Heimat THEMA, Seite 20 - VSETH - ETH Zürich

Heimat THEMA, Seite 20 - VSETH - ETH Zürich Heimat THEMA, Seite 20 - VSETH - ETH Zürich

12.07.2015 Aufrufe

24 ETHWeltinterview«Wir müssen gutsein, um besserzu werden»ETHWeltIm Interview verrät der neue ETH Rektor Lino Guzzella, wieso sein eigenerLehrstil zuweilen als militärisch empfunden wird, welche Zieleer während seiner vierjährigen Amtszeit erreichen möchte und wiesoeine Erhöhung der Studiengebühren im Bereich des Möglichen liegt.Interview und Fotos: Ken ZumsteinHerr Guzzella, was bedeutet für SieHeimat?Lino Guzzella: Heimat ist für mich dort, wodie Menschen sind, die mir etwas bedeuten.Das sind meine Familie, Freunde, Bekannteund Berufskollegen.Also ist auch die ETH für Sie ein StückHeimat?Nicht nur. Aber die ETH ist sicher auch einStück Heimat, schliesslich verbringe ich hierden grössten Teil meines Tages.Dasselbe gilt wohl auch für viele ETH-Studenten ...Mir ist klar, dass wir viel von unseren Studentinnenund Studenten verlangen. Der Leistungsgedankeist an der ETH sehr zentral.Wir müssen gut sein, um besser zu werden.Schliesslich wollen wir auch die bestmöglicheAusbildung anbieten, was wiederum hilft,die klügsten Köpfe nach Zürich zu bringen.Gleichzeitig soll die ETH aber für die Studierendenauch zu einer Art Heimat werden. Siesollen sich hier willkommen fühlen.Was macht gute Lehre aus?Drei Elemente sind für mich zentral: Engagement,Professionalität und Kreativität. Dasgilt sowohl für den Dozenten als auch für dieStudierenden. Es reicht nicht, dass der Dozentgut ist. Auch die Studenten müssen essein. Gute Lehre entsteht nur dann, wenn einechter Dialog zwischen Lehrenden und Lernendenstattfindet.Ihr eigener Lehrstil polarisiert. Währenddie einen Ihre geduldige Art undIhren Enthusiasmus loben, fürchtensich andere vor Ihrem militärischenAuftreten.Sehr gut (schmunzelt). Spass beiseite: In derLehre sind Emotionen wichtig. Natürlich willich als Dozent, dass sich meine Begeisterungfür das Fach auf die Studenten überträgt.Wenn einige meinen Stil nicht mögen undmich doof finden, kann ich damit leben. Nurlangweilen darf ich nicht. Ich stecke viel Arbeitin meine Vorlesungen. Von meinen Studentenerwarte ich im Gegenzug die gleicheProfessionalität. Vergessen wir nicht: DerSchweizer Steuerzahler steckt viel Geld indie ETH. Es ist ein riesiges Privileg hier seinzu dürfen. Wir sind darum alle verpflichtet,unser Bestes zu geben.Sehen es wirklich alle Dozenten alsPrivileg an, hier unterrichten zudürfen?Menschen sind nun mal Menschen. Auch mirgelingt nicht jede Vorlesung gleich gut. Fehlermachen wir alle – dafür hab ich volles Verständnis.Wofür ich aber kein Verständnishabe ist, wenn der Wille fehlt, es beimnächsten Mal besser zu machen.Welches sind Ihre konkreten Ziele, dieSie als Rektor erreichen wollen?In erster Linie werde ich mich dafür einsetzen,dass die Rahmenbedingungen fürgute Lehre stimmen und die StudierendenPolykum Nr. 1/12-13

ETHWelt 25Lino Guzzella: Seit dem 1. August ist er für die Lehre an der ETH Zürich verantwortlich.Erster Arbeitstag: Treffen mit dem VSETHPolykum Nr. 1/12-13davon profitieren können. Ich sehe mich hingegenweniger in der Rolle, den Leuten vorzuschreiben,wie sie lehren sollen. Da gibt esverschiedene Herangehensweisen, die zwischenden einzelnen Dozenten und Studienfächernunterschiedlich sein können. Mankann aber Instrumente aufzeigen, die sich bewährthaben. Beispielsweise Zwischenfragenzu stellen. So sieht man sofort, wer mitgekommenist.Aber in vielen Vorlesungen ist dasTempo so hoch, dass man kaum nachkommt.Alles, was man ins Extreme zieht, ist schlecht.Es kann nicht sein, dass wir immer schnellerimmer mehr Stoff vermitteln. Andererseitssoll das Ganze auch nicht zu einem Spaziergangverkommen. Es gehört zur Aufgabe desDozenten, das Optimum zu finden. Und dasist dort, wo der Erkenntnisgewinn für dengrössten Teil der Studierenden am grösstenist.Welche konkreten Veränderungenwerden auf die Studierenden zukommen?Wir werden für die ganze ETH ein neues Evaluationsverfahreneinführen. Damit werdenneu auch die Prüfungen evaluiert. BezüglichFeedback werden wir einen kürzeren Loopeinführen, damit wir schneller reagierenkönnen. Ausserdem wollen wir mit elektronischenHilfsmitteln den Unterricht noch effizientergestalten. Konkret arbeiten wir anApps, Podcast und elektronischen Prüfungen.Was sagen Sie zum Vorwurf, die ETHsei zu theoretisch?Das Schweizer Bildungssystem bietet jungenMenschen verschiedene Wege an. Sie sindzwar alle gleichwertig, aber eben verschieden.Ein Studium an einer Fachhochschuleerfordert und fördert andere Fähigkeitenals ein ETH-Studium. FachhochschulundETH-Absolventen haben demnach verschiedeneOptiken und Aufgaben. Die Aufgabedes ETH-Ingenieurs ist das konzeptionelle,theoriefundierte, langfristige Arbeiten.Die Vermittlung von Theorie ist daher unverzichtbar.Ich rede viel mit Industrievertretern.Und ich höre immer die gleiche Botschaft:Baut die Grundlagen nicht ab.Wieso steht nun eine Erhöhung derStudiengebühren zur Diskussion?Gleich vorneweg: Ein Entscheid ist in dieserSache noch nicht gefallen; und ein solcherwird die ETH auch nicht für sich alleinefällen, sondern der ETH-Rat. Die Diskussionist vor dem Hintergrund zu sehen, dass wirhier an der ETH Zürich seit dem Jahr 2000zum Beispiel 60% mehr Studierende haben.Das Budget blieb im selben Zeitraum aber inetwa gleich. Als Reaktion auf steigende Studierendenzahlenhaben wir optimiert, quersubventioniert,die Hörsäle bis zum Maximumausgeschöpft … Jetzt sind wir aneinem Punkt angelangt, an dem die Zitroneausgepresst ist.Umfragen zeigen, dass bereits heuteviele Studierende einem Nebenerwerbnachgehen.Ich habe die Zahlen gesehen und sie habenmich erstaunt. Diese Zahlen müsste man aufjeden Fall noch genauer untersuchen. Fallseine Erhöhung kommt, werde ich mich persönlichdafür einsetzen, dass niemand nuraus finanziellen Gründen nicht an der ETHstudieren kann. Wenn jemand Talent hat undbereit ist, Engagement zu zeigen, dann wirdman Lösungen finden. Da können Sie michbeim Wort nehmen.Als Rektor haben Sie weniger Zeit,selber als Dozent vor den Studentenzu stehen. Fehlt Ihnen das?Ja, sehr. Der Kontakt mit den Studierendenist für mich zentral. Ich habe mir vor der Wahlzum Rektor ausbedungen, weiterhin meineDoktoranden betreuen zu dürfen, bis dieseabgeschlossen haben und eine Vorlesung zuhalten. Vor allem, um den Kontakt mit denStudierenden nicht zu verlieren. Das heisst,ich bin einen Tag in der Woche noch Professoran meinem Institut. Aber natürlich: Die Tätigkeitals ETH-Rektor ist für mich eine neue Herausforderung,vor der ich grossen Respekthabe. Gleichzeitig freue ich mich auch, einenso zentralen Bereich für den Erfolg der ETHmitgestalten zu können.Ken Zumstein (29) ist Polykum-Redaktionsleiter.kzumstein@polykum.ethz.ch

24 <strong>ETH</strong>Weltinterview«Wir müssen gutsein, um besserzu werden»<strong>ETH</strong>WeltIm Interview verrät der neue <strong>ETH</strong> Rektor Lino Guzzella, wieso sein eigenerLehrstil zuweilen als militärisch empfunden wird, welche Zieleer während seiner vierjährigen Amtszeit erreichen möchte und wiesoeine Erhöhung der Studiengebühren im Bereich des Möglichen liegt.Interview und Fotos: Ken ZumsteinHerr Guzzella, was bedeutet für Sie<strong>Heimat</strong>?Lino Guzzella: <strong>Heimat</strong> ist für mich dort, wodie Menschen sind, die mir etwas bedeuten.Das sind meine Familie, Freunde, Bekannteund Berufskollegen.Also ist auch die <strong>ETH</strong> für Sie ein Stück<strong>Heimat</strong>?Nicht nur. Aber die <strong>ETH</strong> ist sicher auch einStück <strong>Heimat</strong>, schliesslich verbringe ich hierden grössten Teil meines Tages.Dasselbe gilt wohl auch für viele <strong>ETH</strong>-Studenten ...Mir ist klar, dass wir viel von unseren Studentinnenund Studenten verlangen. Der Leistungsgedankeist an der <strong>ETH</strong> sehr zentral.Wir müssen gut sein, um besser zu werden.Schliesslich wollen wir auch die bestmöglicheAusbildung anbieten, was wiederum hilft,die klügsten Köpfe nach Zürich zu bringen.Gleichzeitig soll die <strong>ETH</strong> aber für die Studierendenauch zu einer Art <strong>Heimat</strong> werden. Siesollen sich hier willkommen fühlen.Was macht gute Lehre aus?Drei Elemente sind für mich zentral: Engagement,Professionalität und Kreativität. Dasgilt sowohl für den Dozenten als auch für dieStudierenden. Es reicht nicht, dass der Dozentgut ist. Auch die Studenten müssen essein. Gute Lehre entsteht nur dann, wenn einechter Dialog zwischen Lehrenden und Lernendenstattfindet.Ihr eigener Lehrstil polarisiert. Währenddie einen Ihre geduldige Art undIhren Enthusiasmus loben, fürchtensich andere vor Ihrem militärischenAuftreten.Sehr gut (schmunzelt). Spass beiseite: In derLehre sind Emotionen wichtig. Natürlich willich als Dozent, dass sich meine Begeisterungfür das Fach auf die Studenten überträgt.Wenn einige meinen Stil nicht mögen undmich doof finden, kann ich damit leben. Nurlangweilen darf ich nicht. Ich stecke viel Arbeitin meine Vorlesungen. Von meinen Studentenerwarte ich im Gegenzug die gleicheProfessionalität. Vergessen wir nicht: DerSchweizer Steuerzahler steckt viel Geld indie <strong>ETH</strong>. Es ist ein riesiges Privileg hier seinzu dürfen. Wir sind darum alle verpflichtet,unser Bestes zu geben.Sehen es wirklich alle Dozenten alsPrivileg an, hier unterrichten zudürfen?Menschen sind nun mal Menschen. Auch mirgelingt nicht jede Vorlesung gleich gut. Fehlermachen wir alle – dafür hab ich volles Verständnis.Wofür ich aber kein Verständnishabe ist, wenn der Wille fehlt, es beimnächsten Mal besser zu machen.Welches sind Ihre konkreten Ziele, dieSie als Rektor erreichen wollen?In erster Linie werde ich mich dafür einsetzen,dass die Rahmenbedingungen fürgute Lehre stimmen und die StudierendenPolykum Nr. 1/12-13

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!