herunterladen. - Bremer Frauenmuseum
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Hatten die Frauen einst auf aller-<br />
höchste Unterstützung für ihre Pläne<br />
gehofft, so wurde es jetzt geradezu prekär,<br />
sich mit der Kaiserin Friedrich zu<br />
verbünden, der so viel Ablehnung, vor<br />
allem durch den eigenen Sohn, entge-<br />
genschlug. Andererseits war die<br />
Frauenbewegung inzwischen so erstarkt,<br />
dass sie auch ohne Protektion auf ihrem<br />
Wege weitergehen konnte. Victoria blieb<br />
der Bildungsbewegung verbunden. Sie<br />
wohnte persönlich der Eröffnung der "kei-<br />
neswegs hoffähigen" Realkurse für Frauen<br />
bei, die die Bildung der höheren Töchter<br />
auf eine konkrete naturwissenschaftliche<br />
Grundlage stellen sollten; sie sandte ein<br />
Begrüßungstelegramm zur Gründung des<br />
Allgemeinen Deutschen Lehrerin-<br />
nenvereins im Jahre 1890, zu dessen<br />
Zielsetzungen sie sich öffentlich bekannte<br />
- "eine einzigartige Auszeichnung", wie<br />
Helene Lange kommentierte.<br />
Zu der im Oktober 1895 abge-<br />
haltenen Vorstandssitzung des Bundes<br />
deutscher Frauenvereine in Frankfurt am<br />
Main kam Victoria vom nahegelegenen<br />
Kronberg herüber, um teilzunehmen.<br />
Selten ist über eine historische Persön-<br />
lichkeit so widersprüchlich geurteilt worden<br />
wie über Kaiserin Friedrich. "Von der<br />
Parteien Gunst und Hass verwirrt,<br />
schwankt sein Charakterbild in der<br />
Geschichte", sagt Schiller über Wallen-<br />
stein. Das lässt sich auf Victoria über-<br />
tragen. John C. G. Röhl, einer der besten<br />
Kenner des Lebens von Wilhelm II.,<br />
schrieb über Victoria: "Diese liberale,<br />
intelligente, belesene, selbstbewusste,<br />
perfektionistische, leidenschaftliche und<br />
willensstarke Frau bildete das<br />
Kernproblem im Leben des letzten<br />
deutschen Kaisers." Dass die Kaiserin<br />
Friedrich eine hochintelligente und<br />
gebildete Frau war, ein brillanter Geist,<br />
wird niemand bestreiten. Mit dem Selbst-<br />
bewusstsein der Princess Royal machte<br />
sie sich zunächst daran, ihren Mann<br />
politisch zu erziehen. Sie setzte diplo-<br />
matische Kommuniques für ihn auf, die er<br />
abschreiben sollte! An ihrem 6. Hoch-<br />
zeitstag lobte sie ihn: "Welchen Sprung<br />
hast du in diesen sechs Jahren gemacht!"<br />
Sie werde nicht ruhen, bis er für die ganze<br />
Welt ein Muster geworden sei. Friedrich,<br />
der Schwächere in dieser Ehe, akzeptierte<br />
Vickys Belehrungen, war sie ihm doch<br />
eine große Stütze in Zeiten von Hoff-<br />
nungslosigkeit und Depressionen, unter<br />
denen er häufig litt.<br />
Anders aber verhielt sich Sohn<br />
Wilhelm. Als er nach langem Drängen der<br />
Mutter ihr endlich einen Brief geschrieben<br />
hatte, hielt sie ihm vor, dass es nicht<br />
"Meine liebe Mama"; sondern "Meine sehr<br />
liebe Mama" heißen müsse, und auch die<br />
Unterschrift "Dein Dich liebender Sohn"<br />
wurde beanstandet, sie müsse "Dein<br />
gehorsamer Sohn" lauten. Auch Ortho-<br />
graphie und Handschrift genügten ihren<br />
Ansprüchen nicht, Ansprüchen, die sich an<br />
ihrer eigenen Erziehung und an ihren<br />
Fähigkeiten orientierten und ihr ein<br />
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