2012, Heft 18, S. 5-15 - PRuF
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MIP <strong>2012</strong> <strong>18</strong>. Jhrg. Lazaros Miliopoulos – Eine neue Identitätsbestimmung konservativer Parteien in Europa? Aufsätze<br />
Eine neue Identitätsbestimmung<br />
konservativer Parteien in Europa?<br />
– Die Gründung der euroskeptischen<br />
Alliance of European Conservatives and<br />
Reformists (AECR) und ihre Bedeutung<br />
für das europäische Parteiensystem –<br />
Dr. Lazaros Miliopoulos 1<br />
1. Einleitung<br />
Nach den Wahlen zum Europäischen Parlament<br />
2009 bildete sich die neue konservative Fraktion<br />
European Conservatives and Reformists (ECR),<br />
am 1. Oktober 2009 folgte die Gründung der<br />
Partei Alliance of European Conservatives and<br />
Reformists (AECR). Mit der AECR-Gründung<br />
hatte sich das konservative Spektrum in Europa<br />
neu aufgestellt: Neben liberalkonservativen Parteien<br />
mit euroskeptischer Ausrichtung (tschechische<br />
ODS, britische Conservative Party) traten<br />
national-, sozial- und christkonservative Pendants<br />
hinzu (u.a. die polnische Partei „Recht und<br />
Gerechtigkeit“/PiS von Jarosław Kaczyński und<br />
die litauische Partei „Für Vaterland und<br />
Freiheit“, kurz TB/LNNK) sowie kleinere<br />
rechtsliberale Parteien aus Belgien, Ungarn, Luxemburg<br />
und die christkonservative Christen-<br />
Unie aus Holland. Da die britischen Konservativen<br />
vergeblich versucht hatten, die dänische<br />
Konservative Folkeparti (KFP) und die portugiesische<br />
Centro Democrático e Social – Partido<br />
Popular (CDS-PP) für das Projekt zu gewinnen,<br />
hat der europäische Konservativismus ein deutlich<br />
östlicheres und euroskeptischeres Profil gewonnen.<br />
Andererseits ist er auch unübersichtlicher<br />
geworden, was die Frage hervorruft, inwieweit<br />
noch von einer Einheit der konservativen<br />
Parteienfamilie auf EU-Ebene ausgegangen wer-<br />
1 Der Verfasser ist seit 2011 Habilitationsstipendiat der<br />
Görres-Gesellschaft zur Pflege der Wissenschaften und<br />
Lehrbeauftragter am Institut für Politische Wissenschaft<br />
und Soziologie der Universität Bonn.<br />
den kann. Dieser Frage soll anhand einer Analyse<br />
der innerparteilichen Entwicklung und Programmatik<br />
der AECR (Kapitel 2), einer Beleuchtung<br />
der gegenwärtigen Konfliktlinien innerhalb<br />
des parteipolitischen Konservativismus<br />
in Europa (Kapitel 3) und einer Untersuchung<br />
des Abstimmungsverhaltens der ECR-Fraktion<br />
im Europäischen Parlament nachgegangen werden<br />
(Kapitel 4).<br />
2. Die Gründung der AECR: Vorgeschichte,<br />
Entwicklung, Programmatik<br />
2.1 Vorgeschichte<br />
a) Christdemokratisch-konservativer Konvergenzprozess<br />
1979-2004<br />
Nach den ersten Wahlen zum Europäischen Parlament<br />
1979 waren die britischen und französischen<br />
Konservativen zunächst noch auf Eigenständigkeit<br />
bedacht. Die Briten bildeten zusammen<br />
mit der dänischen KFP die Fraktion der<br />
„Europäischen Demokraten“ (ED). Zudem entschlossen<br />
sich die Neogaullisten unter Jacques<br />
Chirac (Rassemblement pour la République,<br />
kurz: RPR) aus innenpolitischen Motiven zu einem<br />
euroskeptischen Kurs und gründeten zusammen<br />
mit der irischen Fianna Fáil die Fraktion<br />
European Democratic Alliance (EDA)<br />
(Shields 1996: 91f.), die sich später in Union for<br />
(People’s) Europe (UFE bzw. UPE) umbenannte.<br />
Doch bereits an der Gründung der lockeren<br />
„Europäischen Demokratischen Union“ (EDU),<br />
in welcher sich die konservativen Parteien 1978<br />
zusammenschlossen, waren Christdemokraten<br />
aus Deutschland und Österreich (CDU, CSU,<br />
ÖVP) zusammen mit der französischen RPR aktiv<br />
beteiligt. Zudem näherte sich die RPR nach<br />
ernüchternden Wahlergebnissen bereits Anfang<br />
der achtziger Jahre der christdemokratischen<br />
Fraktion der Europäischen Volkspartei (EVP) an<br />
(Shields 1996: 104f.; Ladrech 2007: 92f., 101;<br />
Petithomme 2009: 72f.). Nach den Süderweiterungen<br />
der EG traten zudem 1983 die griechische<br />
Néa Dimokratía (ND) und 1991 die seit<br />
1987 in der EDU beheimatete spanische Partido<br />
Popular (PP) in die EVP ein (Jansen 1998:<br />
107f.).<br />
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