2012, Heft 18, S. 5-15 - PRuF
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Aufsätze Sebastian H. Schneider/Rolf Winkelmann – Die Grünen: eine Volkspartei? MIP <strong>2012</strong> <strong>18</strong>. Jhrg.<br />
5. Analyse<br />
Deskriptive Betrachtung der Kompetenzen im<br />
Längsschnitt<br />
Zunächst ist zu untersuchen, wie sich die Kompetenzzuschreibung<br />
in den zentralen Politikfeldern<br />
Wirtschaft und Arbeitsmarkt über die Zeitspanne<br />
von 2000 bis 2009 entwickelt haben.<br />
Abbildung 2: Wirtschafts- und Arbeitsmarktkompetenz<br />
der Grünen. Datenquelle: Politbarometer 2000-2009,<br />
gewichtete Stichproben, eigene Darstellung, Nennung<br />
der Grünen in Prozent pro Erhebungsjahr.<br />
8<br />
7<br />
6<br />
5<br />
4<br />
3<br />
2<br />
1<br />
0<br />
2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009<br />
Wirtschaftskompetenz West Wirtschaftskompetenz Ost<br />
Arbeitsmarktkompetenz West Arbeitsmarktkompetenz Ost<br />
Für den Zeitraum von 2000 bis 2009 zeigt sich<br />
eine auffällige Entwicklung. In den ersten acht<br />
Jahren pendeln die Prozentwerte für die Wirtschaftskompetenz<br />
in Westdeutschland zwischen<br />
0,8 und 1,5, in Ostdeutschland zwischen 0,4 und<br />
0,8. Bei der Arbeitsmarktkompetenz liegen die<br />
Prozentwerte im Westen zwischen 1 und 2, im<br />
Osten zwischen 0,7 und 1,3. Dies lässt sich erstens<br />
dahingehend interpretieren, dass man in den<br />
neuen Bundesländern skeptischer gegenüber der<br />
wirtschafts- und sozialpolitischen Leistungsfähigkeit<br />
der Grünen eingestellt ist. Insgesamt ist<br />
die prozentuale Häufigkeit der Antwort ‚Die<br />
Grünen‘ auf die Frage auf einem konstant niedrigen<br />
Niveau, was darauf hindeutet, dass den Grünen<br />
in diesen Feldern keine sonderliche Kompetenz<br />
beigemessen wird, sie folglich nicht als<br />
Volkspartei mit einem kompletten Politikangebot<br />
wahrgenommen werden. Diese Befunde stützen<br />
die zentralen Thesen dieses Beitrags. Man<br />
muss an dieser Stelle auch daran erinnern, dass<br />
92<br />
die Partei von 1998 bis 2005 an der Bundesregierung<br />
beteiligt war und somit durchaus die<br />
Möglichkeit hatte, in beiden Feldern Akzente zu<br />
setzen. Die Antworten können folglich nicht allein<br />
daraus begründet werden, dass den Grünen<br />
entsprechende Durchsetzungspotenziale fehlten.<br />
Im Jahr 2009 kommt es jedoch zu einem Sprung<br />
in den Zuschreibungen. Im Vergleich zum Vorjahr<br />
erhöhen sich die Anteilswerte im Westen für<br />
die Wirtschaftskompetenz um 6, im Osten um<br />
5,1 Prozentpunkte. Auch für die Nennung der<br />
Grünen bei der Arbeitsmarktkompetenz ist im<br />
Westen ein Sprung um 1,2 Prozentpunkte auf<br />
3,2 Prozent zu verzeichnen, im Osten um 1,0<br />
Prozentpunkte. Aus diesen Veränderungen<br />
lassen sich zwei Deutungsstrukturen ableiten.<br />
Erstens kann dies als Beleg dafür herhalten, dass<br />
es den Grünen tatsächlich gelang, einen Imagewandel<br />
zur Volkspartei herbeizuführen, oder der<br />
Partei wird aus Unzufriedenheit mit den Krisenbewältigungsansätzen<br />
der anderen Bundestagsparteien<br />
eine höhere Kompetenz zugeschrieben.<br />
Leider stehen die Daten des Politbarometers für<br />
2010 und 2011 noch nicht für Forschungszwecke<br />
zur Verfügung, weshalb sich keine Aussagen<br />
darüber treffen lassen, ob dieser Effekt<br />
dauerhaft oder nur ein Periodeneffekt ist. Möglicherweise<br />
wurde in Zeiten der Wirtschafts- und<br />
Finanzkrise auch die Bereitschaft zu anderen<br />
wirtschaftspolitischen Ansätzen befördert. Betrachtet<br />
man die vorherigen Entwicklungen, so<br />
lassen sich zeitliche Zusammenhänge zwischen<br />
steigenden Kompetenzzuschreibungen bei den<br />
Grünen und Wirtschaftskrisen erkennen. Mit<br />
einer Krise wird den Grünen mehr Wirtschaftsund<br />
Arbeitsmarktkompetenz zugesprochen<br />
(2001-2003; seit 2008). Nach Eintritt in eine<br />
positive Wirtschaftsentwicklung wiederum verlieren<br />
Die Grünen wieder Kompetenzpunkte<br />
(2004-2007).<br />
Multivariate Analysen<br />
Nun ist mittels logistischer Regressionsanalysen 10<br />
explorativ zu prüfen, welche Bevölkerungsgruppen<br />
Die Grünen in den Politikfeldern Wirtschaft<br />
und Arbeitsmarkt als kompetent wahrnehmen.<br />
Dabei wird zunächst auf die Effekte unter Kon-<br />
10 Vgl. Onlineappendix Endnote 3.