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2012, Heft 18, S. 5-15 - PRuF

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MIP <strong>2012</strong> <strong>18</strong>. Jhrg. Sebastian H. Schneider/Rolf Winkelmann – Die Grünen: eine Volkspartei? Aufsätze<br />

die Entwicklung der Parteiprogrammatik der<br />

Grünen bis Anfang der 1990er Jahre eher einem<br />

durch mangelnde Koordination und Konflikte<br />

gekennzeichneten Prozess entstammt, als einem<br />

konsistenten Vorgehen.<br />

Grundsatzprogramme haben eine lange Laufzeit<br />

und werden unregelmäßig überarbeitet. Aus diesem<br />

Grund wird im Folgenden selektiv auf einzelne<br />

Programme der Grünen zurückgegriffen,<br />

weil sich in ihnen Positionsveränderungen widerspiegeln.<br />

Es ist anzunehmen, dass Die Grünen<br />

weitgehend den Programmpunkt Umweltpolitik<br />

betonen, um ihre Kernkompetenz zu bewahren<br />

(Klingemann & Volkens 1997), andere Themen<br />

ziehen sie lediglich unterstützend heran.<br />

Die Grünen sind aus einer Vielzahl gesellschaftlicher<br />

Einzelbewegungen entstanden. Dieser<br />

Umstand zeigt, dass sie nie eine Single-Issue-<br />

Partei war. Dennoch ist die Partei durch ihre öffentlich<br />

wahrgenommene Entstehungsgeschichte<br />

immer eine Umweltpartei gewesen (Fenske<br />

1994: 305). Ditfurth (2011: 64) bestätigt die Fokussierung<br />

auf die Umweltpolitik in der Gründungsphase<br />

der Grünen. Gleichzeitig wussten<br />

die Gründungsinitiativen nicht, in welche Richtung<br />

der Zug in der Wirtschafts- und Sozialpolitik<br />

fahren sollte. Dies spiegelt sich in den Programmdiskussionen<br />

jener Zeit wider (Mende<br />

2011: 446-452). Dadurch entstand das Parteilabel,<br />

und erklärt, warum andere Themen neben<br />

der Umweltpolitik eher als sekundär betrachtet<br />

werden und sich nie richtig etablieren konnten.<br />

Das erste Bundesprogramm wurde im März<br />

1980 verabschiedet und behielt von wenigen Änderungen<br />

abgesehen seine Gültigkeit bis zum<br />

Jahr 2002. Dieses Programm fand in den bekannten<br />

Schlagworten ökologisch, sozial, basisdemokratisch<br />

und gewaltfrei seine Zusammenfassung<br />

(Probst 2007: <strong>18</strong>2; Glaeßner 2006: 461).<br />

Inhaltlich verfolgte das erste Bundesprogramm<br />

z. B. eine Begrenzung des Wirtschaftswachstums<br />

und eine neue globale Weltwirtschaftsordnung<br />

(Ditfurth 2001: 74). Das Programm von<br />

1980 hat eine klar anti-kapitalistische Konnotation<br />

erhalten, die in enger Verbindung mit der<br />

Umweltpolitik stand, wenn die Bedrohung der<br />

menschlichen Lebensgrundlagen durch die zu<br />

überwindende kapitalistische Wirtschaftsordnung<br />

angeführt wurde (Ditfurth 2001: 81). Die<br />

Umweltpolitik war auch als einziges Thema in<br />

der Lage die heterogenen Strömungen in der jungen<br />

Partei zu vereinen (Klein & Falter 2003: 73).<br />

Der Umweltschutzgedanke stand also von Beginn<br />

an im Zentrum der Parteiprogramme und<br />

nicht, wie bei anderen Parteien, die Wirtschaftsund<br />

Sozialpolitik. Dies gilt bis heute. Das öffentliche<br />

Auftreten und die Priorisierung der Ökologie<br />

führten in der Bevölkerung zu einer affektiven<br />

Verbindung von Umweltpolitik und den<br />

Grünen unter weitgehender Ausblendung anderer<br />

programmatischer Elemente.<br />

Erste Versuche ein holistisches Programm zu gestalten<br />

und Ökologie und Ökonomie strukturiert<br />

miteinander zu verbinden gab es mit dem Umbau-Programm,<br />

das auf dem Nürnberger Parteitag<br />

1986 beschlossen wurde. Es war der Versuch<br />

Ökonomie, Soziales und Ökologie miteinander<br />

zu verbinden und die Regierungsfähigkeit der<br />

Grünen mittels eines glaubwürdigen politischen<br />

Angebots zu demonstrieren (Wiesenthal 1993:<br />

101). Einer Bestandsaufnahme der damaligen<br />

Zeit wurden wirtschafts- und sozialpolitische Alternativen<br />

entgegengesetzt. Im Falle der Umsetzung<br />

dieses Programms sollte die Umweltsituation<br />

drastisch verbessert werden, die Arbeitslosigkeit<br />

durch eine andere Arbeitsverteilung gesenkt<br />

werden, steuerliche Entlastungen unterer und<br />

mittlerer Einkommen erfolgen, sowie umweltfreundliche<br />

Produktionsstrukturen und Produkte<br />

gefördert werden (Umbauprogramm: 89-90). Die<br />

soziale Komponente des Programms umfasste<br />

primär Umverteilungsmaßnahmen von oben<br />

nach unten (Umbauprogramm: 98). Vieles fand<br />

sich auch im Sindelfinger Programm und spiegelt<br />

damalige Forderungen der Gewerkschaften<br />

wieder (Wiesenthal 1993: 113). All diese Maßnahmen<br />

standen aber immer unter dem Primat<br />

der Ökologie. Berücksichtigt werden muss ferner,<br />

dass dieses Programm in einer Zeit gestaltet<br />

wurde, als es zum GAU in Tschernobyl und zu<br />

anderen Umweltkatastrophen kam. Ein Ende der<br />

programmatischen Diskussionen und Entwürfe<br />

war damit nicht verbunden. Vielmehr entwickelten<br />

die verschiedenen Flügel der Partei neue<br />

Konzepte. Auch der Entwurf eines ‚sozialökolo-<br />

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