herunterladen. - Bremer Frauenmuseum
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Trotzdem blieb das gegenseitige<br />
Verhältnis immer zwiespältig. Niemand<br />
war vor Rosas scharfer Zunge sicher.<br />
Weder aus Pietät noch aus "Kamerad-<br />
schaftlichkeit" war sie zu irgendwelchen<br />
Kompromissen bereit, und als der alte<br />
Bebel sich erbot, ihre Schulden zu<br />
begleichen, fasste sie das als patri-<br />
archalische Gönnerhaftigkeit auf, die sie<br />
empörte.<br />
Um der Gerechtigkeit willen<br />
müssen wir anerkennen, daß die SPD, die<br />
damals ein breites Spektrum von<br />
politischen Strömungen umfaßte, der<br />
radikalen Linken Rosa Luxemburg eine<br />
Plattform bot, von der aus sie für ihre<br />
großen Themen, die dem Zeitgeist der<br />
wilhelminischen Epoche total wider-<br />
sprachen, eintreten konnte. Sie kämpfte<br />
gegen Militarismus, Aufrüstung und Rekru-<br />
tenschinderei, gegen das deutsche Welt-<br />
machtstreben und die Kriegsgefahr. Dem<br />
nationalistischen Selbstbestimmungsrecht<br />
der Völker setzte sie den Internati-<br />
onalismus entgegen. "Die Heimat des<br />
Proletariers ist die Internationale", so<br />
lautete ihr Diktum. Mit den Genossen gab<br />
es Machtspiele, bald scherzhaft unter-<br />
schwellig ausgetragen, bald in bitteren<br />
Ernst und heftige Auseinandersetzungen<br />
mündend, die einen endgültigen Bruch<br />
herbeiführten. Mit ihren Freundinnen aber<br />
blieb Rosa Luxemburg. über die Jahre hin<br />
treu verbunden. Sie entstammten alle dem<br />
sozialistischen Milieu, waren Kampfgefähr-<br />
tinnen wie Clara Zetkin, Mitarbeiterinnen<br />
und Seelentrösterinnen, die aber auch<br />
harsche Kritik erdulden mußten, wenn sie<br />
den Erwartungen Rosas nicht entsprachen<br />
und sich kleinmütig zeigten. Doch ließ sie<br />
es nie zum Äußersten kommen, sondern<br />
lenkte mit unwiderstehlichem Charme im<br />
letzten Augenblick immer wieder ein.<br />
Nicht so gegenüber dem pol-<br />
nischen Revolutionär Leo Jogiches, ihrer<br />
großen Liebe aus der Studienzeit in<br />
Zürich. Auch in ihren privaten Bezie-<br />
hungen zu Männern war sie kompro-<br />
misslos und fordernd, obwohl sie sich<br />
bewußt war, keine besonders vorteilhafte<br />
Erscheinung zu sein.<br />
Mit ihrem Hüftleiden, ihrer winzigen<br />
Statur und ihrer sehr ausgeprägten Nase<br />
entsprach sie keineswegs dem weiblichen<br />
Schönheitsideal. Luise Kautsky urteilte;<br />
"Ihr Äußeres war klein und wäre un-<br />
scheinbar gewesen, hätten nicht ihre<br />
schönen leuchtenden Augen, das feine<br />
Oval des Gesichts, der schöne Teint und<br />
das reiche dunkle Haar sowie haupt-<br />
sächlich der Ausdruck von Intelligenz sie<br />
verschönt." Weil Jogiches dem Enga-<br />
gement für die Weltrevolution den Vorrang<br />
vor allem Privaten gab, trennte sich Rosa<br />
nach Jahren des sehnsüchtigen, doch ver-<br />
geblichen Hoffens und Werbens gänzlich<br />
von ihm.<br />
Ihre enge Beziehung zu Kostja<br />
Zetkin und ihre Freundschaft mit Hans<br />
Diefenbach zerstörte der erste Weltkrieg.<br />
Dass nicht nur diese ihrem Herzen so<br />
nahestehenden jungen Männer, sondern<br />
auch Millionen unbekannter Soldaten<br />
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