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Der Brandenburger Sozialindex - Land Brandenburg

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-:Originalarbeitfinden soll. In der Gesundheitsberichterstattung wird ein einfacherund zudem auch wiederholt zu benutzender <strong>Sozialindex</strong>benötigt.Für die sozialepidemiologische Studien hat die Arbeitsgruppe"Epidemiologische Methoden" 1998 [4] eine Empfehlung zurVerwendung soziodemographischer Merkmale veröffentlicht(zur weiteren Diskussion siehe [5]). Für die Gesundheitsbericht -erstattung sind diese Empfehlungen anregend. Im <strong>Land</strong>esgesundheitsamt<strong>Brandenburg</strong> wurde für die sozialstatusbezogeneAuswertung von Einschulungsuntersuchungen ein einfaches <strong>Sozialindex</strong>modellentworfen, das auf den Indikatpren Bildungund Erwerbstätigkeit der Eltern fußt [6]. Damit'werden außerdem Einkommen zwei von drei zentralen Indikatoren für einevertikale Sozialschichteinteilung berücksichtigt [7].<strong>Der</strong> <strong>Sozialindex</strong> und die daraus gewonnene Sozialstatuseinteilungleistet zweierlei: <strong>Der</strong> <strong><strong>Brandenburg</strong>er</strong> <strong>Sozialindex</strong> dient (1)der Analyse gesundheitlicher Daten im Zusammenhang mit sozialerUngleichheit und (2) er zeigt Entwicklungstrends in derSozialstruktur der Einschülerfamilien auf. <strong>Der</strong> hier vorgestellte<strong>Sozialindex</strong> ist damit auch regelrecht ein Teil der Sozialberichterstattungim <strong>Land</strong> <strong>Brandenburg</strong>. Einschülerfamilien sind prototypische"junge Familien". In dem Sinne charakterisiert der In-.dex die soziale Entwicklung junger Familien im Bundesland<strong>Brandenburg</strong>.MethodikTZur ärztlichen Einschulungsuntersuchung gehört eine Sozialanamnese,die u. a. die Schulbildung und die Erwerbstätigkeitder Mütter und Väter umfasst. Die Sozialanamnese ist Teil derärztlichen Untersuchung in einem sozialmedizinischen Verständnis.Die Dokumentation der Daten steht in erster Linie imKontext der Qualitätssicherung ärztlichen Handeins. In zweiterLinie können die Daten auch für die Epidemiologie und GBEgenutztwerden. Dies wird an dieser Stelle betont, um auf die Ansprüchedes Datenschutzes hinzuweisen. Eine Datensammlungzu allein statistischen Zwecken wäre kaum zu legitimieren.In den <strong><strong>Brandenburg</strong>er</strong> <strong>Sozialindex</strong> gehen die Variablen Schulbildung(3-stufig) und die Erwerbstätigkeit (2-stufig) additiv ein.Das heißt, hiermit wird auch eine Gewichtung vorgenommen,wobei die Schulbildung mit etwas höherem Gewicht berücksichtigtwird. Anhand der Verteilung für das jahr 1994 wurdenzwei Grenzwerte festgelegt, die eine sinnvolle Dreiteilung derPopulation ermöglichen: niedriger Sozialstatus 4-6 Punkte,mittlerer Sozialstatus 7-8 Punkte und hoher Sozialstatus 9-10Punkte. (0 Abb. 1). Es wurde darauf geachtet, dass die meistenFamilien der mittleren Gruppe zugeordnet werden. Diese ersteZuordnung ist zwangsläufig willkürlich. Aber die wiederholteAnwendung der einmal festgelegten Zuordnungsregel auf eineReihe von jahren führt zu einer Vergleichbarkeit der Daten überdie jahre und erlaubt so eine Sicht auf einen Trend.Für die Bildung des <strong>Sozialindex</strong> muss jeweils mindestens eineAngabe zur Schulbildung und Erwerbstätigkeit von Vater oderMutter in den Daten vorhanden sein. Bei fehlenden Werten beieinem Elternteil wird der Wert des anderen Elternteils doppeltgewichtet, analog bei Alleinerziehenden. Dementsprechend istdie kleinste mögliche Summe 4, d.h. beide Eltern haben dieniedrigste Schulbildung und beide sind erwerbslos. Die größtemögliche Summe ist 10. In diesem Fall sind beide Elternteile erwerbstätigund haben die höchste Schulbildung.Punkteje ElternteilSchulbildungniedrige Schulbildung(fehlender Schulabschlussbzw.weniger als 10 1Klassen)Abb.lmittlere Schulbildung (10Klassen) 2Regelzur Einteilung in drei Sozialstatusgruppen.HoherSozialstatus9 -10 Punktehohe Schulbildung (mehrMilllererals 10 Klassen) 3Sozialstatus7 - 8 PunkteErwerbstätigkeitnicht erwerbstätig 1erwerbstätig (Voilzeit undNiedrigerTeilzeit) 2 Sozialstatus4 - 6 PunkteTab. 1 Ärztlich untersuchte Einschülerim <strong>Land</strong><strong>Brandenburg</strong> 1994 bis 2006und Vollständigkeit der Sozialdatenzur Bildung des<strong>Sozialindex</strong>(Quelle: LGA<strong>Brandenburg</strong>)untersuchteEinschülerinsgesamtuntersuchteKinder mitAngaben zumSozialstatusuntersuchteKinder mitAngaben zumSozialstatusJahr AnzahI AnzahI %1994 32,223 23,876 74.1 %1995 30.430 18,564 61.0%1996 (keine Daten wegen EDV-Umstellung)1997 25.718 17,555 68.3 %1998 18,502 12,732 68.8%1999 16,140 12,926 80.1 %2000 15,641 12,931 82.7%2001 16,191 14,564 90.0%2002 17,462 15,857 90.8%2003 19.401 18,187 93.7%2004 19,592 18.437 94.1 %2005 24,706 22,995 93.1 %2006 22,755 21,809 95.8%Quelle: LGA<strong>Brandenburg</strong>.Sozialstatus nach <strong><strong>Brandenburg</strong>er</strong> <strong>Sozialindex</strong> (Erwerbstätigkeit und Schulbildung:vgl. Einführung)<strong>Der</strong> Anteil fehlender Werte in den Sozialdaten ist seit 1994 biszur Gegenwart stark gesunken. Insbesondere seit Ende der 90erjahre sieht die Datenlage günstig aus - 2006 konnte für 96 %derEinschüler der <strong>Sozialindex</strong> bestimmt werden (0 Tab. 1). Nachden Erfahrungen im <strong>Land</strong> <strong>Brandenburg</strong> ist die Steigerung nichtdarauf zurückzuführen, dass Antwortverweigerungen zurückgegangensind. Diese kamen und kommen sehr selten vor. Vielmehrist Bereitschaft der untersuchenden Kinderärzte gestiegen,die Sozialanamnese zu leisten und zu dokumentieren. Aus EDVtechnischenGründen liegen für das jahr 1996 keine Daten vor. Inder Ergebnisdarstellung sind die Werte für 1996 extrapoliert.ErgebnisseTErstmals im Report über die gesundheitliche und soziale Lagevon Einschülern 1999 (MASGF1999 [8]) wurden Auswertungenmit dem <strong><strong>Brandenburg</strong>er</strong><strong>Sozialindex</strong>publiziert.Seitdem hat esBöhmA et al. <strong>Der</strong><strong><strong>Brandenburg</strong>er</strong><strong>Sozialindex</strong>:einWerkzeug... Gesundheitswesen2007; 69: 555-559


_ioriginalarbeit45%40%35%30%25%20%15%10%5%0%Ili_-1::'"r----- (51:: Q.'"I-Q;r--------wr- ----.I{) w r-- co '" 0 N '" I{)'" '" '" '" '"N '"'" '" '" '" '" '" 0 '" '" '" '" '" 0"'10 0 0 0 0 0 0 '" '" '" '" '" '" 0 0 0 0 0 0 0,-:giTffili '" 0 0wN N N N N N N N N N N N II{) N NVaterMutter;---Abb.4 Nichterwerbstätigkeitder ElternvonEinschülernim Trend.* für 1996 sind wegen einer EDV-Umstellung keine Daten vorhandenAbb.5 Einschülerfamilienmit niedrigem Sozialstatusnach kreisfreien Städtenund Kreisen und Kreisteileninnerer Verflechtungsraum{äußerer Entwicklungsraum,2006.\Anteil der Familien mitniedrigem Sozialstatus 2006bis 15%16% bis 20%21% bis 25%mehr als 25%naler Perspektive genutzt werden. Dies gilt für das <strong>Land</strong> insgesamtaber auch für einzelne <strong>Land</strong>kreise, die sowohl Berlin nahewie auch Berlin ferne Anteile haben.Wie der Sozialstatus der Einschüler mit einem Merkmal der Gesundheitzusammenhängt, wird beispielhaft mit der AbbildungSprachstörungen bei Einschülern (c Abb. 6) deutlich. Es zeigtsich das bekannte Treppenmuster des sozialen Gradienten. DieAuswertung nach Geschlecht deutet darüber hinaus darauf hin,dass es eine Risikogruppe gibt: Jungen aus Familien mit niedrigemSozialstatus.Böhm A et al. <strong>Der</strong> <strong><strong>Brandenburg</strong>er</strong> <strong>Sozialindex</strong>: ein Werkzeug... Gesundheitswesen 2007; 69: 555-559


25%20%15%10%5%0%Abb.6niedrigerSozial statusmittlererSozialstatus!!j Jungen11Mädchenhoher SozialstatusSprachstörungen bei EinschülernnachSozialstatusundGeschlecht, 2005 (medizinisch relevante Sprach-und Sprechstörungen,Funktionsgruppen 2 und 3; Quelle: eigene Daten).DiskussionTDas <strong><strong>Brandenburg</strong>er</strong> Sozialstatusmodell wurde 1999 erstmals füreinen <strong><strong>Brandenburg</strong>er</strong> Report zur Gesundheit von Einschülernverwendet. Inzwischen wird er regelmäßig für kommunale Gesundheitsberichteim <strong>Land</strong> <strong>Brandenburg</strong> und auch darüber hinausgenutzt (z.B. in Berlin [10]). Gerade in der kommunalenGBEdürfte der <strong>Sozialindex</strong> dazu beigetragen haben, dass das Bewusstseinüber gesundheitliche und soziale Ungleichheit in<strong>Brandenburg</strong> gewachsen ist.Die Gesundheitsberichterstattung kann mit dem <strong>Sozialindex</strong>,den Zusammenhang zwischen Gesundheit und sozialenMerkmalen bei Einschülern einfach, nachvollziehbar undüber die Jahre kontinuierlich darstellen. Aber die über denIndex gebildeten Gruppen sind keine realen gesellschaftlichenGruppen. Man kann beispielsweise nicht unmittelbarfür die Kinder aus der unteren Sozialstatusgruppe sozialkompensatorischeMaßnahmen planen und einführen. DieEinteilung in die Sozialstatusgruppen bleibt letztlich abstrakt.Allerdings lassen sich die <strong>Sozialindex</strong>daten mit weiterenDaten der jungen Familien verknüpfen. Im jüngstenReport über die Gesundheit kleiner Kinder im <strong>Land</strong> <strong>Brandenburg</strong>[11] wurde untersucht, wie die Gesundheit der Kindervon Alleinerziehenden, von Kindern mit vielen Geschwisternund solchen, die keine Kitas besucht haben, ausfällt.Für diese "realen" Gruppen zeigte sich durchweg, dass dieMerkmale Alleinerziehung, Geschwisterzahl oder keine In-Originalarbeitlanspruchnahmevon Kitas für sich genommen kaum mit derGesundheit der Kinder in Verbindung stehen. Aber über den<strong>Sozialindex</strong> können die gesundheitlichen Unterschiede aufgeklärtwerden. .Nach einer Änderung des Kitagesetzes im <strong>Land</strong> <strong>Brandenburg</strong>wird der <strong>Sozialindex</strong> seit Juni 2007 für eine sozialkompensatorischeZuweisung von Fördergeldern des <strong>Land</strong>es an die <strong>Land</strong>kreiseund kreisfreien Städte genutzt. Die für die Sprachförderungin Kitas vorgesehenen Gelder werden zur einen Hälfte nachder Anzahl von Kindern ausgereicht, zur anderen Hälfte abernach der Zahl von Einschülerfamilien mit niedrigem Sozialstatus.Man geht davon aus, dass der Bedarf nach kompensatorischerSprachförderung regional variiert und dass der <strong>Sozialindex</strong>der Einschülerfamilien hierfür Hinweise liefert. So wird einIndikator der Sozial- und Gesundheitsberichterstattung auchzur politisch gewollten Steuerung verwendet.Literatur1 Helmert U. Soziale Ungleichheit und Krankheitsrisiken. Beiträge zurSozialpolitikforschung Bd. 13. Augsburg: Maro 20032 Mielck A. Soziale Ungleichheit und Gesundheit. Bern: Huber 20003 Lampert T, Kroll LE. Die Messung des sozioökonomischen Status insozialepidemiologischen Studien. In: Richter, Hurrelmann K (Hrsg).Gesundheitliche Ungleichheit - Theorien, Konzepte und Methoden.Wiesbaden: VS Verlag 20064 Arbeitsgruppe Epidemiologische Methoden in der DAE,der GMDS undder DGSMPMessung und Quantifizierung soziographischer Merkmalein epidemiologischen Studienwww.rkLde (1998), (Zugriff am10.6.2007)5 Lampert T, Kroll LE. Die Messung des sozioökonomischen Status insozialepidemiologischen Studien. In: Richter, Hurrelmann K (Hrsg).Gesundheitliche Ungleichheit - Theorien, Konzepte und Methoden.Wiesbaden: VS Verlag 20066 Böhm A, Ellsäßer G,Kuhn], Lüdecke K.Sozialepidemiologische Methodenfür die Praxis: Ein <strong>Sozialindex</strong> für die kommunale Gesundheitsberichterstattung.Poster präsentiert auf der 9.jahrestagung der DeutschenArbeitsgemeinschaft für Epidemiologie (DAE), 6.-7.9.2001 inGarmisch- Partenkirch en.7 Winkler ], Stolzenberg H. <strong>Der</strong> Sozialschichtindex im Bundes-Gesundheitssurvey.Das Gesundheitswesen 1994; 61: 178-1838 MASGF.Einschüler in <strong>Brandenburg</strong>: Soziale Lage und Gesundheit1999. Potsdam: Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit undFrauen des <strong>Land</strong>es <strong>Brandenburg</strong> 19999 <strong>Land</strong>esgesundheitsamt <strong>Brandenburg</strong> <strong><strong>Brandenburg</strong>er</strong> Sozialindikatoren2005. 2006 (www.lasv.brandenburg.de ; Zugriff am 25.6.2007)10 Delekat D, Kis A. Zur gesundheitlichen Lage von Kindern in Berlin.Berlin: Berliner Senatsverwaltung für Arbeit, Soziales und Frauen200111 MASGF.Wir lassen kein Kindzurück. Soziale und gesundheitliche Lagevon kleinen Kindern im <strong>Land</strong> <strong>Brandenburg</strong>. Beiträge zur Sozial- undGesundheitsberichterstattung Nr.5. Potsdam: Ministerium für Arbeit,Soziales, Gesundheit und Familie des <strong>Land</strong>es <strong>Brandenburg</strong> 2007BöhmA et al. <strong>Der</strong> <strong><strong>Brandenburg</strong>er</strong> <strong>Sozialindex</strong>: ein Werkzeug ... Gesundheitswesen 2007: 69: 555-559

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