2012, Heft 18, S. 5-15 - PRuF
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Parteienrecht im Spiegel der Rechtsprechung MIP <strong>2012</strong> <strong>18</strong>. Jhrg.<br />
hat nun auch wieder einmal das OVG Niedersachsen<br />
23 erinnern müssen, nachdem zuvor das<br />
VG Göttingen 24 in einem Eilrechtsschutzverfahren<br />
des Landesverbandes Niedersachsen der<br />
NPD gegen die Stadt Northeim auf Überlassung<br />
einer Stadthalle zur Durchführung eines Landesparteitages<br />
entgegengesetzt entschieden hatte 25 .<br />
Dass es auf kommunaler Ebene als Missstand<br />
empfunden wird, sich nicht wirksam gegen<br />
rechtsextreme Anmietungsversuche wehren zu<br />
können – es sei denn, der Zugang zu öffentlichen<br />
Räumen wird allen politischen Parteien versagt –<br />
ist begreiflich. Die rechtlichen Handlungsspielräume<br />
von Kommunen im Umgang mit rechtsextremen<br />
Parteien erscheinen angesichts des für<br />
alle – nicht verbotenen (!) – politischen Parteien<br />
geltenden Chancengleichheitsgrundsatzes in der<br />
Tat nicht sonderlich groß. Vor diesem Hintergrund<br />
soll wohl „die politische Einbettung des<br />
Prozesses [...] einerseits zu einer geringeren Attraktivität<br />
der Kommune für Rechtsextreme führen,<br />
aber auch die demokratische(n) Grundposition(en)<br />
in der Gemeinde weiterentwickeln und<br />
solche Netzwerke festigen, die auch im Alltag<br />
gegen Menschenverachtung handlungsfähig<br />
sind“ 26 . Freilich, diese Fernwirkungen helfen im<br />
Falle eines bestehenden Überlassungsanspruchs<br />
im konkreten Fall nicht weiter. Wohl in der (verzweifelten)<br />
Hoffnung, das Bundesverfassungsgericht<br />
möge die gefestigte Rechtsprechung auf einen<br />
anderen Kurs bringen, reichte die Stadt Northeim<br />
23 OVG Niedersachsen, Beschluss vom 14.04.2011 – 10<br />
ME 47/11, online veröffentlicht bei juris; Leitsatz in:<br />
DVBl 2011, S. 717.<br />
24 VG Göttingen, Beschluss vom 05.04.2011 – 1 B<br />
53/11, nicht veröffentlicht.<br />
25 Ebenso verhielt es sich in dem Eilverfahren des einstweiligen<br />
Rechtsschutzes vor dem VGH Bayern, Beschluss<br />
vom 17.02.2011 – 4 CE 11.287, in: KommBY<br />
2011, S. 276-278, mit Anmerkung von Gerhard Apfelbeck<br />
(vorgehend VG Augsburg, Beschluss vom<br />
24.01.2011 – 7 E 11.101, nicht veröffentlicht), in dem<br />
sich ein NPD-Kreisverband die Überlassung von Räumen<br />
im Kulturzentrum „Wolfgang-Eychmüller-Haus“<br />
in Vöhringen erstritt.<br />
26 So etwa das Handbuch für die kommunale Auseinandersetzung<br />
mit dem Rechtsextremismus, hrsgg. von<br />
Dietmar Molthagen und Lorenz Korgel im Auftrag der<br />
Friedrich-Ebert-Stiftung, Berlin 2009, S. <strong>15</strong>1, online<br />
abrufbar unter http://library.fes.de/pdf-files/do/ 06431.pdf.<br />
138<br />
Kommunalverfassungsbeschwerde ein27 , handelte<br />
sich damit aber lediglich neben einem Nichtannahmebeschluss<br />
des BVerfG28 auch noch eine<br />
Missbrauchsgebühr in Höhe von 2.000 Euro ein:<br />
Die Kommunalverfassungsbeschwerde war offensichtlich<br />
unzulässig, da sie sich nach dem<br />
eindeutigen Wortlaut des Art. 93 I Nr. 4b GG<br />
und des § 91 S. 1 BVerfGG nur gegen ein Gesetz,<br />
nicht aber gegen Gerichtsentscheidungen<br />
richten kann. Die Voraussetzungen der Zulässigkeit<br />
einer Kommunalverfassungsbeschwerde<br />
wurden „so eklatant missachtet, dass die Verfassungsbeschwerde<br />
als missbräuchlich zu beurteilen<br />
ist“, so das BVerfG.<br />
Jedenfalls eine eindeutige, politische Veranstaltungen<br />
generell ausschließende Vergabepraxis<br />
für kommunale Einrichtungen eröffnet der öffentlichen<br />
Hand unbestreitbar die Möglichkeit,<br />
sich unliebsamer Überlassungsanträge zu erwehren.<br />
Dies gilt auch bei einer Änderung der Vergabepraxis<br />
für die Zukunft, selbst wenn diese<br />
Änderung nur einen begrenzten Zeitraum (nämlich<br />
für die Dauer der Wahlkampfzeit) gelten<br />
soll, vorausgesetzt, die von einem Träger öffentlicher<br />
Gewalt beschlossene Änderung seiner<br />
Vergabepraxis wird erst auf solche Vergabeanträge<br />
angewendet, die zeitlich nach der Entscheidung<br />
über die Änderung gestellt werden. Irrelevant<br />
ist nach dem VG Berlin29 dann auch, „dass<br />
Anlass für die (vorübergehende) Änderung der<br />
Verwaltungspraxis die Erfahrungen des Antragsgegners<br />
bei der für den 30. Juni 2011 geplanten<br />
Veranstaltung der Antragstellerin war. Entscheidend<br />
ist insoweit allein, dass die vorgenommene<br />
Änderung der Vergabepraxis alle Parteien,<br />
Wählergemeinschaften und Wahlbewerber gleichermaßen<br />
trifft“.<br />
Im Gegensatz zur tatsächlichen Vergabepraxis,<br />
für die der Träger öffentlicher Gewalt die (mit-<br />
27 „Die Beschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht<br />
war unsere letzte Hoffnung“, äußerte sich der Bürgermeister<br />
der Stadt Northeim gegenüber dem NDR, s.<br />
http://www.ndr.de/regional/niedersachsen/harz/northeim<br />
145.html: „Northeim rüstet sich für NPD-Parteitag“<br />
(abgerufen 20.02.<strong>2012</strong>).<br />
28 BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 12.05.2011 – 2<br />
BvR 941/11, online veröffentlicht bei juris.<br />
29 VG Berlin, Beschluss vom 12.08.2011 – 2 L 126.11,<br />
online veröffentlicht bei juris.