Piagetgekennzeichnet durch verän<strong>de</strong>rliche (invariante) und unverän<strong>de</strong>rliche(variante) Komponenten:• sich ständig än<strong>de</strong>rn<strong>de</strong> Inhalte,• sich entwicklungsgesetzmäßig verän<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>Strukturen und• unverän<strong>de</strong>rliche Funktionen.Eine kognitive Struktur (Schema) besteht bei Piaget ausElementen, die bestimmten Aufbaugesetzmäßigkeiten unterworfensind. Eine solche Struktur regelt sich weitgehendselbst, d.h., sie stellt eine ursprüngliche Ganzheitdar und besteht aus einem System von Beziehungen undTransformationen. Die kognitiven Strukturen bestehen ausGruppen von Schemata, die sich nach gewissen Entwicklungsgesetzenverän<strong>de</strong>rn. Das Schema wird hier als typischeWeise <strong>de</strong>s Menschen verstan<strong>de</strong>n, bestimmte Klassenvon Umweltgegebenheiten zu handhaben. Ein solchesSchema existiert als kognitives Schema, das sich ingewissen Handlungsschema ausdrückt (das Schema <strong>de</strong>sWerfens, Klopfens, Multiplizierens u.ä). Schemata machenverschie<strong>de</strong>nartige Gegenstän<strong>de</strong>n zu gleichartigen(z.B. solche, die man werfen, mit <strong>de</strong>nen man klopfen, dieman multiplizieren kann usw.), erleichtern somit kognitiv<strong>de</strong>n Umgang mit <strong>de</strong>r Umwelt. Schemata wer<strong>de</strong>n etwa zurErinnerung in das Gedächtnis auf-genommen und zurWie<strong>de</strong>rerkennung von Gegenstän<strong>de</strong>n als die wesentlichenZüge dann reaktiviert bzw. abgerufen. (...)Die Inhalte sind konkrete Gegenstän<strong>de</strong>, auf die dieSchemata angewen<strong>de</strong>t wer<strong>de</strong>n können (Bälle, Steine, a-http://www.stangl-taller.at


Fach: Pädagogik Kognitive Entwicklung - Egozentrismus Jean Piagetfür die spätere kognitive Gesamtentwicklung eines Kin<strong>de</strong>s(Hospitalismus). Die sensumotorische Entwicklung unterteiltPiaget in sechs Abschnitte ein:• Übung angeborener Reflexmechanismen;255 • primäre Kreisreaktionen;• sekundäre Kreisreaktionen;• Koordination <strong>de</strong>r erworbenen Handlungsschemataund ihre Anwendung auf neue Situationen;• tertiäre Kreisreaktionen;260 • Übergang vom sensumotorischen Intelligenzaktzur Vorstellung.265270275280285 Stufe <strong>de</strong>s anschaulichen Denkens290295300305310315Stufe <strong>de</strong>s symbolischen o<strong>de</strong>r vorbegrifflichen Denkens(16/20 bis 4,0 Jahre) Auf dieser Stufe läßt sich ein<strong>de</strong>utigDenken im Sinne verinnerlichten Han<strong>de</strong>lns nachweisen.Das Kind wird fähig, mit Vorstellungen und Symbolen - diePiaget Vorbegriffe nennt - umzugehen. Der Begriff <strong>de</strong>rSymbolfunktion bezieht sich auf die Fähigkeit <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s,das Bezeichnete (ein Objekt, ein Ereignis o<strong>de</strong>r ein Begriffsschema)durch ein Bezeichnen<strong>de</strong>s (ein Wort, eineGeste, eine Vorstellung) zu repräsentieren. Es vermagnun, zwischen einem wirklich vorhan<strong>de</strong>nen Gegenstandund einem nur vorgestellten Symbol zu unterschei<strong>de</strong>n. Eshan<strong>de</strong>lt sich insgesamt um eine prälogische Denkform -"prä-" natürlich immer im Vergleich zur üblichen in unseremKulturkreis ausgebil<strong>de</strong>ten und akzeptierten Erwachsenenlogik!Das Kind lernt als Grundlage für seine spätereEntwicklung in <strong>de</strong>r präoperationalen Perio<strong>de</strong> <strong>de</strong>nGebrauch symbolischer Substitutionen wie <strong>de</strong>r Spracheund <strong>de</strong>r geistigen Bil<strong>de</strong>r anstelle <strong>de</strong>r sensomotorischenAktivitäten <strong>de</strong>s Säuglingsalters. Anstatt nach Dingen zugreifen, kann es jetzt etwa darum bitten. Auf dieser Stufeentwickelt das Kind die Fähigkeit, seine reale Umwelt mitvor allem sprachlichen Mitteln zu klassifizieren.(4,0-7,0/8,0 Jahre) Es entwickeln sich auf dieser Stufezwar schon "echte" Begriffe, aber das Denken ist wie auchin <strong>de</strong>r nächsten Phase noch ganz an die Anschauung gebun<strong>de</strong>n.In dieser Phase kommt es gera<strong>de</strong>zu zu einerExplosion <strong>de</strong>s Begriffsinstrumentariums, das allerdingsnoch recht vereinfacht und absolut gebraucht wird. DasKind kann in <strong>de</strong>r Regel noch nicht verschie<strong>de</strong>ne Aspekteeines Gegenstan<strong>de</strong>s o<strong>de</strong>r einer Beziehung zwischen Gegenstän<strong>de</strong>ngleichzeitig erfassen und berücksichtigen,son<strong>de</strong>rn es bleibt meist bei einem wahrnehmungsmäßigherausragen<strong>de</strong>n Merkmal stehen. Diese Stufe ist die amintensivsten erforschte Phase <strong>de</strong>r Piagetschen Theorie,vor allem <strong>de</strong>shalb, weil sie im Übergang vom voroperatorischenzum operatorischen Denken gipfelt. Aus einerPhase, die von instabilen logischen Regeln gekennzeichnetist (Invarianz, Objektpermanenz), kommt es zu einerqualitativen Verän<strong>de</strong>rung. Die Fehler, die das Kind in diesemStadium macht, nennt Piaget: unangemessene Generalisierungen;<strong>de</strong>n Egozentrismus <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s; Zentrierung;eingeschränkte Beweglichkeit; fehlen<strong>de</strong>s Gleichgewicht.Stufe <strong>de</strong>s konkret-operativen Denkens320325330335340345350355360365370375380(7,0/8,0 - 11,0/12,0 Jahre) Die gedanklichen Operationensind zwar weiterhin an anschaulich erfahrbare Inhalte gebun<strong>de</strong>n,sie zeichnen sich jedoch durch eine größere Beweglichkeitaus. Verschie<strong>de</strong>ne Aspekte eines Gegenstan<strong>de</strong>so<strong>de</strong>r Vorgangs können gleichzeitig erfaßt und zueinan<strong>de</strong>rin Beziehung gesetzt wer<strong>de</strong>n. Der Terminus konkreteOperationen meint, daß das Kind nun in Gedankenmit konkreten Objekten bzw. ihren Vorstellungen operierenkann. Es kann Reihen aufstellen, erweitern, einteilen,unterschei<strong>de</strong>n. Das Denken besitzt bereits die Eigenschaft<strong>de</strong>r Reversibilität (Umkehrbarkeit), d. h., die konkretenOperationen konnen gedanklich umgekehrt wer<strong>de</strong>n,so daß eine durchgeführte Operation wie<strong>de</strong>r aufgehobenwird. Das kindliche Denken erreicht in dieser Struktur dieerste Form eines stabilen Gleichgewichts. Das Kind beschränktsich beim zielgerichteten konkreten Denken aufdas, was faktisch und wirklich ist. Allerdings wird in diesemAlter die "Realität" auch schon oft <strong>de</strong>n kognitivenSchemata untergeordnet bzw. letztere wer<strong>de</strong>n bewußtmanipuliert (etwa in Phantasien o<strong>de</strong>r Wunschvorstellungen).Stufe <strong>de</strong>s formalen Denkens(ab 11,0/12,0 Jahren) Mit <strong>de</strong>m formalen Denken tritt nachPiaget eine Sinnesumkehrung zwischen <strong>de</strong>m Wirklichenund <strong>de</strong>m Möglichen ein. Das formale Denken ist grundsätzlichhypothetisch-<strong>de</strong>duktiv. Denkoperationen könnenauf dieser Stufe mit abstrakten, nicht mehr konkret vorstellbarenInhalten durchgeführt wer<strong>de</strong>n. Dies entspricht<strong>de</strong>r höchsten Form <strong>de</strong>s logischen Denkens. Das Denkenstützt sich jetzt vorwiegend auf verbale bzw. symbolischeElemente und nicht mehr auf Gegenstän<strong>de</strong>. Die Reversibilitätist nun auch formal, d.h., abstrakt, gegeben. Dasformale Denken besteht aus einem System von Operationenin zweiter Potenz, d. h., die Kin<strong>de</strong>r können nun mitOperationen operieren, z. B. über ihr eigenes Denken, dieForm ihrer Argumentation nach<strong>de</strong>nken. Nicht nur die inhaltlicheRichtigkeit von Aussagen wird überprüft, son<strong>de</strong>rn<strong>de</strong>ren logische Form bzw. <strong>de</strong>r "Wahrheitsgehalt" (Kritikfähigkeit).ThesenSchemata sind Ergebnisse von Versuchen, die Umweltdurch Akkommodation und Assimilation zu bewältigen.Mittels <strong>de</strong>r Funktionen Akkommodation und Assimilationwer<strong>de</strong>n während <strong>de</strong>r Beschäftigung mit <strong>de</strong>n Inhaltendie kognitiven Strukturen (Schemata) ausgebil<strong>de</strong>t. Paßtein Schema gut auf einen neuen Inhalt, ist <strong>de</strong>r Anteil <strong>de</strong>rAssimilation an <strong>de</strong>r Adaptation größer. Wenn sich einSchema nicht auf einen neuen Gegenstand anwen<strong>de</strong>nläßt, muß das Schema mittels Akkommodation an neueGegebenheiten angepasst wer<strong>de</strong>n, <strong>de</strong>r Anteil <strong>de</strong>r Assimilationist gering.Die Stufen <strong>de</strong>r kognitiven Entwicklung sind gekennzeichnetdurch die Qualität <strong>de</strong>r Schemata, die <strong>de</strong>m Individuumzur Bewältigung <strong>de</strong>r Umwelt zur Verfügung stehen.Auf <strong>de</strong>r 1. Stufe sind dies sensu-motorische Schemata,auf <strong>de</strong>r 2. wer<strong>de</strong>n diese sensu-motorischen Schemataverinnerlicht (interiorisiert), müssen also nicht mehr motorischausgeführt wer<strong>de</strong>n, son<strong>de</strong>rn können auch im Geistevollzogen wer<strong>de</strong>n (Abschreiten einer Hauswand). Sie sindaber noch immer an konkret vorgestellte Inhalte gebun<strong>de</strong>n- daher <strong>de</strong>r Name konkrete Stufe. Auf <strong>de</strong>r 3. Stufe nunwird Unabhängigkeit von konkreten Inhalten, ja von Inhaltenüberhaupt erreicht: Zeichen stehen für abstrakte, formalegeistige Operationen (z. B. 33:27).Die Ten<strong>de</strong>nz <strong>de</strong>r Schemata zu assimilieren, wann immersie können, hält die Entwicklung in Gang (Neugier).Es liegt für Piaget in <strong>de</strong>r Natur aller Schemata, dass siebestrebt sind, auf an<strong>de</strong>re, neue Inhalte angewen<strong>de</strong>t zuwer<strong>de</strong>n. Dies fin<strong>de</strong>t ihren Ausdruck in <strong>de</strong>n von Piaget beschriebenenKreisreaktionen. Die primäre Kreisreaktionfin<strong>de</strong>t statt, wenn eine Handlung (sprich ein Schema), diezu einem angenehmen Ergebnis geführt hat, wie<strong>de</strong>rholtwird (beispielsweise, wenn <strong>de</strong>r Säugling das Strampelnhttp://www.stangl-taller.at


Fach: Pädagogik Kognitive Entwicklung - Egozentrismus Jean Piagetaufrecht erhält, um die am Bett hängen<strong>de</strong>n Glöckchenweiterhin klingeln zu hören).Eine sekundäre Kreisreaktion ist gegeben, wenn dieHandlung später bei gleicher Gelegenheit wie<strong>de</strong>rholt wird.385 Dadurch wird dieses Handlungsschema eingeübt.390395400405410415420425430435440445Von tertiärer Kreisreaktion wird gesprochen, wenn dasaktivierte Schema spontan variiert wird, quasi "um zu sehen,was dann passiert". So ent<strong>de</strong>ckt das Kind - und auchnoch <strong>de</strong>r Erwachsene - neue Möglichkeiten.Die Herstellung eines Gleichgewichts (Äquilibration) ist eineGrundten<strong>de</strong>nz <strong>de</strong>s Lebens und Motor <strong>de</strong>r Entwicklung.Wenn <strong>de</strong>r Mensch ständig versucht, seine Handlungsschemataauf neue Gegenstän<strong>de</strong> (Inhalte) anzuwen<strong>de</strong>n,dann <strong>de</strong>shalb, um Angemessenheit und Ausgewogenheitzu erreichen. Denn <strong>de</strong>r Zielzustand ist ein Gleichgewicht -z.B. zwischen Schema und Inhalt, aber auch zwischen Individuumund Welt, Oberschema und Unterschema u.s.w.Da <strong>de</strong>r Mensch ohne dieses Gleichgewicht nicht lebenkann, das gera<strong>de</strong> erst errungene Gleichgewicht aberdurch immer neue Umweltgegebenheiten immer wie<strong>de</strong>r inFrage gestellt wird, wird die Adaptation <strong>de</strong>r Schemata undStrukturen immer wie<strong>de</strong>r erneut angestoßen. Hierin siehtPiaget <strong>de</strong>n Motor <strong>de</strong>r menschlichen Entwicklung.Keine kognitive Struktur ist endgültig: <strong>de</strong>r Mensch konstruiertimmer neue Schemata, differenziert alte und integriertsie zu neuen.Die Strukturen sind nach Piaget also vorläufige Konzeptebzw. Bewältigungsversuche, <strong>de</strong>ren Zweckmäßigkeit sicherst erweisen muß: ob man mit ihnen "mit <strong>de</strong>r Welt zuRan<strong>de</strong> kommt". Daher kann es auch keine endgültigekognitive Struktur geben, auch wenn das Individuum diehöchste Stufe <strong>de</strong>r Intelligenzentwicklung bereits erreichthat. Entwicklung fin<strong>de</strong>t also auch noch in fortgeschrittenemLebensalter statt, auch wenn Piaget diese Lebensphasennicht empirisch untersucht hat. Was nun für daseinzelne Individuum gilt, gilt nun aber genauso für dieWissenschaft als solche. Auch hier wer<strong>de</strong>n ja Konzepteund Mo<strong>de</strong>lle entwickelt, die ihre Angemessenheit erst erweisenmüssen, was allzu oft eben nicht <strong>de</strong>r Fall ist. Es istdas Schicksal <strong>de</strong>r menschlichen Erkenntnistätigkeit, beständigauf <strong>de</strong>r Suche zu sein: Alle Erkenntnis ist relativ.Einige häufige Mißverständnisse <strong>de</strong>r Theorien PiagetsWie kaum ein an<strong>de</strong>rer, hat Hans Aebli versucht, PiagetsEntwicklungspsychologie für didaktische Konzepte zu nutzenund eine sogenannte operative Metho<strong>de</strong> zu konzipieren.Durch ihn wur<strong>de</strong> vor allem im <strong>de</strong>utschsprachigenRaum das Mißverständnis verbreitet, daß es sich bei Piagetskognitiver Entwicklungstheorie um ein direkt umsetzbarespädagogisches Konzept han<strong>de</strong>lt.Aber es ist auch ein Mißverständnis, wenn man Piagetausschließlich als Entwicklungspsychologen versteht, <strong>de</strong>reine Reifungstheorie vertritt, die ein für allemal festlegt,wie das Aufwachsen <strong>de</strong>s Kin<strong>de</strong>s vor sich geht. PiagetsAnliegen ist immer Erkenntnistheorie (Epistemologie) gewesenund seine genetische Entwicklungspsychologiesteht allein in <strong>de</strong>ren Diensten bzw. hat sich daraus ergeben.Piaget ist also mehr Wissenschaftstheoretiker alsPsychologe und was er vorgelegt hat, ist <strong>de</strong>r Versuch einerAntwort auf die Frage, wie Menschen zu höherer, theoretischer,wissenschaftlicher Erkenntnis kommen. Piagetentwarf theoretische Mo<strong>de</strong>lle <strong>de</strong>r kognitiven Entwicklungund wollte sie durch empirische Tatsachen stützen. Seineempirische Forschung hatte daher nie die Aufgabe, diekognitive Entwicklung allein zu untersuchen, son<strong>de</strong>rn iststets erkenntnistheoretisch motiviert, also konstruktiv und<strong>de</strong>duktiv. Piagets Be<strong>de</strong>utung für die Pädagogik liegt also450455460465470475480485490495500505510nicht in seiner konkreten Entwicklungspsychologie, son<strong>de</strong>rnin <strong>de</strong>m Aufweis <strong>de</strong>s Zusammenhanges von Han<strong>de</strong>lnund individueller Genese.Es ist das Verdienst Piagets, darauf hingewiesen zu haben,daß im Laufe <strong>de</strong>r menschlichen Entwicklung dieWirklichkeit durch unterschiedliche Schemata geordnetwird. Er ging aber davon aus, daß sich einzelne Begriffe,etwa <strong>de</strong>r Begriff <strong>de</strong>r Mengenkonstanz, isoliert untersuchenlassen. So kam er zu <strong>de</strong>m Ergebnis, daß sich die Intelligenzstreng hierarchisch in Stufen entwickelt. Verzichtetman bei solchen Aufgaben aber auf die willkürliche Isolationeinzelner Fähigkeiten, dann ergibt sich ein etwas an<strong>de</strong>resBild von <strong>de</strong>r Dynamik <strong>de</strong>r Intelligenz. Zur Bewältigungeiner alltäglichen Situation wer<strong>de</strong>n immer verschie<strong>de</strong>neFähigkeiten gleichzeitig gefor<strong>de</strong>rt und schon kleineKin<strong>de</strong>r kombinieren mehrere Elemente einer Beobachtungmiteinan<strong>de</strong>r, d.h., sie können also durchaus operativ verfahren.Sie gewichten allerdings die verschie<strong>de</strong>nen Informationenan<strong>de</strong>rs und verknüpfen sie nach an<strong>de</strong>ren Regelnals ErwachseneMan sollte sich also von <strong>de</strong>r Vorstellung lösen, daß ein Individuumdie Fähigkeiten eines einmal erworbenen Denkniveauskonsequent und in allen Situationen und Problemenanwen<strong>de</strong>t. Je<strong>de</strong>s individuelle kognitive System(Schema) ist mehr o<strong>de</strong>r min<strong>de</strong>r beschränkt auf die Situationen,in <strong>de</strong>nen es erlernt wur<strong>de</strong> und auf die Elemente undihre Beziehungen, die es strukturiert. Beson<strong>de</strong>rs formaleDenkoperationen entstehen bei je<strong>de</strong>m Individuum in seinerAuseinan<strong>de</strong>rsetzung mit spezifischen Problemen, sindalso die Konsequenz seiner einmaligen und individuellenLebensgeschichte. Die Aktualisierung unterschiedlich differenzierterund integrierter Struktursysteme hängt selbstwie<strong>de</strong>r mit <strong>de</strong>r Bereichsspezifität <strong>de</strong>r einzelnen Systemeund ihrer Bindung an spezifische, situative und motivationaleFaktoren und Bedingungen zusammen.Bekanntlich hat sich Piaget wenig für die Verän<strong>de</strong>rungen<strong>de</strong>r Schemata <strong>de</strong>r Intelligenz bei Erwachsenen interessiert.Die Entwicklung <strong>de</strong>r Intelligenz vollzieht sich ehernicht in streng hierarchisch aufeinan<strong>de</strong>rfolgen<strong>de</strong>n Stufen,son<strong>de</strong>rn durch eine kontinuierliche Ausweitung und Verzahnungmit an<strong>de</strong>ren Fähigkeiten. In <strong>de</strong>n meisten Situationensind sensomotorische, kognitive und soziale Intelligenz,Gefühle, Werte und Ziele gleichzeitig gefor<strong>de</strong>rt. Piagethat immer wie<strong>de</strong>r <strong>de</strong>utlich gemacht, daß die kognitiveEntwicklung ohne <strong>de</strong>n Einfluß <strong>de</strong>r sozialen Interaktionnicht verständlich ist. Ohne soziale Beziehungen wür<strong>de</strong>das Individuum die verschie<strong>de</strong>nen Formen seines Egozentrismusnicht überwin<strong>de</strong>n können. Trotz<strong>de</strong>m kann nichtübersehen wer<strong>de</strong>n, daß Piaget die konkrete Analyse sozialerEinflüsse vernachlässigt hat. Damit hat er <strong>de</strong>m Mißverständnis,seine Theorie sei eine Reifungstheorie, Vorschubgeleistet.EgozentrismusPiaget verwen<strong>de</strong>t <strong>de</strong>n Begriff Egozentrismus vielfältig,z.B.:• zur Bezeichnung <strong>de</strong>r Unfähigkeit, sich in die Rolle einesan<strong>de</strong>ren hineinzuversetzen,• <strong>de</strong>n Blickwinkel eines an<strong>de</strong>ren einzunehmen o<strong>de</strong>r• die eigene aktuelle Sichtweise (Wahrnehmung o<strong>de</strong>rMeinung) als eine unter mehreren Möglichkeiten zubegreifen.Ein Kind dieses Alters hat noch keine Zweifel, ob <strong>de</strong>r Gesprächspartnerverstan<strong>de</strong>n hat, was es sagt, es fragt nichtnach. Es weiß nicht, daß <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>re die Dinge vielleichtnicht so versteht und sieht, wie es selbst. Es sieht daherauch keine Veranlassung, seine Ansichten zu rechtfertihttp://www.stangl-taller.at

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