2012, Heft 18, S. 5-15 - PRuF
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Aufsätze Thomas Bathge – Strategien von Regierungsmehrheit und Opposition in Untersuchungsausschüssen MIP <strong>2012</strong> <strong>18</strong>. Jhrg.<br />
ginn des Untersuchungsausschusses feststehenden<br />
Interpretationen durchzusetzen und jegliche<br />
Erfolge des Gegners in inhaltlicher oder rechtlicher<br />
Hinsicht zu verhindern. Die Auseinandersetzungen<br />
kreisen um die Heranziehung von Beweisen,<br />
die Befragung von Zeugen, die zeitliche<br />
Ausgestaltung des Verfahrens, die Interpretationen<br />
des Untersuchungsgegenstands und auch um<br />
die Frage, ob die Einsetzung des Ausschusses<br />
überhaupt notwendig war.<br />
III. Personalisierungsstrategien<br />
In der Einsetzungsphase ist die Opposition faktisch<br />
„Herrin des Verfahrens“ und beschließt die<br />
Einsetzung von Untersuchungsausschüssen nur<br />
dann, wenn die Einsetzungsbedingungen von ihr<br />
als günstig angesehen werden (Ismayer 2001:<br />
369). 10 Eine wesentliche Grundlage jedes Untersuchungsausschusses<br />
war ein tatsächlicher oder<br />
vermeintlicher Verstoß gegen Normen, Werte,<br />
Moralvorstellungen oder Gesetze durch Repräsentanten<br />
des politischen Systems, entweder der<br />
Landesregierung und/oder der Regierungspartei,<br />
sowie durch Personen der staatlichen Verwaltung,<br />
für deren Handlungen der zuständige Minister<br />
oder der Ministerpräsident verantwortlich<br />
gemacht wurde. Unterschieden werden muss dabei<br />
zwischen der Ursprungsübertretung und den<br />
sogenannten „second-order transgressions“, die<br />
begangen werden, um die erste Verfehlung zu<br />
verdecken. Häufig wird dieser Überschreitung<br />
(ob nachgewiesen oder nicht) eine wichtigere<br />
Stellung eingeräumt als dem ersten Verstoß<br />
(Thompson 2000: 17). In ihrer herausgehobenen<br />
Stellung übernehmen die politischen Führungspersönlichkeiten<br />
Vorbildfunktion bei der Beachtung<br />
von Normen für den Rest der Gesellschaft<br />
(Hondrich 2002: 25). Für Vorgänge, die diese<br />
Vorbildfunktion untergraben und ihre Reputation<br />
beschädigen, sind Politiker sehr anfällig<br />
(Thompson 2000: 102). Hieraus ergibt sich die<br />
„starke Personalisierungstendenz“ politischer<br />
Skandale (Kaesler 2001: 28), die sich auch in<br />
Untersuchungsausschüssen niederschlägt. Es gilt<br />
10 „Der Landtag hat das Recht und auf Antrag von einem<br />
Fünftel der gesetzlichen Zahl seiner Mitglieder die<br />
Pflicht, Untersuchungsausschüsse einzusetzen“ (Hessische<br />
Verfassung, Art. 92).<br />
52<br />
auch hier: „Im politischen Raum (…) ist die<br />
Schwelle zum Skandal leicht erreicht“ (Neckel<br />
1989: 62).<br />
So stand im „Bouffier-Ausschuss“ nicht mehr allein<br />
der Vorwurf des Parteiverrats und Prozessbetrugs<br />
gegen Rechtsanwalt Volker Bouffier im<br />
Vordergrund, sondern vor allem die Fragen, ob<br />
dieser in seiner Funktion als Innenminister den<br />
Landtag wahrheitsgemäß informiert und ob das<br />
Justizministerium Einfluss auf die Ermittlungen<br />
gegen Bouffier genommen hatte. Die Opposition<br />
nutzte in solchen Fällen die Gelegenheit, die<br />
Vorwürfe auch auf andere Regierungsmitglieder<br />
auszuweiten, um die Glaubwürdigkeit der gesamten<br />
Regierung zu erschüttern. Die Beschuldigung,<br />
die zuständigen parlamentarischen Gremien<br />
und die Öffentlichkeit in der Sache belogen<br />
zu haben, wurde in den anderen Untersuchungsausschüssen<br />
gegenüber Mitgliedern der Regierung<br />
Koch ebenfalls erhoben. Zu Bekanntheit<br />
brachte es in diesem Zusammenhang der Ausschuss<br />
„CDU-Spenden“, vor und in welchem die<br />
Opposition gleich mehrfach den Ministerpräsidenten<br />
Roland Koch der Lüge bezichtigte. Oftmals<br />
waren diese Vorwürfe Folge der wiederholten<br />
schriftlichen und mündlichen Nachfragen der<br />
Opposition in den zuständigen Ausschüssen und<br />
im Plenum, mit denen sie zugleich das öffentliche<br />
Interesse an dem Fall testete. Denn ohne ein<br />
spürbares Medieninteresse ist der Untersuchungsausschuss<br />
als politisches Kampfinstrument nicht<br />
einsetzbar. 11 Die Verknüpfung des Vorgangs mit<br />
der Person des Ministers oder gar des Ministerpräsidenten<br />
erlaubt es, komplizierte Sachverhalte<br />
vereinfacht darzustellen, eine intensive begleitende<br />
Berichterstattung sicherzustellen und ermöglicht<br />
es der Opposition erst, aus diesem Vorgang<br />
politisches Kapital zu schlagen (Germis<br />
1988: 22).<br />
Letztlich beruhte die Begründung zur Einsetzung<br />
eines Untersuchungsausschusses zu einem großen<br />
Teil immer auf der Anschuldigung der Opposition,<br />
die Landesregierung hätte falsch oder nur<br />
unzureichend über den Sachverhalt informiert.<br />
11 Die Medien üben eine „Verstärkerfunktion“ hinsichtlich<br />
der öffentlichen Reaktionen aus (Neckel 1989:<br />
69). Durch sie kann öffentliche Empörung kommuniziert<br />
werden (Hondrich 2002: 61).