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2012, Heft 18, S. 5-15 - PRuF

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MIP <strong>2012</strong> <strong>18</strong>. Jhrg. Nikolas R. Dörr – 40 Jahre Front National [...] Aufsätze<br />

ser Arrondissement 11,3 Prozent des Wählervotums.<br />

Noch stärker beachtet wurde jedoch der<br />

Wahlerfolg des Front National bei der kommunalen<br />

Nachwahl im September 1983 in der zentralfranzösischen<br />

Kleinstadt Dreux. 26 Dort hatte<br />

der Front National, angeführt von Generalsekretär<br />

Jean-Pierre Stirbois, 16,3 Prozent der abgegebenen<br />

Wählerstimmen erreicht. Dieser „Donnerschlag<br />

von Dreux” 27 bescherte der Partei eine<br />

Medienöffentlichkeit, die ihr bis dato versagt<br />

worden war. Darüber hinaus handelte Stirbois<br />

nach dem überraschend hohen Wähleranteil im<br />

ersten Wahlgang eine Allianz mit der Liste des<br />

Rassemblement pour la République (RPR) aus,<br />

die wiederum dem RPR-Kandidaten Jean Hieaux<br />

die nötige Mehrheit für das Bürgermeisteramt<br />

in Dreux verschaffte. 28 Im November 1983<br />

erreichte der Front National in Aulnay-sous-<br />

Bois, einer bis dato kommunistisch dominierten<br />

80.000 Einwohner umfassenden Vorstadt von<br />

Paris überraschende 9,7 Prozent der Stimmen im<br />

ersten Wahlgang. Darüber hinaus erreichte die<br />

Partei bei einer Nachwahl für die Assemblée Nationale<br />

am 12. Dezember 1983 beachtliche 12,2<br />

Prozent der Stimmen im bretonischen Département<br />

Morbihan. Le Pens Geburtstadt Trinité-sur-<br />

Mer votierte sogar mit 51 Prozent für den Front<br />

National.<br />

Erklärungsansätze für diesen rasanten Anstieg<br />

der Wählerzahlen sind vor allem die hohe Arbeitslosigkeit,<br />

die sich in Frankreich erst im<br />

Zuge der zweiten Ölkrise großflächig bemerkbar<br />

machte, die hohe Immigrationsrate sowie eine<br />

Polarisierung des Parteiensystems durch die Einbeziehung<br />

kommunistischer Minister in die Regierung<br />

und die weitreichenden Reformen der<br />

sozialistisch-kommunistischen Regierung von<br />

Premierminister Pierre Mauroy nach der Parla-<br />

26 Siehe hierzu auch die Analyse von Françoise Gaspard,<br />

Soziologin und ehemalige Bürgermeisterin von Dreux:<br />

Françoise Gaspard, Une petite ville en France, Paris<br />

1990.<br />

27 Jean-Yves Camus, Front National. Eine Gefahr für die<br />

französische Demokratie?, Bonn 1998, S. 10.<br />

28 Bereits bei den Kommunalwahlen im März 1977 hatten<br />

FN-Mitglieder auf Listen von RPR und UDF kandidiert,<br />

die unter anderem zu einem Sitz im Kommunalparlament<br />

von Toulouse führten.<br />

mentswahl 1981. 29 Zentral für den Aufstieg des<br />

Front National war insbesondere die politische<br />

Diskussion über Immigration in der französischen<br />

Gesellschaft ab Anfang der 1980er Jahre.<br />

Der damals noch mitgliederstarke und einflussreiche<br />

Parti Communiste Français (PCF) hatte<br />

mit einem national betonten Wahlkampf für die<br />

Parlamentswahlen 1981 breite Schichten für immigrationsfeindliche<br />

Parolen geöffnet. Ebenso<br />

ließen Kommunalpolitiker des PCF, insbesondere<br />

im Falle der Pariser Vorstadt Vitry-sur-Seine,<br />

ihren politischen Parolen Taten folgen. 30 Der<br />

Front National konnte in der Folgezeit in immer<br />

stärkerem Maße ehemalige Wähler des PCF für<br />

sich gewinnen. Einen weiteren Einbruch in das<br />

Lager der kommunistischen Wählerschaft konnte<br />

der Front National nach dem radikalen Wechsel<br />

der Wirtschafts- und Finanzpolitik der sozialistisch-kommunistischen<br />

Regierung 1983 verbuchen.<br />

31 Das Ende der Verstaatlichungen und der<br />

Beginn einer strikten Austeritätspolitik brachen<br />

mit der kommunistischen Wirtschaftsdoktrin.<br />

Darüber hinaus war der erneute Bruch der sozialistisch-kommunistischen<br />

Zusammenarbeit 1984<br />

und eine verstärkte Rückorientierung an der Sowjetunion<br />

Grund für zahlreiche Wähler, sich<br />

vom PCF zu distanzieren. 32<br />

Im polarisierten Parteiensystem seit 1981 reüssierte<br />

der Front National auch durch seinen prononcierten<br />

Antikommunismus. Die Partei agierte<br />

unter der Führung Jean-Marie Le Pens als radi-<br />

29 Für eine detaillierte Analyse der Motivation der Wähler<br />

siehe: Nonna Mayer/Pascal Perrineau, Why do they<br />

vote for Le Pen?, in: European Journal of Political Research,<br />

Nr. 22/1992, S. 123-141.<br />

30 Auf Beschluss der kommunistischen Mehrheit im Gemeinderat<br />

wurde im Dezember 1980 eine Sammelunterkunft<br />

für Immigranten gewaltsam zerstört. Das vom<br />

Zentralkomitee des PCF unterstützte Vorgehen führte<br />

zu einer öffentlichen Debatte über die Immigration<br />

nach Frankreich.<br />

31 Vgl.: Françoise Platone/Henry Rey, Le FN en terre<br />

communiste, in: Nonna Mayer/Pascal Perrineau<br />

(Hrsg.), Le Front National à découvert, Paris 1989,<br />

S. 268-282.<br />

32 Zur Entwicklung des PCF siehe: Nikolas Dörr, Wandel<br />

des Kommunismus in Westeuropa. Eine Analyse der<br />

innerparteilichen Entwicklungen in den Kommunistischen<br />

Parteien Frankreichs, Finnlands und Italiens im<br />

Zuge des Eurokommunismus, Berlin 2006, S. 21-42.<br />

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