2012, Heft 18, S. 5-15 - PRuF
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Parteienrecht im Spiegel der Rechtsprechung MIP <strong>2012</strong> <strong>18</strong>. Jhrg.<br />
auf die Stimmabgabe ausgewirkt habe. Weiterhin<br />
wurde die Gestaltung des Stimmzettels bei<br />
der Landtagswahl 2009 beanstandet. Einen Orientierungspfeil,<br />
der in das Feld der CDU hineinragte,<br />
wertete das Gericht als unzulässige Beeinflussung<br />
des Wählers. Die auf dem Stimmzettel<br />
gewählte Reihenfolge nach § 25 II 1 LWG der<br />
zur Wahl stehenden Parteien, die bisher nicht im<br />
Landtag vertreten waren, stellt nach Sicht des<br />
Gerichts einen Bruch mit dem sonstigen System<br />
der Auflistung nach Wählerzuspruch dar. Beide<br />
Eigenschaften des Stimmzettels verstießen daher<br />
gegen die Wahlrechtsgleichheit und die Chancengleichheit<br />
der Parteien. Doch auch diese Fehler<br />
ließ das Gericht nicht als Grund für die Anordnung<br />
einer Neuwahl ausreichen. Die Ergebnisse<br />
einer empirischen Studie, nach der die optische<br />
Gestaltung eines Stimmzettels keinen hinreichenden<br />
Einfluss auf das Wahlverhalten<br />
nimmt, führte das Gericht zu der Schlussfolgerung,<br />
die Fehler hätten sich nicht in mandatsrelevanter<br />
Weise ausgewirkt. Zudem befasste sich<br />
das Gericht mit vor Schließung der Wahllokale<br />
via Twitter veröffentlichten angeblichen Zwischenergebnissen<br />
der Wahl. Die Meldungen gaben<br />
keine Quelle an und entbehrten damit jeglichen<br />
amtlichen Charakters. Beeinflussungen der<br />
Wähler durch Privatpersonen verstoßen nicht gegen<br />
den Grundsatz der Freiheit der Wahl, soweit<br />
sie keinen Zwang entfalten. Die Meldungen beeinträchtigten<br />
laut Gericht aufgrund ihrer offenen<br />
und vagen Formulierung nicht Freiheit und<br />
Gleichheit der Wahl. Bezüglich der 5%-Sperrklausel<br />
statuierte der VerfGH eine Beobachtungspflicht<br />
des Gesetzgebers, die sich an der<br />
politischen Wirklichkeit zu orientieren hat. Jedenfalls<br />
zum Zeitpunkt des Urteils sei die Zugangshürde<br />
für politische Parteien noch verfassungsrechtlich<br />
gerechtfertigt.<br />
Der VGH Kassel104 entschied, dass eine von einer<br />
Partei zur Überlassung eines Gebäudes verlangte<br />
überhöhte Kaution zwar rechtswidrig sei.<br />
Die betroffene Partei wollte in einer Halle eine<br />
Wahlkampfveranstaltung durchführen, sollte dafür<br />
aber eine Kaution von 10.000 Euro entrichten.<br />
Auch wenn die Veranstaltung dadurch letztendlich<br />
verhindert wurde, handele es sich aber<br />
104 HGZ 2011, S. 237-238.<br />
<strong>15</strong>8<br />
nicht um eine sittenwidrige Wahlbeeinflussung,<br />
die eine Neuwahl erforderlich mache. Wenn sich<br />
die betroffene Partei mit keinem ihr zur Verfügung<br />
stehenden Rechtsbehelf – Widerspruch<br />
oder Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz – gegen<br />
die rechtswidrige Kaution wehrt, widerspreche<br />
es dem auch im öffentlichen Recht geltenden<br />
Grundsatz von Treu und Glauben, dass sie die<br />
Wahlkampfveranstaltung an der Kaution scheitern<br />
lässt, um später mit dieser Begründung die<br />
inzwischen durchgeführte Wahl anzufechten.<br />
Inhalt eines Beschlusses des OVG Bremen105 war die von einer Wählervereinigung begehrte<br />
Einsichtnahme in Wahlniederschriften. Losgelöst<br />
von der Frage, ob die Tätigkeit von Wahlvorständen<br />
als Verwaltungstätigkeit zu werten<br />
ist, statuierte das Gericht die Pflicht des Wahlleiters<br />
nach sorgfaltsgemäßem Ermessen Einsicht<br />
in die Wahlniederschriften inklusive Anlagen zu<br />
gewähren. Ein Verbot der Einsichtsgewährung<br />
sei der Landeswahlordnung nicht zu entnehmen.<br />
Darüber hinaus verstoße die Einsicht nicht gegen<br />
das in Art. 75 I BremLV verfassungsrechtlich<br />
geschützte Wahlgeheimnis. Die von der Verfassung<br />
geforderte Geheimheit der Wahl erstrecke<br />
sich nur auf das Abstimmungsverhalten der<br />
Wähler, nicht den Wahlvorgang insgesamt.<br />
Wahlniederschriften dokumentieren hingegen<br />
die öffentliche Arbeit der Wahlvorstände, sodass<br />
der Grundsatz einer geheimen Wahl ohnehin<br />
nicht tangiert werde, wenn in die Unterlagen<br />
Einsicht genommen wird. Gleiches gelte für die<br />
den Niederschriften beigefügten Anlagen.<br />
Das OVG Münster106 stellte in einem kommunalrechtlichen<br />
Wahlprüfungsverfahren dessen<br />
prozessualen Voraussetzungen klar. Die Klage<br />
gegen den Beschluss der Vertretung gem. § 41<br />
KWahlG NRW sei nur eine Fortsetzung des Einspruchsverfahrens,<br />
sodass klagebefugt nur sei,<br />
wer zuvor Einspruch gegen die Wahl eingelegt<br />
hat. Weiterhin hielt das Gericht fest, dass eine<br />
auf die Gültigerklärung der Wahl gerichtete Klage<br />
unzulässig sei. Weiterhin habe die Aufsichtsbehörde<br />
kein freies Ermessen hinsichtlich der<br />
Frage, ob sie gegen den Beschluss der Vertre-<br />
105 NordÖR 2011, S. 509-511.<br />
106 NWVBl. 2011, S. 190-191.