download - ZEITUNG AM SAMSTAG
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Samstag, 28. November 2009 STADTGESPRÄCH FREIBURG 3<br />
D<br />
er Fußballspieler Philipp<br />
Lahm wurde von seinem Arbeitgeber,<br />
dem FC Bayern<br />
München, wegen eines sachlichen<br />
Interviews, das er ohne Absegnung<br />
des Vereins mit der Süddeutschen<br />
Zeitung führte, mit einer Rekordgeldstrafe<br />
belegt. Ob dieses Verhalten<br />
des Arbeitgebers nun als Beispiel für<br />
Arbeitnehmer allgemein gelten soll<br />
oder für viele Vertragsamateure im<br />
Fußball abschreckend wirken kann,<br />
besprach Michael Zäh mit dem Freiburger<br />
Anwalt und Spezialist für Arbeits-<br />
und Sozialversicherungsrecht<br />
Thomas Muschiol, der auch als Vorsitzender<br />
der Sportfreunde Eintracht<br />
Freiburg fungierte und so den Fußball<br />
als Verantwortlicher kennt.<br />
Zeitung am Samstag: Herr Muschiol,<br />
nach dem Grundgesetz, Artikel fünf,<br />
ist jedem garantiert, dass er seine<br />
Meinung frei äußern darf. Wenn nun<br />
ein Arbeitnehmer wie Philipp Lahm<br />
dafür eine Geldstrafe aufgebrummt<br />
bekommt – wie ist das gegeneinander<br />
abzuwägen?<br />
Thomas Muschiol: Das Grundgesetz<br />
kann man als Arbeitnehmer zwar<br />
nicht direkt ins Feld führen. Man<br />
spricht aber hier über eine Drittwirkung<br />
der Grundrechte, insbesondere<br />
bei der Auslegung von Klauseln, die<br />
hier eine Vertragsstrafe nach sich ziehen<br />
sollen. Da spielt dann die Frage,<br />
ob hier Grundrechte beschnitten werden,<br />
eine nicht unerhebliche Rolle<br />
ZaS: Im Falle Lahm würde also im<br />
Falle eines Prozesses sein Recht auf<br />
Meinungsfreiheit gegen die Klauseln<br />
seines Vertrages abgewogen?<br />
Muschiol: Richtig. Und ich könnte<br />
mir denken, dass das für Hoeneß in<br />
einen Teufelskreis<br />
geführt hätte. Denn<br />
bezüglich der Vertragsklauseln<br />
gibt es<br />
zwei Möglichkeiten:<br />
Entweder es steht<br />
nur etwas sehr Allgemeines<br />
im Vertrag,<br />
so nach dem<br />
Motto, wenn sich der Arbeitnehmer<br />
nicht so benimmt, wie wir das wollen,<br />
können wir eine Vertragsstrafe aussprechen.<br />
Eine solche Klausel wäre<br />
aber ohnehin unwirksam. Hier gibt es<br />
eine klare Rechtsprechung, die da<br />
sagt, wenn eine Klausel zu unbe-<br />
Foto: privat<br />
„Wer bestimmt<br />
denn, was nun zu<br />
kritisch ist? Nicht<br />
der Arbeitgeber.“<br />
Da könnte Hoeneß im<br />
Teufelskreis landen<br />
Thomas Muschiol über unwirksame Vertragsklauseln im Fußball<br />
stimmt ist, dann hat sie keinen Bestand.<br />
Wenn aber im Vertrag eine<br />
sehr genaue Beschränkung steht,<br />
zum Beispiel, dass sich ein Fußballer<br />
nicht öffentlich über bestimmte Dinge<br />
äußern darf, dann käme das<br />
Grundgesetz ins Spiel. Denn ihm<br />
konkret seine Meinung zu verbieten,<br />
das geht gar nicht. Da steckt der Arbeitgeber<br />
in der<br />
Bredouille. Macht er<br />
sein Verbot sehr genau,<br />
dann verstößt<br />
das gegen die allgemeineMeinungsfreiheit.<br />
Macht er es<br />
zu unbestimmt, um<br />
sich alles offen zu<br />
halten, dann gilt es ohnehin nicht.<br />
ZaS: Wenn der Arbeitgeber aber nun<br />
sagen würde, der Spieler dürfe keine<br />
kritischen Äußerungen gegenüber<br />
dem Verein machen?<br />
Muschiol: Das würde nicht gehen.<br />
Denn wer bestimmt denn, was nun<br />
zu kritisch ist? Das wäre ja dann Auslegungssache.<br />
Aber der Arbeitgeber<br />
darf nicht in die Lage versetzt werden,<br />
zu bestimmen, was kritisch ist<br />
und was nicht.<br />
ZaS: Wer bestimmt also, was beispielsweise<br />
vereinsschädigend ist?<br />
Muschiol: Das kann ich als Arbeitgeber<br />
nur behaupten und beispielsweise<br />
eine Abmahnung verfassen. Aber im<br />
Normalfall geht das dann vor Gericht.<br />
Und nur diese Instanz kann das<br />
beurteilen, und nicht einfach der Arbeitgeber<br />
per order mufti.<br />
ZaS: Nun stehen ja gerade die Profis<br />
in der Bundesliga ständig unter Zugzwang,<br />
weil die Medien permanent<br />
nach ihrer Meinung fragen. Und man<br />
will die originäre Sichtweise etwa<br />
von Philipp Lahm hören, und nicht<br />
die von Uli Hoeneß. Kann da den<br />
Spielern bei Strafe verboten werden,<br />
ihre eigene Ansicht zu äußern?<br />
Muschiol: Ich bin der Auffassung,<br />
dass man einen Maulkorberlass, in<br />
dem Sinne, dass du den Vorstand<br />
nicht erwähnen darfst oder keinerlei<br />
Kritik an der Vereinsphilosophie üben<br />
darfst, in keinem Fall arbeitsrechtlich<br />
wirksam erlassen kann.<br />
ZaS: Wo sind die Grenzen?<br />
Muschiol: Wenn einer sagt, meines<br />
Erachtens fehlen uns fünf Spieler auf<br />
bestimmten Positionen, dann kann<br />
das nicht wirksam<br />
sanktioniert werden.<br />
Wenn einer<br />
sagt, der Hoeneß<br />
macht alles falsch,<br />
dann wird es wieder<br />
schwierig. Und dazwischen<br />
gibt es<br />
Grauzonen.<br />
ZaS: Fußballer repräsentieren ja auch<br />
Verhaltensweisen in unserer Gesellschaft<br />
insgesamt. Und gerade hier<br />
stellen sich Vereinsbosse hin und sagen<br />
in der Öffentlichkeit, dass ihre<br />
Angestellten zu Recht bestraft würden,<br />
wenn sie Kritik üben. Gibt das<br />
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„Wenn es zum<br />
Schwur kommt,<br />
halte ich mich<br />
nicht daran“<br />
nicht ein schlechtes Beispiel ab?<br />
Muschiol: Die das sagen, meinen,<br />
dass das geht. Juristisch gesehen geht<br />
das aber gar nicht. Eine Klausel, die<br />
besagt, dass jedes Interview per se nur<br />
in Abstimmung mit dem Verein gegeben<br />
werden darf, ist nicht haltbar.<br />
ZaS: Aber aus genau diesem Grund<br />
musste Philipp Lahm eine hohe Vertragsstrafe<br />
zahlen.<br />
Muschiol: Eine Klausel – wenn du<br />
Interviews gibst und dich vereinsschädigend<br />
verhältst, dann zahlst du,<br />
und wann das der Fall ist, bestimmen<br />
wir – das kann nicht sein. Das wäre<br />
sozusagen das Ende der Demokratie.<br />
ZaS: Wenn ich einen Spieler fragen<br />
würde: Was verdienst du eigentlich?<br />
Muschiol: Das ist etwas anderes. Da<br />
gilt eine Verschwiegenheitsklausel,<br />
die man wirksam abschließen kann.<br />
ZaS: Weil es hier nicht um Meinung,<br />
sondern um eine Information über<br />
Tatsachen geht.<br />
Muschiol: Genau. Das wird auch<br />
häufig verwechselt, wenn es um Beispiele<br />
aus der Wirtschaft geht. Da<br />
können etwa Betriebsgeheimnisse<br />
natürlich wirksam der Verschwiegenheit<br />
unterliegen. Aber eben nicht das<br />
persönliche Urteil über Zusammenhänge.<br />
Wie oft äußern sich etwa die<br />
Betriebsräte der Firmen über solche<br />
Dinge. Das ist erlaubt.<br />
ZaS: Wenn nun aber alle Vereine eben<br />
dieselben Maulkorb-Klauseln in ihren<br />
Verträgen haben, kann doch ein<br />
Fußballspieler sich dem gar nicht entziehen.<br />
Muschiol: Das ist nicht ganz richtig.<br />
Im Arbeitsrecht gibt es ja den schönen<br />
Grundsatz, dass ich alles mögliche<br />
unterschreiben kann. Aber wenn<br />
es dann zum Schwur kommt, halte<br />
ich mich einfach<br />
nicht daran. Wenn<br />
ich nämlich gegen<br />
eine unwirksame<br />
Klausel verstoße,<br />
bleibe ich im Recht.<br />
Auch wenn ich den<br />
Vertrag mit dieser<br />
Klausel selbst unterschrieben<br />
habe.<br />
ZaS: Ist nicht Vertrag halt Vertrag?<br />
Muschiol: Nein, im Arbeitsrecht gilt<br />
der Grundsatz, dass auf bestimmte<br />
Rechte nicht wirksam verzichtet werden<br />
kann. Egal, was abweichend davon<br />
unterschrieben wurde.<br />
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