2012, Heft 18, S. 5-15 - PRuF

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Aufsätze Sebastian H. Schneider/Rolf Winkelmann – Die Grünen: eine Volkspartei? MIP 2012 18. Jhrg. Schupp 2011; Klein & Falter 2003; Dolezal 2010). Wird dieser Nexus weiter zementiert, ist die Wählerbasis gesichert. Dehnt sich der Anteil dieser Klientel in der Bevölkerung gar aus, so könnte auch der Stimmenanteil weiter ausgebaut werden. Es kann zudem vermutet werden, dass die Stammklientel weniger Interesse an Wirtschafts- und Sozialpolitik hat, weil man aufgrund der eigenen gesicherten Existenz kaum auf entsprechende Politiken angewiesen ist. Des Weiteren hat die Analyse gezeigt, dass es Zusammenhänge von Bildung, Alter, Geschlecht, Konfession, Gewerkschaftsmitgliedschaft und Kompetenzzuschreibung gibt. Die Zusammenhänge schwächen sich im Zeitverlauf kaum ab, was gegen die These spricht, dass Die Grünen auf dem Weg zur Volkspartei sind. Überraschend ist, dass Die Grünen Kompetenz zugeschrieben bekommen, je weiter man auf dem Rechts-Links-Kontinuum der politischen Selbstverortung nach rechts rückt. Die Grünen scheinen also auch bei konservativeren Wählern in Bezug auf Ihre Kompetenzen zu punkten und werden weniger links-liberal wahrgenommen, als Mitgliederbefragungen erwarten lassen würden, was für eine ‚Verbürgerlichung‘ der Partei spräche. Für die Zukunft bietet es sich an, die Kompetenzen der Grünen im Vergleich zu anderen Parteien zu analysieren, das heißt, wie verschieben sich die Kompetenzzuschreibungen im Laufe der Zeit zwischen den Parteien. Das Politbarometer bietet dazu reichhaltiges Datenmaterial. In methodischer bzw. statistischer Hinsicht gilt es, die Einschränkungen der vorliegenden Analyse, die aus der seltenen Nennung der Grünen bei der Frage nach der Wirtschafts- und Arbeitsmarktkompetenz resultieren, durch die Adaption von Schätzverfahren für rare events (King & Zeng 2001) zu kompensieren. Literatur Berelson, Bernard/Paul Lazarsfeld/William N. McPhee (1954). Voting: a Study of Opinion Formation in a Presidential Campaign. Chicago. 96 Brunsbach, Sandra/Stefanie John/Andrea Volkens/Annika Werner (2011). Wahlprogramme im Vergleich. In: Tenscher, Jens (Hrsg.): Superwahljahr 2009. Vergleichende Analysen aus Anlass der Wahlen zum Deutschen Bundestag und zum Europäischen Parlament, Wiesbaden, S. 41-64. Debus, Marc (2010). Soziale Konfliktlinien und Wahlverhalten: Eine Analyse der Determinanten der Wahlabsicht bei Bundestagswahlen von 1969 bis 2009. In: Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie 62(4), S. 731-749. Delli Carpini, Michael (2000). In Search of the Informed Citizen: What Americans Know About Politics and Why It Matters. In: The Communication Review 4, S. 129-164. Ditfurth, Jutta (2001). Das waren die Grünen. Abschied von einer Hoffnung, 3.Aufl., München. Ditfurth, Jutta (2011). Krieg, Atom, Armut. Was sie reden, was sie tun: Die Grünen, Berlin. Dolezal, Martin (2010). Exploring the Stabilization of a Political Force: The Social and Attitudinal Basis of Green Parties in the Age of Globalization. In: West European Politics 33(3), S. 534-552. Downs, Anthony (1957). An Economic Theory of Democracy. New York. Druckman, James N./Arthur Lupia (2000). Preference Formation. In: Annual Review of Political Science, Nr. 3, S. 1-24. Egle, Christoph (2003). Lernen unter Stress: Politik und Programmatik von Bündnis 90/ Die Grünen. In: Egle, Christoph/Tobias Ostheim/ Reimut Zohlnhöfer (Hrsg.): Das rot-grüne Projekt. Eine Bilanz der Regierung Schröder 1998- 2002, Wiesbaden, S. 93-116. Elff, Martin/Sigrid Rossteutscher (2011). Stability or Decline? Class, Religion and the Vote in Germany. In: German Politics 20(1), S. 107-127. Fenske, Hans (1994). Deutsche Parteiengeschichte, Paderborn. Fox, John (2003). Effect Displays in R for Generalised Linear Models. In: Journal of Statistical Software 8(15), S. 1-18.

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Aufsätze Sebastian H. Schneider/Rolf Winkelmann – Die Grünen: eine Volkspartei? MIP <strong>2012</strong> <strong>18</strong>. Jhrg.<br />

Schupp 2011; Klein & Falter 2003; Dolezal<br />

2010). Wird dieser Nexus weiter zementiert, ist<br />

die Wählerbasis gesichert. Dehnt sich der Anteil<br />

dieser Klientel in der Bevölkerung gar aus, so<br />

könnte auch der Stimmenanteil weiter ausgebaut<br />

werden. Es kann zudem vermutet werden, dass<br />

die Stammklientel weniger Interesse an Wirtschafts-<br />

und Sozialpolitik hat, weil man aufgrund<br />

der eigenen gesicherten Existenz kaum auf<br />

entsprechende Politiken angewiesen ist.<br />

Des Weiteren hat die Analyse gezeigt, dass es<br />

Zusammenhänge von Bildung, Alter, Geschlecht,<br />

Konfession, Gewerkschaftsmitgliedschaft<br />

und Kompetenzzuschreibung gibt. Die<br />

Zusammenhänge schwächen sich im Zeitverlauf<br />

kaum ab, was gegen die These spricht, dass Die<br />

Grünen auf dem Weg zur Volkspartei sind.<br />

Überraschend ist, dass Die Grünen Kompetenz<br />

zugeschrieben bekommen, je weiter man auf<br />

dem Rechts-Links-Kontinuum der politischen<br />

Selbstverortung nach rechts rückt. Die Grünen<br />

scheinen also auch bei konservativeren Wählern<br />

in Bezug auf Ihre Kompetenzen zu punkten und<br />

werden weniger links-liberal wahrgenommen,<br />

als Mitgliederbefragungen erwarten lassen würden,<br />

was für eine ‚Verbürgerlichung‘ der Partei<br />

spräche.<br />

Für die Zukunft bietet es sich an, die Kompetenzen<br />

der Grünen im Vergleich zu anderen<br />

Parteien zu analysieren, das heißt, wie verschieben<br />

sich die Kompetenzzuschreibungen im<br />

Laufe der Zeit zwischen den Parteien. Das Politbarometer<br />

bietet dazu reichhaltiges Datenmaterial.<br />

In methodischer bzw. statistischer Hinsicht<br />

gilt es, die Einschränkungen der vorliegenden<br />

Analyse, die aus der seltenen Nennung der Grünen<br />

bei der Frage nach der Wirtschafts- und<br />

Arbeitsmarktkompetenz resultieren, durch die<br />

Adaption von Schätzverfahren für rare events<br />

(King & Zeng 2001) zu kompensieren.<br />

Literatur<br />

Berelson, Bernard/Paul Lazarsfeld/William N.<br />

McPhee (1954). Voting: a Study of Opinion<br />

Formation in a Presidential Campaign. Chicago.<br />

96<br />

Brunsbach, Sandra/Stefanie John/Andrea Volkens/Annika<br />

Werner (2011). Wahlprogramme im<br />

Vergleich. In: Tenscher, Jens (Hrsg.): Superwahljahr<br />

2009. Vergleichende Analysen aus Anlass<br />

der Wahlen zum Deutschen Bundestag und zum<br />

Europäischen Parlament, Wiesbaden, S. 41-64.<br />

Debus, Marc (2010). Soziale Konfliktlinien und<br />

Wahlverhalten: Eine Analyse der Determinanten<br />

der Wahlabsicht bei Bundestagswahlen von<br />

1969 bis 2009. In: Kölner Zeitschrift für Soziologie<br />

und Sozialpsychologie 62(4), S. 731-749.<br />

Delli Carpini, Michael (2000). In Search of the<br />

Informed Citizen: What Americans Know About<br />

Politics and Why It Matters. In: The Communication<br />

Review 4, S. 129-164.<br />

Ditfurth, Jutta (2001). Das waren die Grünen.<br />

Abschied von einer Hoffnung, 3.Aufl., München.<br />

Ditfurth, Jutta (2011). Krieg, Atom, Armut. Was<br />

sie reden, was sie tun: Die Grünen, Berlin.<br />

Dolezal, Martin (2010). Exploring the Stabilization<br />

of a Political Force: The Social and Attitudinal<br />

Basis of Green Parties in the Age of Globalization.<br />

In: West European Politics 33(3),<br />

S. 534-552.<br />

Downs, Anthony (1957). An Economic Theory<br />

of Democracy. New York.<br />

Druckman, James N./Arthur Lupia (2000). Preference<br />

Formation. In: Annual Review of Political<br />

Science, Nr. 3, S. 1-24.<br />

Egle, Christoph (2003). Lernen unter Stress: Politik<br />

und Programmatik von Bündnis 90/ Die<br />

Grünen. In: Egle, Christoph/Tobias Ostheim/<br />

Reimut Zohlnhöfer (Hrsg.): Das rot-grüne Projekt.<br />

Eine Bilanz der Regierung Schröder 1998-<br />

2002, Wiesbaden, S. 93-116.<br />

Elff, Martin/Sigrid Rossteutscher (2011). Stability<br />

or Decline? Class, Religion and the Vote in<br />

Germany. In: German Politics 20(1), S. 107-127.<br />

Fenske, Hans (1994). Deutsche Parteiengeschichte,<br />

Paderborn.<br />

Fox, John (2003). Effect Displays in R for Generalised<br />

Linear Models. In: Journal of Statistical<br />

Software 8(<strong>15</strong>), S. 1-<strong>18</strong>.

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