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2012, Heft 18, S. 5-15 - PRuF

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Aufsätze Sebastian H. Schneider/Rolf Winkelmann – Die Grünen: eine Volkspartei? MIP <strong>2012</strong> <strong>18</strong>. Jhrg.<br />

(sozial)-psychologischen Forschung ist zudem<br />

bekannt, dass sich Einstellungssysteme nur unter<br />

bestimmten Bedingungen beeinflussen lassen<br />

bzw. sich verändern (Druckman & Lupia 2000).<br />

Die Berichterstattung in den Medien und die<br />

Perzeption durch die Wähler sind verzerrt, alleine<br />

die Themenselektion sowie der Trend zur Unterhaltung<br />

in der Berichterstattung (Thimm & Hartmann<br />

2008: 356-357), die eingeschränkten kognitiven<br />

Kapazitäten und damit einhergehende<br />

Effekte der selektiven Wahrnehmung (Johnston<br />

& Dark 1987) führen zu einem Bias in der Informationsverarbeitung.<br />

Zusätzlich ist die Flut an<br />

Informationen, die täglich angeboten wird zu berücksichtigen,<br />

aus der es relevante Informationen<br />

herauszufiltern gilt. Bedenkt man die geringe<br />

Bedeutung, die Politik bzw. politische Beteiligung<br />

bei den Bürgern im Alltag erfährt (z. B.<br />

Gensicke et al. 2006: 48), ist es kaum verwunderlich,<br />

dass programmatische Veränderungen<br />

nur schwer im Volk ankommen. Ausnahmen<br />

mögen Brüche mit dem bekannten Programm<br />

sein, wie es z. B. bei der SPD und der Agenda<br />

2010 der Fall war (Rudzio 2006: 132). Für die<br />

Wahrnehmung einer Partei in der Öffentlichkeit<br />

ergibt sich daraus, dass diese sich nur sehr langsam<br />

ändern kann. Somit ist zu erwarten, dass<br />

den Grünen das Label Ökopartei trotz intensiver<br />

Bemühung um eine thematisch breitere Aufstellung<br />

noch länger anhaftet. Aufgrund der nun 30jährigen<br />

Präsenz der Grünen im Politikbetrieb,<br />

sowie der Glaubwürdigkeit, die sie genießen<br />

(Forschungsgruppe Wahlen 2011b), kann man<br />

davon ausgehen, dass das Parteilabel ‚Die Grünen<br />

= Umweltpartei‘ in der Bevölkerung hinreichend<br />

verfestigt ist. Die Kernpositionen sind seit<br />

der Gründung in den 1980er Jahren Umweltschutz,<br />

Antimilitarismus und Gleichstellung (s.<br />

Abschnitt 2). Eine neue oder weitergehende Positionierung<br />

der Grünen hin zu einer wirtschaftsund<br />

sozialpolitisch kompetenten Partei ist ferner<br />

nur bei einer kleinen, sehr an der Partei interessierten<br />

Minderheit zu erwarten. Im Aggregat betrachtet<br />

sind deshalb kaum kurzfristige Veränderungen<br />

der Wahrnehmung der Grünen zu verzeichnen.<br />

Eine Adaption erfolgt vielmehr durch<br />

einen langwierigen Prozess, der durch eine Vielzahl<br />

von Faktoren gesteuert wird, z. B. die Medi-<br />

90<br />

en und das Agieren von Meinungsführern. Dieser<br />

Prozess befindet sich noch in den Anfängen.<br />

Bis Die Grünen auch als Volkspartei in der<br />

Wählerschaft wahrgenommen werden, dürften<br />

noch Jahre vergehen. Aus diesen Vorüberlegungen<br />

resultieren die folgenden Annahmen über<br />

die Wahrnehmung der Grünen:<br />

• Hypothese 1: Der Anteil derjenigen Bürger,<br />

die den Grünen die größte Kompetenz bei der<br />

Verbesserung der wirtschaftlichen Lage zuschreibt,<br />

hat sich seit 2000 nicht verändert.<br />

• Hypothese 2: Der Anteil derjenigen Bürger,<br />

die den Grünen die größte Kompetenz bei der<br />

Schaffung von Arbeitsplätzen zuschreibt, hat<br />

sich seit 2000 nicht verändert.<br />

Diese Aggregatsanalysen im Längsschnitt müssen<br />

jedoch um Betrachtungen auf der Mikroebene<br />

ergänzt werden. Es stellt sich die Frage, welche<br />

Bevölkerungsgruppen Die Grünen als wirtschafts-<br />

und sozialpolitisch kompetent ansehen.<br />

Wenn Die Grünen versuchen sich breiter zu positionieren,<br />

müssten sie sich erwartungsgemäß<br />

für breitere Wählerschichten öffnen. Dies sollte<br />

sich in den Korrelaten zwischen Alter, Bildung,<br />

Beschäftigungsverhältnis, Gewerkschaftszugehörigkeit<br />

und Konfession und den jeweiligen Kompetenzzuschreibungen<br />

widerspiegeln. 5 Theoretisch<br />

stützt sich diese Annahme auf den klassischen<br />

cleavage-Ansatz von Lipset und Rokkan (1967),<br />

der von Kitschelt und Hellemans (1990) erweitert<br />

wurde. Demnach bedienen Die Grünen einen<br />

eigenen cleavage, bestehend aus Beschäftigten<br />

im öffentlichen Dienst bzw. dem sozialen und<br />

kulturellen Bereich, die über eine hohe formale<br />

Bildung verfügen und mit einem spezifischen<br />

Werte- und Einstellungsmuster (,Postmaterialisten‘)<br />

ausgestattet sind (vgl. auch Dolezal 2010;<br />

Kroh & Schupp 2011). Man sollte folglich bei<br />

einer Öffnung der Grünen erwarten, dass der Effekt<br />

von Bildung und dem Beschäftigungsverhältnis<br />

sich im Laufe der Jahre abschwächt.<br />

Ebenso sollte man erwarten, dass der Effekt der<br />

Gewerkschaftszugehörigkeit und der Konfession<br />

5 Die Variablenauswahl orientiert sich an aktuelleren Publikationen<br />

zum Zusammenhang von sozialstrukturellen<br />

Merkmalen und Parteipräferenz (z. B. Elff & Rossteutscher<br />

2011; Pappi & Brandenburg 2010; Debus<br />

2010).

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