2012, Heft 18, S. 5-15 - PRuF
2012, Heft 18, S. 5-15 - PRuF
2012, Heft 18, S. 5-15 - PRuF
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
MIP <strong>2012</strong> <strong>18</strong>. Jhrg. Lazaros Miliopoulos – Eine neue Identitätsbestimmung konservativer Parteien in Europa? Aufsätze<br />
kategorie auf die Idee eines „föderalen Europa“<br />
im Sinne eines europäischen Bundesstaates zu<br />
fokussieren und zwischen Föderalisten und Antiföderalisten<br />
zu unterscheiden (Krouwel/Koen<br />
2007), also die europäische Konfliktlinie auf die<br />
Frage der Reichweite der europäischen Integration<br />
(Kompetenzaneignung) zu beschränken.<br />
Nach Peter Mair (2007) könnte man hier von einer<br />
„territorialen Achse“ sprechen. Eine Dimension<br />
funktioneller Art, die also Konflikte umfasst,<br />
welche mit Ressourcenallokation und interessenbezogenen<br />
Politikfeldern zusammenhängen,<br />
bliebe bei der Bestimmung des Euroskeptizismus<br />
unberücksichtigt (Auberger/Lamping<br />
2009: 288). Man müsste schließlich noch eine<br />
Systemunterstützungsdimension hinzudenken,<br />
so dass Gruppen ausgesondert werden, die das<br />
politische System der EU samt Grundwerten total<br />
ablehnen und als Ganzes aktiv bekämpfen.<br />
Unter Einbau der Differenzierung zwischen<br />
„harter“ und „weicher“ Variante des Euroskeptizismus<br />
(Szczerbiak/Taggart 2002: 7) – wobei die<br />
häufig viel zu inklusiv formulierte Definition der<br />
weichen Variante anhand der hier vorgeschlagenen<br />
ideellen Leitkategorie präzisiert wird – wären<br />
folgende Gruppen zu unterscheiden:<br />
a) Euroföderalisten unterstützen die Idee eines<br />
föderalen Bundesstaates. Kritik richtet sich<br />
demnach alleine gegen Effektivitäts- und Demokratiemängel<br />
der EU im Lichte der föderalistischen<br />
Grundidee.<br />
b) Europragmatiker unterstützen die Beibehaltung<br />
der gegenwärtigen binären Struktur der<br />
EU zwischen supranationalem und intergouvernementalem<br />
Gebilde und beschränken sich<br />
in diesem Rahmen pragmatisch darauf, politikfeldspezifische<br />
Ziele zu erreichen.<br />
c) Weiche Euroskeptiker wehren sich gegen jedwede<br />
weitere Vertiefung und sprechen sich<br />
z.T. auch für den Rückbau supranationaler<br />
Strukturen aus. Die Skepsis kann zwar u.a.<br />
funktional und politikfeldspezifisch (z.B. wirtschaftspolitisch)<br />
konnotiert sein, entscheidend<br />
ist jedoch nicht die funktionale Dimension (so<br />
aber Szczerbiak/Taggart 2002: 7), sondern die<br />
„territoriale Achse“ (also die europapolitische<br />
Grundsatzdimension). Es muss also um die<br />
grundsätzliche Erhaltung nationaler Kompetenzbestände<br />
gehen, worunter nicht nur der<br />
nationalstaatliche Souveränitätsbegriff gehört,<br />
sondern auch die Lehre von der nationalen<br />
Parlamentssouveränität. Supranationale Strukturen<br />
werden jedoch nicht gänzlich abgelehnt.<br />
Der Unterschied zu den harten Euroskeptikern<br />
an dieser Stelle ist prinzipieller Natur, nichtsdestotrotz<br />
graduell operationalisierbar.<br />
d) Harte Euroskeptiker können als Souveränisten<br />
verstanden werden. Sie setzen sich für einen<br />
konsequenten Rückbau der EU zu einem reinen<br />
Staatenverbund ein und votieren teilweise<br />
für einen Austritt aus der EU, weil sie im<br />
Rahmen der (jetzigen) EU ihre Ziele nicht<br />
(mehr) erreichen können.<br />
e) EU-Feinde (eurorejects) betrachten die EU<br />
als Feindobjekt und möchten sie durch ein<br />
ganz neues System/eine ganz neue Ordnung<br />
(etwa antikapitalistischer oder nationalistischer<br />
Art) ersetzt wissen.<br />
Anders als bei einem wichtigen Teil der Christdemokraten,<br />
die sich (neben pragmatischen<br />
Kräften) aus föderalistischer Begeisterung für<br />
weitere supranationale Vertiefungen in der europäischen<br />
Integration einsetzen, sind die Konservativen<br />
vor allen Dingen zwischen europragmatischen<br />
oder euroskeptischen Positionen anzusiedeln<br />
(und nur in Südeuropa vereinzelt euroföderalistisch).<br />
Im Falle des Euroskeptizismus ist vor<br />
allen Dingen die weiche Variante anzutreffen.<br />
Die harte Variante findet sich indes ebenfalls unter<br />
konservativen Parteien, die sich in der 2009<br />
neugegründeten Fraktion „Europa der Freiheit<br />
und der Demokratie“ (EFD) gesammelt haben<br />
(z.B. UKIP oder die französische MPF). Der EFD-<br />
Fraktion, in welcher sich die Reste der ausgedünnten<br />
UEN- und der hart-euroskeptischen Independence/Democracy-Fraktionzusammenschlossen,<br />
gehören neben den konservativen Parteien<br />
rechtspopulistische Anti-Establishment-Parteien<br />
an (z.B. Dänische Volkspartei, „Wahre Finnen“,<br />
Lega Nord) oder solche, die sich nach dem Vorbild<br />
der italienischen Alleanza Nationale von einer<br />
rechtsradikalen zu einer nationalkonservativen<br />
Partei entwickelt haben (griechische „Orthodoxe<br />
Volksbewegung“, kurz: LAOS).<br />
65