2012, Heft 18, S. 5-15 - PRuF
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Rezensionen MIP <strong>2012</strong> <strong>18</strong>. Jhrg.<br />
Die Leitfrage der Arbeit ist die nach der Bedeutung<br />
von „Partei“ in amerikanischen Wahlkämpfen<br />
vor dem Hintergrund einer sich in den letzten<br />
Jahren verstärkenden Ambivalenz: Einerseits<br />
geht die Mehrheit der amerikanischen Forscher<br />
mittlerweile von einer party resurgence aus, also<br />
einem Wiedererstarken der Parteien. Andererseits<br />
erscheinen die Wahlkämpfe vordergründig<br />
nach wie vor als kandidatenzentriert, und es<br />
konnte keine Parteiendominanz in den Kampagnen<br />
festgestellt werden.<br />
Diese scheinbare Ambivalenz löst sich auf, wenn<br />
man „Partei“ im amerikanischen Kontext neu<br />
und inklusiver konzipiert, wie Bohne es anregt.<br />
Mit seinem Konzept der „Parteiräume“ entwickelt<br />
er ein von Giovanni Sartori 1967 in die<br />
Diskussion eingebrachtes Modell fort. Zusätzlich<br />
inspiriert durch die aktuelle amerikanische Literatur<br />
über party networks sind Parteien für Bohne<br />
als „offene Räume zu betrachten, in denen informell<br />
vernetzte Parteiakteure mit- und nebeneinander<br />
agieren, um das gemeinsame Ziel des<br />
Wahlgewinns zu erreichen“ (S. 23).<br />
Bohnes Absicht ist es, die Parteiräume der Demokraten<br />
und Republikaner so dicht wie möglich<br />
zu erfassen und ihre innere Struktur und Dynamik<br />
offen zu legen. Hierzu unterzieht er den<br />
Kongresswahlkampf des Jahres 2006 einer Querschnittsanalyse.<br />
Als Grundlage dienen ihm zuvorderst<br />
60 systematisch und in einem mehrstufigen<br />
Verfahren ausgewertete Eliteninterviews<br />
mit Parteifunktionären, Wahlkampfberatern und<br />
Vertretern von Interessengruppen. Darüber hinaus<br />
nahm er an einer internen Diskussionsrunde<br />
konservativer Gruppen und der links-progressiven<br />
Take Back America Conference teil. Er<br />
greift außerdem auf die Wahlkampffinanzierungsdaten<br />
verschiedener Institutionen und Non-<br />
Profit Organisationen zurück und nimmt eine<br />
systematische Recherche der Wahlkampfberichterstattung<br />
vor. Bohnes Hauptaugenmerk liegt dabei<br />
auf der Bundesebene, wobei er zusätzliche<br />
Details aus zwei Wahlkampagnen illustrierend<br />
einfließen lässt.<br />
Das Vokabular seines Parteienkonzepts gibt bereits<br />
Aufschluss über die Methodik, die Bohne in<br />
seiner Fallstudie anwendet: Er wendet das In-<br />
166<br />
strumentarium der qualitativen Netzwerkanalyse<br />
an, Politikwissenschaftlern bisher vor allem in<br />
der Policy-Forschung bekannt. Dadurch erhofft<br />
er sich den Blick für die informellen Dynamiken<br />
innerhalb der Parteiräume zu schärfen und diese<br />
offen zu legen. Dieser informellen Komponente<br />
kommt in amerikanischen Wahlkämpfen besondere<br />
Bedeutung zu, weil die Parteien in ihrem<br />
formellen Aktionsradius rechtlich stark eingeschränkt<br />
sind, beispielsweile durch in den Wahlkampffinanzierungsgesetzen<br />
festgelegte Koordinierungsverbote<br />
mit den Kandidatenorganisationen.<br />
Es zählt zu den Stärken des vorliegenden<br />
Werkes, dass sein Autor mit analytischem Blick<br />
diese informellen Wege aufspürt.<br />
Bohne gliedert den empirischen Teil seiner Arbeit<br />
schlüssig in drei wesentliche Abschnitte. Er<br />
beginnt mit der Darstellung der Umwelt der Parteiräume,<br />
also der Wahlkampflandschaft in den<br />
USA, die er von zwei gegenläufigen Trends gekennzeichnet<br />
sieht: einer „Pluralisierung der Akteurslandschaft“<br />
(S. 25) einerseits, bei gleichzeitiger<br />
„Tendenz zur Polarisierung und Lagerbildung“<br />
andererseits (S. 26). Im nächsten Abschnitt<br />
„kartiert“ er die Parteiräume selbst, legt<br />
also deren Strukturen im Detail frei. Dabei unterscheidet<br />
er zwischen dem formellen Gesicht<br />
der Partei (Parteiorganisation und Mandatsträger)<br />
und ihrem informellen Gesicht (Wahlkampfberater<br />
und Interessengruppen). Der letzte<br />
große Abschnitt beinhaltet die Dynamik der Allianzen<br />
zwischen den unterschiedlichen Akteuren<br />
innerhalb der Parteiräume. Nacheinander werden<br />
für die Bereiche Fundraising, Wahlkampfkommunikation<br />
und Wählermobilisierung die vielgestaltigen<br />
Beziehungen zwischen den Akteuren<br />
offen gelegt.<br />
Die Analyse fördert interessante Ergebnisse zu<br />
Tage: So stellt Bohne beispielsweise fest, dass<br />
die Rolle der Mandatsträger im Wahlkampf bisher<br />
unterschätzt worden ist. Dies interpretiert er<br />
als eine Folge der Polarisierung, in der Amtsinhaber<br />
vermehrt ihre Ressourcen „poolen“, um<br />
„Gestaltungsmacht“ zu erlangen. Besonders von<br />
Mandatsträgern mit Ambitionen auf Führungsämter<br />
im Kongress werde mittlerweile von Seiten<br />
der Partei erwartet, dass sie sich in diesem