herunterladen. - Bremer Frauenmuseum
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sinnigen Pastors Dulon geworden, der als<br />
zweiter Prediger an Liebfrauen amtierte.<br />
Die Gemeinde hatte ihn berufen. Aber er<br />
machte sich durch seine freie Art der<br />
Bibelauslegung und sein demokratisches<br />
Engagement für die Unterprivilegierten, für<br />
die er eine solide Schulbildung forderte,<br />
nicht nur Freunde. Konservative Gemein-<br />
demitglieder wollten ihn gerne wieder<br />
loswerden, zumal er beim Volk unglaublich<br />
beliebt war, das zu seinen Predigten aus<br />
ganz Bremen herbeiströmte und Blumen<br />
auf seinen Weg streute. Er war zum Gott<br />
der kleinen Leute geworden und damit<br />
gefährlich.<br />
Im Kampf um seine Reputation und<br />
Stellung suchte MM ihn durch ihre<br />
anonymen Schriften zu unterstützen, die<br />
große Furore machten. Man vermutete<br />
hinter dem unbekannten Autor die<br />
verschiedensten <strong>Bremer</strong> Persönlichkeiten.<br />
1852 wurde Dulon durch den Senat<br />
abgesetzt. Ob dieses Vorgehen recht-<br />
mäßig war, blieb umstritten, jedenfalls<br />
hatte man vollendete Tatsachen geschaf-<br />
fen und seine Anhänger eingeschüchtert,<br />
so dass sich kaum Protest erhob. In ihrer<br />
Empörung griff MM den Senat heftig an,<br />
wiederum mit einer anonymen Ver-<br />
öffentlichung. Während ihre früheren<br />
Streitschriften von den Behörden nicht<br />
beachtet worden waren, wurde jetzt<br />
Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt,<br />
um den Autor ausfindig zu machen. Die<br />
Reaktion hatte inzwischen gesiegt. Statt<br />
Pressefreiheit gab es nun ein neues<br />
„Pressgesetz“, das ehrenkränkende Äuße-<br />
rungen gegen den Senat mit Ge-<br />
fängnisstrafe bis zu 18 Monaten bedrohte.<br />
Die Polizei kam MM auf die Spur, sie<br />
wurde verhaftet und verhört, aber als sie<br />
nach anfänglichem Leugnen ihre Auto-<br />
renschaft zugab, wollte ihr niemand glau-<br />
ben, denn, so argumentierte der Unter-<br />
suchungsrichter, eine so gelehrte Schrift<br />
könne eine Frau gar nicht zustande brin-<br />
gen.<br />
Marie Mindermann wurde zu einer<br />
Haftstrafe von acht Tagen verurteilt,<br />
ersatzweise zu einer Geldstrafe von 20<br />
Talern. Sie wählte die Haft, die sie im<br />
"Detentionshaus für kleinere Verbrecher"<br />
an der Ostertorwache absaß. Nur der<br />
Verlust der Freiheit sei eine echte Strafe,<br />
meinte sie, nicht aber eine Geldbuße. Sie<br />
wollte dem Senat wohl zeigen, dass sie<br />
stark und nicht auf sein gnädiges Ent-<br />
gegenkommen angewiesen war. Noch<br />
einmal wagte sie es - nun mit voller<br />
Namensnennung - Senat, Justiz und<br />
Polizei aufs Korn zu nehmen, einfach<br />
indem sie von ihren Erlebnissen als<br />
Beschuldigte und Häftling erzählte. Die<br />
Ironie lag in den Vorgängen selbst, die für<br />
sich sprachen. Danach musste MM sich<br />
harmlosen Themen aus Natur und Heimat<br />
zuwenden. Als politisch verdächtiger Per-<br />
son war es ihr zunächst nicht einmal mehr<br />
möglich, in Bremen auch nur einen<br />
Verleger oder Drucker zu finden. Strafan-<br />
drohungen mit Entziehung der Konzession<br />
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