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2012, Heft 18, S. 5-15 - PRuF

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MIP <strong>2012</strong> <strong>18</strong>. Jhrg. Thomas Bathge – Strategien von Regierungsmehrheit und Opposition in Untersuchungsausschüssen Aufsätze<br />

Dies gilt insbesondere für Untersuchungsausschüsse,<br />

die einen Missstand in der Verwaltung<br />

untersuchten, für den der Minister höchstens indirekt<br />

verantwortlich war (z.B. der Ausschuss<br />

„Polizei“) und somit kein „klassischer“ politischer<br />

Skandal vorlag, in dem politische Führungspersonen<br />

schon in Vorgänge verstrickt waren,<br />

die zum Beispiel Machtmissbrauch, irreguläre<br />

Finanztransaktionen oder sexuelle Normüberschreitungen<br />

zum Thema hatten (vgl.<br />

Thompson 2000: 91-94). Demgegenüber hatte<br />

die Ursprungsverfehlung im Ausschuss „CDU-<br />

Spenden“ ein höheres Gewicht, weil in diesem<br />

Fall der Ministerpräsident schon direkt involviert<br />

schien. „Das ist natürlich die klassische<br />

Ausgangssituation, in der eine Opposition, wenn<br />

sie den Namen zu Recht tragen will (…), dann<br />

auch auf die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses<br />

dringen muss“, erklärte ein Ausschussmitglied<br />

der Grünen zur Einsetzung. 12<br />

Deutlich wird die personelle Zuspitzung an den<br />

Rücktrittsforderungen gegen das beschuldigte<br />

Regierungsmitglied, die oftmals schon vor der<br />

Einsetzung des jeweiligen Untersuchungsausschusses<br />

erhoben und während des Verfahrens<br />

selbst immer wieder gestellt werden.<br />

Diese Personalisierungsstrategie setzt sich im<br />

Verlauf des Untersuchungsverfahrens fort. SPD<br />

und die Grünen erwähnten die Anschuldigungen<br />

gegen das jeweilige Regierungsmitglied in schöner<br />

Regelmäßigkeit in den Zeugenbefragungen,<br />

in den Landtagsdebatten und in den Anträgen<br />

zum Thema oder versuchten gar durchzusetzen,<br />

politische Zeugen mehrmals vorzuladen oder,<br />

wie im Fall des Ministerpräsidenten Koch, unter<br />

Eid zu vernehmen, während die Regierungsfraktionen<br />

eine personelle Zuspitzung der Vorwürfe<br />

verhindern wollten. Dies geschieht in der Regel<br />

über eine sogenannte „Versachlichung der Ausschussarbeit“,<br />

die häufig in engem Zusammenhang<br />

mit Zeitspielstrategien steht. So versuchte<br />

die Mehrheit im Landtag durch Änderungen der<br />

Erweiterungsanträge der Opposition mit Verweis<br />

auf das Bestimmtheitsgebot oder durch Vorlage<br />

eigener Erweiterungsanträge die Nennung von<br />

Kabinettsmitgliedern zu verhindern. Ebenso verteidigte<br />

sie in den Zeugenbefragungen ihren Mi-<br />

12 Leitfadeninterview vom 27.05.2008 (Bathge 2008).<br />

nister bzw. Ministerpräsidenten gegen Unterstellungen<br />

und Suggestivfragen der Opposition und<br />

bemühte sich, die Befragung auf andere Schuldige<br />

oder auf die Sachebene des Missstands zu<br />

lenken.<br />

Strategisches Teilziel der Opposition ist es, für<br />

einen tatsächlichen oder vermeintlichen Ausgangsverstoß,<br />

der von den Medien aufgedeckt<br />

wurde, einem Minister die Verantwortung zuzuweisen.<br />

Um die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses<br />

vor der Öffentlichkeit begründen<br />

zu können und durch die Personalisierung<br />

des Missstands selbst günstige Ausgangsbedingungen<br />

für den Einsatz des Untersuchungsausschusses<br />

als politisches Kampfinstrument zu<br />

haben, ist es für die Opposition wichtig, auch in<br />

Ausgangssituationen mit direkter Involvierung<br />

von Regierungsmitgliedern, diesen eine „secondorder<br />

transgression“ anlasten zu können.<br />

Für die Mehrheit ist die Einsetzung des Ausschusses<br />

hingegen als Minderheitsrecht eines<br />

Fünftels der Abgeordneten im Landtag nicht zu<br />

verhindern. Es wäre auch strategisch nicht klug,<br />

sich gegen die Einsetzung zu sperren, weil so der<br />

Eindruck erweckt werden würde, die Regierung<br />

hätte tatsächlich etwas zu verbergen. Deshalb<br />

stimmte die Mehrheit in allen Fällen für die Einsetzung<br />

des Ausschusses oder enthielt sich der<br />

Stimme, verwies aber im Folgenden bei jeder<br />

Gelegenheit auf ihre eigene Aufklärungsarbeit<br />

vor Beginn des Untersuchungsausschusses oder<br />

auf die Aufklärung auf juristischer Ebene, um<br />

den Ausschuss als „Klamauk“ der Opposition zu<br />

entlarven und deren Machtinteresse vor der Öffentlichkeit<br />

herauszustellen. Sie begegnet der<br />

Personalisierungsstrategie mit dem Vorwurf der<br />

parteipolitischen Instrumentalisierung des Ausschusses<br />

im Bewusstsein, dass die Öffentlichkeit<br />

hiervon eher abgestoßen wird (Arndt 1964: 291;<br />

Thaysen 1988: 29). 13<br />

IV. Zeitspielstrategien<br />

Das Spiel auf Zeit ist eine beliebte Strategie der<br />

Regierungsmehrheit im Untersuchungsverfahren.<br />

Sie hat dazu durch das geltende Mehrheitsprinzip<br />

im Untersuchungsausschuss sehr gute<br />

13 Vgl. Außer Spesen nichts gewesen, in: FAZ, 20.12.2002.<br />

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