2012, Heft 18, S. 5-15 - PRuF

2012, Heft 18, S. 5-15 - PRuF 2012, Heft 18, S. 5-15 - PRuF

02.12.2012 Aufrufe

Rezensionen MIP 2012 18. Jhrg. zuordnen. Andererseits erweitert der Verfasser den Fokus des traditionell auf die nationale Ebene ausgerichteten Faches, indem er die Parteien im Mehrebenensystem betrachtet, also auch die kommunale, regionale sowie supranationale Arena parteipolitischen Handelns in den Blick nimmt und die Besonderheiten des deutschen Falles im Vergleich mit anderen westlichen Parteiensystemen herausarbeitet. Dabei handelt Detterbeck alle für das Studium relevanten Themen der Parteienforschung mit großer Sorgfalt und in ansprechender Weise ab. Seine Sprache ist auf die Adressaten abgestimmt, klar und unprätentiös. Zahlreiche Grafiken und Tabellen lockern den Text auf. Am Ende jedes Abschnitts wird der Lehrstoff in einprägsamen Merksätzen zusammengefasst. Weiterhin finden sich hier in kompakter Form Hinweise auf weiterführende Literatur und Linksammlungen zu nützlichen Onlinequellen. Viel Mühe wurde zudem auf die Formulierung von Übungsfragen verwendet, mit deren Hilfe die Leser selbstständig testen können, ob sie die jeweiligen Inhalte richtig verstanden haben. Die Aufgabenstellungen wirken motivierend, da sie nicht in stupider Form Faktenwissen abprüfen, sondern zur weiteren Beschäftigung mit der Thematik anregen, etwa im Rahmen von Pro-und- Contra-Diskussionen innerhalb einer Lerngruppe. Trotz seines Einführungscharakters verzichtet das Lehrbuch nicht auf komplexere Darstellungen und eigene Thesen. Es fließen auch originäre Forschungsergebnisse, vor allem aus der Habilitationsschrift des Verfassers ein (217 ff.). So manche Schnurre aus der Literatur wird mit Common Sense gekontert. Entideologisierung im belgischen Parteiensystem? Im Gegenteil, der Sprachenkonflikt ist weiter eskaliert (128). Für die Parteien wird es immer schwieriger, Mitglieder zu gewinnen? Stimmt, zugleich sind Mitglieder zur Finanzierung der Parteiarbeit aber auch unwichtiger geworden (136). Auf diese Weise lernen angehende Politikwissenschaftler exemplarisch, empirisch beobachtete Entwicklungen mit Hilfe theoretischer Erklärungsmuster differenziert zu bewerten. 168 Als einziger ernsthafter Kritikpunkt wäre vielleicht anzumerken, dass der Aufbau des Buches ein wenig impressionistisch wirkt. Ein roter Faden bei der Gliederung ist nicht ohne weiteres zu erkennen und so stehen die einzelnen, für sich allein genommen sehr guten Kapitel mitunter doch recht lose verkoppelt nebeneinander. Da sich manche Überschriften zudem ziemlich ähneln, ist nicht immer auf den ersten Blick klar, welche Einzelaspekte sich jeweils in einem Block verbergen. Darüber hinaus hätte sich der eine oder andere Leser vielleicht noch mehr historische Hintergründe oder weitergehende Informationen zu den rechtlichen Rahmenbedingungen des Parteienwettbewerbs gewünscht. Dies sind jedoch Geschmacksfragen, die nichts am positiven Gesamteindruck dieses Lehrbuches ändern, dessen Lektüre hiermit (nicht nur) allen Studierenden empfohlen sei, die auf der Suche nach einer aktuellen, fachlich fundierten und gut lesbaren Einführung in die Parteienforschung sind. Philipp Erbentraut, M. A. Hilmar Gernet: (Un-)heimliches Geld. Parteienfinanzierung in der Schweiz, Verlag Neue Zürcher Zeitung, Zürich 2011, 255 S., ISBN 978-3-03823-672-6, 38 €. Soviel vorweg: In der Schweiz gibt es auf Bundesebene (anders sieht es in den Kantonen Tessin und Genf aus) keine Vorgaben über die Finanzen der Parteien. Abgesehen von den Beiträgen, welche an die im nationalen Parlament vertretenen Fraktionen ausgerichtet werden, fehlt es im Bund (und den allermeisten Kantonen) an einer staatlichen Parteienfinanzierung. Die Parteien sind bei der Suche nach finanziellen Mitteln – wie die Urheber von Volksinitiativen und Referenden – auf sich allein gestellt. Im Gegenzug dürfen sie von jedermann in unbeschränkter Höhe Zahlungen entgegennehmen, ohne die Namen der Spendenden und die Höhe der Beträge offenlegen zu müssen. Das Buch von Hilmar Gernet basiert auf seiner im Jahr 2009 von der Philosophischen Fakultät der Universität Freiburg Schweiz angenomme-

MIP 2012 18. Jhrg. Rezensionen nen Dissertation. Im Anhang finden sich ausführliche Verzeichnisse und die als Endnoten an den Schluss des Buches gesetzten Anmerkungen. Gernet ist Schweizer Leserinnen und Lesern kein Unbekannter, war der Historiker doch nicht nur für verschiedene Zeitungen tätig und Autor respektive Herausgeber verschiedener Bücher, sondern von 1997 bis 2001 auch Generalsekretär der CVP Schweiz. Diejenigen Passagen, in denen Gernet auf die Finanzierungsquellen der CVP in den Jahren 1998 bis 2000 eingeht (S. 56 f., S. 83-89) und die Bemühungen der Generalsekretäre der im Jahr 2000 im Bundesrat vertretenen Parteien CVP, FDP, SPS und SVP für eine bessere Honorierung der von den Parteien erbrachten Leistungen schildert (S. 90-97), sind denn auch neben dem Schlusskapitel die spannendsten. Die im Schlusskapitel (S. 194-201) mit dem Titel „Plan für eine schweizerische Parteienfinanzierung“ skizzierten Ideen sind insbesondere deshalb interessant, weil die Parlamentarierinnen und Parlamentarier der bürgerlichen Parteien (also insbesondere die Mitglieder von CVP, FDP und SVP) in den letzten Jahren Vorschläge von linker oder grüner Seite für mehr Transparenz in der Politikfinanzierung und für eine direkte staatliche Parteienfinanzierung ablehnten. Ihnen gibt Gernet zu bedenken (S. 194, S. 198-200), dass der Druck auf die (bürgerlichen) Parteien wachsen wird, nicht zuletzt, weil ihre bisherigen Geldgeber – Grossunternehmen, die sich je länger je stärker mit kritischen Fragen ihrer Aktionärinnen und Aktionäre konfrontiert sehen – ihre Unterstützung verringern oder gar ganz einstellen könnten. Dass sich mit Gernet ein bekannter CVP-Politiker für Maßnahmen zur Verbesserung der Qualität der politischen Arbeit ausspricht und dabei nicht nur für öffentliche Gelder an Parteien, sondern auch für Transparenz (so insbesondere S. 198 f.) plädiert, verdient Anerkennung. Deutlich tritt Gernet (S. 196 f.) für Parteispenden von juristischen Personen ein. Er fordert aber von den durch Unternehmen unterstützten Parteien, mit diesen klare Leistungsvereinbarungen zu treffen (so auch S. 15) und transparent zu machen. Wenn er – nicht zuletzt mit Blick auf die aus dem Ausland geäußerte Kritik – anfügt (S. 199), dass es keine glaubwürdige Alternative zu transparenten Modellen gibt, wiederholt Gernet, was Wissenschaftlerinnen und -schaftler in den letzten Jahren immer wieder vorgebracht haben. Ob sein Vorschlag (S. 201) eines Runden Tisches mit den „bisherigen und potenziellen Finanzierern der Parteien“ (Gernet nennt dabei insbesondere den Verband der Schweizer Unternehmen „Economiesuisse“, die Banken und Chemiekonzerne beziehungsweise ihre Verbände und die Branchenverbände) bei den linken und grünen Parteien und den Bürgerinnen und Bürgern Anklang findet, ist abzuwarten. Es ist schade, dass sich der Autor nur mit der Finanzierung der Parteien und nicht allgemeiner mit der Politikfinanzierung beschäftigt, stellt sich doch in der Schweiz nicht nur die Frage, wo die Parteien ihre Mittel für Wahl- und Abstimmungskämpfe her haben, sondern auch wie die Abstimmungskampagnen von Initiativ- und Referendumskomitees finanziert werden. Interessant wäre es zu lesen, wie sich die SPS und die Grüne Partei der Schweiz finanzieren – nämlich in erster Linie durch Beiträge ihrer Mitglieder – und warum Gernet dies für die bürgerlichen Parteien nicht in Betracht zieht. Immerhin legt er die Konzentration seiner Untersuchung auf die bürgerlichen Parteien schon im Vorwort offen. Eine kritische Lektüre des Buches durch Politikund Rechtswissenschaftlerinnen und -schaftler hätte sichergestellt, dass die maßgebende politikwissenschaftliche Literatur und die neuesten Auflagen juristischer Werke ausgewertet werden. Es wäre leserfreundlicher, wenn nicht erst das Blättern zu den letzten Seiten mit den Endnoten zeigen würde, aus welchem Jahrzehnt ein Zitat stammt und ob es sich auf Deutschland oder auf die sich doch in einigem anders präsentierende Lage in der Schweiz bezieht. Die Problematik einer über die Grenzen der eigenen Disziplin angelegten historischen Dissertation zeigen sich auch dann, wenn der Autor auf weniger als zwei Seiten (S. 47 f.) zum Schluss kommt, die Rechtsform des Vereins sei für Parteien ungeeignet. Viele spannende Themen wie das Verhältnis der Parteien zu den Medien, die Gründe für den steigenden Mittelbedarf der Par- 169

MIP <strong>2012</strong> <strong>18</strong>. Jhrg. Rezensionen<br />

nen Dissertation. Im Anhang finden sich ausführliche<br />

Verzeichnisse und die als Endnoten an<br />

den Schluss des Buches gesetzten Anmerkungen.<br />

Gernet ist Schweizer Leserinnen und Lesern<br />

kein Unbekannter, war der Historiker doch nicht<br />

nur für verschiedene Zeitungen tätig und Autor<br />

respektive Herausgeber verschiedener Bücher,<br />

sondern von 1997 bis 2001 auch Generalsekretär<br />

der CVP Schweiz. Diejenigen Passagen, in denen<br />

Gernet auf die Finanzierungsquellen der<br />

CVP in den Jahren 1998 bis 2000 eingeht (S. 56 f.,<br />

S. 83-89) und die Bemühungen der Generalsekretäre<br />

der im Jahr 2000 im Bundesrat vertretenen<br />

Parteien CVP, FDP, SPS und SVP für eine<br />

bessere Honorierung der von den Parteien erbrachten<br />

Leistungen schildert (S. 90-97), sind<br />

denn auch neben dem Schlusskapitel die spannendsten.<br />

Die im Schlusskapitel (S. 194-201)<br />

mit dem Titel „Plan für eine schweizerische Parteienfinanzierung“<br />

skizzierten Ideen sind insbesondere<br />

deshalb interessant, weil die Parlamentarierinnen<br />

und Parlamentarier der bürgerlichen<br />

Parteien (also insbesondere die Mitglieder von<br />

CVP, FDP und SVP) in den letzten Jahren Vorschläge<br />

von linker oder grüner Seite für mehr<br />

Transparenz in der Politikfinanzierung und für<br />

eine direkte staatliche Parteienfinanzierung ablehnten.<br />

Ihnen gibt Gernet zu bedenken (S. 194,<br />

S. 198-200), dass der Druck auf die (bürgerlichen)<br />

Parteien wachsen wird, nicht zuletzt, weil<br />

ihre bisherigen Geldgeber – Grossunternehmen,<br />

die sich je länger je stärker mit kritischen Fragen<br />

ihrer Aktionärinnen und Aktionäre konfrontiert<br />

sehen – ihre Unterstützung verringern oder gar<br />

ganz einstellen könnten.<br />

Dass sich mit Gernet ein bekannter CVP-Politiker<br />

für Maßnahmen zur Verbesserung der Qualität<br />

der politischen Arbeit ausspricht und dabei<br />

nicht nur für öffentliche Gelder an Parteien, sondern<br />

auch für Transparenz (so insbesondere<br />

S. 198 f.) plädiert, verdient Anerkennung. Deutlich<br />

tritt Gernet (S. 196 f.) für Parteispenden von<br />

juristischen Personen ein. Er fordert aber von<br />

den durch Unternehmen unterstützten Parteien,<br />

mit diesen klare Leistungsvereinbarungen zu<br />

treffen (so auch S. <strong>15</strong>) und transparent zu machen.<br />

Wenn er – nicht zuletzt mit Blick auf die aus<br />

dem Ausland geäußerte Kritik – anfügt (S. 199),<br />

dass es keine glaubwürdige Alternative zu transparenten<br />

Modellen gibt, wiederholt Gernet, was<br />

Wissenschaftlerinnen und -schaftler in den letzten<br />

Jahren immer wieder vorgebracht haben. Ob<br />

sein Vorschlag (S. 201) eines Runden Tisches<br />

mit den „bisherigen und potenziellen Finanzierern<br />

der Parteien“ (Gernet nennt dabei insbesondere<br />

den Verband der Schweizer Unternehmen<br />

„Economiesuisse“, die Banken und Chemiekonzerne<br />

beziehungsweise ihre Verbände und die<br />

Branchenverbände) bei den linken und grünen<br />

Parteien und den Bürgerinnen und Bürgern Anklang<br />

findet, ist abzuwarten.<br />

Es ist schade, dass sich der Autor nur mit der Finanzierung<br />

der Parteien und nicht allgemeiner<br />

mit der Politikfinanzierung beschäftigt, stellt<br />

sich doch in der Schweiz nicht nur die Frage, wo<br />

die Parteien ihre Mittel für Wahl- und Abstimmungskämpfe<br />

her haben, sondern auch wie die<br />

Abstimmungskampagnen von Initiativ- und Referendumskomitees<br />

finanziert werden. Interessant<br />

wäre es zu lesen, wie sich die SPS und die<br />

Grüne Partei der Schweiz finanzieren – nämlich<br />

in erster Linie durch Beiträge ihrer Mitglieder –<br />

und warum Gernet dies für die bürgerlichen Parteien<br />

nicht in Betracht zieht. Immerhin legt er<br />

die Konzentration seiner Untersuchung auf die<br />

bürgerlichen Parteien schon im Vorwort offen.<br />

Eine kritische Lektüre des Buches durch Politikund<br />

Rechtswissenschaftlerinnen und -schaftler<br />

hätte sichergestellt, dass die maßgebende politikwissenschaftliche<br />

Literatur und die neuesten<br />

Auflagen juristischer Werke ausgewertet werden.<br />

Es wäre leserfreundlicher, wenn nicht erst<br />

das Blättern zu den letzten Seiten mit den Endnoten<br />

zeigen würde, aus welchem Jahrzehnt ein<br />

Zitat stammt und ob es sich auf Deutschland<br />

oder auf die sich doch in einigem anders präsentierende<br />

Lage in der Schweiz bezieht. Die Problematik<br />

einer über die Grenzen der eigenen<br />

Disziplin angelegten historischen Dissertation<br />

zeigen sich auch dann, wenn der Autor auf weniger<br />

als zwei Seiten (S. 47 f.) zum Schluss<br />

kommt, die Rechtsform des Vereins sei für Parteien<br />

ungeeignet. Viele spannende Themen wie<br />

das Verhältnis der Parteien zu den Medien, die<br />

Gründe für den steigenden Mittelbedarf der Par-<br />

169

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!