2012, Heft 18, S. 5-15 - PRuF
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Parteienrecht im Spiegel der Rechtsprechung MIP 2012 18. Jhrg. aktionen speisen, dringen sie damit allerdings regelmäßig nicht durch. Es entspricht einhelliger Rechtsprechung, „dass es in erster Linie Aufgabe der Polizeibehörden ist, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu gewährleisten, da der Schutz anderweitiger Einrichtungen sowie des sonstigen Eigentums vor Gewalttätigkeiten Dritter eine staatliche Aufgabe ist, die mit den dafür erforderlichen Mitteln zu bewältigen ist“, so zutreffend das VG Saarlouis33 . Folge ist, dass „eine Gemeinde die Nutzung einer öffentlichen Einrichtung nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit der Mittel daher erst dann versagen kann, wenn die Polizeibehörden außerstande sind, diese öffentliche Sicherheit und Ordnung aufrecht zu erhalten, wobei es insoweit des Nachweises bestimmter, in den zeitlichen und örtlichen Verhältnissen begründeter Tatsachen bedarf, die einen Schadenseintritt mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit als möglich erscheinen lassen.“ Diesen Nachweis zu erbringen, ist – wie auch die Rechtsprechung der vergangenen Jahre zeigt – eine kaum zu bewältigende Herausforderung. Soweit es um die Überlassung von Schulräumlichkeiten für schulfremde Zwecke geht, namentlich für einen Landeskongress der – rechtsextremen – Jungen Nationaldemokraten Bayern (JN), geht das VG Regensburg34 abweichend von den vorgenannten Grundsätzen von einem Sonderrecht für Schulen aus. „Die Überlassung einer öffentlichen Schule bzw. von Teilen einer solchen an eine rechtsextremistische und verfassungsfeindliche Partei bzw. deren Jugendorganisation verstößt nämlich gegen die schulischen Belange und den Bildungs- und Erziehungsauftrag bayerischer Schulen, der sich aus der Bayerischen Verfassung (BV) und dem Bayerischen Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG) ergibt.“ Obwohl nach der tatsächlichen Vergabepraxis die Räumlichkeiten in der Vergangenheit bereits für andere schulfremde Veranstaltungen, etwa für den Landesjugendkongress der Grünen Jugend Bayern, zur Verfügung 33 VG Saarlouis, Beschluss vom 06.04.2011 – 3 L 298/11, online veröffentlich bei juris. 34 VG Regensburg, Beschluss vom 21.12.2011 – RN 3 E 11.1905, online veröffentlich bei juris. 140 gestellt worden waren und die Widmungsänderung der Einrichtung erst nach dem von der JN gestellten Überlassungsantrag erfolgte, war der Klage der JN kein Erfolg beschieden. Nach Ansicht des VG Regensburg berechtigt der verfassungsrechtliche Erziehungs- und Bildungsauftrag der bayerischen Schulen dazu, von dem Grundsatz der Weltanschauungsneutralität aller staatlichen Gewalt für den Bereich der Überlassung schulischer Räumlichkeiten abzuweichen: Zwar kann „alleine die Verfassungswidrigkeit und die Aufnahme einer Gruppierung in den Verfassungsschutzbericht des Bundes und/oder eines oder mehrerer Länder dem Zulassungsanspruch zu einer öffentlichen Einrichtung nicht entgegengehalten werden […]“. Deshalb gelten die „besagten verfassungs- und einfachgesetzlichen Grundlagen und der besondere Bildungsund Erziehungsauftrag für bayerische Schulen […] nicht für eine Stadt- oder Festhalle oder vergleichbare öffentliche Einrichtung einer Gemeinde. Diese Einrichtungen sind gleichsam ‚weltanschauungsneutral‘. Hiervon kann bei Schulen nicht die Rede sein. [...] Gemäß Art. 131 Abs. 3 BV sind die Schüler im Geiste der Demokratie, in der Liebe zur bayerischen Heimat und zum deutschen Volk und im Sinne der Völkerversöhnung zu erziehen. Die Schulen haben gemäß Art. 1 Abs. 1 Satz 1 BayEUG den in der Verfassung verankerten Bildungs- und Erziehungsauftrag zu verwirklichen.“ Im konkreten Fall kam hinzu, dass es sich um eine Mitgliedsschule bei dem bundesweiten Projekt „Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage“ handelte, und damit um eine Schule, die sich insbesondere gegen Rechtsextremismus und Rassismus wendet. „Es kann nicht verlangt werden, dass einer rechtsextremen Partei an einer solchen Schule Räume für die interne Schulung etc. zur Verfügung gestellt werden.“ Der VGH Baden-Württemberg35 hat demgegenüber die Geltung des Grundsatzes der Gleichbehandlung politischer Parteien auch bei schulischen Veranstaltungen betont und im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes einem Antrag auf Einladung eines Vertreters der Partei „Die 35 VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 28.02.2011 – 9 S 499/11, in: VBlBW 2011, S. 227-228.
MIP 2012 18. Jhrg. Parteienrecht im Spiegel der Rechtsprechung Linke“ zu einer Podiumsdiskussion mit Landtagskandidaten in einer Schule stattgegeben 36 . Hierbei handelte es sich um ein Unterrichtsprojekt im Rahmen des Gemeinschaftskundeunterrichts, organisiert und durchgeführt von zwei Schülerinnen, zur Erstellung einer Arbeit zur gleichwertigen Feststellung von Schülerleistungen (GFS). Das vorinstanzlich angerufene VG Stuttgart 37 maß der Podiumsdiskussion noch den Charakter einer nicht-öffentlichen, rein schulisch-pädagogischen Veranstaltung bei, für die kein Anspruch auf Zugang bestünde. Dieser Einschätzung trat der VGH Baden-Württemberg entgegen: „Zwar handelt es sich bei der von zwei Schülerinnen zu fertigenden Arbeit um eine rein schulische Leistung. Die in diesem Zusammenhang vorbereitete und durchzuführende Podiumsdiskussion geht jedoch über den Rahmen einer bloßen Klassen- oder Kursveranstaltung deutlich hinaus. Sie ist […] ‚oberstufenöffentlich‘ in der Weise, dass allen Schülern der Oberstufe die Teilnahme an dieser […] ermöglicht wird. Damit handelt es sich zwar einerseits – jedenfalls solange Personen außerhalb der Schule oder Pressevertreter nicht eingeladen sind und auch nicht teilnehmen – um eine schulische Veranstaltung, andererseits wird diese jedoch nicht nur durch einen Träger öffentlicher Gewalt ermöglicht, sondern sie findet auch im Vorfeld von Wahlen vor ca. 200 aktuellen bzw. potentiellen Jungwählern statt und ist damit auch ‚öffentlich‘ im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 PartG“, weshalb der Anwendungsbereich der Norm grundsätzlich auch bei der streitgegenständlichen Podiumsdiskussion eröffnet ist. Nach Sinn und Zweck des § 5 PartG als anspruchsvermittelnde Norm hat jeder Träger öffentlicher Gewalt, der politischen Parteien Einrichtungen zur Verfügung stellt oder andere öffentliche Leistungen gewährt, den Grundsatz der Chancengleichheit 36 Ein inhaltlich gleichgerichtetes Verfahren vor dem VG Karlsruhe, Beschluss vom 14.02.2011 – 2 K 373/11, in: NVwZ-RR 2011, S. 528-529, scheiterte an der fehlenden Passivlegitimation der in Anspruch genommenen Stadt als Schulträger. Anspruchsverpflichtet und damit richtiger Antragsgegner war vielmehr das Land Baden-Württemberg als Rechtsträger. 37 VG Stuttgart, Beschluss vom 23.02.2011 – 12 K 574/11, nicht veröffentlicht. zu wahren. Dabei darf aber insgesamt der Willensbildungsprozess des Volkes nicht durch staatliche Intervention verzerrt werden, „denn der im Mehrparteiensystem angelegte politische Wettbewerb soll Unterschiede hervorbringen – je nach Zuspruch der Bürger“. Aus dem Verbot der Verfälschung einer vorgefundenen Wettbewerbslage folgt daher zugleich das Gebot einer abgestuften Leistungsgewährung, um deren Nivellierung zu vermeiden. „Dieses greift nicht nur bei der Verteilung von Sendezeiten für Wahlwerbesendungen […] oder Standorten für Wahlplakate […], sondern auch bei der Berücksichtigung in konzeptionell vorgeprägten Veranstaltungen wie redaktionell gestalteten Sendungen […] oder auch moderierten Podiumsdiskussionen.“ Als mögliches Kriterium einer solchen Abstufung ist in § 5 I PartG die Bedeutung der jeweiligen Partei benannt, die sich insbesondere auch nach den Ergebnissen vorausgegangener Wahlen zu Volksvertretungen bemisst. Der VGH Baden-Württemberg legt im Weiteren die Norm so aus, dass bei der Beurteilung der Bedeutung einer Partei auch die Wahlergebnisse der betreffenden Partei in anderen Bundesländern und im Bund zu berücksichtigen sind. Der VGH Baden-Württemberg zog daraus den Schluss, dass „neben Kandidaten der bereits bisher im baden-württembergischen Landtag vertretenen Parteien auch der örtliche Wahlkreiskandidat der Partei ‚Die Linke‘ zu berücksichtigen ist. Diese ist nicht nur mit Fraktionsstärke im Bundestag, sondern auch in 13 Landtagen vertreten; darüber hinaus in zwei Landesregierungen und rangiert schon damit weit vor allen anderen bisher nicht im Landtag von Baden-Württemberg vertretenen Parteien. Hinzu kommt, dass dieser Partei nach aktuellen Prognosen konkrete Aussichten darauf eingeräumt werden, neu in den Landtag einzuziehen. Auch dies kann bei der Frage nach der Bedeutung einer Partei nicht unberücksichtigt bleiben“. Diese Rechtsansicht wird in der Rechtsprechung allerdings nicht immer geteilt. Gegenteiliger Ansicht war das OVG Sachsen38 in einem Eilrechtsschutzverfahren der NPD, ge- 38 OVG Sachsen, Beschluss vom 01.03.2011 – 5 B 43/11, online veröffentlicht bei Beck, BeckRS 2011, 48627. 141
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MIP <strong>2012</strong> <strong>18</strong>. Jhrg. Parteienrecht im Spiegel der Rechtsprechung<br />
Linke“ zu einer Podiumsdiskussion mit Landtagskandidaten<br />
in einer Schule stattgegeben 36 .<br />
Hierbei handelte es sich um ein Unterrichtsprojekt<br />
im Rahmen des Gemeinschaftskundeunterrichts,<br />
organisiert und durchgeführt von zwei<br />
Schülerinnen, zur Erstellung einer Arbeit zur<br />
gleichwertigen Feststellung von Schülerleistungen<br />
(GFS). Das vorinstanzlich angerufene VG<br />
Stuttgart 37 maß der Podiumsdiskussion noch<br />
den Charakter einer nicht-öffentlichen, rein<br />
schulisch-pädagogischen Veranstaltung bei, für<br />
die kein Anspruch auf Zugang bestünde. Dieser<br />
Einschätzung trat der VGH Baden-Württemberg<br />
entgegen: „Zwar handelt es sich bei der von zwei<br />
Schülerinnen zu fertigenden Arbeit um eine rein<br />
schulische Leistung. Die in diesem Zusammenhang<br />
vorbereitete und durchzuführende Podiumsdiskussion<br />
geht jedoch über den Rahmen einer<br />
bloßen Klassen- oder Kursveranstaltung<br />
deutlich hinaus. Sie ist […] ‚oberstufenöffentlich‘<br />
in der Weise, dass allen Schülern der Oberstufe<br />
die Teilnahme an dieser […] ermöglicht<br />
wird. Damit handelt es sich zwar einerseits – jedenfalls<br />
solange Personen außerhalb der Schule<br />
oder Pressevertreter nicht eingeladen sind und<br />
auch nicht teilnehmen – um eine schulische Veranstaltung,<br />
andererseits wird diese jedoch nicht<br />
nur durch einen Träger öffentlicher Gewalt ermöglicht,<br />
sondern sie findet auch im Vorfeld<br />
von Wahlen vor ca. 200 aktuellen bzw. potentiellen<br />
Jungwählern statt und ist damit auch ‚öffentlich‘<br />
im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 PartG“,<br />
weshalb der Anwendungsbereich der Norm<br />
grundsätzlich auch bei der streitgegenständlichen<br />
Podiumsdiskussion eröffnet ist. Nach Sinn und<br />
Zweck des § 5 PartG als anspruchsvermittelnde<br />
Norm hat jeder Träger öffentlicher Gewalt, der<br />
politischen Parteien Einrichtungen zur Verfügung<br />
stellt oder andere öffentliche Leistungen<br />
gewährt, den Grundsatz der Chancengleichheit<br />
36 Ein inhaltlich gleichgerichtetes Verfahren vor dem VG<br />
Karlsruhe, Beschluss vom 14.02.2011 – 2 K 373/11,<br />
in: NVwZ-RR 2011, S. 528-529, scheiterte an der fehlenden<br />
Passivlegitimation der in Anspruch genommenen<br />
Stadt als Schulträger. Anspruchsverpflichtet und<br />
damit richtiger Antragsgegner war vielmehr das Land<br />
Baden-Württemberg als Rechtsträger.<br />
37 VG Stuttgart, Beschluss vom 23.02.2011 – 12 K<br />
574/11, nicht veröffentlicht.<br />
zu wahren. Dabei darf aber insgesamt der Willensbildungsprozess<br />
des Volkes nicht durch<br />
staatliche Intervention verzerrt werden, „denn<br />
der im Mehrparteiensystem angelegte politische<br />
Wettbewerb soll Unterschiede hervorbringen –<br />
je nach Zuspruch der Bürger“. Aus dem Verbot<br />
der Verfälschung einer vorgefundenen Wettbewerbslage<br />
folgt daher zugleich das Gebot einer<br />
abgestuften Leistungsgewährung, um deren Nivellierung<br />
zu vermeiden. „Dieses greift nicht nur<br />
bei der Verteilung von Sendezeiten für Wahlwerbesendungen<br />
[…] oder Standorten für Wahlplakate<br />
[…], sondern auch bei der Berücksichtigung<br />
in konzeptionell vorgeprägten Veranstaltungen<br />
wie redaktionell gestalteten Sendungen<br />
[…] oder auch moderierten Podiumsdiskussionen.“<br />
Als mögliches Kriterium einer solchen Abstufung<br />
ist in § 5 I PartG die Bedeutung der jeweiligen<br />
Partei benannt, die sich insbesondere<br />
auch nach den Ergebnissen vorausgegangener<br />
Wahlen zu Volksvertretungen bemisst. Der<br />
VGH Baden-Württemberg legt im Weiteren die<br />
Norm so aus, dass bei der Beurteilung der Bedeutung<br />
einer Partei auch die Wahlergebnisse<br />
der betreffenden Partei in anderen Bundesländern<br />
und im Bund zu berücksichtigen sind. Der<br />
VGH Baden-Württemberg zog daraus den<br />
Schluss, dass „neben Kandidaten der bereits bisher<br />
im baden-württembergischen Landtag vertretenen<br />
Parteien auch der örtliche Wahlkreiskandidat<br />
der Partei ‚Die Linke‘ zu berücksichtigen ist.<br />
Diese ist nicht nur mit Fraktionsstärke im Bundestag,<br />
sondern auch in 13 Landtagen vertreten;<br />
darüber hinaus in zwei Landesregierungen und<br />
rangiert schon damit weit vor allen anderen bisher<br />
nicht im Landtag von Baden-Württemberg<br />
vertretenen Parteien. Hinzu kommt, dass dieser<br />
Partei nach aktuellen Prognosen konkrete Aussichten<br />
darauf eingeräumt werden, neu in den<br />
Landtag einzuziehen. Auch dies kann bei der<br />
Frage nach der Bedeutung einer Partei nicht unberücksichtigt<br />
bleiben“. Diese Rechtsansicht<br />
wird in der Rechtsprechung allerdings nicht immer<br />
geteilt.<br />
Gegenteiliger Ansicht war das OVG Sachsen38 in einem Eilrechtsschutzverfahren der NPD, ge-<br />
38 OVG Sachsen, Beschluss vom 01.03.2011 – 5 B 43/11,<br />
online veröffentlicht bei Beck, BeckRS 2011, 48627.<br />
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