2012, Heft 18, S. 5-15 - PRuF
2012, Heft 18, S. 5-15 - PRuF 2012, Heft 18, S. 5-15 - PRuF
Editorial MIP 2012 18. Jhrg. Editorial Prof. Dr. Thomas Poguntke/ Prof. Dr. Martin Morlok Am PRuF gab es im Jahr 2011 einige erfreuliche Neuigkeiten. Zu den offenkundigsten Veränderungen zählt sicherlich der Umzug unseres Instituts in neue Räumlichkeiten im Herzen des Düsseldorfer Campuslebens. Unweit der Universitäts- und Landesbibliothek und in guter Gesellschaft des modernen Öconomicums hat uns die Hochschulleitung im Gebäude der Philosophischen Fakultät einen eigenen Flügel zur Verfügung gestellt. Hier können nun alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des PRuF an einem Ort zusammensitzen, diskutieren und gemeinsam forschen. Die Arbeitsbedingungen für unser Team haben sich damit deutlich verbessert. Dafür sind wir der Hochschulleitung sehr dankbar. Innerhalb des PRuF-Direktoriums gab es im Herbst 2011 eine Ämterrochade. Herr Poguntke ist nunmehr Direktor des Instituts und Herr Morlok stellvertretender Direktor. Für diesen turnusmäßigen Leitungswechsel empfahl sich dieser Zeitpunkt mit Blick auf die beiden angebrochenen Forschungsfreisemester von Herrn Morlok, in denen er sich schwerpunktmäßig der Fertigstellung einer Monographie zur Parteienrechtsdogmatik widmen möchte. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) unterstützt dieses Vorhaben finanziell. Ebenfalls im Bereich Forschung konnte im Frühjahr das DFG-Projekt „Deutsche Parteimitgliederstudie 2009“ erfolgreich abgeschlossen werden. Die Studie wurde gemeinsam mit dem Arbeitsbereich für politische Soziologie der Leibniz- Universität Hannover unter der Leitung von Prof. Dr. Ulrich von Alemann und Prof. Dr. Markus Klein durchgeführt. Dabei wurden in einer repräsentativen Umfrage rund 17.000 Mitglieder aller sechs im Deutschen Bundestag vertretenen Parteien befragt. Der jüngst im VS-Verlag für Sozialwissenschaften erschienene Sammelband „Parteimitglieder in Deutschland“ stellt 4 die Ergebnisse der Studie einem breiten Publikum vor. Einen weiteren Höhepunkt hielt der Veranstaltungskalender des PRuF im November bereit. Die Entwicklung der Demokratie in der Ukraine bildete den Mittelpunkt eines einwöchigen vom DAAD geförderten Kolloquiums, das wir in Kooperation mit Studenten und Professoren der Universität Kiew durchgeführt haben. Das Kennenlernen der Perspektive aus dem jeweils anderen Land ermöglichte einen fruchtbaren Austausch zwischen deutschen und ukrainischen Teilnehmern, den wir in Zukunft hoffentlich fortsetzen können. Gern auch einmal im schönen Kiew. Doch zunächst einmal findet am 20. und 21. April 2012 unser diesjähriges PRuF-Symposion statt. Das Thema lautet: „Auf dem Wege zu einer europäischen Parteiendemokratie?“ Wir würden uns natürlich freuen, zu diesem Anlass möglichst viele Interessenten an der Heinrich-Heine- Universität begrüßen zu dürfen. Dies gilt auch für das bereits jetzt in Planung befindliche Symposion 2013 zum aktuellen und politisch brisanten Thema der demokratischen Partizipation in der Zuwanderungsgesellschaft Deutschland. Aktuelle Informationen finden Sie in Kürze auf unserer Homepage www.pruf.de. Übrigens ist der Sammelband zum letztjährigen Symposion unter dem Titel „Politik an den Parteien vorbei“ bereits im Nomos-Verlag erschienen. Er widmet sich der Frage, ob Freie Wähler und kommunale Wählervereinigungen eine politische Alternative zu den etablierten Parteien darstellen können – vor dem Hintergrund der Entwicklungen in Bayern eine besonders aktuelle Fragestellung. Eine ähnliche Bandbreite parteienwissenschaftlicher Themen hoffen wir Ihnen erneut mit dem vorliegenden 18. Jahrgang unserer Institutsmitteilungen zu bieten. Bleibt uns an dieser Stelle wie immer nur noch der herzliche Dank an unsere fleißigen Mitarbeiter und zahlreichen externen Autoren, ohne deren Engagement ein Magazin wie das MIP nicht möglich wäre. Düsseldorf, im Februar 2012
MIP 2012 18. Jhrg. Hendrik Träger – Die Ostdeutschen in den Bundesparteien Aufsätze Die Ostdeutschen in den Bundesparteien Dr. Hendrik Träger 1 I. Einleitung „Der Osten wird es sich nicht mehr gefallen lassen, dass westdeutsche Landesverbände ihre Personalpolitik ohne Rücksicht auf uns durchsetzen“ 2 , erklärte der sächsische FDP-Vorsitzende Holger Zastrow 2003, nachdem sich Liberale aus den alten Ländern für eine Ablösung der Hallenserin Cornelia Pieper als Generalsekretärin ausgesprochen hatten. Daran wird deutlich, dass die Ostdeutschen in einer Partei eine Akteursgruppe mit eigenen Interessen sein können. Vor diesem Hintergrund scheint es interessant, die Stellung der ostdeutschen Landesverbände in den Bundesparteien intensiver zu betrachten, denn das geschah bisher nicht im gewünschten Maße. An dieser Stelle setzt die vorliegende Arbeit, die einen ersten Beitrag zur Überwindung des seit über 20 Jahren bekannten „Desinteresse[s]“ (Schmid 1990: 10) an einer wissenschaftlichen Untersuchung des Verhältnisses mehrerer Gliederungsebenen einer Partei leisten soll. Es wird den Fragen nachgegangen, „wie die einzelnen Komponenten einer Partei mit einander verbunden sind“ (Wiesendahl 2006b: 105) und ob die verschiedenen Ebenen der immer häufiger als „fragmentierte Organisationen“ (Jun/Höhne 2010) bezeichneten Parteien tatsächlich, wie von den Vertretern der parteiensoziologischen Ansätze des Stratarchie-Modells (Eldersveld 1964) und des darauf aufbauenden Konzeptes der lose verkoppelten Anarchie (Roth/Wiesendahl 1985) vermutet – relativ autonom von einander agieren. Mit Blick auf die innerparteiliche Stellung einer Gliederung geht Josef Schmid (1990: 69) davon aus, dass „´Landesregierungsparteien` sowohl 1 Der Autor ist promovierter Politikwissenschaftler und zurzeit arbeitssuchend. Sofern nicht anders angegeben, gehen die hier wiedergegebenen Informationen auf die Dissertation des Verfassers zurück; vgl. Träger 2011. 2 Der Spiegel, Nr. 9/2003, S. 18. über höhere Einflußmöglichkeiten und Ressourcen verfügen, als auch stärker pragmatisch und Policy-orientiert sind als Parteien in der Opposition“. Deshalb werden zunächst die „[p]olitische[n] Faktoren“ (ebd.: 71) der ostdeutschen Landesverbände untersucht (Kap. II). Danach folgt eine Analyse der „[p]ersonell-individuelle[n] Repräsentation“ (Schmid 1990: 158) der Landesverbände in den Führungsgremien. Nach Ansicht von Gero Neugebauer (2006: 125) sind nämlich „die Zahl der Mandate auf den Parteitagen sowie die Zahl von Landesverbandsvertretern in zentralen Führungsgremien, die Entscheidungsprozesse in der Partei beeinflussen können“, für die innerparteiliche Stellung der Gliederungen wichtig (Kap. III). Anschließend wird die Position der Ostdeutschen im inhaltlich-programmatischen Willensbildungsprozess untersucht (Kap. IV). Dabei ist danach zu fragen, auf welche Weise die Gliederungen aus den neuen Ländern die programmatische Ausrichtung der Bundespartei beeinflussten, sowie ob und wie die Landesverbände bei der Ausarbeitung ihrer Programme durch die Bundespartei – also top down – determiniert wurden. Eng mit der programmatischen Ausrichtung sind die Koalitionsoptionen einer Partei verbunden, wobei in Ostdeutschland die rot-roten Bündnisse von besonderer Bedeutung sind. Ob es im Zusammenhang mit dem Verhältnis zur PDS/DIE LINKE zu „Einflussnahmen der Bundesparteien“ (Kropp 2001: 358) kam, wird in Kapitel V untersucht. Und abschließend werden die finanziellen Beziehungen betrachtet (Kap. VI), denn „[d]ie Bundesverbände der Parteien haben für einen angemessenen Finanzausgleich für ihre Landesverbände Sorge zu tragen“ (§ 22 PartG). II. Die ostdeutschen Landesverbände (1990-2007) Bei den politischen Faktoren, hinsichtlich derer die ostdeutschen Gebietsverbände untersucht werden, gehören hier neben der Stellung im politischen System des jeweiligen Landes die Parameter Mitgliederbestände und Bundestagswahl- 5
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MIP <strong>2012</strong> <strong>18</strong>. Jhrg. Hendrik Träger – Die Ostdeutschen in den Bundesparteien Aufsätze<br />
Die Ostdeutschen in den Bundesparteien<br />
Dr. Hendrik Träger 1<br />
I. Einleitung<br />
„Der Osten wird es sich nicht mehr gefallen lassen,<br />
dass westdeutsche Landesverbände ihre Personalpolitik<br />
ohne Rücksicht auf uns durchsetzen“<br />
2 , erklärte der sächsische FDP-Vorsitzende<br />
Holger Zastrow 2003, nachdem sich Liberale<br />
aus den alten Ländern für eine Ablösung der<br />
Hallenserin Cornelia Pieper als Generalsekretärin<br />
ausgesprochen hatten. Daran wird deutlich,<br />
dass die Ostdeutschen in einer Partei eine Akteursgruppe<br />
mit eigenen Interessen sein können.<br />
Vor diesem Hintergrund scheint es interessant,<br />
die Stellung der ostdeutschen Landesverbände in<br />
den Bundesparteien intensiver zu betrachten,<br />
denn das geschah bisher nicht im gewünschten<br />
Maße. An dieser Stelle setzt die vorliegende Arbeit,<br />
die einen ersten Beitrag zur Überwindung<br />
des seit über 20 Jahren bekannten „Desinteresse[s]“<br />
(Schmid 1990: 10) an einer wissenschaftlichen<br />
Untersuchung des Verhältnisses mehrerer<br />
Gliederungsebenen einer Partei leisten soll. Es<br />
wird den Fragen nachgegangen, „wie die einzelnen<br />
Komponenten einer Partei mit einander verbunden<br />
sind“ (Wiesendahl 2006b: 105) und ob<br />
die verschiedenen Ebenen der immer häufiger<br />
als „fragmentierte Organisationen“ (Jun/Höhne<br />
2010) bezeichneten Parteien tatsächlich, wie von<br />
den Vertretern der parteiensoziologischen Ansätze<br />
des Stratarchie-Modells (Eldersveld 1964)<br />
und des darauf aufbauenden Konzeptes der lose<br />
verkoppelten Anarchie (Roth/Wiesendahl 1985)<br />
vermutet – relativ autonom von einander agieren.<br />
Mit Blick auf die innerparteiliche Stellung einer<br />
Gliederung geht Josef Schmid (1990: 69) davon<br />
aus, dass „´Landesregierungsparteien` sowohl<br />
1 Der Autor ist promovierter Politikwissenschaftler und<br />
zurzeit arbeitssuchend. Sofern nicht anders angegeben,<br />
gehen die hier wiedergegebenen Informationen auf die<br />
Dissertation des Verfassers zurück; vgl. Träger 2011.<br />
2 Der Spiegel, Nr. 9/2003, S. <strong>18</strong>.<br />
über höhere Einflußmöglichkeiten und Ressourcen<br />
verfügen, als auch stärker pragmatisch und<br />
Policy-orientiert sind als Parteien in der Opposition“.<br />
Deshalb werden zunächst die „[p]olitische[n]<br />
Faktoren“ (ebd.: 71) der ostdeutschen<br />
Landesverbände untersucht (Kap. II).<br />
Danach folgt eine Analyse der „[p]ersonell-individuelle[n]<br />
Repräsentation“ (Schmid 1990: <strong>15</strong>8)<br />
der Landesverbände in den Führungsgremien.<br />
Nach Ansicht von Gero Neugebauer (2006: 125)<br />
sind nämlich „die Zahl der Mandate auf den Parteitagen<br />
sowie die Zahl von Landesverbandsvertretern<br />
in zentralen Führungsgremien, die Entscheidungsprozesse<br />
in der Partei beeinflussen<br />
können“, für die innerparteiliche Stellung der<br />
Gliederungen wichtig (Kap. III).<br />
Anschließend wird die Position der Ostdeutschen<br />
im inhaltlich-programmatischen Willensbildungsprozess<br />
untersucht (Kap. IV). Dabei ist<br />
danach zu fragen, auf welche Weise die Gliederungen<br />
aus den neuen Ländern die programmatische<br />
Ausrichtung der Bundespartei beeinflussten,<br />
sowie ob und wie die Landesverbände bei<br />
der Ausarbeitung ihrer Programme durch die<br />
Bundespartei – also top down – determiniert<br />
wurden.<br />
Eng mit der programmatischen Ausrichtung sind<br />
die Koalitionsoptionen einer Partei verbunden,<br />
wobei in Ostdeutschland die rot-roten Bündnisse<br />
von besonderer Bedeutung sind. Ob es im Zusammenhang<br />
mit dem Verhältnis zur PDS/DIE<br />
LINKE zu „Einflussnahmen der Bundesparteien“<br />
(Kropp 2001: 358) kam, wird in Kapitel V untersucht.<br />
Und abschließend werden die finanziellen Beziehungen<br />
betrachtet (Kap. VI), denn „[d]ie Bundesverbände<br />
der Parteien haben für einen angemessenen<br />
Finanzausgleich für ihre Landesverbände<br />
Sorge zu tragen“ (§ 22 PartG).<br />
II. Die ostdeutschen Landesverbände (1990-2007)<br />
Bei den politischen Faktoren, hinsichtlich derer<br />
die ostdeutschen Gebietsverbände untersucht<br />
werden, gehören hier neben der Stellung im politischen<br />
System des jeweiligen Landes die Parameter<br />
Mitgliederbestände und Bundestagswahl-<br />
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