2012, Heft 18, S. 5-15 - PRuF
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MIP <strong>2012</strong> <strong>18</strong>. Jhrg. Nikolas R. Dörr – 40 Jahre Front National [...] Aufsätze<br />
tionalismus gegründete Ordre Nouveau aus. 19<br />
Dieser vereinigte zahlreiche Rechtsintellektuelle<br />
in einer Bewegung, die direkt in die Gründung<br />
des Front National mündete. Auf seinem zweiten<br />
Kongress am 10./11. Juni 1972 votierten die<br />
Delegierten des Ordre Nouveau mit 78,9 Prozent<br />
Zustimmung für die Teilnahme an den nächsten<br />
Parlamentswahlen 1973 unter dem Namen Front<br />
National.<br />
Jean-Marie Le Pen und die Gründung des<br />
Front National<br />
Die ersten Parlamentswahlen in der V. Republik<br />
brachten den Kandidaten der extrême droite<br />
kaum Erfolge ein. Zwischen 1962 und 1981 erreichten<br />
sie kontinuierlich weniger als ein Prozent<br />
der abgegebenen Wählerstimmen. Nach<br />
dem Erfolg Poujades 1956 war bis zu den Europawahlen<br />
von 1984 nur das Ergebnis von Tixier-<br />
Vignacourt bei der Präsidentschaftswahl 1965<br />
von einem, allerdings geringen, landesweiten Erfolg<br />
gekrönt. Erst die Gründung des Front National<br />
konnte die Abwesenheit der extrême<br />
droite im französischen Parteiensystem dauerhaft<br />
beenden. Zentrale Figur hierbei war der am<br />
20. Juni 1928 in der bretonischen Kleinstadt Trinité-sur-Mer<br />
geborene Parteivorsitzende Jean-<br />
Marie Le Pen. Der frühe Tod seines Vaters, eines<br />
Fischers, dessen Boot 1942 wahrscheinlich<br />
von einer deutschen Seemine gesprengt wurde,<br />
prägte den jungen Le Pen nachhaltig. Aus diesem<br />
Schicksal folgerte er, dass die Nation einen<br />
maximalen Stellenwert haben müsse, um solche<br />
Opfer zu rechtfertigen. 20 Nach Beendigung seines<br />
Jurastudiums trat er nach diversen kurzfristigen<br />
Tätigkeiten der Fremdenlegion bei, um am<br />
Indochinakrieg teilnehmen zu können. Aller-<br />
19 Der Ordre Nouveau baute seinerseits auf die Mitgliedschaften<br />
der 1964 gegründeten rechtsextremen „Organisation<br />
Occident“ sowie der 1968 ins Leben gerufenen<br />
„Groupe Union Défense“ auf. Siehe auch: Frédéric<br />
Charpier, Génération Occident. De l'extrême droite à la<br />
droite, Paris 2005.<br />
20 Retrospektiv schrieb Le Pen: „Je devins Pupille de la<br />
Nation. J'ai toujours considéré que cette adoption me<br />
donnait à la fois des droits et des devoirs supplémentaires.<br />
J'étais plus français que les autres, puisque je<br />
l'étais à double titre.” (Jean-Marie Le Pen, Les Français<br />
d'abord, Paris 1984 [im Folgenden: Français], S. 34).<br />
dings traf Le Pen erst nach der Entscheidungsschlacht<br />
bei Dien Bien Phu ein. Kurzzeitig wurde<br />
er in der Suez-Krise 1956 als Soldat eingesetzt.<br />
Nach seiner Rückkehr wurde er Anhänger<br />
der Politik des Rechtspopulisten Poujade. Bei<br />
den Nationalversammlungswahlen im Januar<br />
1956 zog er für dessen Partei als jüngster Abgeordneter<br />
in die Assemblée Nationale ein. Nach<br />
Meinungsverschiedenheiten trat er jedoch bereits<br />
1957 aus der Partei aus. Kurze Zeit später wurde<br />
er als Nachrichtenoffizier in Algerien eingesetzt.<br />
Die Debatte um eine wahrscheinliche Beteiligung<br />
Le Pens an Folterungen wurde nach einem<br />
Bericht der Le Monde im Jahr 2002 landesweit<br />
geführt und wird seitdem immer wieder in den<br />
Medien thematisiert; allerdings ohne, dass es<br />
sich bisher negativ auf die Wahlerfolge des<br />
Front National ausgewirkt hätte. 21<br />
Im November 1958 wurde Le Pen als unabhängiger<br />
Abgeordneter erneut in die Nationalversammlung<br />
gewählt. Bei den folgenden Parlamentswahlen<br />
1962 wurde der vehemente Anhänger<br />
eines französischen Algeriens nicht wiedergewählt.<br />
Er gründete daraufhin den Platten- und<br />
Literaturvertrieb Société d'étude et de relations<br />
publiques, der sich auf die Herausgabe nationaler<br />
Lieder und militärischer Bücher spezialisierte.<br />
Im Hinblick auf den Präsidentschaftswahlkampf<br />
1965 unterstützte Le Pen als Wahlkampfleiter<br />
den Kandidaten Tixier-Vignacourt, aber<br />
die Hoffnung, dass dieser als Integrationsfigur<br />
eine Sammlung der extremen Rechten vollbringen<br />
würde, erfüllte sich nicht. In den folgenden<br />
Jahren trat Le Pen keiner Partei bei und war nur<br />
lose in Bewegungen der Rechten organisiert. Allerdings<br />
konnte er in dieser Zeit ein weit verzweigtes<br />
Netzwerk zwischen den programmatisch<br />
höchst unterschiedlichen Gruppen der ex-<br />
21 Bereits im Jahre 1984 hatten die Libération sowie die<br />
Zeitschrift Le Canard enchaîné einen Bericht über die<br />
Beteiligung Le Pens an Folterungen publiziert, der<br />
ebenfalls eine öffentliche Debatte hervorrief. Vgl. hierzu<br />
auch: Katja Thimm, Die politische Kommunikation<br />
Jean-Marie Le Pens. Bedingungen einer rechtspopulistischen<br />
Öffentlichkeit, Frankfurt am Main u.a. 1999<br />
[im Folgenden: Kommunikation], S. 50f. sowie Reinhold<br />
Smonig, Jean-Marie Le Pen: Die Franzosen zuerst<br />
(Frankreich), in: Michael Jungwirth (Hrsg.), Europas<br />
Rechtspopulisten. Haider, Le Pen & Co, Graz 2002,<br />
S. 110f.<br />
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