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E<br />
FREIBURG RECHT Samstag, 28. November 2009<br />
Umfang elterlicher Aufsichtspflicht<br />
BGH- Entscheidung. Wer haftet bei durch Kinder verursachten Schäden? Bereits ab einem Alter von vier Jahren dürfen<br />
Kinder ohne ständige Überwachung im Freien, auf Spielplätzen und Straßen spielen. Von Emiliano Santeusanio<br />
in siebeneinhalb sowie ein<br />
fünfeinhalb Jahre altes Kind<br />
hatten an geparkten Autos<br />
Schäden verursacht. Fraglich war in<br />
einem Verfahren vor dem Bundesgerichtshof<br />
(BGH), ob Ansprüche gegen<br />
die Eltern wegen Verletzung der Aufsichtspflicht<br />
bestehen.<br />
Nach der Rechtsprechung des BGH<br />
bestimmt sich das Maß der gebotenen<br />
Aufsicht nach Alter, Eigenart<br />
und Charakter des Kindes sowie danach,<br />
was den Eltern in ihren jeweiligen<br />
Verhältnissen zugemutet werden<br />
kann. Entscheidend ist, was verständige<br />
Eltern nach vernünftigen<br />
Anforderungen unternehmen müssen,<br />
um die Schädigung Dritter<br />
durch ihr Kind zu verhindern. Dabei<br />
kommt es darauf an, ob der Aufsichtspflicht<br />
nach den besonderen<br />
Gegebenheiten des konkreten Falles<br />
genügt worden ist. Nicht entscheidend<br />
ist also, ob die Eltern allgemein<br />
ihrer Aufsichtspflicht genügt haben.<br />
Als Maßstab diente dem BGH im<br />
vorliegenden Fall ein normal entwickeltes<br />
Kind im entsprechenden<br />
Alter sowie die Frage, ob Umstände<br />
vorliegen, die im Hinblick<br />
auf das jeweilige<br />
Kind zu einer gesteigerten<br />
Aufsichtspflicht<br />
führen.<br />
Bei einem siebenjährigen<br />
Kind ist das<br />
unbeaufsichtigte Spielenlassen<br />
auf einem<br />
Spielplatz über einen<br />
Zeitraum von bis zu<br />
zwei Stunden in Verbindung<br />
mit der Belehrung, den<br />
Spielplatz nicht zu verlassen, nach<br />
dem BGH nicht zu beanstanden. Bereits<br />
in einem Alter ab vier bis fünf<br />
Jahren dürfen Kinder ohne ständige<br />
Überwachung im Freien, zum Beispiel<br />
auf einem Spielplatz, Sportgelände<br />
oder in einer verkehrsarmen<br />
Straße auf dem Gehweg spielen und<br />
müssen dabei nur gelegentlich beobachtet<br />
werden. Regelmäßig ist ein<br />
Kontrollabstand von höchstens 30<br />
Minuten ausreichend, um das Spiel<br />
von bisher unauffälligen vier- bis<br />
fünfjährigen Kindern außerhalb des<br />
elterlichen Hauses zu überwachen.<br />
Bei Kindern im Alter von sieben bis<br />
acht Jahren, die regelmäßig in grö-<br />
Foto: Privat<br />
Rechtsanwalt<br />
Emiliano Santeusanio<br />
ßerem Maße in die<br />
Selbstständigkeit entlassen<br />
sind, ist weder<br />
eine Überwachung auf<br />
„Schritt und Tritt“ noch<br />
eine regelmäßige Kontrolle<br />
in kurzem, etwa<br />
halbstündigen Zeitabständen<br />
wie bei kleineren<br />
Kindern erforderlich.<br />
Grundsätzlich<br />
muss Kindern in diesem<br />
Alter, wenn sie normal entwickelt<br />
sind, das Spielen im Freien auch ohne<br />
Aufsicht in einem räumlichen<br />
Bereich gestattet sein, der den Eltern<br />
ein sofortiges Eingreifen nicht ermöglicht.<br />
Zum Spiel der Kinder gehört<br />
auch, Neuland zu entdecken<br />
und zu „erobern“. Dies kann ihnen<br />
nicht allgemein untersagt werden,<br />
wenn damit nicht besondere Gefahren<br />
für das Kind oder für andere verbunden<br />
sind. Es muss vielmehr bei<br />
Kindern dieser Altersstufe, die in der<br />
Regel den Schulweg allein zurücklegen,<br />
im allgemeinen genügen, dass<br />
die Eltern sich über das Tun und<br />
Treiben in groben Zügen einen<br />
Überblick verschaffen, sofern nicht<br />
konkreter Anlass zu besonderer<br />
Aufsicht besteht. Andernfalls würde<br />
man jede vernünftige Entwicklung<br />
des Kindes, insbesondere der Lernprozess<br />
im Umgang mit Gefahren,<br />
hemmen. Die Kenntnis vom Aufenthaltsort<br />
des Kindes sowie die Beleh-<br />
rung, keine fremden Sachen zu beschädigen<br />
und der Anweisung, den<br />
Parkplatz nicht zu betreten, waren<br />
im Fall des siebenjährigen Kindes<br />
nach Ansicht des BGH ausreichend,<br />
um der elterlichen Aufsichtspflicht<br />
zu genügen.