2012, Heft 18, S. 5-15 - PRuF
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Aufsätze Nikolas R. Dörr – 40 Jahre Front National [...] MIP <strong>2012</strong> <strong>18</strong>. Jhrg.<br />
kalster Gegner der Volksfrontregierung. Das antikommunistische<br />
Element war spätestens seit<br />
seiner Indochinaerfahrung integraler Bestandteil<br />
von Le Pens Biographie gewesen 33 und zog nach<br />
der Beteiligung des PCF an der Regierung 1981<br />
zunehmend Wähler an, die strikt gegen die Aufnahme<br />
kommunistischer Minister in die Regierung<br />
eingestellt waren. 34<br />
Der landesweite Durchbruch 1984 bis 1986<br />
Das Jahr 1984 setzte den Aufwärtstrend des<br />
Front National fort. In Folge der kommunalen<br />
Wahlerfolge 1983 wurde Jean-Marie Le Pen im<br />
Februar 1984 erstmals in die damals bekannteste<br />
Politiksendung des französischen Fernsehens<br />
L’heure de vérité eingeladen. Die Sendung mit<br />
Le Pen führte zu einer sehr hohen Einschaltquote.<br />
Über Nacht war der FN-Vorsitzende landesweit<br />
bekannt geworden. 35<br />
Im November 1984 trat der fraktionslose Abgeordnete<br />
der Nationalversammlung Jean Fontaine<br />
in den Front National ein und bescherte der Partei<br />
somit ihr erstes Parlamentsmandat auf nationaler<br />
Ebene. Allerdings verließ Fontaine nach<br />
Streitigkeiten mit Jean-Marie Le Pen die Partei<br />
im Februar 1986 wieder. Den ersten landesweiten<br />
Achtungserfolg erreichte der Front National<br />
bei den Wahlen zum Europäischen Parlament im<br />
Juni 1984. Die Partei profitierte hierbei von einer<br />
Zuwanderung katholischer Wähler, da der<br />
FN innerhalb der damals aktuellen innenpolitischen<br />
Debatte über konfessionelle Schulen explizit<br />
die kirchliche Haltung unterstützt hatte.<br />
Das Ergebnis von 11,0 Prozent hätte eine Warnung<br />
an Präsident François Mitterrand sein müssen,<br />
der ein Jahr später das bei den Europawahlen<br />
praktizierte Verhältniswahlsystem für die<br />
Wahlen der Assemblée Nationale am 16. März<br />
33 „Je suis revenu d'Indochine avec la révélation concrète<br />
de l'ennemi communiste, de ses méthodes terribles, de<br />
sa manière impitoyable de liquider ses adversaires, de<br />
sa technique de guerre psychologique, de cette destruction<br />
de l'homme par l'intérieur” (Le Pen, Français,<br />
S. 43f.).<br />
34 Thimm, Kommunikation, S. 81-85.<br />
35 Jonathan Marcus, The National Front and French<br />
Politics. The Resistible Rise of Jean-Marie Le Pen,<br />
London 1995, S. 57f.<br />
42<br />
1986 einführen ließ. Mitterrands Strategie umfasste<br />
einerseits die Schwächung der Kommunisten,<br />
um dem Parti Socialiste innerhalb der für<br />
das französische Parteiensystem der V. Republik<br />
charakteristischen Quadrille Bipolaire 36 eine<br />
Vormachtstellung zu sichern. 37 In einem zweiten<br />
Schritt versuchte Mitterrand, eine langfristige<br />
Schwächung der beiden parteipolitischen Kontrahenten<br />
auf der Rechten, RPR und UDF, zu initiieren.<br />
Der Front National spielte hierbei als<br />
„taktische Hilfe“ 38 eine zentrale Rolle, da die<br />
Partei rechtskonservative Wähler der beiden<br />
großen Mitte-Rechts-Parteien auf sich vereinigen<br />
sollte.<br />
Die Wahlen zur Assemblée Nationale vom 16.<br />
März 1986<br />
Im Vorfeld der Parlamentswahlen 1986 zeigte<br />
sich, dass die Sozialisten im geltenden Mehrheitswahlsystem<br />
keine Mehrheit erreichen würden.<br />
Durch die Einführung des Verhältniswahlsystems<br />
hoffte Staatspräsident Mitterrand auf<br />
eine erneute sozialistische Mehrheit. Wenn diese<br />
nicht zustande käme, so sollte wenigstens die liberal-konservative<br />
Mehrheit von RPR und UDF<br />
durch den Einzug des Front National verhindert<br />
werden. Die Wahlen endeten jedoch mit einem<br />
anderen Ergebnis: Der Front National erhielt bei<br />
den Wahlen im März 1986 9,7 Prozent der abgegebenen<br />
Wählerstimmen und zog mit 35 Abgeordneten<br />
in die Nationalversammlung ein. Der<br />
FN war somit erstmals viertstärkste Partei<br />
Frankreichs geworden – auf gleicher Höhe mit<br />
dem Parti Communiste. Darüber hinaus erreichte<br />
36 Der Begriff der „Quadrille Bipolaire“ wurde von Maurice<br />
Duverger in die französische Politikwissenschaft<br />
eingeführt (Maurice Duverger, La système politique<br />
francais, Paris 1996). Er bezeichnet jenes für das französische<br />
Parteiensystem bis zum Niedergang des PCF<br />
typische Ergebnis von vier in etwa gleich starken Parteien:<br />
auf der Linken die Kommunisten und die Sozialisten,<br />
auf der Rechten die (Neo-)Gaullisten und Zentristen<br />
der UDF.<br />
37 Zu Mitterrands Strategie siehe: Nikolas Dörr, François<br />
Mitterrand und der PCF – Die Folgen der rééquilibrage<br />
de la gauche für den Parti Communiste Français, in:<br />
Mitteilungen des Instituts für Deutsches und Internationales<br />
Parteienrecht und Parteienforschung 2011, S. 43-<br />
52.<br />
38 Weisenfeld, Geschichte, S. 292.