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2012, Heft 18, S. 5-15 - PRuF

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Parteienrecht im Spiegel der Rechtsprechung MIP <strong>2012</strong> <strong>18</strong>. Jhrg.<br />

Koalitionsbildung und Mehrheitsbildung zur Verabschiedung<br />

von Gesetzen seien keine beim EU-<br />

Parlament anzusiedelnden Erfordernisse. Die für<br />

Wahlen in der Bundesrepublik triftigen Gründe<br />

für eine Zugangshürde können auf das Wahlrecht<br />

auf supranationaler Ebene wegen dieser<br />

Funktionsunterschiede nicht übertragen werden.<br />

Damit wurde der deutliche Unterschied zu den<br />

Regelungen für Wahlen in Deutschland betont.<br />

Wegen dieser Besonderheiten des EU-Parlaments<br />

wertete das Gericht die Ungleichbehandlung der<br />

Wählerstimmen durch die 5%-Klausel bei Europawahlen<br />

als verfassungswidrig – und zwar mit<br />

Blick auf sowohl das Recht der Wähler als auch<br />

der betroffenen Parteien. Die Sondervoten der<br />

Richter Di Fabio und Mellinghoff bewerteten die<br />

Klausel hingegen als verfassungskonform. Darüber<br />

hinaus ließ das Gericht die ebenfalls in der<br />

Beschwerde gerügte Wahl nach „starren Listen“<br />

unangetastet, weil das Europarecht den nationalen<br />

Gesetzgebern diesbezüglich einen eigenen Einschätzungsspielraum<br />

überlasse und zudem gegen<br />

die „starren Listen“ als solche keine verfassungsrechtlichen<br />

Bedenken bestünden. Zwar stellte das<br />

Gericht einen Verfassungsverstoß des § 2 VII<br />

EuWG und damit dessen Nichtigkeit fest. Es folgerte<br />

daraus aber nicht die Ungültigkeit der Wahl<br />

im Jahr 2009. In der Abwägung zwischen dem<br />

Bestandsschutz der gewählten Volksvertretung<br />

und den Auswirkungen des festgestellten Wahlfehlers<br />

räumt das Gericht ersterem den Vorrang<br />

ein. Der Wahlfehler berühre nur das deutsche<br />

Kontingent der Abgeordneten, von dem wiederum<br />

nur ein geringer Teil durch die Hürde des § 2 VII<br />

EuWG betroffen sei. Dieser nicht „unerträgliche“<br />

Wahlfehler rechtfertige daher keine Störung der<br />

Arbeit eines im Vertrauen auf die Verfassungsmäßigkeit<br />

des EuWG gewählten Parlaments.<br />

Der VerfGH Berlin99 wies einen Eilantrag auf<br />

Wiederholung einer Wahl zur Bezirksverordnetenversammlung<br />

zurück. Die Antragstellerinnen<br />

hatten zuvor Wahlprüfungsbeschwerde gegen die<br />

unter Anwendung der 3%-Sperrklausel durchgeführte<br />

Wahl erhoben und machten sodann geltend,<br />

dass die ihrer Ansicht nach ungültige Wahl nicht<br />

bis zur Entscheidung in der Hauptsache hinge-<br />

99 Beschluss vom 20.12.2011 – <strong>15</strong>5 A/11, veröffentlicht<br />

bei juris.<br />

<strong>15</strong>6<br />

nommen werden könne. Die Abwägungsentscheidung<br />

im Rahmen der einstweiligen Anordnung<br />

gem. § 31 VerfGHG Berlin fiel zu Ungunsten<br />

der Antragstellerinnen aus, weil die Frage<br />

der Zulässigkeit der 3%-Sperrklausel dem<br />

Hauptsacheverfahren vorbehalten sei und Gründe<br />

nicht ersichtlich seien, denen zufolge eine<br />

vorübergehende Verzerrung der Wahlrechts- und<br />

Chancengleichheit nicht hinnehmbar ist.<br />

Das LVerfG Mecklenburg-Vorpommern100 definierte das Gebot des effektiven Rechtsschutzes<br />

bei der Überprüfung von Kommunalwahlen<br />

im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde. Es<br />

konnte aus der Garantie des Art. 19 IV GG kein<br />

Erfordernis erkennen, nach dem Rechtsverletzungen<br />

auch im Wege der Verfassungsbeschwerde<br />

rügefähig sein müssen. Das Landesverfassungsgericht<br />

selbst könne eine dahingehende<br />

Regelungslücke im Katalog seiner Zuständigkeiten<br />

nicht eigenmächtig schließen. Auch<br />

die Landesgesetzgeber seien aber nicht verpflichtet,<br />

für die Überprüfung von Rechtsverletzungen<br />

bei Kommunalwahlen zusätzlich zu der<br />

Rügemöglichkeit vor den Verwaltungsgerichten<br />

den Rechtsweg zum Landesverfassungsgericht<br />

zu eröffnen. Im Ergebnis könne daher die Verletzung<br />

des aktiven wie passiven Wahlrechts bei<br />

Kommunalwahlen nicht mit einer Verfassungsbeschwerde<br />

vor dem LVerfG Mecklenburg-Vorpommern<br />

geltend gemacht werden.<br />

Der VerfGH Sachsen-Anhalt101 hatte sich in einem<br />

Urteil mit der Reichweite der kommunalen<br />

Organisationshoheit und dem Erfordernis einer<br />

Neuwahl nach einer Gebietsreform zu befassen.<br />

Die politischen Mitwirkungsrechte des einzelnen<br />

Gemeindebürgers seien, so das Gericht, nicht Inhalt<br />

der aus der kommunalen Selbstverwaltungsgarantie<br />

fließenden Organisationshoheit, sodass<br />

sie auch nicht im Wege der Kommunalverfassungsbeschwerde<br />

geltend gemacht werden können.<br />

Wenn ein Gemeindegebiet neu zugeschnitten<br />

wird, sei der Gesetzgeber berechtigt, bei einem<br />

Zuwachs an Gemeindebürgern von mehr als<br />

einem Drittel, die Neuwahl des Gemeinderats<br />

100 NordÖR 2011, S. 31<br />

101 Urteil vom 20.01.2011 – LVG 27/10, online veröffentlicht<br />

bei Beck, Beck-RS 2011, 46632; Leitsätze in:<br />

NVwZ-RR 2011, S. 348.

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