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M<br />
anchmal erstarrt die SC-Gemeinde<br />
fast vor Ehrfurcht.<br />
Wenn ihr Trainer solche<br />
Dinge sagt: „Wir haben eine gewisse<br />
Philosophie, auch mit unserer Fußballschule,<br />
und die werden wir weiterhin<br />
durchziehen.“ (kicker, 23.11.) Man<br />
möchte sich dauerhaft in der Bundesliga<br />
etablieren. „Mit mauern schaffst<br />
du das vielleicht zwei, drei Jahre“, so<br />
Robin Dutt. Weshalb man seinen Offensivstil<br />
auch nach einer 0:6-Klatsche<br />
wie zuletzt gegen Werder Bremen<br />
nicht aufgeben wolle.<br />
Das klingt so mutig, ehrenhaft<br />
und perspektivisch gedacht, dass alle<br />
Beifall zollen. Dagegen tritt die doch<br />
naheliegende Frage eher in den<br />
Hintergrund, wo denn die Jungs aus<br />
der Fußballschule derzeit sind. Etwa<br />
das Paradebeispiel Andreas Glockner<br />
der alle Stationen durchlief, aber jetzt<br />
keine Einsatz-Zeiten mehr bekommt.<br />
Im Gegenteil hat Sportdirektor Dirk<br />
Dufner kund getan, dass der SC in der<br />
Winterpause einen Stürmer und<br />
gleich noch einen zentralen Mittelfeldspieler<br />
verpflichten will.<br />
Bei solch großen Entwürfen, über<br />
kommende Jahre hinweg, hätte ein<br />
berühmter Freiburger Philosoph wohl<br />
seinen legendären Satz gesagt: „Haben<br />
Sie nicht auch etwas Kleingeld<br />
dabei?“ Denn Dutt markiert natürlich<br />
nur den großen Bluff. Und hofft vielleicht<br />
darauf, dass keiner so richtig<br />
merkt, wie wenig die Realität auf dem<br />
Spielfeld mit den Aussagen über<br />
Philosophie und Offensivstil zu tun<br />
hat. Möglicherweise ist die bewusste<br />
Legendenbildung auch für jene in<br />
ganz Fußballdeutschland ausgedacht,<br />
die den SC Freiburg höchstens<br />
in der Zusammenfassung der Sportschau<br />
sehen. Um dann vom Hamburg<br />
bis München den Eindruck zu gewinnen,<br />
dass tapfere Freiburger immer<br />
nach vorne spielen. Und dass deren<br />
Trainer Robin Dutt eben ein Mann<br />
mit klaren Visionen sei. Das kann ja<br />
schließlich nicht schaden, so ein Ruf,<br />
wenn sie etwa in Stuttgart vielleicht<br />
doch mal einen Nachfolger für den<br />
unglücklichen Babbel suchen.<br />
Bundesliga.<br />
Sie verleihen der Liga im Herbst neuen<br />
Glanz: Kroos in Leverkusen, Özil in<br />
Bremen und Eduardo in Hoffenheim.<br />
Junge Spielmacher sind im Kommen.<br />
Seite 12<br />
SPORT<br />
Der große Bluff<br />
Da auch die Redaktionsstuben der<br />
örtlichen Monopolzeitung ein Hort<br />
der staunendem SC-Gemeinde sind,<br />
wird die Mär fortgesponnen: „Der<br />
Sportclub war gut eine Stunde, so unwahrscheinlich<br />
sich das bei einer<br />
flüchtigen Betrachtung des Ergebnisses<br />
anhören mag, ein ernstzunehmender<br />
Gegener gewesen“, schreibt die<br />
Badische Zeitung. Erst nach dem 0:3<br />
in der 57. Minute „fiel das Freiburger<br />
Konstrukt wie ein Kartenhaus in sich<br />
zusammen.“ Nun ja, es will sich natürlich<br />
keiner der „flüchtigen Betrachtung“<br />
des 0:6 schuldig machen. Eher<br />
schon sollten die Legendenbilder dem<br />
geneigten Beobachter erklären, welche<br />
tapferen Offensivspielzüge die<br />
Dutt-Elf in der ersten Halbzeit nach<br />
der 20. Minute noch vorgetragen haben<br />
soll. Da traf Werder Bremen zwei<br />
Mal Latte und Pfosten und vergab vier<br />
Mal nur um Zentimeter. Da wurde der<br />
SC Freiburg regelrecht schwindelig<br />
gespielt und hätte in der Pause locker<br />
schon mit 0:3 hinten liegen müssen.<br />
Da gab es aber vor allem nicht den<br />
zartesten Hauch von Offensivbemühumgen.<br />
Nichts, nada, null.<br />
Der Bluff, herbe Niederlagen halt<br />
damit erklären zu wollen, dass man<br />
eben nach vorne spiele, statt hinten<br />
zu „mauern“, mag ja der guten Sache<br />
dienen, die Spieler vor dem besonders<br />
wichtigen Spiel in Nürnberg wieder<br />
neu zu motivieren. Aber er ist doch<br />
auch zu einfach, um den gleichzeitig<br />
beschworenen langjährigen Verbleib<br />
in der Bundesliga damit sichern zu<br />
können. Robin Dutt tut so, als würden<br />
die nun schon 30 Gegentore (kein<br />
Team hat mehr bekommen) darin begründet<br />
sein, dass seine Mannen die<br />
Offensive suchen. Mal ganz davon<br />
abgesehen, dass ein mutiges Spiel<br />
nach vorne nach der 20. Minute nicht<br />
mehr zu sehen war, sind vor allem die<br />
vielen Torchancen der Bremer nicht<br />
durch Kontersituationen entstanden.<br />
Auch die der Hoffenheimer nicht, im<br />
Heimspiel zuvor. Und auch nicht die<br />
der Bayern, der Frankfurter oder der<br />
Leverkusener. Denn auch dort war die<br />
Aufnahme in der Defensive das Problem<br />
und fanden offensive Spielzüge<br />
nur sehr phasenhaft statt (vielleicht<br />
30 Minuten gegen Leverkusen in der<br />
Anfangsphase, kaum welche gegen<br />
Frankfurt oder die Bayern und in der<br />
ersten Halbzeit gegen Hoffenheim<br />
ebenfalls nicht).<br />
Man nehme das 0:1 der Bremer<br />
als Beispiel: Als Boenisch auf Höhe<br />
der Mittellinie in Ballbesitz ist und<br />
von Caligiurie angegriffen wird, sind<br />
die Freiburger im Abwehrverbund<br />
deutlich in Überzahl. Drückt man hier<br />
im Geiste auf die Stopptaste, zeigt<br />
sich allerdings ein rätselhaftes Verhalten<br />
der Viererkette. Warum ist da<br />
Heiko Butscher auf der ganz weit entfernten<br />
linken Abwehrseite direkt an<br />
der Außenlinie? Bastians ist also entsprechend<br />
einige Meter weiter innen,<br />
aber ebenfalls ohne jede Chance, in<br />
das folgende Geschehen eingreifen<br />
zu können. So klafft ein riesiges Loch<br />
auf der rechten Abwehrseite, wo in<br />
der Mitte Krmas gegen Almeida steht<br />
und Makiadi mehrere Scheunentore<br />
Raum zu verteidigen hat. Als dann<br />
Boenisch den einfachen Pass an der<br />
Linie entlang in den wirklich kaum<br />
zu übersehenden freien Raum spielt,<br />
in den Özil aus der Mitte heraus<br />
sprintet, ist Makiadi überspielt und<br />
Krmas steht allein gegen zwei. Kein<br />
30 jahre Hoeneß.<br />
Seine Bilanz ist einzigartig: Als Uli Hoeneß<br />
1979 als Manager des FC Bayern anfing,<br />
machte der Verein 12 Millionen Mark<br />
Umsatz. Bei seinem Abschied ins Ehrenamt<br />
sind es 300 Millionen Euro. Seite 14<br />
SC-Trainer Robin Dutt nährt die Mär, dass seine Mannschaft wegen offensiver Spielausrichtung solche Klatschen wie<br />
zuletzt beim 0:6 gegen Bremen hinnehmen müsse. Das ist aber reine Legendenbildung. Von Michael Zäh<br />
Foto: Witters<br />
Seltene Spezies<br />
Samstag, 28. November 2009<br />
Motivation für die Seinen: Nach fünf Niederlagen in den letzten sechs Spielen will Dutt den Sieg in Nürnberg<br />
Koks und Schweinebraten<br />
Wunder, dass Özil den perfekten Pass<br />
auf den jetzt allein gelassenen Hugo<br />
Almeida spielt (da sich Krmas ja dem<br />
ballführenden Özil nähern muss). Es<br />
gab diesbezüglich dann ein großes<br />
Geschrei diverser Kommentatoren,<br />
dass Makiadi ja kein gelernter Verteidiger<br />
sei. Aber der konnte hier nicht<br />
wirklich etwas ausrichten, wie auch<br />
Krmas nicht. Der gewohnte Reflex<br />
auf diesem Spielniveau wäre ja gewesen,<br />
dass sich die Viererkette<br />
längst zur Angriffsseite der Bremer<br />
hin verschoben hätte: Butscher von<br />
der linken Außenlinie hin zur Mitte,<br />
Bastians entsprechend, um Krmas<br />
und Makiadi dadurch mehr Handlungsspielraum<br />
auf der rechten Seite<br />
zu geben, wo der Bremer Ball gespielt<br />
wurde. In diesem Fall hätte Krmas<br />
von vornherein mit Özil mitgehen<br />
können, da Bastians Almeida übernommen<br />
hätte.<br />
Solche Abstimmungsprobleme<br />
im Defensivverbund können ja mal<br />
passieren. Dem SC Freiburg passiert<br />
das aber dauernd. Und das hat nichts<br />
damit zu tun, dass man offensiv ausgerichtet<br />
sei. Eher schon damit, dass<br />
auch die Sechserpositionen, zuletzt<br />
mit Banovic und Schuster besetzt,<br />
hier mangels Schnelligkeit und Zweikampfwerten<br />
ebenfalls nicht in der<br />
Not aushelfen können. Wohin sind<br />
eigentlich Flum und Uzoma verschwunden,<br />
die zumindest defensiv<br />
aggressiver wirken? So lädt man halt<br />
Gegner trotz eigener Überzahl ein,<br />
klaffende Lücken zu nutzen.<br />
Es bleibt ein Rätsel, warum solch<br />
eklatante Schwächen mit der Mär<br />
vom tapferen Offensivspiel übertüncht<br />
werden sollen. Im jetzt schon<br />
vorentscheidenden Spiel um die Verteidigung<br />
eines Nichtabstiegsplatzes<br />
in Nürnberg trifft man auf eine Elf,<br />
die zuletzt in Wolfsburg tatsächlich<br />
über 90 Minuten mutig nach vorne<br />
spielte – und gewann. Sollte es Robin<br />
Dutt mit seiner „Philosophie“ ernst<br />
meinen, müsste man dort ein tolles<br />
Spektakel sehen. Aber eine ehrliche<br />
Abwehrschlacht ums sportliche<br />
Überleben täte es auch.