2012, Heft 18, S. 5-15 - PRuF
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MIP <strong>2012</strong> <strong>18</strong>. Jhrg. Thomas Bathge – Strategien von Regierungsmehrheit und Opposition in Untersuchungsausschüssen Aufsätze<br />
durch öffentliche Kritik an der Regierung einzutrüben.<br />
Ihr kann nicht daran gelegen sein, dass<br />
die Opposition auf Kosten der Regierung politische<br />
Erfolge erzielt (Link 1998: 168). Sie legt<br />
darum auch keinen Wert auf die Aufklärung von<br />
Sachverhalten, wenn absehbar ist, dass dies die<br />
Regierung belasten könnte. Das geht einher mit<br />
einem Abwägungsprozess, in dem die Mehrheit<br />
abschätzt, ob der Glaubwürdigkeitsverlust in der<br />
Öffentlichkeit bei fehlender Mitarbeit im Untersuchungsausschuss<br />
höher ist, als die politischen<br />
Folgen des Zugebens von Fehlern der Regierung<br />
(Hermes 1994: 351). In den untersuchten Fällen<br />
entschied sich die Regierungsmehrheit für einen<br />
Mittelweg aus Verzögerung oder Blockade des<br />
Verfahrens und wohldosierter Aufklärung des<br />
Sachverhalts. In keinem Untersuchungsausschuss<br />
entzog die Mehrheit der Regierung das<br />
Vertrauen. Selbst beim brisantesten Untersuchungsausschuss<br />
zur CDU-Spendenaffäre kam<br />
es nicht zu einem Bruch der CDU/FDP-Koalition.<br />
7 Die Mehrheit wird höchstens bereit sein, gewisse<br />
Missstände in der Verwaltung aufzudecken<br />
und einzugestehen, wenn sie die Verantwortung<br />
dafür auf die Vorgängerregierung abwälzen<br />
kann (Ismayer 2001: 372), wie dies in<br />
der „Steuerfahnderaffäre“ und im Ausschuss<br />
„Polizei“ teilweise der Fall war. Dem von der<br />
Opposition angegriffenen Kabinettsmitglied<br />
wurde meist demonstrativ der Rücken gestärkt<br />
und dessen Verantwortung für den vermeintlichen<br />
oder tatsächlichen Missstand heruntergespielt.<br />
8 Dies kam in allen Abschlussberichten<br />
zum Ausdruck, in denen die Vorwürfe der Opposition<br />
gegen Regierungsmitglieder und führende<br />
Repräsentanten der Regierungsmehrheit immer<br />
zurückgewiesen wurden.<br />
Im Gegensatz zur Regierungsmehrheit, die von<br />
einer geringen öffentlichen Aufmerksamkeit für<br />
den Ausschuss eher profitiert, ist die Opposition<br />
auf diese angewiesen, um ihre strategischen Ziele<br />
erreichen zu können. Die Erregung öffentlicher<br />
Aufmerksamkeit ist ein wichtiges strategi-<br />
7 Kipke (1985: 88f.) stellt dies für die Bundesebene<br />
ebenfalls fest.<br />
8 Als Ausnahme erscheint nur der Rücktritt von Staatsminister<br />
Jung während des Ua <strong>15</strong>/2, der laut Presseberichten<br />
auf Druck der FDP zurückgetreten sein soll.<br />
sches Teilziel im Untersuchungsverfahren. Ohne<br />
öffentliche Aufmerksamkeit ist es der Opposition<br />
nicht möglich, ihre Wertungen zum Untersuchungsgegenstand<br />
überhaupt zu verbreiten. 9<br />
Sie wird in diesem Aufsatz am Medieninteresse<br />
an den einzelnen Ausschüssen festgemacht.<br />
Die Opposition versucht, die Regierung und die<br />
sie stützende Mehrheit öffentlich unter Druck zu<br />
setzen und für die vermeintlichen Missstände<br />
oder Skandale direkt verantwortlich zu machen.<br />
Ihr liegt daran, die Glaubwürdigkeit einzelner<br />
Regierungsmitglieder und der Regierung insgesamt<br />
zu erschüttern. Dies ist meist verbunden<br />
mit Rücktrittsforderungen gegen einzelne Regierungsmitglieder<br />
oder gar mit dem Verlangen<br />
nach Neuwahlen schon zu Beginn oder vor der<br />
Konstituierung des Untersuchungsausschusses.<br />
Ohne eine Mobilisierung der Öffentlichkeit ist<br />
ein solches Ziel nicht zu erreichen. Der Opposition<br />
muss es gelingen, die Öffentlichkeit auf ihre<br />
Seite zu ziehen und sie zu einem „politischen<br />
Unwerturteil“ über die Regierung und die sie<br />
stützende parlamentarische Mehrheit zu veranlassen<br />
(Kipke 1985: 93). Sie muss dafür das Vertrauen<br />
der Öffentlichkeit in die Regierung und<br />
das Ansehen der Regierung in der Öffentlichkeit<br />
untergraben, sich aber gleichzeitig als bessere<br />
Alternative präsentieren (Glauben/Brocker 2005:<br />
4). Die Opposition muss generell darauf achten,<br />
dass sie glaubhaft als Vorkämpferin für das allgemeine<br />
Aufklärungsinteresse erscheint, um die<br />
Öffentlichkeit als Geschädigte und Schiedsrichterin<br />
zu gewinnen (Hitzler 1989: 336f.). Dies geschieht,<br />
indem die Opposition nicht nur auf die<br />
politischen Fehler der Regierung hinweist, sondern<br />
besonders auf ihre moralischen Verfehlungen.<br />
An eine tatsächliche Kontrolle des vermeintlichen<br />
Missstands und eine parteiübergreifende<br />
Bewertung der Vorgänge ist unter diesen Vorzeichen<br />
nicht zu denken. Beide Seiten sind im Verfahren<br />
eher darauf bedacht, ihre schon vor Be-<br />
9 Berücksichtigt werden muss, dass politische Inhalte in<br />
den Medien das „Ergebnis von Interaktionsprozessen“<br />
zwischen Politik und Medien sind (Jarren/Donges<br />
2011: 26). Eine reine Vermittlung der politischen Wertungen<br />
durch die Medien an das Publikum findet daher<br />
nicht statt (Sarcinelli 2011: 274f.).<br />
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