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2012, Heft 18, S. 5-15 - PRuF

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MIP <strong>2012</strong> <strong>18</strong>. Jhrg. Thomas Bathge – Strategien von Regierungsmehrheit und Opposition in Untersuchungsausschüssen Aufsätze<br />

gen aus den Reihen der Opposition vernehmen<br />

und zum „Gegenangriff“ übergehen. Sie hofft,<br />

dass den Vorwürfen die Schärfe genommen<br />

wird, wenn sie darauf verweist, dass der Sachverhalt<br />

schon in der Regierungszeit der jetzigen<br />

Opposition bekannt war (vgl. Kipke 1985: 98; vgl.<br />

Rotter 1979: 122). Mit den Ausschüssen „Polizei“<br />

und „Steuerfahnder“ gelang es der absoluten<br />

CDU-Mehrheit in immerhin zwei von drei Untersuchungsausschüssen<br />

in der 16. Wahlperiode<br />

auf diese Weise ein Patt im Verfahren herbeizuführen<br />

und die ursprünglichen Vorwürfe gegen<br />

ihren Minister zu neutralisieren. Teilweise verzichteten<br />

die Kontrahenten ganz auf die Befragung<br />

prominenter Zeugen aus beiden Reihen. 19<br />

Neben den geschilderten Verzögerungsmöglichkeiten<br />

wird die Mehrheit also initiativ und versucht<br />

ihrerseits die Opposition unter Druck zu<br />

setzen.<br />

VIII. Fazit und Bewertung der Strategien<br />

Die Strategien von Mehrheit und Opposition in<br />

den Untersuchungsausschüssen des Hessischen<br />

Landtags lassen sich nicht pauschal für jede Seite<br />

festlegen. Es gibt zwar auf der Koalitionsseite<br />

die Tendenz zur Verzögerung des Verfahrens,<br />

während die Opposition öffentlichkeitswirksam<br />

zu einer Personalisierungs- und Skandalisierungsstrategie<br />

neigt, dennoch sind auch strategische<br />

Rollenwechsel im Untersuchungsausschuss<br />

auf beiden Seiten zu konstatieren. So kann die<br />

Mehrheit das Instrument des Erweiterungsantrags<br />

nutzen, um die Untersuchung auf die Regierungszeit<br />

der Vorgängerregierung auszudehnen<br />

und ehemalige Minister der aktuellen Oppositionsparteien<br />

als Zeugen vernehmen, wenn sich<br />

dafür die Gelegenheit ergibt. Die Opposition<br />

steht dann eher auf der Verteidigerseite und<br />

muss „ihre“ Zeugen gegen Angriffe verteidigen.<br />

Auch kann die Opposition selbst den Ausschuss<br />

mit Blick auf einen Wahltermin verzögern oder<br />

von den Zeitspielstrategien der Mehrheit strategisch<br />

profitieren.<br />

19 Entgegen der Ansicht von Steffani dienen die Anträge<br />

nicht nur der Verhinderung von Einseitigkeiten der<br />

Untersuchung (vgl. Steffani 1974: 470).<br />

Wann lohnt sich die Initiierung eines Untersuchungsausschusses<br />

für die Opposition? In welchen<br />

Fällen griff die Strategie der Personalisierung<br />

am besten? Für die Opposition lohnt sich<br />

die Initiierung vor allem bei direkter Verwicklung<br />

des Ministerpräsidenten oder eines Ministers<br />

in den vermeintlichen Missstand oder Skandal.<br />

Musterbeispiel ist der „CDU-Spendenskandal“.<br />

Hingegen ist der Nachweis von direkter<br />

Verantwortung des zuständigen Ministers für angebliche<br />

Missstände in der Verwaltung äußerst<br />

mühsam. Der Vorwurf der „second-order transgression“<br />

an den Minister reichte oft aus, um<br />

günstige Einsetzungsbedingungen zu schaffen,<br />

trug aber im Verfahren deutlich kürzer<br />

(„Polizei“, „Steuerfahnder“). Auch muss die<br />

hessische Opposition die Gegenstrategie der Erweiterung<br />

durch die Regierungsmehrheit ins<br />

Kalkül ziehen. Hieraus ergibt sich ein bremsender<br />

Effekt für den Untersuchungsausschuss aus<br />

oppositioneller Sicht. Themen mit Rückbezug in<br />

die eigene Regierungszeit eignen sich somit eher<br />

weniger für einen Untersuchungsausschuss.<br />

Der Erfolg der Opposition mit ihrer Personalisierungsstrategie<br />

soll hier anhand des Teilziels der<br />

öffentlichen Aufmerksamkeit in Form einer<br />

quantitativen Inhaltsanalyse20 gemessen werden.<br />

Mit Hilfe der Auswertung von Presseartikeln<br />

zweier hessischer Tageszeitungen, die das politische<br />

Meinungsspektrum im Hessischen Landtag<br />

gut abbilden und eine überregionale Bedeutung<br />

haben, lassen sich die oben genannten Thesen<br />

plausibilisieren. Eine einfache Auszählung der<br />

Presseartikel für die Dauer der Ausschüsse „Polizei“,<br />

„Steuerfahnder“, „Freie Wähler“ und<br />

„Bouffier“ in den Regionalteilen der Frankfurter<br />

Allgemeinen Zeitung und der Frankfurter Rundschau21<br />

ergibt folgendes Bild:<br />

20 Eine Form der quantitativen Inhaltsanalyse kann die<br />

einfache Erfassung der Häufigkeit von Presseartikeln<br />

zu bestimmten Sachverhalten sein (Vgl. Rucht/Hocke/<br />

Oremus 1995: 263).<br />

21 Herangezogen wurden Artikel aus der Stadtausgabe<br />

der Frankfurter Rundschau (Ressorts: Rhein-Main/<br />

Hessen sowie Frankfurt) und die Rhein-Main Zeitung<br />

der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Beginn der Zählung<br />

war das Datum auf dem jeweiligen Einsetzungsantrag,<br />

das Ende des Untersuchungszeitraums setzte<br />

das Datum des Abschlussberichts. Artikel mit weniger<br />

als zwei Hauptsätzen zum Thema wurden nicht erfasst.<br />

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