2012, Heft 18, S. 5-15 - PRuF
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Aufsätze Sebastian H. Schneider/Rolf Winkelmann – Die Grünen: eine Volkspartei? MIP <strong>2012</strong> <strong>18</strong>. Jhrg.<br />
Die Grünen: eine Volkspartei?<br />
– Eine quantitative Analyse des Zeitraums<br />
2000 bis 2009 1 –<br />
Dipl. Soz.-Wiss. Sebastian H. Schneider 2 /<br />
Dr. rer. pol. Rolf Winkelmann 3<br />
1. Einleitung<br />
Die Grünen sehen sich aufgrund des Atomunfalls<br />
in Japan 2011, der Castortransporte und<br />
Stuttgart 21 derzeit in einem Umfragehoch (Forschungsgruppe<br />
Wahlen <strong>2012</strong>). Zuvor erwähnte<br />
Ereignisse spielen den Kernkompetenzen der<br />
Grünen in die Karten: Thematisch fokussiert<br />
wurden seit jeher Umweltschutz, Antimilitarismus<br />
und Gleichberechtigung.<br />
Trotz dieses engen Fokus auf die Kernthemen<br />
versuchen die Grünen sich breiter aufzustellen,<br />
um größere Wählerschichten anzusprechen. In<br />
Programmen wird versucht, die umweltpolitische<br />
Komponente dezidiert um wirtschafts- und<br />
sozialpolitische Ziele zu ergänzen und nach außen<br />
zu kommunizieren. Es stellt sich jedoch die<br />
Frage, inwieweit diese Bemühungen um ein<br />
ganzheitliches Programm von der Wählerschaft<br />
wahrgenommen werden, schließlich ist es denkbar,<br />
dass die Selbstwahrnehmung der Grünen<br />
deutlich von der von der Öffentlichkeit rezipierten<br />
abweicht. Wollen die Grünen zur Volkspartei4<br />
werden, so müssen sie auch in den wichtigen<br />
politischen Problemfeldern Wirtschaft und So-<br />
1 Wir danken Markus Tepe und Kamil Marcinkiewicz<br />
für wertvolle Kommentare und Anregungen.<br />
2 Der Verfasser ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am<br />
Zentrum für Methoden der Sozialwissenschaften<br />
(MSW), Institut für Sozialwissenschaften, Carl von<br />
Ossietzky Universität Oldenburg.<br />
3 Der Verfasser ist Lehrkraft für besondere Aufgaben am<br />
Institut für Sozialwissenschaften, Carl von Ossietzky<br />
Universität Oldenburg.<br />
4 Volkspartei wird verstanden als Partei, die in der Lage<br />
ist, mit einem allumfassenden Programm Angehörige<br />
aus verschiedenen gesellschaftlichen Schichten anzusprechen<br />
(Schmidt 1995: 1034).<br />
86<br />
ziales (Forschungsgruppe Wahlen 2011a) Kompetenz<br />
zeigen. Hinzu kommt, dass sich die Partei<br />
in der Hochphase des Wahlkampfs womöglich<br />
doch auf die Kernthemen zurück besinnt, wie<br />
z. B. eine Analyse von TV- und Radiospots bzw.<br />
Wahlplakaten zu den Europawahlen 2004 und<br />
2009 zeigte (Thimm & Hartmann 2008; Brunsbach<br />
et al. 2011). Kurz gefasst: trotz aller programmatischen<br />
Adaptionen könnten die wirtschafts-<br />
und sozialpolitischen Ambitionen der<br />
Grünen ungehört verpuffen.<br />
Um dieser Frage empirisch nachzugehen, werden<br />
Umfragedaten der Jahre 2000 bis 2009 herangezogen,<br />
um die Kompetenzzuschreibungen<br />
aus Sicht der Wähler im Längsschnitt deskriptiv<br />
zu analysieren. Dabei werden auch die individuellen<br />
Determinanten der Kompetenzzuschreibungen<br />
berücksichtigt. Die Frage an dieser Stelle ist,<br />
welche Bevölkerungssegmente die Grünen als<br />
wirtschafts- und sozialpolitisch kompetent einstufen.<br />
Der Beitrag gliedert sich daher wie folgt:<br />
In Abschnitt 2 wird zunächst die programmatische<br />
Entwicklung der Grünen skizziert. In Abschnitt<br />
3 werden theoretische und empirische<br />
Grundlagen zur Kompetenzzuschreibung unter<br />
besonderer Berücksichtigung der Entscheidungsheuristik<br />
Parteilabel diskutiert. Abschnitt 4 erläutert<br />
im Anschluss Datenbasis und Analysestrategie.<br />
In Abschnitt 5 erfolgt die eigentliche<br />
Analyse, Abschnitt 6 fasst die zentralen Erkenntnisse<br />
des Beitrags zusammen und schließt mit<br />
einer Diskussion des weiteren Forschungsbedarfs.<br />
2. Die programmatische Entwicklung der Grünen<br />
Nach Wienges (2009: 13) entwickeln die Grünen<br />
ihr Programm entsprechend der Werte ihrer<br />
Wählerklientel. Auf der anderen Seite dienen<br />
Programme der Selbstdefinition einer Partei und<br />
ihrer internen Machtverhältnisse (Wiesenthal<br />
1993: 95 u. 98). Grundsätzlich will sich die Partei<br />
von anderen abheben, weil sie sich nicht an<br />
bestimmte Sozialmilieus wenden will, sondern<br />
kollektive Interessen vertritt, und deshalb Klassen-<br />
und Gruppeninteressen eine geringere Bedeutung<br />
zuweist (Wiesenthal 1993: 97). Wiesenthal<br />
(1993: 127) kommt zu dem Ergebnis, dass