2012, Heft 18, S. 5-15 - PRuF
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Parteienrecht im Spiegel der Rechtsprechung MIP 2012 18. Jhrg. bildungsprozesses, der auch durch schuldloses Verhalten verzerrt werden kann. Auch wenn eine politische Partei ohne schuldhaftes Handeln einen geldwerten Vorteil nicht ordnungsgemäß deklariert, wird das Ziel des Art. 21 Abs. 1 Satz 4 GG verfehlt und zugleich eine Verzerrung des demokratischen Wettbewerbs und eine Verletzung der demokratischen Gleichheit anderer politischer Wettbewerber bewirkt. Das Sanktionensystem des § 31b PartG soll die Parteien präventiv dazu anhalten, alles Notwendige zu veranlassen, um Verletzungen ihrer Transparenzpflicht zu verhindern. Es muss sich aus diesem Grund nicht an einem Schuldmaßstab orientieren. Diese Auslegung des Parteiengesetzes ist schließlich deswegen verfassungsrechtlich unbedenklich, weil sie die willkürliche Zurechnung einer parteienrechtlichen Sanktion verfahrensrechtlich ausschließt. Durch die Regelungen der §§ 19a Abs. 3, 23a Abs. 1 Satz 2, 23a Abs. 2 PartG hat der Gesetzgeber sichergestellt, dass die Sanktion des § 31b PartG sich im Ergebnis stets gegen ein der sanktionierten Partei zurechenbares Handeln richtet (vgl. für den allerdings abweichend formulierten Fall des § 23a Abs. 1 PartG 1994, BVerw- GE 126, 254). Indem die Partei dazu verpflichtet ist, ihren Rechenschaftsbericht innerhalb ihres Vorstands zu beraten, indem der Partei die Möglichkeit einer Fristverlängerung eingeräumt wird und indem ein Wirtschaftsprüfer an der Erstellung des Berichts beteiligt werden muss, wird praktisch garantiert, dass zwischen dem tatsächlichen Handeln der Partei und dem als Rechenschaftsbericht in Empfang genommenen Dokument ein Zurechnungszusammenhang besteht, der eine Verantwortung der verpflichteten Partei begründet.“ 73 Das OVG erklärt die Regelung des § 31b PartG abschließend auch für verfassungsrechtlich unbedenklich, sie sei insbesondere auch verhältnismäßig. Das Sanktionensystem des Parteiengesetzes unterliege, auch soweit es keine strafrechtlichen Regelungen enthalte, den Maßstäben der Rechtsstaatlichkeit und der Verhältnismäßigkeit 74 . Es stehe dem Gesetzgeber keinesfalls frei, den politischen Parteien willkürlich Sanktionen aufzuer- 73 OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 23.05.2011 – OVG 3a B 1.11, Rn. 66-69. 74 BVerfGE 111, 54 (97). 150 legen. Allerdings sei der Gesetzgeber innerhalb dieses weiten Rahmens berechtigt, Verstöße gegen die Rechenschaftspflicht zu sanktionieren75 . Diesem Verhältnismäßigkeitsmaßstab genügt die vorliegende Regelung. Der Senat hat die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen. Das OVG Berlin-Brandenburg76 hat die Berufung der FDP zurückgewiesen und damit den Bescheid des Präsidenten des Deutschen Bundestages vom 02.07.2009 bestätigt, mit dem gegen die FDP Sanktionen in Form von Rückerstattungs- und Abführungsverpflichtungen in Höhe von insgesamt 3.463.148,79 EUR festgesetzt wurden. Der FDP-Landesverband Nordrhein-Westfalen hatte in den Jahren 1996 bis 2000 und 2002 zehn Bar- und Sachspenden in Höhe von insgesamt über 2,2 Millionen Euro von seinem damaligen Landesvorsitzenden Jürgen W. Möllemann erlangt, der auf eine Auskunftsklage später erklärt hat, dass das Geld aus seinem Privatvermögen stamme. Nach Auffassung des Oberverwaltungsgerichts sind die vom Deutschen Bundestag deswegen ausgesprochenen Sanktionen nach dem Parteiengesetz gerechtfertigt. Die Sachspenden seien nicht entsprechend dem Parteiengesetz unter Angabe des Namens des Spenders in den Rechenschaftsberichten der Partei veröffentlicht worden. Die Barspenden seien von der Klägerin wegen eines Verstoßes gegen ein Spendenannahmeverbot rechtswidrig erlangt worden. Das Parteiengesetz verbietet Parteien, Spenden anzunehmen, bei denen zum Zeitpunkt der Annahme der Spende der Spender nicht festellbar ist. Dies dient dem verfassungsrechtlichen Transparenzund Publizitätsgebot, wonach Parteien über die Herkunft ihrer Mittel öffentlich Rechenschaft geben müssen (Art. 21 Abs. 1 Satz 4 GG). Für die Vorstände der FDP sei zum Zeitpunkt der Annahme der Barspenden der wirkliche Spender nicht – etwa an Hand von Akten oder Kontoführungsunterlagen – feststellbar gewesen. Der damalige Schatzmeister und Hauptgeschäftsführer der FDP Nordrhein-Westfalen habe mit dem Spender Möllemann in der Weise zusammenge- 75 Vgl. BVerfG, 54 (97). 76 OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28.11.2011 – OVG 3a B 2.11.
MIP 2012 18. Jhrg. Parteienrecht im Spiegel der Rechtsprechung wirkt, dass der wirkliche Spender weder der Partei noch der Öffentlichkeit im Rechenschaftsbericht bekannt werden sollte. Die Barspenden seien „gestückelt“ und unter Verwendung falscher Spendernamen auf Konten der Partei eingezahlt worden. Die Höhe der parteienrechtlichen Sanktionen für rechtswidrig erlangte oder nicht im Rechenschaftsbericht veröffentlichte Spenden sind in § 23a Parteiengesetz 1994 gesetzlich vorgegeben. Die im Parteiengesetz geregelten verwaltungsrechtlichen Sanktionen sind nicht auf einen rechtsethischen Schuldvorwurf an die Partei gerichtet, sondern sollen die verfassungsrechtlich geforderte Transparenz und Publizität der Herkunft von Parteispenden sichern. 77 Die FDP habe die Barspenden gesetzeswidrig erlangt, weil für die Partei im Zeitpunkt der Annahme der Spende der Spender nicht feststellbar war. Die Annahme der Barspende sei so erfolgt, dass die wirkliche Identität des Spenders für die für die Rechnungslegung verantwortlichen Organe der Partei im Zeitpunkt der Annahme nicht feststellbar war und eben auch nicht sein sollte. 78 Der Senat hat die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen. In einem Beschluss hatte das OVG Berlin- Brandenburg79 über die Beschwerde bezüglich einer Kostenfestsetzung zu entscheiden. Diesem Beschluss liegt ein Urteil des VG Berlin80 zugrunde, in dem eine Listenvereinigung die Feststellung begehrt, wie eine politische Partei an der staatlichen Parteienfinanzierung zu partizipieren. Das Gericht stellt fest, dass bei der Klägerin die in § 2 Abs. 1 S. 1 PartG festgeschriebenen Merkmale einer politischen Partei nicht gegeben sind. Es fehle an der erforderlichen Organisationsstruktur und am Strukturelement „Vereinigung von Bürgern“. Die Klägerin bestehe nicht aus natürlichen Personen, sondern aus zwei politischen Vereinigungen. Die Klage habe sich 77 OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28.11.2011 – OVG 3a B 2.11, Rn. 114. 78 OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28.11.2011 – OVG 3a B 2.11, Rn. 82. 79 OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 09.08.2011 – OVG 3 L 27.11. 80 VG Berlin, Urteil vom 03.12.2010 – VG 2 K 191.09. auf eine Feststellung dem Grunde nach gerichtet und keine bestimmbare Geldsumme benannt. Der vom VG Berlin festgelegte Streitwert wurde daher vom OVG bestätigt. Das VG Berlin81 hatte sich mit einer von der Bundestagsverwaltung gegenüber der NPD festgesetzten Sanktion in Höhe von 33.000 Euro wegen festgestellter Unrichtigkeiten in den Rechenschaftsberichten 2004 bis 2007 zu beschäftigen. Das Gericht bestätigte die von der Bundestagsverwaltung gerügten Verstöße gegen das Transparenzgebot. Die NPD habe es unterlassen, Einnahmen aus Veranstaltungen der Kreisverbände Jena und Gera in Höhe von insgesamt 16.603,79 Euro für die Jahre 2004 bis 2007 in den jeweiligen Rechenschaftsberichten auszuweisen. Einnahmen aus Veranstaltungen seien zwingend in die Einnahmerechnung gemäß § 24 Abs. 4 Nr. 7 PartG aufzunehmen sowie die Einnahmen und Ausgaben mit ihrem vollen Betrag an der für sie vorgesehenen Stelle einzusetzen und in der Vermögensbilanz zu berücksichtigen, vgl. § 26 Abs. 2 PartG. Eine stillschweigende Saldierung von Einnahmen und Ausgaben sei nicht zulässig82 . Im Jahre 2007 seien Einnahmen unerwähnt geblieben, weil der Bundesvorstand der NPD bei der Abfassung des Rechenschaftsberichtes Zahlen aus einer alle 17 Kreisverbände Thüringens umfassenden Excel-Tabelle übernommen habe, die fehlerhaft aufsummiert seien. Zum einen hätten die Zahlen nicht ungeprüft übernommen werden dürfen und zum anderen habe eine bloße Schlüssigkeitsprüfung den Fehler erkennen lassen können. Die von der Bundestagsverwaltung festgestellten Unrichtigkeiten in den Rechenschaftsberichten der NPD führten gemäß § 31b S. 1 und 3 PartG zu einer Zahlungsverpflichtung in Höhe des zweifachen Betrages. Ob § 31b S. 1 PartG über seinen Wortlaut hinaus zudem als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal ein Verschulden der Parteien voraussetzt, hat die Kam- 81 VG Berlin, Urteil vom 03.12.2010 – 2 K 108.10 online veröffentlicht bei Beck, BeckRS 2010, 56651. Siehe bereits die kurze Besprechung des damals unveröffentlichten Urteils von Heike Merten in MIP 2011, S. 178. 82 Das Gericht verweist hier auf das Urteil der Kammer vom 15.05.2009 – VG 2 K 39.09. 151
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MIP <strong>2012</strong> <strong>18</strong>. Jhrg. Parteienrecht im Spiegel der Rechtsprechung<br />
wirkt, dass der wirkliche Spender weder der Partei<br />
noch der Öffentlichkeit im Rechenschaftsbericht<br />
bekannt werden sollte. Die Barspenden seien<br />
„gestückelt“ und unter Verwendung falscher<br />
Spendernamen auf Konten der Partei eingezahlt<br />
worden.<br />
Die Höhe der parteienrechtlichen Sanktionen für<br />
rechtswidrig erlangte oder nicht im Rechenschaftsbericht<br />
veröffentlichte Spenden sind in<br />
§ 23a Parteiengesetz 1994 gesetzlich vorgegeben.<br />
Die im Parteiengesetz geregelten verwaltungsrechtlichen<br />
Sanktionen sind nicht auf einen<br />
rechtsethischen Schuldvorwurf an die Partei gerichtet,<br />
sondern sollen die verfassungsrechtlich<br />
geforderte Transparenz und Publizität der Herkunft<br />
von Parteispenden sichern. 77<br />
Die FDP habe die Barspenden gesetzeswidrig erlangt,<br />
weil für die Partei im Zeitpunkt der Annahme<br />
der Spende der Spender nicht feststellbar<br />
war. Die Annahme der Barspende sei so erfolgt,<br />
dass die wirkliche Identität des Spenders für die<br />
für die Rechnungslegung verantwortlichen Organe<br />
der Partei im Zeitpunkt der Annahme nicht<br />
feststellbar war und eben auch nicht sein sollte. 78<br />
Der Senat hat die Revision zum Bundesverwaltungsgericht<br />
zugelassen.<br />
In einem Beschluss hatte das OVG Berlin-<br />
Brandenburg79 über die Beschwerde bezüglich<br />
einer Kostenfestsetzung zu entscheiden. Diesem<br />
Beschluss liegt ein Urteil des VG Berlin80 zugrunde,<br />
in dem eine Listenvereinigung die Feststellung<br />
begehrt, wie eine politische Partei an<br />
der staatlichen Parteienfinanzierung zu partizipieren.<br />
Das Gericht stellt fest, dass bei der Klägerin<br />
die in § 2 Abs. 1 S. 1 PartG festgeschriebenen<br />
Merkmale einer politischen Partei nicht gegeben<br />
sind. Es fehle an der erforderlichen Organisationsstruktur<br />
und am Strukturelement „Vereinigung<br />
von Bürgern“. Die Klägerin bestehe<br />
nicht aus natürlichen Personen, sondern aus zwei<br />
politischen Vereinigungen. Die Klage habe sich<br />
77 OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28.11.2011 –<br />
OVG 3a B 2.11, Rn. 114.<br />
78 OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 28.11.2011 –<br />
OVG 3a B 2.11, Rn. 82.<br />
79 OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 09.08.2011<br />
– OVG 3 L 27.11.<br />
80 VG Berlin, Urteil vom 03.12.2010 – VG 2 K 191.09.<br />
auf eine Feststellung dem Grunde nach gerichtet<br />
und keine bestimmbare Geldsumme benannt.<br />
Der vom VG Berlin festgelegte Streitwert wurde<br />
daher vom OVG bestätigt.<br />
Das VG Berlin81 hatte sich mit einer von der<br />
Bundestagsverwaltung gegenüber der NPD festgesetzten<br />
Sanktion in Höhe von 33.000 Euro wegen<br />
festgestellter Unrichtigkeiten in den Rechenschaftsberichten<br />
2004 bis 2007 zu beschäftigen.<br />
Das Gericht bestätigte die von der Bundestagsverwaltung<br />
gerügten Verstöße gegen das Transparenzgebot.<br />
Die NPD habe es unterlassen, Einnahmen aus<br />
Veranstaltungen der Kreisverbände Jena und<br />
Gera in Höhe von insgesamt 16.603,79 Euro für<br />
die Jahre 2004 bis 2007 in den jeweiligen Rechenschaftsberichten<br />
auszuweisen. Einnahmen<br />
aus Veranstaltungen seien zwingend in die Einnahmerechnung<br />
gemäß § 24 Abs. 4 Nr. 7 PartG<br />
aufzunehmen sowie die Einnahmen und Ausgaben<br />
mit ihrem vollen Betrag an der für sie vorgesehenen<br />
Stelle einzusetzen und in der Vermögensbilanz<br />
zu berücksichtigen, vgl. § 26 Abs. 2<br />
PartG. Eine stillschweigende Saldierung von<br />
Einnahmen und Ausgaben sei nicht zulässig82 .<br />
Im Jahre 2007 seien Einnahmen unerwähnt geblieben,<br />
weil der Bundesvorstand der NPD bei<br />
der Abfassung des Rechenschaftsberichtes Zahlen<br />
aus einer alle 17 Kreisverbände Thüringens<br />
umfassenden Excel-Tabelle übernommen habe,<br />
die fehlerhaft aufsummiert seien. Zum einen hätten<br />
die Zahlen nicht ungeprüft übernommen werden<br />
dürfen und zum anderen habe eine bloße<br />
Schlüssigkeitsprüfung den Fehler erkennen lassen<br />
können. Die von der Bundestagsverwaltung<br />
festgestellten Unrichtigkeiten in den Rechenschaftsberichten<br />
der NPD führten gemäß § 31b<br />
S. 1 und 3 PartG zu einer Zahlungsverpflichtung<br />
in Höhe des zweifachen Betrages. Ob § 31b S. 1<br />
PartG über seinen Wortlaut hinaus zudem als<br />
ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal ein Verschulden<br />
der Parteien voraussetzt, hat die Kam-<br />
81 VG Berlin, Urteil vom 03.12.2010 – 2 K 108.10 online<br />
veröffentlicht bei Beck, BeckRS 2010, 56651. Siehe<br />
bereits die kurze Besprechung des damals unveröffentlichten<br />
Urteils von Heike Merten in MIP 2011, S. 178.<br />
82 Das Gericht verweist hier auf das Urteil der Kammer<br />
vom <strong>15</strong>.05.2009 – VG 2 K 39.09.<br />
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