2012, Heft 18, S. 5-15 - PRuF
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MIP <strong>2012</strong> <strong>18</strong>. Jhrg. Parteienrecht im Spiegel der Rechtsprechung<br />
anzuordnen. Damit trage er dem Verfassungsprinzip<br />
des Art. 89 SachsAnhVerf Rechnung,<br />
wonach die Vertretung des Kommunalvolks aus<br />
allgemeinen, unmittelbaren, freien, gleichen und<br />
geheimen Wahlen hervorgehen muss. Je größer<br />
der Anteil der neuen Gemeindebevölkerung ist,<br />
die durch die ursprüngliche Gemeinderatswahl<br />
nicht mitrepräsentiert ist, desto stärker verlange<br />
das Legitimationsdefizit eine im Einklang mit<br />
Art. 89 SachsAnhVerf stehende Abhilfe durch<br />
eine Neuwahl. Den Zuwachs von mehr als einem<br />
Drittel neuer Gemeindebürger wertete das Gericht<br />
als eine hinreichende Größe für das Erfordernis<br />
einer Abhilfe. Der Gesetzgeber sei bei der<br />
Anberaumung von Neuwahlen aber nicht dazu<br />
verpflichtet, gleichzeitig auch den Bürgermeister<br />
neu wählen zu lassen. Dessen Grundrecht auf<br />
Berufsfreiheit aus Art. 16 SachsAnhVerf habe<br />
der Gesetzgeber in die Entscheidung über die<br />
Amtszeitverkürzung einzustellen, sodass die im<br />
Streitfall vorgenommene Differenzierung zwischen<br />
Bürgermeister- und Ratswahl nach Ansicht<br />
des Gerichtes gerechtfertigt war.<br />
Der VerfGH Saarland102 entschied, dass es den<br />
Einspruchsführer einer Wahlanfechtung in seinem<br />
Grundrecht auf effektiven Rechtsschutz aus<br />
Art. 20 SVerf verletzt, wenn der Landtag die<br />
Wahlanfechtung nicht in angemessener Zeit bescheidet.<br />
Den Landtag treffe eine Darlegungspflicht<br />
für die Gründe einer über mehrere Monate<br />
dauernde Bearbeitungszeit, der er im vorliegenden<br />
Fall nicht nachgekommen sei. Maßnahmen<br />
des Landtags, die zur Bescheidung der<br />
Wahlanfechtung nicht zielführend sind und die<br />
Bearbeitungszeit verlängern, gingen zu seinen<br />
Lasten. Die Exklusivität der Wahlprüfungsbeschwerde<br />
– so das Gericht ausdrücklich – stünde<br />
der Einlegung einer Verfassungsbeschwerde<br />
nicht entgegen, weil sich der Beschwerdeführer<br />
gegen die Verletzung seines Grundrechts auf effektiven<br />
Rechtsschutz aus Art. 20 SVerf wehrt.<br />
Der VerfGH Saarland103 thematisierte bei der<br />
Entscheidung über verschiedene Wahlprüfungsbeschwerden<br />
gegen die Wahl des Landtags im<br />
102 DÖV 2011, S. 366 ff.<br />
103 Urteil vom 29.09.2011 – Lv 4/11, veröffentlicht bei<br />
beck online.<br />
Jahre 2009 gleich mehrere wahlrechtliche Probleme.<br />
In Bezug auf die innerparteiliche Kandidatenaufstellung,<br />
die von einigen Beschwerdeführern<br />
gerügt wurde, hob das Gericht hervor,<br />
dass im Vergleich zu öffentlichen Wahlen herabgesetzte<br />
Anforderungen an die Einhaltung der<br />
Wahlrechtsgrundsätze zu stellen sind. Ein erheblicher<br />
Wahlfehler für die sich anschließende öffentliche<br />
Wahl sei erst dann festzustellen, wenn<br />
die Parteien rechtlich mögliche und zumutbare<br />
organisatorische Maßnahmen unterlassen haben,<br />
um Wahlrechtsverstöße zu verhindern. Die von<br />
den Beschwerdeführern bemängelten begrenzten<br />
Redezeiten der Kandidaten, die angebliche Möglichkeit<br />
der mehrfachen Stimmabgabe, eine fehlende<br />
Stimmberechtigung dreier Parteimitglieder<br />
sowie mangelnde Geheimheit bei einer parteiinternen<br />
Kandidatenaufstellung wertete das Gericht<br />
nicht als einen erheblichen Wahlfehler,<br />
weil die betreffende Partei alle ihr zumutbaren<br />
organisatorischen Maßnahmen ergriffen habe,<br />
um den ordnungsgemäßen Verlauf der Abstimmung<br />
zu gewährleisten. Auch etwaige formelle<br />
(Zähl-)Fehler bei der parteiinternen Auszählung<br />
der Stimmzettel erachtete der VerfGH Saarland<br />
nicht als mandatsrelevant. Die Anforderungen an<br />
die Gestaltung und Durchführung der Kandidatenaufstellung<br />
gem. § 17 PartG hat das Gericht<br />
anhand dieser Beispiele nochmals konturiert und<br />
einen abgestuften Sorgfaltsmaßstab der Parteien<br />
bei der Einhaltung wahlrechtlicher Grundsätze<br />
formuliert. Darüber hinaus entschied das Gericht,<br />
dass die frühere Landesregierung dadurch<br />
gegen das Gebot der Neutralität des Staates im<br />
Wahlkampf und den Grundsatz der Chancengleichheit<br />
bei Wahlen verstoßen hat, weil eine<br />
Anzeigenserie des Ministerpräsidenten („Der<br />
Ministerpräsident informiert“) und dessen Anschreiben<br />
an die Landesbeschäftigten die Grenzen<br />
zulässiger Öffentlichkeitsarbeit überschritten<br />
haben. Zudem war infolgedessen laut VerfGH<br />
ein freier und offener Prozess der Meinungsbildung<br />
nicht mehr möglich, weshalb auch gegen<br />
den Grundsatz der Freiheit der Wahl verstoßen<br />
worden sei. Dennoch unterließ das Gericht den<br />
Schritt, diesen Wahlfehler als mandatsrelevant<br />
zu deklarieren, weil unter Berufung auf ein<br />
Sachverständigenurteil nicht hinreichend sicher<br />
sei, dass sich die Beeinflussung auch tatsächlich<br />
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