2012, Heft 18, S. 5-15 - PRuF
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Aufsätze Nikolas R. Dörr – 40 Jahre Front National [...] MIP <strong>2012</strong> <strong>18</strong>. Jhrg.<br />
ein höherer Prozentsatz für die rechtskonservative<br />
Liste Majorité pour l'autre Europe von Philippe<br />
de Villiers. 12,2 Prozent machten am Wahltag<br />
ihr Kreuz bei de Villiers Liste, lediglich 10,5<br />
Prozent der Wähler beim Front National.<br />
Nachdem die Präsidentschaftswahlen im April<br />
1995 Jean-Marie Le Pen das bis zu diesem Zeitpunkt<br />
landesweite Rekordergebnis von <strong>15</strong>,0 Prozent<br />
der Wählerstimmen erbracht hatten49 , führten<br />
die Kommunalwahlen im Juni 1995 zur<br />
Übernahme prestigeträchtiger Bürgermeisterämter<br />
durch Kandidaten des Front National. Neben<br />
den kleineren Städten Vitrolles und Marignane<br />
schaffte es Le Pens Partei erstmals, landesweit<br />
bekannte Kommunen zu erobern. Mit Jacques<br />
Bompard wurde ein FN-Politiker in der populären<br />
südfranzösischen Touristenhochburg Orange<br />
Bürgermeister. Mit der 165.000 Einwohner umfassenden<br />
Hafenstadt Toulon erreichte der FN<br />
zum ersten Mal in seiner Geschichte die Mehrheit<br />
in einer der zwanzig größten Städte Frankreichs.<br />
Jean-Marie Le Chevalier wurde Bürgermeister<br />
und behielt dieses Amt bis zur Wahl Hubert<br />
Falcos vom RPR im Jahre 2001. Hohe Ergebnisse<br />
erzielte der Front National auch in den<br />
Großstädten Marseille und Mulhouse.<br />
Während das absolute Mehrheitswahlsystem bei<br />
den Parlamentswahlen 1997 trotz 14,9 Prozent<br />
der abgegebenen Wählerstimmen für den Front<br />
National nur ein Mandat erbrachte, welches wenige<br />
Monate später aberkannt wurde, fanden die<br />
Regionalwahlen im März 1998 letztmalig im<br />
Verhältniswahlsystem ohne Sperrklausel statt.<br />
Dadurch konnte der FN seine prozentuale Stärke<br />
von <strong>15</strong>,3 Prozent nutzen und insgesamt 277<br />
Mandate in den Regionalräten erreichen. In Folge<br />
dieses massiven Einzugs von FN-Abgeordneten<br />
in die Regionalräte kam es zu heftig kritisierten<br />
Allianzen zwischen liberalen und konservativen<br />
Kandidaten sowie den FN-Fraktionen im<br />
Hinblick auf die Wahl der Regionalpräsidenten.<br />
Ein dadurch provoziertes Auseinanderbrechen<br />
der UDF konnte nur mit Mühe verhindert wer-<br />
49 Für eine detaillierte Analyse der Präsidentschaftswahlen<br />
1995 siehe: James G. Shields, Le Pen and the Progression<br />
of the Far-Right Vote in France, in: French<br />
Politics and Society, Vol. 13, Nr. 2/1995, S. 21-39.<br />
46<br />
den. 50 Die Folge dieses massiven Wahlerfolgs<br />
des Front National war eine Initiative zur Änderung<br />
des Wahlsystems für die Regionalwahlen,<br />
die von Präsident Chirac ausging. Kurze Zeit<br />
später wurde das Wahlsystem vom bisherigen,<br />
den Front National begünstigenden, reinen Verhältniswahlsystem<br />
hin zum speziellen Wahlsystem<br />
für die Kommunalwahlen verändert, welches<br />
ein Mehrheitswahlsystem in zwei Wahlgängen<br />
mit Elementen eines Verhältniswahlsystems<br />
kombiniert.<br />
Die Spaltung der Partei<br />
Seit Mitte der 1990er Jahre mehrten sich innerparteiliche<br />
Spannungen zwischen Anhängern einer<br />
moderaten, auf Zusammenarbeit mit dem damaligen<br />
RPR und der UDF orientierten Politik<br />
um Bruno Mégret und der traditionellen radikaleren,<br />
auf Oppositionsrhetorik konzentrierten<br />
Richtung um den Parteivorsitzenden Le Pen. Im<br />
Dezember 1998 kam es zum endgültigen Bruch.<br />
Mégret verließ den Front National und gründete<br />
im Januar 1999 den Mouvement National Républicain<br />
(MNR). Die folgenden Wahlen führten<br />
zu enttäuschenden Ergebnissen für beide Parteien.<br />
Le Pens Partei erreichte mit 5,7 Prozent der<br />
Stimmen ein unterdurchschnittliches Ergebnis<br />
bei den Wahlen zum Europäischen Parlament<br />
1999, während Mégrets MNR mit lediglich 3,3<br />
Prozent ebenfalls deutlich hinter den Erwartungen<br />
zurückblieb. Die folgenden Kantonalwahlen<br />
im März 2001 erbrachten im ersten Wahlgang<br />
zwar einen leichten Aufwärtstrend für den Front<br />
National, der jedoch mit durchschnittlichen 7,1<br />
Prozent landesweit nicht die Ergebnisse der letzten<br />
Jahre widerspiegelte, während Mégrets MNR<br />
bei einem Ergebnis von 3,0 Prozent verharrte.<br />
Die Präsidentschaftswahlen 2002 und die aktuelle<br />
Situation<br />
Die Präsidentschaftswahlen 2002 stellen den bisherigen<br />
Höhepunkt der Wahlhistorie des Front<br />
National dar. Im ersten Wahlgang am 21. April<br />
2002 erreichte Jean-Marie Le Pen 16,9 Prozent<br />
50 Joachim Schild, Front National – Spaltpilz für die bürgerliche<br />
Rechte, in: Aktuelle Frankreich Analysen, Nr.<br />
9, 4/1998 [im Folgenden: Spaltpilz], S. 8.