2012, Heft 18, S. 5-15 - PRuF
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Aufsätze Sören Lehmann – Recht der steuerbegünstigten Zwecke [...] MIP 2012 18. Jhrg. Recht der steuerbegünstigten Zwecke: Satzungszweck, tatsächliche Geschäftsführung und Selbstlosigkeit parteinaher Stiftungen Sören Lehmann 1 I. Einleitung Das Recht der steuerbegünstigten Zwecke ist Ausdruck des gesetzgeberischen Anliegens, ein gesellschaftliches, gemeinwohlorientiertes Verhalten mit steuerrechtlichen Mitteln anzuerkennen und positiv lenkend zu beeinflussen. 2 Tragende Prinzipien des Rechts der steuerbegünstigten Zwecke sind die Gedanken der Staatssubstitution und der Subsidiarität. 3 Eine Körperschaft erlangt umfangreiche Steuervergünstigungen, wenn sie nach ihrer Satzung und nach ihrer tatsächlichen Geschäftsführung ausschließlich und unmittelbar gemeinnützigen, mildtätigen oder kirchlichen Zwecken dient. Ein steuerlicher Gemeinnützigkeitsstatus berechtigt nicht nur zur Entgegennahme von Spenden, welche der Zuwendende nach § 10b I EStG steuerlich geltend machen kann. Hiervon hängen auch umfangreiche Steuerbegünstigungen wie etwa Körperschaft-, Gewerbe- und Erbschaftsteuerbefreiungen sowie Umsatzsteuerermäßigungen und teilweise Umsatzsteuerbefreiungen ab, § 5 I Nr. 9 KStG, § 3 Nr. 6 GewStG, § 13 I Nr. 16 Lit. b) ErbStG, §§ 4 Nr. 22 Lit. a), 12 II Nr. 8 Lit. a) UStG. Grundvoraussetzung für die Einordnung als steuerbegünstigte Körperschaft ist, dass sich aus der Satzung der von der Körperschaft verfolgte Zweck ergibt, dieser den §§ 52 bis 55 AO 1 Der Verfasser ist Finanzbeamter am Finanzamt Düsseldorf-Süd. Er studiert Rechtswissenschaften an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und arbeitet am Institut für Deutsches und Internationales Parteienrecht und Parteienforschung (PRuF). 2 Hüttemann, Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht, 2008, § 1 Rn. 8. 3 Ausführlich Isensee, Gemeinnützigkeit und europäisches Gemeinschaftsrecht, DStJG 2003, 93 ff. (96 ff.) 16 entspricht und auch ausschließlich und unmittelbar im Sinne des § 59 AO verfolgt wird. Hierzu muss nach § 63 I AO die tatsächliche Geschäftsführung der Körperschaft den sich aus der Satzung ergebenden steuerbegünstigten Zwecken entsprechen. Der folgende Beitrag untersucht neuere Rechtsprechung des FG Düsseldorf und des BFH zum Erfordernis der satzungskonformen tatsächlichen Geschäftsführung. Auf dieser Grundlage sollen anschließend Satzungen und die tatsächliche Geschäftsführung der parteinahen Stiftungen untersucht und der Frage nachgegangen werden, ob bei diesen eine Abweichung der Geschäftsführung vom Satzungszweck gegeben ist. Diese Überlegungen stehen in enger Verbindung zu einer Untersuchung der Erfüllung des Selbstlosigkeitserfordernisses nach § 55 AO durch die parteinahen Stiftungen. Abschließend soll kurz auf Verfahrensfragen sowie Nachweis- und Vorlagepflichten im veranlagungsbegleitenden Freistellungsverfahren eingegangen werden. II. Die Urteile des FG Düsseldorf vom 09.02.2010 und des BFH vom 09.02.2011 Mit Datum vom 09.02.2011 bestätigte der BFH ein Urteil des FG Düsseldorf4 bezüglich der Aberkennung des Gemeinnützigkeitsstatus eines Vereins, dessen satzungsmäßiger Zweck zwar auf die Förderung der Kultur und der Völkerverständigung gerichtet war, der auf seiner Internetseite jedoch umfänglich zu allgemeinpolitischen Themen Stellung bezog. Hiermit habe er gegen die Ausschließlichkeit einer satzungsgemäßen Geschäftsführung nach § 63 I AO verstoßen. 5 Voraussetzung für die Gewährung der Steuervergünstigung von Körperschaften sei neben einer Satzung, welche einen nach §§ 52 bis 55 AO begünstigten Zweck ausweise, auch, dass dieser Zweck von der Körperschaft ausschließlich und unmittelbar im Sinne des § 59 AO verfolgt werde. Hierzu müsse die tatsächliche Geschäftsführung nach § 63 I AO auf die ausschließliche und unmittelbare Erfül- 4 FG Düsseldorf v. 09.02.2010, 6 K 1908/07 K, EFG 2010, 1287-1289. 5 BFH v. 09.02.2011, I R 19/10, BFH/NV 2011, 1113 f.
MIP 2012 18. Jhrg. Sören Lehmann – Recht der steuerbegünstigten Zwecke [...] Aufsätze lung der in der Satzung enthaltenen steuerbegünstigten Zwecke gerichtet sein. 6 Die Ausschließlichkeit der Zweckverfolgung kann durch allgemeinpolitische Äußerungen gefährdet sein. 7 Allerdings ist nicht jede Einwirkung auf die politische Willensbildung per se eine schädliche Geschäftsführung. In Übereinstimmung mit seiner früheren Rechtsprechung8 führt der BFH aus, dass eine Körperschaft auch dann ausschließlich ihren gemeinnützigen Zweck fördere, wenn sie gelegentlich zu tagespolitischen Themen im Rahmen ihres Satzungszweckes Stellung beziehe, sofern Tagespolitik der Vermittlung des Satzungszweckes diene und nicht den Mittelpunkt der Tätigkeit der Körperschaft bilde. 9 Das FG Düsseldorf war im Ausgangsverfahren sogar noch weiter gegangen: Eine begünstigte Tätigkeit, die wie vorliegend zwangsläufig mit einer gewissen politischen Zielsetzung verbunden sei, habe auch zur Folge, dass zu ihrer Ausübung eine gewisse Beeinflussung der politischen Meinungsbildung gehöre. Zur Verwirklichung des Zweckes der Förderung der Völkerverständigung sei es nicht notwendig neutrale oder ausgewogene politische Meinungsäußerungen vorzunehmen. Es komme auch nicht darauf an, dass die von der Körperschaft vertretene Meinung mehrheitsfähig sei. Vielmehr könne Völkerverständigung – welche grundsätzlich eine gewisse Form von Friedenspolitik voraussetze – auch kontrovers angelegt sein, wenn sie zu kontrovers diskutierten politischen Themen Stellung nehme. 10 Das FG sah auch den Aufruf zur Wahl einer bestimmten Partei für sich genommen noch nicht als gemeinnützigkeitsschädlichen Verstoß gegen das in der Satzung verankerte Gebot der parteipolitischen Neutralität an. 11 Jedoch habe der Verein den Satzungszweck der Förderung der Völkerverständigung durch allge- 6 BFH v. 09.02.2011, I R 19/10, Rn. 7, 12. 7 Fischer, Anmerkung zu BFH v. 09.02.2011, jurisPR- SteuerR 25/2011 Anm. 1, 1. 8 BFH BStBl II 1984, 844; BStBl II 1989, 391. 9 BFH v. 09.02.2011, I R 19/10, Rn. 11. 10 FG Düsseldorf v. 09.02.2010, 6 K 1908/07 K, Rn. 7 f. 11 Vgl. zum Aufruf zu Neuwahlen BFH BStBl II 2000, 200. meinpolitische Stellungnahmen auf seiner Website – wie etwa die Forderung nach der Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns oder nach der Abschaffung von Hartz IV – deutlich überschritten. 12 In Bezugnahme auf das die Feststellungen des FG betreffende Vorbringen des Klägers, es habe die Möglichkeit bestanden, dass es sich bei den im Internet getätigten allgemeinpolitischen Äußerungen um nicht autorisierte Meinungsäußerungen eines einzelnen Vereinsmitglieds handeln könne, stellte der BFH klar, dass es Aufgabe des Klägers gewesen sei, spätestens im Revisionsverfahren darzutun, dass die Selbstdarstellung nicht ihm selbst zuzuordnen gewesen sei und welche Maßnahmen er zwischenzeitlich ergriffen habe, um ein solches unautorisiertes Handeln zu unterbinden. 13 Sowohl das FG als auch der BFH wiesen darauf hin, dass es wegen dieser vom Satzungszweck abweichenden tatsächlichen Geschäftsführung zu einem Verlust des Gemeinnützigkeitsstatus komme und es deshalb keiner weiteren Entscheidung darüber bedürfe, ob die vom Verein verfolgten allgemeinpolitischen Zielsetzungen für sich genommen den Anforderungen an eine gemeinnützige Tätigkeit genügen könnten. 14 Die §§ 56, 63 I AO stellen unmissverständlich klar, dass Satzungszweck und tatsächliche Geschäftsführung einander entsprechen müssen. Dies hat der BFH nochmals im vorliegenden Urteil bestätigt. Selbst wenn die abweichende tatsächliche Geschäftsführung der Körperschaft für sich genommen einen steuerbegünstigten Zweck verfolgen würde, so ist sie gleichwohl gemeinnützigkeitsschädlich und führt bei wesentlichen und fortgesetzten Abweichungen zum Verlust der Gemeinnützigkeit. Dieses Kongruenzerfordernis erscheint auf den ersten Blick sehr formalistisch. Warum soll es gemeinnützigkeitsschädlich sein, einen anderen – für sich genommen möglicherweise steuerbegünstigten Zweck – in wesentli- 12 FG Düsseldorf v. 09.02.2010, 6 K 1908/07 K, Rn. 23. 13 BFH v. 09.02.2011, I R 19/10, Rn. 11. 14 Das FG Düsseldorf zeigte jedoch ernstliche Bedenken, ob der Verein durch alleinige Anpassung seiner Satzung die Gemeinnützigkeitsschädlichkeit beseitigen könne, FG Düsseldorf v. 09.02.2010, 6 K 1908/07 K, Rn. 24. 17
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MIP <strong>2012</strong> <strong>18</strong>. Jhrg. Sören Lehmann – Recht der steuerbegünstigten Zwecke [...] Aufsätze<br />
lung der in der Satzung enthaltenen steuerbegünstigten<br />
Zwecke gerichtet sein. 6<br />
Die Ausschließlichkeit der Zweckverfolgung<br />
kann durch allgemeinpolitische Äußerungen gefährdet<br />
sein. 7 Allerdings ist nicht jede Einwirkung<br />
auf die politische Willensbildung per se<br />
eine schädliche Geschäftsführung. In Übereinstimmung<br />
mit seiner früheren Rechtsprechung8 führt der BFH aus, dass eine Körperschaft auch<br />
dann ausschließlich ihren gemeinnützigen<br />
Zweck fördere, wenn sie gelegentlich zu tagespolitischen<br />
Themen im Rahmen ihres Satzungszweckes<br />
Stellung beziehe, sofern Tagespolitik<br />
der Vermittlung des Satzungszweckes diene und<br />
nicht den Mittelpunkt der Tätigkeit der Körperschaft<br />
bilde. 9<br />
Das FG Düsseldorf war im Ausgangsverfahren<br />
sogar noch weiter gegangen: Eine begünstigte<br />
Tätigkeit, die wie vorliegend zwangsläufig mit<br />
einer gewissen politischen Zielsetzung verbunden<br />
sei, habe auch zur Folge, dass zu ihrer Ausübung<br />
eine gewisse Beeinflussung der politischen<br />
Meinungsbildung gehöre. Zur Verwirklichung<br />
des Zweckes der Förderung der Völkerverständigung<br />
sei es nicht notwendig neutrale<br />
oder ausgewogene politische Meinungsäußerungen<br />
vorzunehmen. Es komme auch nicht darauf<br />
an, dass die von der Körperschaft vertretene<br />
Meinung mehrheitsfähig sei. Vielmehr könne<br />
Völkerverständigung – welche grundsätzlich<br />
eine gewisse Form von Friedenspolitik voraussetze<br />
– auch kontrovers angelegt sein, wenn sie<br />
zu kontrovers diskutierten politischen Themen<br />
Stellung nehme. 10 Das FG sah auch den Aufruf<br />
zur Wahl einer bestimmten Partei für sich genommen<br />
noch nicht als gemeinnützigkeitsschädlichen<br />
Verstoß gegen das in der Satzung verankerte<br />
Gebot der parteipolitischen Neutralität an. 11<br />
Jedoch habe der Verein den Satzungszweck der<br />
Förderung der Völkerverständigung durch allge-<br />
6 BFH v. 09.02.2011, I R 19/10, Rn. 7, 12.<br />
7 Fischer, Anmerkung zu BFH v. 09.02.2011, jurisPR-<br />
SteuerR 25/2011 Anm. 1, 1.<br />
8 BFH BStBl II 1984, 844; BStBl II 1989, 391.<br />
9 BFH v. 09.02.2011, I R 19/10, Rn. 11.<br />
10 FG Düsseldorf v. 09.02.2010, 6 K 1908/07 K, Rn. 7 f.<br />
11 Vgl. zum Aufruf zu Neuwahlen BFH BStBl II 2000, 200.<br />
meinpolitische Stellungnahmen auf seiner Website<br />
– wie etwa die Forderung nach der Einführung eines<br />
gesetzlichen Mindestlohns oder nach der Abschaffung<br />
von Hartz IV – deutlich überschritten. 12<br />
In Bezugnahme auf das die Feststellungen des<br />
FG betreffende Vorbringen des Klägers, es habe<br />
die Möglichkeit bestanden, dass es sich bei den<br />
im Internet getätigten allgemeinpolitischen Äußerungen<br />
um nicht autorisierte Meinungsäußerungen<br />
eines einzelnen Vereinsmitglieds handeln<br />
könne, stellte der BFH klar, dass es Aufgabe des<br />
Klägers gewesen sei, spätestens im Revisionsverfahren<br />
darzutun, dass die Selbstdarstellung<br />
nicht ihm selbst zuzuordnen gewesen sei und<br />
welche Maßnahmen er zwischenzeitlich ergriffen<br />
habe, um ein solches unautorisiertes Handeln<br />
zu unterbinden. 13<br />
Sowohl das FG als auch der BFH wiesen darauf<br />
hin, dass es wegen dieser vom Satzungszweck<br />
abweichenden tatsächlichen Geschäftsführung<br />
zu einem Verlust des Gemeinnützigkeitsstatus<br />
komme und es deshalb keiner weiteren Entscheidung<br />
darüber bedürfe, ob die vom Verein verfolgten<br />
allgemeinpolitischen Zielsetzungen für<br />
sich genommen den Anforderungen an eine gemeinnützige<br />
Tätigkeit genügen könnten. 14<br />
Die §§ 56, 63 I AO stellen unmissverständlich<br />
klar, dass Satzungszweck und tatsächliche Geschäftsführung<br />
einander entsprechen müssen.<br />
Dies hat der BFH nochmals im vorliegenden Urteil<br />
bestätigt. Selbst wenn die abweichende tatsächliche<br />
Geschäftsführung der Körperschaft für<br />
sich genommen einen steuerbegünstigten Zweck<br />
verfolgen würde, so ist sie gleichwohl gemeinnützigkeitsschädlich<br />
und führt bei wesentlichen und<br />
fortgesetzten Abweichungen zum Verlust der Gemeinnützigkeit.<br />
Dieses Kongruenzerfordernis erscheint<br />
auf den ersten Blick sehr formalistisch.<br />
Warum soll es gemeinnützigkeitsschädlich sein,<br />
einen anderen – für sich genommen möglicherweise<br />
steuerbegünstigten Zweck – in wesentli-<br />
12 FG Düsseldorf v. 09.02.2010, 6 K 1908/07 K, Rn. 23.<br />
13 BFH v. 09.02.2011, I R 19/10, Rn. 11.<br />
14 Das FG Düsseldorf zeigte jedoch ernstliche Bedenken,<br />
ob der Verein durch alleinige Anpassung seiner Satzung<br />
die Gemeinnützigkeitsschädlichkeit beseitigen könne,<br />
FG Düsseldorf v. 09.02.2010, 6 K 1908/07 K, Rn. 24.<br />
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